Nachfolge Jesu

Die Nachfolge Jesu bezeichnet im Christentum die besondere, ursprüngliche Begleitung Jesu von Nazarets auf seiner Wanderschaft, die meist mit der Einladung Jesu beginnt: Komm und folge mir nach! In diesem Sinn ist der Begriff zum feststehenden Ausdruck für christliche Existenz, die sich an Lehre und Vorbild Jesu orientiert, geworden.

Nachfolge im Neuen Testament

Die Berufung

Jesus berief Jünger - Männer und Frauen - in seine Nachfolge: Dies berichten alle Evangelien als seine ersten öffentlichen Handlungen. Die Quellen kennen verschiedene Typen von Berufungsgeschichten:

  • das vollmächtige, diskussionslose Hinausrufen (griech. akolouthein) aus Beruf, Besitz und Familie (Mk 1,16-18):
Als er am Galiläischen Meer entlangging, sah er Simon und Andreas, seinen Bruder, wie sie ihre Netze ins Meer warfen; denn sie waren Fischer. Und Jesus sprach zu ihnen: Folgt mir nach; ich werde euch zu Menschenfischern machen! Sogleich verließen sie ihre Netze und folgten ihm nach.
  • die freie Entscheidung zur Nachfolge Jesu, die dieser zunächst auf ihre Belastbarkeit prüft (Mt 8,19-22):
Und es trat zu ihm ein Schriftlehrer, der sprach zu ihm: Rabbi, ich will dir folgen, wo du hingehst. Jesus sagte zu ihm: Die Füchse haben Gruben, und die Vögel unter dem Himmel haben Nester; aber des Menschen Sohn hat nicht, wo er sein Haupt hinlege.
Und ein anderer unter den Jüngern sprach zu ihm: Herr, erlaube mir, dass ich hingehe und zuvor meinen Vater begrabe. Aber Jesus sprach zu ihm: Folge du mir und lass die Toten ihre Toten begraben!
  • die Nachfolge durch Vermittlung anderer, die Jesu besondere Aufgabe weitererzählen (Joh 1,35ff):
Am nächsten Tag stand Johannes und zwei seiner Jünger; und als er Jesus vorbeigehen sah, sprach er: Seht, das ist Gottes Lamm! Und die zwei Jünger hörten ihn reden und folgten Jesus nach.

In allen drei Typen ist Jesus als eigentlicher Initiator der Nachfolge vorausgesetzt. Vor allem die zwölf Apostel werden als in dieser Weise Berufene - und so zugleich ohne ihr Zutun von Gott Erwählte - dargestellt.

nach. hdygfhsbefulz<sgfpui<wzgfpiuzgterpuigweaüi4ugtri<svdn <jxgfvpi aehpri7tvz3´498t zuseaü98tujsearzatzsrtz Jesu Lehre war aber nicht an bestimmte feste Orte gebunden, sondern erfolgte unterwegs, oft auf freiem Feld oder am See, vom Boot aus, auf Anhöhen oder in Häusern, in denen er - oft zur Überraschung der Bewohner - als Gast einkehrte, später im Jerusalemer Tempel. Seine Jünger wechselten den Lehrer nicht, sondern blieben als Christen ihr Leben lang seine Schüler. Er übergab ihnen zwar dieselbe Vollmacht, zu heilen und Menschen zu berufen (Mk 16,9ff), dennoch blieb seine Lehre an seine Person gebunden und qualitativ von allen ihren späteren Auslegungen unterschieden: Sie kann nur ganz oder gar nicht befolgt werden (Mt 7,26-28).

Ferner war seine Nachfolge nicht Männern vorbehalten, sondern stand Frauen - laut Quellen offenbar von Beginn an - gleichwertig offen (Mk 1,30f; Lk 8,2f).

Merkmale der Jüngerschaft Jesu

Die aus ihrer gesicherten Existenz in Jesu Nachfolge Gerufenen sind zur Verkündigung des Reiches Gottes beauftragt, nehmen also voll und ganz an Jesu eigener Sendung teil (Mk 1,16).

  • So erhalten Jesu Jünger seine Gabe zum Heilen und Austreiben der „Dämonen", also jener Mächte, die Menschen am ganzen Menschsein hindern (Mk 3,14; Lk 10,9).
  • Sie teilen Gottes Segen wie eine „Aura endzeitlichen Heils" aus (Gerd Theißen, Historischer Jesus S. 200): Wo sie einkehren, ist den Gastgebern bereits Gottes zukünftiger Schalom gewiss. Wo sie abgelehnt werden, sollen sie nicht mehr umkehren, sondern den „Staub von ihren Füßen schütteln" und weiterziehen, also den Ort Gottes Endgericht überlassen (Mt 10,14f).
  • Seine Jünger müssen daher seine Heimatlosigkeit in der unerlösten Welt teilen - bis hin zum nicht gesuchten, aber jederzeit möglichen Martyrium zum Zeugnis der nicht machbaren Nähe Gottes für die ungerecht Leidenden (Mk 8,34ff). Diese Randexistenz ist das sichtbare Zeichen des notwendigen Konflikts, in den Gottes Zukunft die Gegenwart bringt, um deren Gottferne (Sünde) und Verfallenheit an den Tod aufzudecken.
  • Dies bedeutet unbedingte Solidarität mit den gesellschaftlich Ausgegrenzten, die keinerlei Zugangsmöglichkeit zu religiösen, materiellen und politischen Privilegien besitzen. Die Evangelien heben gemäß der damaligen Situation in Israel Zöllner, Dirnen, Krüppel, Bettler, Leprakranke, aber auch Samaritaner und auch einige Römer hervor (Adolf Holl, Jesus in schlechter Geellschaft).
  • Wer dies auf sich nimmt, erhält Jesu Verheißung einer hoheitlichen Würde für die Endzeit (Mt 19,28; Lk 22,30): Sie werden sitzen auf Thronen und richten die zwölf Stämme Israels. Dies war in jüdischer Tradition die Aufgabe des Messias selber, die hier auf alle Nachfolger übertragen wird. Diese bilden also eine Art „messianisches Kollektiv“ (Theißen, a.a.O.) bzw. eine „Vorhut des Reiches Gottes“ (Helmut Gollwitzer, Befreiung zur Solidarität).

Nachfolge in der Kirchengeschichte

Der Ruf in die Nachfolge gilt jedem Christen. Doch der damit verbundenen Lebensweise, dem Verzicht auf gesicherte Existenz und ein Dasein als Wanderbettler, der sich von dem nährt, was unterwegs zu finden war, folgte im Aufstieg des Christentums bald nur noch eine Minderheit. Da die mit dieser Wanderexistenz verbundene Ethik Jesu aber nicht völlig verdrängt und ins rein Geistige umgedeutet werden konnte, schuf die kirchliche Theologie eine Zweistufenethik: Die Gebote der Bergpredigt, die sich eigentlich an alle Jünger und das umgebende Volk gerichtet hatten (Mt 5,1ff), galten nur noch für besonders Fromme, die sich zu lebenslanger Askese in einer abgeschiedenen Gemeinschaft, dem Kloster und Mönchsorden, entschieden. Der breiten Masse dagegen wurde das Christsein durch Taufe, Teilnahme am Gottesdienst und Sakramentsempfang erleichtert.

Theologische Literatur, die sich mit dem Thema Nachfolge befasste, war daher selten und bildete oft einen kritischen Anstoß zur Reformation der Kirche und ihres Verhältnisses zur umgebenden Gesellschaftsordnung. Dies galt bereits für Franz von Assisi und die sich auf ihn berufenden Bettelorden bzw. Armutsbewegungen des Mittelalters, etwa die Fratres Minores.

Ein Klassiker, der den schwierigen Weg in der Nachfolge beschreibt, ist Thomas von Kempen mit seinem ursprünglich lateinischen Buch Imitatio Christi („Nachahmung Christi"). Dietrich Bonhoeffer hat 1936 ein vielbeachtetes Buch Nachfolge geschrieben, das teilweise zur Grundlage der illegalen Pastorenausbildung der Bekennenden Kirche im Predigerseminar Finkenwalde wurde.

Literatur

Überblick

  • Ulrich Luz, Karl Suso Frank, John K. Riches, Hans-Joachim Klimkeit: Nachfolge Jesu I. Neues Testament II. Alte Kirche und Mittelalter III. Von der Reformation bis zur Gegenwart IV. Ethik V. Religionsgeschichte. In: Theologische Realenzyklopädie 23 (1993), S. 678-713 (enzyklopädischer Überblick mit weiterer Lit. bezogen auf den christl. Wortgebrauch)

Exegetisch

  • Luise Schottroff, Wolfgang Stegemann: Jesus von Nazareth - Hoffnung der Armen. Kohlhammer, Mainz 1981, ISBN 3170075543
  • Hans Dieter Betz: Nachfolge und Nachahmung Jesu Christi im Neuen Testament. Mohr Siebeck, 1967, ISBN 3161018516
  • Martin Hengel: Nachfolge und Charisma. Eine exegetisch-religionsgeschichtliche Studie zu Mt 8,21f. und Jesu Ruf in die Nachfolge. ISBN 3110056003

Kirchengeschichtlich

  • Heinz Wolfgang Kuhn: Nachfolge nach Ostern. In: Kirche, Festschrift für Günther Bornkamm (Hrsg. Dieter Lührmann und Georg Strecker), J. C. B. Mohr/Siebeck, Tübingen 1980, S. 105–132
  • Brigitta Eßer, Eberhard von Gemmingen (Hrsg.): In Gesellschaft Jesu. Texte zur Nachfolge, von Ignatius bis Teilhard de Chardin. Matthias Grünewald, Mainz 1982, ISBN 3786707286
  • Hans J. Milchner: Nachfolge Jesu und Imitatio Christi. Literaturverlag, 2004, ISBN 3825869482

Theologisch

  • Dietrich Bonhoeffer: Nachfolge. In: Eberhard Bethge, Ernst Feil, Christian Gremmels (Hrsg.): Werke Band 4, Gütersloher Verlagshaus 2002 (3. durchgesehene und aktualisierte Auflage), ISBN 3579018744
  • Bertold Klappert, Hans-Joachim Kraus, Friedrich-Wilhelm Marquardt (Hrsg.): Jesusbekenntnis und Christusnachfolge. Gütersloher Verlagshaus, 1992, ISBN 3579051156

Praktisch

  • Wolfgang Bühne: Kann denn Liebe Sünde sein? Freundschaft, Liebe, Sexualität und die Nachfolge Jesu Christliche Literatur-Verbreitung e.V. 1995, ISBN 3893977635
  • Peter J van Ool, Kondrad Baumgartner, Erich Garhammer (Hrsg.): Befreiende Praxis der Nachfolge. Biblische, historische und befreiungstheologische Impulse zur Nachfolge Jesu, des Christus. Echter, 2000, ISBN 3429021871von