„Generisches Maskulinum“ – Versionsunterschied

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Ein '''generisches Maskulinum''' (eine verallgemeinernde männliche Form eines Wortes) liegt dann vor, wenn bei Personenbezeichnungen, insbesondere bei [[Beruf]]sbezeichnungen und Substantiven, die den Träger eines Geschehens bezeichnen (Nomina agentis), die [[Genus|maskuline]] Form auch weibliche Personen einbezieht. Diese Formulierungsmöglichkeit wird traditionell dann gewählt, „wenn das natürliche Geschlecht unwichtig ist oder männliche und weibliche Personen gleichermaßen gemeint sind. Das Maskulinum ist hier neutralisierend bzw. verallgemeinernd (‚generisch‘).“<ref>''Der Duden. Grammatik''. Ausgabe 1995. S.196f.</ref>
Ein '''generisches Maskulinum''' (eine verallgemeinernde männliche Form eines Wortes) liegt dann vor, wenn bei Personenbezeichnungen, insbesondere bei [[Beruf]]sbezeichnungen und Substantiven, die den Träger eines Geschehens bezeichnen (Nomina agentis), die [[Genus|maskuline]] Form auch weibliche Personen einbezieht. Diese Formulierungsmöglichkeit wird traditionell dann gewählt, „wenn das natürliche Geschlecht unwichtig ist oder männliche und weibliche Personen gleichermaßen gemeint sind. Das Maskulinum ist hier neutralisierend bzw. verallgemeinernd (‚generisch‘).“<ref>''Der Duden. Grammatik''. Ausgabe 1995. S.196f.</ref> Die Verwendung eines Maskulinums ohne expliziten Ausschluss von weiblichen Personen berechtigte aber vereinzelt bis ins späte 20. Jahrhundert auch im deutschen Sprachraum nicht dazu automatisch gleiche Rechten und Pflichten zu haben.


Beispiele:
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Gelegentlich werden auf Menschen auch ''generische Feminina'' (''die Person'', ''die Geisel'', ''die Waise'') und ''generische Neutra'' (''das Opfer'', ''das Kind'') angewandt. Zur Kategorie der generischen Neutra gehören alle [[Diminutiv]]e, sofern sie als solche erkannt und empfunden werden (''das Männchen'', ''das Schneiderlein'', aber ''die Ursel'').
Gelegentlich werden auf Menschen auch ''generische Feminina'' (''die Person'', ''die Geisel'', ''die Waise'') und ''generische Neutra'' (''das Opfer'', ''das Kind'') angewandt. Zur Kategorie der generischen Neutra gehören alle [[Diminutiv]]e, sofern sie als solche erkannt und empfunden werden (''das Männchen'', ''das Schneiderlein'', aber ''die Ursel'').


Es kommt in der [[Deutsche Sprache|deutschen Sprache]] und in den meisten Sprachen, die über mindesten zwei Genera verfügen, relativ häufig vor, dass das [[Genus]] (das ''grammatikalisches Geschlecht'') einer Personenbezeichnung vom [[Sexus (Sprache)|Sexus]] (dem ''biologischen Geschlecht'') der bezeichneten Person abweicht. Bei Menschen wird im Deutschen das generische Maskulinum häufiger als das generische Femininum und das generische Neutrum benutzt (z.B. bei fast allen [[Beruf]]sbezeichnungen und „nomina agentis“).
Es kommt in der [[Deutsche Sprache|deutschen Sprache]] und in den meisten Sprachen, die über mindesten zwei Genera verfügen, relativ häufig vor, dass das [[Genus]] (das ''grammatikalisches Geschlecht'') einer Personenbezeichnung vom [[Sexus (Sprache)|Sexus]] (dem ''biologischen Geschlecht'') der bezeichneten Person abweicht. Bei Menschen wird im Deutschen das generische Maskulinum häufiger als das generische Femininum und das generische Neutrum benutzt (z.B. bei fast allen [[Beruf]]sbezeichnungen und „nomina agentis“).


Auch für die Bezeichnung von Tieren gibt es in der deutschen Sprache neben generischen Maskulina (''der Hund'', ''der Löwe'') auch generische Feminina (''die Gans'', ''die Katze'') und generische Neutra (''das Pferd'', ''das Nashorn'').
Auch für die Bezeichnung von Tieren gibt es in der deutschen Sprache neben generischen Maskulina (''der Hund'', ''der Löwe'') auch generische Feminina (''die Gans'', ''die Katze'') und generische Neutra (''das Pferd'', ''das Nashorn'').


Der Begriff ''generisches Maskulinum'' ist nicht auf Gegenstände („der Tisch“) und Abstrakta („der Ruhm“) anwendbar, weil es in diesen Fällen keinen Konflikt zwischen dem Genus des Wortes (des sprachlichen Zeichens) und dem [[Sexus (Sprache)|Sexus]] des Bezeichneten geben kann.
Der Begriff ''generisches Maskulinum'' ist nicht auf Gegenstände („der Tisch“) und Abstrakta („der Ruhm“) anwendbar, weil es in diesen Fällen keinen Konflikt zwischen dem Genus des Wortes (des sprachlichen Zeichens) und dem [[Sexus (Sprache)|Sexus]] des Bezeichneten geben kann.


== Genus und Sexus ==
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==== Vermeidbare bzw. vorgetäuschte Verständnisprobleme ====
==== Vermeidbare bzw. vorgetäuschte Verständnisprobleme ====
Der Einwand, Frauen seien beim generischen Maskulinum nicht mitgemeint bzw. dieser Eindruck dränge sich auf, kann durch den Hinweis auf die Realität teilweise entkräftet werden: Da in Rechtsstaaten die Gleichberechtigung der Geschlechter garantiert ist, müssen dort im Zweifelsfall Frauen mit grammatisch maskulinen Personenbezeichnungen mitgemeint sein, wenn sie nicht ausdrücklich erwähnt werden. So muss auch das [[Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland|Grundgesetz]] nicht deshalb geändert werden, weil es seit 2005 eine [[Bundeskanzler (Deutschland)|Bundeskanzler]]in gibt, da alle Aussagen, in denen die Formulierung „der Bundeskanzler“ vorkommt, per Definition auch auf Bundeskanzlerinnen anwendbar sind.<ref>„Der Duden“. ''„Bundeskanzlerin“ ist das „Wort des Jahres 2005“''. http://www.duden.de/deutsche_sprache/woerter_unwoerter/2005.php</ref>
Der Einwand, Frauen seien beim generischen Maskulinum nicht mitgemeint bzw. dieser Eindruck dränge sich auf, kann durch den Hinweis auf die Realität teilweise entkräftet werden: Da heute in vielen Rechtsstaaten die Gleichberechtigung der Geschlechter durch einen eigenen Paragraphen oder ein eigenes Gesetz garantiert ist (beispielsweise im [[Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland]] {{Art.|3|gg|juris}} Abs. 2 seit 1949, gegen heftige Widerstände durchgesetzt<ref>[http://www.meinhard.privat.t-online.de/frauen/grundgesetz.html Männer und Frauen sind gleichberechtigt, Art. 3 Abs. 2 GG] - historische Darstellung, meinhard.privat.t-online.de, Version: 4. Oktober 2007</ref>, dem entgegenstehende Bestimmungen treten erst 1953 ausser Kraft, 1958 wird das bürgerliche Recht angepasst<ref>[http://www.meinhard.privat.t-online.de/frauen/chronik.html Der lange Weg zur Gleichberechtigung in Deutschland] - Chtonik, meinhard.privat.t-online.de, Version: 4. Oktober 2007</ref>), müssen dort im Zweifelsfall Frauen mit grammatisch maskulinen Personenbezeichnungen mitgemeint sein, wenn sie nicht ausdrücklich erwähnt werden. So muss auch das [[Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland|Grundgesetz]] nicht deshalb geändert werden, weil es seit 2005 eine [[Bundeskanzler (Deutschland)|Bundeskanzler]]in gibt, da alle Aussagen, in denen die Formulierung „der Bundeskanzler“ vorkommt, per Definition auch auf Bundeskanzlerinnen anwendbar sind.<ref>„Der Duden“. ''„Bundeskanzlerin“ ist das „Wort des Jahres 2005“''. http://www.duden.de/deutsche_sprache/woerter_unwoerter/2005.php</ref>

Im Jahre 1886 wurde das Ansinnen der [[Rechtswissenschaft]]en studierenden [[Emilie Kempin-Spyri]], ihren Mann vor Gericht juristisch zu vertreten, von diesem abgewiesen. Frauen seinen zwar nicht im Gesetz ausdrücklich vom Aktivbürgerrecht ausgeschlossen (die einzige Bedingung jemaden rechtlich vertreten zu dürfen), aber nur deshalb, weil die Gesetzgeber die Möglichkeit nicht vor Augen hatten, dass Frauen dieses Recht jemals in Anspruch nehmen könnten. In ihrer staatsrchtlichen Beschwerde an das Bundesgericht im Jahre 1887 argumentierte sie, dass Art. 4 der Bundesverfassung („Alle Schweizer sind vor dem Gesetze gleich“) sowohl Männer und Frauen umfasse, also ein generisches Maskulinum sei, und daraus sei eine Gleichberechtigung der Geschlechter zu folgern. Diese Argumentation wurde vom Bundesgericht als „ebenso neu als kühn“ zurückgewiesen. Im [[Kanton Zürich]] wurde daraufhin 1898 ein neues Anwaltsgesetz in Zürich eingeführt, das den Frauen erlaubte, den Anwaltsberuf auszuüben, trotz fehlendem Aktivbürgerrecht. Später folgten ettliche weitere Kantone und die mehrheitlichen gesellschaftlichen Gegebenheiten änderten sich. Im Jahre 1923 wurde dann der Klage von Dora Roeder entsprochen, welche im [[Kanton Freiburg]] wegen nicht vorhandenem Aktivbürgerrechts nicht zugelassen wurde. Das Bundesgericht distanzierte sich ausdrücklich vom Entscheid Kempin und betonte, dessen Grundgedanke stehe nicht mehr im Einklange mit den aktuellen Gegebenheiten.<ref name="weber">Beatrice Weber-Dürler: [http://www.hsl.ethz.ch/pdfs/2008_01_S13_B_Weber-Duerler.pdf Auf dem Rechtsweg zur Gleichberechtigung – vom Fall Kempin bis heute], Bulletin der Vereinigung der Schweizerischen Hochschuldozierenden (VHS-Bulletin), Nr. 1, April 2008, S. 13</ref>

Ähnliches ereignete sich 1957 beim [[Frauenstimmrecht in der Schweiz]]. Eine Gruppe von Frauen aus dem [[Kanton Waadt]] machte vor dem Bundesgericht geltend, sie seien eigentlich schon im Besitz des kantonalen Stimmrechts. Man müsse nur das Wort „Suisse“ (frz. für „Schweizer“) in der kantonalen Verfassungsbestimmung über das Aktivbürgerrecht zeitgemäß und im Sinne der Rechtsgleichheit auslegen. Da es in noch keinem Kanton ein Stimmrecht für Frauen gab, war die Klage chancenlos und das Bundesgericht machte im Laufe der Zeit auch deutlich, dass so eine Einführung die Sache des Gesetzgebers und nicht der Gerichte war. Derselbe Kanton führte das Frauenstimmrecht zwei Jahre später im Jahre 1959 als erster Kanton ein. Die am selben Tag durgeführte Abstimmung für das bundesweite Frauenwahlrecht wurde mit 2/3 der Stimmen der Männer abgeschmettert und gelang erst 1971, wobei aber die Kantonsklausel bestehen blieb. Erst im Jahre 1990 zwang das Bundesgericht den letzten ausständigen [[Kanton Appenzell Innerrhoden]] das kantonale Frauenstimmrecht zu verwirklichen.<ref name="weber"/>

Günstig wirkte sich dabei auch der erst 1981 eingeführte [http://www.admin.ch/ch/d/sr/101/a8.html Art. 8 BV] aus, der Gleichberechtigungsartikel in der Bundesverfassung.<ref name="weber"/> 1996 trat dann das Gleichstellungsgesetz in Kraft, welches explizit jede Form der Dirkriminierung in der Erwerbsarbeit verbietet und mit dem Jahr 2000 trat die überarbeitete Version der Bundesverfassung in Kraft, mit der Präzisierung „rechtliche und tatsächliche Gleichstellung“. Das politisch eng verbundene Fürstentum Liechtenstein führte das Frauenstimm- und Wahlrecht sogar erst am 1. Juli 1984 im dritten Anlauf ein.


==== Sprache als Instrument fragwürdiger politischer Bestrebungen ====
==== Sprache als Instrument fragwürdiger politischer Bestrebungen ====

Version vom 24. August 2008, 20:48 Uhr

Ein generisches Maskulinum (eine verallgemeinernde männliche Form eines Wortes) liegt dann vor, wenn bei Personenbezeichnungen, insbesondere bei Berufsbezeichnungen und Substantiven, die den Träger eines Geschehens bezeichnen (Nomina agentis), die maskuline Form auch weibliche Personen einbezieht. Diese Formulierungsmöglichkeit wird traditionell dann gewählt, „wenn das natürliche Geschlecht unwichtig ist oder männliche und weibliche Personen gleichermaßen gemeint sind. Das Maskulinum ist hier neutralisierend bzw. verallgemeinernd (‚generisch‘).“[1] Die Verwendung eines Maskulinums ohne expliziten Ausschluss von weiblichen Personen berechtigte aber vereinzelt bis ins späte 20. Jahrhundert auch im deutschen Sprachraum nicht dazu automatisch gleiche Rechten und Pflichten zu haben.

Beispiele:

Variante 1: Frauen sind mitgemeint.
Die Wanderer gingen den Berg hinauf. (Variante 1a: Die Rede ist von Gruppen, zu denen – vermutlich – auch männliche Personen gehören)
Ein Feuerwehrmann hat keine Angst vor dem Feuer. Der Deutsche gilt als fleißig. (Variante 1b: Die Rede ist nicht von einem bestimmten realen Mann, sondern von einer imaginierten männlichen oder weiblichen Person als Träger einer Rolle oder von Eigenschaften; es liegt ein generalisierender Singular vor)
Variante 2: Eindeutig (ausschließlich) weibliche Personen werden mit grammatisch maskulinen Begriffen bezeichnet.
Am Telefon ist unser Reporter Claudia Meyer. (Variante 2a: Die Rede ist von einer einzelnen weiblichen Person)
Die nächsten Sänger, die auftraten, waren Lisa und Anna. (Variante 2b: Die Rede ist von mehreren weiblichen Personen)

Gelegentlich werden auf Menschen auch generische Feminina (die Person, die Geisel, die Waise) und generische Neutra (das Opfer, das Kind) angewandt. Zur Kategorie der generischen Neutra gehören alle Diminutive, sofern sie als solche erkannt und empfunden werden (das Männchen, das Schneiderlein, aber die Ursel).

Es kommt in der deutschen Sprache und in den meisten Sprachen, die über mindesten zwei Genera verfügen, relativ häufig vor, dass das Genus (das grammatikalisches Geschlecht) einer Personenbezeichnung vom Sexus (dem biologischen Geschlecht) der bezeichneten Person abweicht. Bei Menschen wird im Deutschen das generische Maskulinum häufiger als das generische Femininum und das generische Neutrum benutzt (z.B. bei fast allen Berufsbezeichnungen und „nomina agentis“).

Auch für die Bezeichnung von Tieren gibt es in der deutschen Sprache neben generischen Maskulina (der Hund, der Löwe) auch generische Feminina (die Gans, die Katze) und generische Neutra (das Pferd, das Nashorn).

Der Begriff generisches Maskulinum ist nicht auf Gegenstände („der Tisch“) und Abstrakta („der Ruhm“) anwendbar, weil es in diesen Fällen keinen Konflikt zwischen dem Genus des Wortes (des sprachlichen Zeichens) und dem Sexus des Bezeichneten geben kann.

Genus und Sexus

Zum Verhältnis von Genus und Sexus gibt es in der Linguistik zwei verschiedene Auffassungen:

Der ersten Auffassung zufolge haben Genus und Sexus in Sprachen wie dem Deutschen nichts miteinander zu tun: Wenn ein Tisch „männlich“ sei, dann könne ein Teil von ihm, nämlich das Tischbein, nicht „sächlich“ sein. Tatsächlich sei die Zuordnung von Genera zu Wörtern zufällig und willkürlich, wie auch die Genuszuordnung beim Besteck beweise: „der Löffel“, „die Gabel“, „das Messer“. Auch seien nicht alle Hunde (generisches Maskulinum) männlich und nicht alle Katzen (generisches Femininum) weiblich. „Sachen“ seien Pferde (generisches Neutrum) allenfalls für Juristen und Ökonomen. Auch bei Lebewesen gebe es also chaotische Verhältnisse bei der Zuordnung von Oberbegriffen zu Genera. Folglich sei nichts dagegen einzuwenden, wenn auch Menschen mit einem von ihrem Sexus abweichenden Wort bezeichnet würden.

Der zweiten Auffassung zufolge ist eine Kongruenz zwischen Sexus und Genus bei Personenbezeichnungen der Normalfall. Bei der Bezeichnung von Verwandtschaftsverhältnissen wird sie konsequent eingehalten („der Vater“, aber „die Mutter“). Sprachen unterschieden einerseits zwischen „Animata“ (Belebtem, Leitfrage: „Wer?“) und „Inanimata“ (Unbelebtem, Leitfrage: „Was?“), andererseits zwischen Männlichem und Weiblichem. Diese beiden Trennungen kämen in der Dreizahl der Genera zum Ausdruck. Um Abweichungen von der Kongruenz zu verstehen, sei ein hohes Maß an Abstraktionsvermögen erforderlich. Diese Abweichungen müssten gerechtfertigt werden und nicht die Einhaltung der Kongruenz.[2]

Problematik

Argumente für das generische Maskulinum

Sprachliche Korrektheit der Trennung von Genus und Sexus

Die Verwendung der generischen Form entspricht in den Fällen, die von o.g. Definition umfasst sind, den Regeln der deutschen Sprache. Die „sinnwidrige“ Anwendung von Personenbezeichnungen auf das „falsche“ natürliche Geschlecht lässt sich dadurch rechtfertigen, dass die Kategorien „grammatisches Geschlecht“ und „natürliches Geschlecht“ nur Schnittmengen aufweisen, aber nicht deckungsgleich sind. Demnach werden Frauen nicht durch grammatisch maskuline Begriffe „entweiblicht“, wie auch Männer nicht „entmännlicht“ werden, wenn man sie z.B. „eine Person“ nennt.

Soweit argumentiert wird, die Verwendung generischer Formen sei überflüssig, weil empirisch beobachtbar sei, dass die Verwendungshäufigkeit abnehme (s.u., Argumente gegen das generische Maskulinum, Ivo Hajnal zugeschrieben), so handelt es sich hier um einen klassischen Zirkelschluss, also einen Logikfehler. Die Nichtbeachtung sprachlicher Regeln kann nicht damit gerechtfertigt werden, dass sprachliche Regeln nicht beachtet werden, sondern nur damit, dass die entsprechenden Regeln illegitim und nicht (mehr) allgemeingültig seien.

Mangel an praktikablen, verständlichen, informativen und stilistisch ansprechenden Alternativen

Bestimmte Inhalte lassen sich ausschließlich unter Verwendung der generischen Form ausdrücken. Dies verdeutlicht das Beispiel Brühlmeiers[3]: Der Satz „Frauen sind die vernünftigeren Autofahrerinnen“ ergibt z.B. keinen Sinn, da ausnahmslos alle Autofahrerinnen Frauen sind. Es muss heißen: „Frauen sind die vernünftigeren Autofahrer“ (vgl. auch den Abschnitt „Vermittelnde Position“).

Die Methode des „Splittings“ (explizite Benennung beider Geschlechter) als Alternative zum generischen Maskulinum führe zu unpraktischen und unschönen Ergebnissen: Sie mache die Texte lang und unübersichtlich und eigne sich mehr für politische Proklamationen und Festtagsreden als für sachliche Texte. Sie wirke zudem umständlich, verkomplizierend und überladen. Unabhängig davon, ob die explizite Beidnennung durch die Verwendung von Binnen-Is, Schrägstrichen oder die zusätzliche Verwendung auch der femininen Wortform erfolge, werde die Aufmerksamkeit für das natürliche Geschlecht der Bezeichneten verstärkt. Zusätzliche Informationen enthielten solche Ergänzungen selten; gelegentlich störten sie das Verständnis des Gemeinten, vor allem dann, wenn beim flüchtigen Lesen das Binnen-I als kleines I wahrgenommen wird. Einen „female bias“ hat eine Forschungsgruppe der Universität Mannheim in den Fällen erkannt, in denen Binnen-Is benutzt werden.[4] Interessanterweise fanden die drei Mitarbeiterinnen und der männliche Mitarbeiter von Frau Prof. Dr. Dagmar Stahlberg (s.u.) keine ausgeprägten Unterschiede hinsichtlich des Textverständnisses bei den Probanden zwischen der Verwendung des generischen Maskulinums und der Doppelformulierung in ganzen Wörtern.

Bei der Verbindung zweier Funktionsbezeichnungen zu Komposita oder Doppelformulierungen müsste etwa der Begriff „Schülervertreter“ in „Schülerinnen- und Schüler-Vertreter sowie Schülerinnen- und Schüler-Vertreterinnen“ oder „Schülerinnen- und Schülervertreterinnen und -vertreter“ umgeformt werden. Aus „Der Ministerpräsident oder sein Stellvertreter“ würde in der unabgekürzten offiziellen Fassung: „Die Ministerpräsidentin oder der Ministerpräsident, ihre Stellvertreterin oder ihr Stellvertreter oder seine Stellvertreterin oder sein Stellvertreter“ (16 Wörter statt 5 Wörtern).

Andere Schwierigkeiten ergeben sich bei der Lesbarkeit von Texten: „Ein(e) geeignete(r) Sprecher(in) musste den Textvortrag übernehmen.“, insbesondere beim lauten Vorlesen.

Vermeidbare bzw. vorgetäuschte Verständnisprobleme

Der Einwand, Frauen seien beim generischen Maskulinum nicht mitgemeint bzw. dieser Eindruck dränge sich auf, kann durch den Hinweis auf die Realität teilweise entkräftet werden: Da heute in vielen Rechtsstaaten die Gleichberechtigung der Geschlechter durch einen eigenen Paragraphen oder ein eigenes Gesetz garantiert ist (beispielsweise im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Art. 3 Abs. 2 seit 1949, gegen heftige Widerstände durchgesetzt[5], dem entgegenstehende Bestimmungen treten erst 1953 ausser Kraft, 1958 wird das bürgerliche Recht angepasst[6]), müssen dort im Zweifelsfall Frauen mit grammatisch maskulinen Personenbezeichnungen mitgemeint sein, wenn sie nicht ausdrücklich erwähnt werden. So muss auch das Grundgesetz nicht deshalb geändert werden, weil es seit 2005 eine Bundeskanzlerin gibt, da alle Aussagen, in denen die Formulierung „der Bundeskanzler“ vorkommt, per Definition auch auf Bundeskanzlerinnen anwendbar sind.[7]

Im Jahre 1886 wurde das Ansinnen der Rechtswissenschaften studierenden Emilie Kempin-Spyri, ihren Mann vor Gericht juristisch zu vertreten, von diesem abgewiesen. Frauen seinen zwar nicht im Gesetz ausdrücklich vom Aktivbürgerrecht ausgeschlossen (die einzige Bedingung jemaden rechtlich vertreten zu dürfen), aber nur deshalb, weil die Gesetzgeber die Möglichkeit nicht vor Augen hatten, dass Frauen dieses Recht jemals in Anspruch nehmen könnten. In ihrer staatsrchtlichen Beschwerde an das Bundesgericht im Jahre 1887 argumentierte sie, dass Art. 4 der Bundesverfassung („Alle Schweizer sind vor dem Gesetze gleich“) sowohl Männer und Frauen umfasse, also ein generisches Maskulinum sei, und daraus sei eine Gleichberechtigung der Geschlechter zu folgern. Diese Argumentation wurde vom Bundesgericht als „ebenso neu als kühn“ zurückgewiesen. Im Kanton Zürich wurde daraufhin 1898 ein neues Anwaltsgesetz in Zürich eingeführt, das den Frauen erlaubte, den Anwaltsberuf auszuüben, trotz fehlendem Aktivbürgerrecht. Später folgten ettliche weitere Kantone und die mehrheitlichen gesellschaftlichen Gegebenheiten änderten sich. Im Jahre 1923 wurde dann der Klage von Dora Roeder entsprochen, welche im Kanton Freiburg wegen nicht vorhandenem Aktivbürgerrechts nicht zugelassen wurde. Das Bundesgericht distanzierte sich ausdrücklich vom Entscheid Kempin und betonte, dessen Grundgedanke stehe nicht mehr im Einklange mit den aktuellen Gegebenheiten.[8]

Ähnliches ereignete sich 1957 beim Frauenstimmrecht in der Schweiz. Eine Gruppe von Frauen aus dem Kanton Waadt machte vor dem Bundesgericht geltend, sie seien eigentlich schon im Besitz des kantonalen Stimmrechts. Man müsse nur das Wort „Suisse“ (frz. für „Schweizer“) in der kantonalen Verfassungsbestimmung über das Aktivbürgerrecht zeitgemäß und im Sinne der Rechtsgleichheit auslegen. Da es in noch keinem Kanton ein Stimmrecht für Frauen gab, war die Klage chancenlos und das Bundesgericht machte im Laufe der Zeit auch deutlich, dass so eine Einführung die Sache des Gesetzgebers und nicht der Gerichte war. Derselbe Kanton führte das Frauenstimmrecht zwei Jahre später im Jahre 1959 als erster Kanton ein. Die am selben Tag durgeführte Abstimmung für das bundesweite Frauenwahlrecht wurde mit 2/3 der Stimmen der Männer abgeschmettert und gelang erst 1971, wobei aber die Kantonsklausel bestehen blieb. Erst im Jahre 1990 zwang das Bundesgericht den letzten ausständigen Kanton Appenzell Innerrhoden das kantonale Frauenstimmrecht zu verwirklichen.[8]

Günstig wirkte sich dabei auch der erst 1981 eingeführte Art. 8 BV aus, der Gleichberechtigungsartikel in der Bundesverfassung.[8] 1996 trat dann das Gleichstellungsgesetz in Kraft, welches explizit jede Form der Dirkriminierung in der Erwerbsarbeit verbietet und mit dem Jahr 2000 trat die überarbeitete Version der Bundesverfassung in Kraft, mit der Präzisierung „rechtliche und tatsächliche Gleichstellung“. Das politisch eng verbundene Fürstentum Liechtenstein führte das Frauenstimm- und Wahlrecht sogar erst am 1. Juli 1984 im dritten Anlauf ein.

Sprache als Instrument fragwürdiger politischer Bestrebungen

Manche ordnen eine geschlechtsneutrale oder auch Frauen explizit nennende Wortwahl der „politischen Korrektheit“ zu und vertreten die Ansicht, dass damit dem eigentlichen Anliegen mehr geschadet, als dem Ziel der Gleichberechtigung gedient werde

In neueren Ansätzen des Feminismus – nämlich von der Queer Theory – wird die Hervorhebung des Geschlechts bzw. der Zweigeschlechtlichkeit abgelehnt. Begründet wird das vor allem damit, dass die Kategorie „Gender“ nicht mit der Kategorie „Sexus“ identisch sei.

Legitimität bzw. Vermeidbarkeit „unpräziser“ Formulierungen

Jeder Text ist auslegungsfähig und auslegungsbedürftig. Hintergrundwissen ist für ein vertieftes Textverständnis immer erforderlich. Die Notwendigkeit, Aussagen interpretieren zu müssen, lässt sich zudem nie vollständig beseitigen. Die Frage, wer (d.h. welche Gruppe von Menschen) mit einer bestimmten Personenbezeichnung gemeint ist, stellt sich nicht nur im Hinblick auf deren Geschlechtszugehörigkeit (Beispiel: Wer gehört zu den „ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern?“). Unschärfe im Ausdruck kann auch ein (legitimes) Stilmittel sein.

Nützlichkeit des generischen Maskulinums auch für Frauen

Schließlich liegt die These, grammatisch männliche Personenbezeichnungen seien im Zweifelsfall als spezifische Maskulina zu interpretieren, nicht unbedingt im Interesse der feministischen Bewegung: Ursula Doleschal[9] weist nach, dass die These: „Arbeiterinnen sind keine Arbeiter.“ zuerst von patriarchalischen Unternehmern benutzt wurde, um eine ungleiche Bezahlung von männlichen und weiblichen Arbeitern zu rechtfertigen. Um dem Eindruck entgegenzuwirken, Frauen gehörten einer völlig anderen Kategorie von Arbeitskräften an als Männer, sei in der DDR und anderen sozialistischen Staaten weitgehend darauf verzichtet worden, Berufsbezeichnungen im spezifischen Femininum zu benutzen.

Argumente gegen das generische Maskulinum

In der Ausgabe des „Grammatik-Dudens“ von 1998 heißt es: „Besonders bei Berufsbezeichnungen und Substantiven, die den Träger bzw. die Trägerin eines Geschehens bezeichnen (Nomina Agentis), wird die Verwendung des generischen Maskulinums immer mehr abgelehnt.“[10]

Lisa Irmen[11] nennt hierfür drei Hauptgründe:

  1. Das generische Maskulinum drücke die Ungleichwertigkeit von Männern und Frauen aus. Das sei durch sprachhistorische Analysen belegt.
  2. Es sei uneindeutig. Das bewiesen sprachwissenschaftliche und sprachhistorische Befunde.
  3. Frauen fühlten sich durch das generische Maskulinum oft nicht mitgemeint. Das hätten (sozial)psychologische Studien ergeben.

Stützung der Vorstellung von der Ungleichwertigkeit der Frau

Bereits Ulpian, so Irmen, habe im 3. Jahrhundert gelehrt: „Die größere Würde liegt beim männlichen Geschlecht [Sexus]. Wenn in einer Bestimmung nur das männliche Geschlecht [Genus] genannt ist, so erstreckt sie sich gleichwohl zumeist auf beide Geschlechter.“

Insbesondere bei prestigeträchtigen Ämtern und Tätigkeiten sei es als selbstverständlich verstanden worden, dass sie von männlichen Personen ausgeübt worden seien. Je nach Sitte und Bedarf seien auch vereinzelt Frauen zu diesen Tätigkeiten zugelassen worden, für die man aber nicht systematisch die Bezeichnung für die Ausüber der Tätigkeit geändert habe.

Eine gängige Strategie von Frauen, die bislang männlich dominierte Tätigkeiten „eroberten“, sei es bis in die 80-er Jahre des 20. Jahrhunderts gewesen, sich selbst mit maskulinen Begriffen zu bezeichnen (z.B. als „Ingenieur“), um in der Fachwelt Anerkennung zu finden (als Fachkraft, nicht als Frau). Die „zu starke“ Betonung des weiblichen Elements durch Benutzung der Endung „-in“ wurde lange Zeit als nicht zielführend (im Sinne der Emanzipation der Frauen) empfunden, zumal eine besondere Markierung von Frauen die Konnotation fördere, Männer seien der Normalfall und Frauen der Sonderfall.

Spätestens mit den „Richtlinien zur Vermeidung sexistischen Sprachgebrauchs“ sei diese Strategie jedoch aufgegeben worden. Jetzt gelte es, die mit der Endung „-in“ verbundenen negativen Konnotationen zu verändern, indem im Zusammenhang mit dem Reden über Frauen Positives kommuniziert werde.

Uneindeutige Form der Kommunikation

Da das generische Maskulinum die gleiche Form hat wie das spezifische Maskulinum (d. h. die Bezeichnung für eine männliche Person oder eine Gruppe ausschließlich männlicher Personen), wird bei Benutzung des generischen Maskulinums nicht ausdrücklich übermittelt, ob weibliche Personen wirklich mitgemeint sind. Vor allem in Texten zu historischen Begebenheiten ist unklar, ob sich etwa keltische Krieger oder Priester nur auf Männer (spezifisches Maskulinum) oder auf Frauen und Männer (generisches Maskulinum) beziehen. Durch diese Ungenauigkeit im Ausdruck wird das Textverständnis erschwert.

Verfehlung der kommunikativen Absicht

Das Fehlen zusätzlicher Hinweise auf die Zusammensetzung einer Gruppe oder das Geschlecht der gemeinten Person führt sogar im englischsprachigen Raum (im Englischen sind Personen bezeichnende Substantive generell geschlechtsneutral) dazu, dass sich die meisten Menschen im Zusammenhang mit „typisch männlichen“ Tätigkeiten nur selten weibliche Personen vorstellen (sogenannter „Male Bias“ in der kognitiven Präsenz). Diverse Untersuchungen der feministisch orientierten Sozialpsychologie im deutschsprachigen Raum legen den Schluss nahe, dass die Verwendung des generischen Maskulinums diesen offenbar durch die gesellschaftliche Tradition (und z.T. auch durch die Realität der Gegenwart) bewirkten „Male Bias“ noch verstärkt. Sichere, empirisch gestützte Aussagen über den Zusammenhang zwischen der Verwendung des generischen Maskulins im Deutschen und dem male bias können allerdings erst dann getroffen werden, wenn Untersuchungen über einen längeren Zeitraum durchgeführt worden sind. Denn möglicherweise ist (wie im englischsprachigen Raum) die gesellschaftliche Realität selbst und nicht die Sprachverwendung Ursache des male bias.

Dagmar Stahlberg und Sabine Sczesny, Sozialpsychologinnen von der Universität Mannheim, nehmen für sich in Anspruch, in mehreren Studien nachgewiesen zu haben, dass Frauen nicht „mitgedacht“ werden, wenn sie nicht explizit erwähnt werden, das heißt, wenn das generische Maskulinum benutzt wird: Bei einem Experiment, bei dem etwa 100 Personen teilnahmen, lagen Fragebogen in drei unterschiedlichen Sprachversionen vor: einer im generischen Maskulinum, einer geschlechtsneutral formulierten und einer mit Splittingformen. Es wurde beispielsweise nach Lieblings-Romanhelden gefragt. Wurden beide Geschlechter in der Frage angesprochen, so wurden mehr weibliche Romanfiguren genannt als in der Fragestellung, die ausschließlich maskuline Personenbezeichnungen enthielt[12].

Entwicklungspsychologen haben festgestellt, dass im Zuge des Spracherwerbs Kinder erst relativ spät lernen, ein generisches Maskulinum als solches zu verstehen.[13] Das liege daran, dass für dieses Verständnis ein hoher Grad an Abstraktionsvermögen erforderlich sei. Von daher sei es nicht verwunderlich, dass vor allem wenig gebildete und kognitiv beeinträchtigte Menschen generische Maskulina nicht verstehen. Das Gebot der Barrierefreiheit (vgl. auch Leichte Sprache) mache es erforderlich, allgemein verständliche Formulierungen zu benutzen.

Unter Berücksichtigung der Aspekte „Sprachökonomie“ und „Ästhetik“ urteilt Nicola Döring 2003: „Wer es mit der Lesbarkeit von Texten im Sinne eines verständigungsorientierten Kommunikationsbegriffes ernst meint, darf also nicht nur die Sprachökonomie bemühen. Denn was nutzt eine kurze und bündige Formulierung, wenn sie am Ende falsch verstanden wird oder anderweitige Rezeptionsprobleme aufwirft?“[14]

Im angelsächsischen Raum ist durch den vermehrten Hinweis auf Frauen in frauenuntypischen Bereichen der male bias bei den entsprechenden Personenbezeichnungen rückläufig.

Akzeptanz der Alternativen zum generischen Maskulinum

"Frauen sichtbar machen" vs. "Männer unsichtbar machen"

Das Argument, Ersatzformulierungen für das generische Maskulinum seien „umständlich“ oder „unschön“, treffe dann nicht zu, wenn „geschlechtsneutral“ formuliert werde (d.h. wenn sich die Frage: „Generische oder spezifische Verwendung?“ auf Grund der gewählten Personenbezeichnung nicht stelle) und wenn eine weibliche Person oder ausschließlich weibliche Personen bezeichnet werden sollen.

Problematik der Endung "-in"

Laut Ivo Hajnal [15] besteht eine traditionelle Funktion des generischen Maskulinums darin, Zweideutigkeiten bei der Verwendung der Endung „-in“ zu vermeiden. Diese habe auch eine „matrimonielle Funktion“ („die Müllerin“ = die Ehefrau – oder Tochter – von Herrn Müller; vgl. „Luise Millerin“ als ursprünglicher Titel von Schillers „Kabale und Liebe“). Dadurch, dass zunehmend die Endung „-in“ von der matrimoniellen Funktion befreit werde, nehme auch die Notwendigkeit ab, das generische Maskulinum als Funktionsbezeichnung zu benutzen („Pastorin“ wird kaum noch als „Ehefrau des Pastors“ verstanden). Auch gebe es einen empirisch beobachtbaren Prozess der „Semantisierung des Genus“, d.h. im Textverständnis nehme die Korrelation zwischen Genus (vor allem: genus masculinum) und Sexus (vor allem: männliche Person) zu, je häufiger die feminine Personenbezeichnung parallel genannt werde. Nicht nur in der deutschen Sprache sei ein Sprachwandel dergestalt erkennbar, dass Genus und Sexus im Sprachgebrauch und im Sprachverständnis immer häufiger in Übereinstimmung gebracht würden, so Hajnal. Besonders stark sei dieser Trend in slawischen Sprachen ausgeprägt. Möglicherweise werde im Deutschen das generische Maskulinum durch zunehmenden Nichtgebrauch aussterben.

Vermittelnde Position

Es gibt auch Anhänger einer sogenannten „geschlechtergerechten“ Sprache, die einräumen, dass in manchen Fällen das generische Maskulinum die sinnvollste Ausdrucksweise darstelle. [16] Beispielsätze:

  • „Mädchen sind die besseren Schüler.“
  • „Bei uns ist der Kunde noch König.“

Jeder Versuch, die beiden Aussagen in sogenannte „geschlechtergerechte Sprache“ zu übersetzen, führe entweder zu Satzungetümen oder zu Tautologien.

Neuerdings empfehlen auch Feministinnen, das Binnen-I nicht zu benutzen, da es „eher verarbeitet [wird] wie ein Femininum“.[17] Generell ist ein Trend weg von Splittingformen hin zu unmarkierten Formen (Beispiel: „Feuerwehrleute“) erkennbar, durch die nicht nur Frauen, sondern auch Männer „sprachlich unsichtbar gemacht“ werden.

Ein Beispiel für einen Kompromiss nach langem Ringen in einem gemischtgeschlechtlichen Team bietet der Vorschlag „Genusgebrauch in Evaluationsberichten“ von Wolfgang Beywl, Jochen Kehr und Cornelia Keller-Ebert:[18]

„1. Geschlechtsneutrale Bezeichnungen werden bevorzugt; sie sind nicht diskriminierend und gleichzeitig effizient, sowohl was das Schreiben wie das Lesen betrifft.
2. Die Effizienz wird dadurch gesteigert, dass wann immer angemessen der Plural genutzt wird.
3. Sind ‚neutrale‘ Bezeichnungen für Personen nicht verfügbar oder so ungewöhnlich, dass sie den Text- und Lesefluss hemmen, soll die Doppellösung gewählt werden: die weibliche und die männliche Form, ebenfalls im Plural.
4. Schließlich wird als Ausnahme das generische Maskulinum genutzt, das sich z.B. in alltagssprachlichen Komposita oder Fachbegriffen eingebürgert hat.
5. Schließlich ist nachrangig auch das generische Femininum zulässig, wenn die weiblichen Personen anteilsmäßig klar dominieren (‚Erzieherinnenausbildung‘).“

Einen methodischen Tipp gibt die ETH Zürich in Regel 8 ihrer „12 Sprachregeln“[19]: „Wenn Sie einen Text zuerst in der männlichen Form erarbeiten und die weibliche Form erst nachträglich ergänzen, wirkt dies meist langweilig, aufgesetzt und schwerfällig.“ Man sollte also nicht mit dem Satz: „Die Teilnehmer des Seminars sind berechtigt, die Software zu benutzen.“ beginnen und ihn in: „Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Seminars sind berechtigt, die Software zu benutzen.“ umformulieren, sondern gleich „Die Teilnahme am Seminar berechtigt zur Benutzung der Software.“ schreiben (ein Wort weniger als in der ersten Fassung!).

Auch das Goethe-Institut stellt in Sachen Personenbezeichnungen die These auf: „Kreativität ist die Lösung“.[20]

Anwendung alternativer Formulierungen

Splitting und neutrale Formulierungen

Die linke Schweizer Wochenzeitung WOZ und die Berliner Tageszeitung taz verwenden in ihren Beiträgen die abgekürzte alternative Schreibweise mit dem Binnen-I (LehrerInnen, SozialpädagogInnen, MinisterialrätInnen usw.). Die Verwendung des Binnen-I bzw. großen I im Wortinnern entspricht weder den alten noch den neuen Rechtschreibregeln. Es wird angeführt, dass es den geschriebenen vom gesprochenen Text trennt. Auch der Ursprung dieser Schreibweise aus der links-alternativen Szene wirkt in der Alltagspraxis bei manchen abschreckend. Das Binnen-I stieß überwiegend auf gesellschaftliche Ablehnung. Dadurch, dass in vielen Fällen die maskuline Form im Wort nicht mehr erkennbar ist, handelt es sich eher um ein verstecktes generisches Femininum, zumal dann, wenn z.B. das Wort „BürgerInnen“ beim Vorlesen eines nicht selbst verfassten Textes als „Bürgerinnen“ und nicht als „Bürgerinnen und Bürger“ ausgesprochen wird. Die unangemessene Aussprache lässt bei den betreffenden Personen auf einen femininen Bias schließen. Nicht zuletzt sei die ungewohnte Verwendung von Großbuchstaben inmitten von Wörtern sprachästhetisch problematisch. In Überschriften, die ausschließlich aus Großbuchstaben bestehen, ist ein "Binnen-I" nicht mehr als solches erkennbar. Es wird zum generischen Femininum.

Oft wird behauptet, in normativen Texten seien per definitionem mit grammatikalisch männlichen Begriffen immer weibliche Personen mitgemeint. Trotzdem gibt es auch in Gesetzestexten seit einiger Zeit geschlechtsspezifische Formulierungen. So heißt es z.B. in § 5a, Absatz 7 der „Niedersächsischen Gemeindeordnung“:[21] „Die Bürgermeisterin oder der Bürgermeister hat die Gleichstellungsbeauftragte in allen Angelegenheiten, die ihren Aufgabenbereich berühren, rechtzeitig zu beteiligen und ihr die erforderlichen Auskünfte zu erteilen.“ Durch die Formulierung wird unmissverständlich verdeutlicht, dass das Amt des Bürgermeisters von Frauen und Männern ausgeübt werden kann, das der Gleichstellungsbeauftragten aber nur von Frauen.

Bis zum 18. August 2006 schrieb in Deutschland § 611b des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) vor, dass in der Regel Arbeitsplatzausschreibungen so formuliert werden müssen, dass kein Anschein einer Diskriminierung entsteht. Diese Norm wird seitdem durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz vorgegeben. Bei Stellenausschreibungen kommen aus Platzgründen meist die Kurzformen zum Zuge (z.B. „Lehrer/-innen“). Alternativ wird auch die Form „Zerspanungsmechaniker (m/w)“ verwendet. Verstöße gegen diese Norm können Schadensersatzansprüche begründen.

Ein weiteres Anwendungsbeispiel ist das deutsche Gesetz über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten (Justizvergütungs- und- entschädigungsgesetz - JVEG).

Die Redaktion des Duden empfiehlt in ihrer Zeitschrift Sprachspiegel,[22] in bestimmten Fällen das generische Maskulinum in seine geschlechtsspezifischen Formen aufzulösen. Das gelte insbesondere bei der direkten Ansprache („Bürgerinnen und Bürger“) oder in Formularen. Die Duden-Redaktion erklärt das generische Maskulinum nicht für abgeschafft, erkennt aber an, dass eine „Breitenwirkung der feministischen Sprachkritik“ eingesetzt habe, und beim Verfassen vieler Texte niemand mehr um die „Frage der angemessenen sprachlichen Berücksichtigung von Frauen“ herumkäme. Gemäß Duden Band 9 („Richtiges und gutes Deutsch“) ist das „große I“ rechtschreibwidrig. Der Band gibt jedoch Hilfestellungen zur alternativen Formulierung (Splitting).

Die Dudenredaktion formuliert folgende Empfehlungen für den Fall, dass alternativ formuliert werden soll:

  • Doppelnennung: Lehrerinnen und Lehrer
  • Bei Bedarf nach Verkürzung eine dieser beiden Kurzschreibweisen:
    • Schrägstrich: Mitarbeiter/-in. Die Schrägstrich-Schreibweise ist nur zusammen mit dem Bindestrich korrekt. Sie ist nur in solchen Fällen korrekt, bei denen die feminine Form nur durch Hinzufügen von Buchstaben an die maskuline Form am Wortende gebildet wird, also nicht bei Kollege/Kollegin und auch nicht bei Arzt/Ärztin, weil hier ein Umlaut gebildet wird.
    • Klammerbenutzung: Sie ist im Gegensatz zur Schrägstrich-Variante auch dann möglich, wenn zur Bildung des Femininum Buchstaben im Wortinneren hinzugefügt werden: Kolleg(inn)en.
Falls sich im Wortinnern Buchstaben ändern, also z. B. bei Ärztin/Arzt, ist keine dieser beiden Kurzschreibweisen korrekterweise möglich.
Bei Umformulierung eines Satzes in den Plural bieten sich oft Möglichkeiten, eine Kurzschreibweise zu benutzen, die sich im Singular nicht oder nicht so einfach bietet: Den Satz Jeder Autofahrer kennt dieses Problem kann man im Singular nur durch Doppelung sowohl von jeder als auch von Autofahrer so ausdrücken, dass beide Geschlechter genannt werden. Formuliert man ihn um in den Plural, kann man elegant eine Kurzform verwenden: Alle Autofahrer(innen) kennen dieses Problem.
Beim Vorlesen sollten die genannten Kurzformen als Doppelnennungen ausgesprochen werden.
  • Ersatzformulierungen mit geschlechtsneutralen Wörtern, gebildet durch Adjektive, Partizipien und neue Zusammensetzungen:
    • Verwitwete statt Witwen und Witwer
    • Lehrerschaft statt Lehrerinnen und Lehrer
    • Redaktion statt Redakteure und Redakteurinnen
    • Ärztlicher Rat statt Rat des Arztes

Zu diesen Ersatzformulierungen wäre auch die Variante des Entwurfs zu den europäischen Verfassungsverträgen zu zählen, bei welcher aus Gleichstellungsgründen abwechselnd die Begriffe Mensch und Person benutzt werden.

Auch bei Berücksichtigung dieser Empfehlungen bleibt in Form von Komposita das generische Maskulinum erhalten. Das betrifft Wortzusammensetzungen, bei denen das generische Maskulinum an erster Stelle steht, z. B. „Fußgängerüberweg“, „Leserbrief“ oder auch „Bürgermeister/-in“ (hier auf den Bestandteil „Bürger“ bezogen, nicht auf „Meister/-in“).

Durch die Verwendung von Ersatzformulierungen können jedoch in seltenen Fällen auch unbeabsichtigte Mehrdeutigkeiten oder Bedeutungsverschiebungen erzeugt werden, da sie selten strikt synonym, sondern meist nur bedeutungsähnlich sind.

Einen Sonderfall stellen gesellschaftliche Veränderungen dar, durch die traditionell „weibliche“ Tätigkeiten für Männer geöffnet wurden. Das Musterbeispiel hierfür ist der Beruf der Hebamme. Seitdem in Deutschland auch Männer diesen Beruf ausüben dürfen, wird er mit dem Wort „Entbindungspfleger/-in“ bezeichnet. Ebenso wurde aus „Krankenschwester“ „Krankenpfleger/-in“, neuerdings „Gesundheits- und Krankenpfleger/-in“ genannt. „Politessen“ beiderlei Geschlechts werden neuerdings offiziell „Parkraumüberwachende“ genannt. Bezeichnend ist, dass mit der gesellschaftlichen Änderung zeitgleich ein Sprachwandel einsetzte, der verhinderte, dass männliche Entbindungspfleger als „Hebamme“ bezeichnet werden.

Generisches Femininum

Die Satzung des Versorgungswerks der Rechtsanwälte in Berlin verwendet das generische Femininum und führt die Dienstbezeichnungen grundsätzlich in der weiblichen Form, die grammatisch männliche Form darf aber auch verwendet werden. Diese Regelung orientiert sich an § 91a des Ausländergesetzes von 1990[23] (2004 durch § 92 des Aufenthaltsgesetzes abgelöst), der dasselbe für die Dienstbezeichnung der Ausländerbeauftragten anordnete. Der Name des Versorgungswerks wurde jedoch nicht geändert.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Der Duden. Grammatik. Ausgabe 1995. S.196f.
  2. Bettina Jobin. Genus im Wandel. Dissertation. Stockholm 2004. http://www.diva-portal.org/diva/getDocument?urn_nbn_se_su_diva-56-1__fulltext.pdf
  3. Arthur Brühlmeier: Sprachzerstörung aus Konzilianz – die Umkehr ist fällig, 2005
  4. Effekte geschlechtergerechter Sprache auf die Beantwortung von Meinungsumfragen. http://www.uni-mannheim.de/fakul/psycho/irtel/lehre/expra/w99/greifeneder.pdf
  5. Männer und Frauen sind gleichberechtigt, Art. 3 Abs. 2 GG - historische Darstellung, meinhard.privat.t-online.de, Version: 4. Oktober 2007
  6. Der lange Weg zur Gleichberechtigung in Deutschland - Chtonik, meinhard.privat.t-online.de, Version: 4. Oktober 2007
  7. „Der Duden“. „Bundeskanzlerin“ ist das „Wort des Jahres 2005“. http://www.duden.de/deutsche_sprache/woerter_unwoerter/2005.php
  8. a b c Beatrice Weber-Dürler: Auf dem Rechtsweg zur Gleichberechtigung – vom Fall Kempin bis heute, Bulletin der Vereinigung der Schweizerischen Hochschuldozierenden (VHS-Bulletin), Nr. 1, April 2008, S. 13
  9. Ursula Doleschal: Das generische Maskulinum im Deutschen. Ein historischer Spaziergang durch die deutsche Grammatikschreibung von der Renaissance bis zur Postmoderne. In: Linguistik online 11, 2/02 [1]
  10. Der Duden. Grammatik. 1998
  11. Diskriminierung und Sprache. Am 22. Mai 2003 gehaltener Vortrag an der Universität Bern http://www.sub.unibe.ch/master/sub/content/e6278/e13696/e16839/e16840/VortragBernNov.pdf
  12. Stahlberg, D. & Sczesny, S. (2001). Effekte des generischen Maskulinums und alternativer Sprachformen auf den gedanklichen Einbezug von Frauen. Psychologische Rundschau, 52, 131-140. [2]
  13. Ursula Doleschal: Das generische Maskulinum im Deutschen. Ein historischer Spaziergang durch die deutsche Grammatikschreibung von der Renaissance bis zur Postmoderne. In: Linguistik online 11, 2/02 [3]
  14. Nicola Döring. Männliche Formen. Aviso Nr. 33, Juni 2003, S. 28. http://www.nicola-doering.de/sprache/
  15. Ivo Hajnal: Feministische Sprachkritik und historische Sprachwissenschaft. Die unterschiedlichen Sichtweisen der Kategorie Genus in Syn- und Diachronie. Innsbruck 2002 http://www.uibk.ac.at/sprachen-literaturen/sprawi/pdf/Hajnal/a9_fem_hist_sprawi.pdf S.70
  16. Amt der Landeshauptstadt Bregenz: Richtlinien für geschlechtergerechtes Formulieren http://www.bregenz.at/fileadmin/bregenz/Inhalt/Aktuell/Richtlinien.pdf
  17. Lisa Irmen. Diskriminierung und Sprache. [4] S.36
  18. Wolfgang Beywl, Jochen Kehr, Cornelia Keller-Ebert. Genusgebrauch in Evaluationsberichten. http://www.mediationskompetenz.de/pdf/Gender%20Sprache%20Langfassung%20an%20SuB%20Fassung%20angepasst.pdf. S.12
  19. http://www.equal.ethz.ch/publications/rules/rule8
  20. Bettina Levecke. Deutsche Sprache = Männersprache? Vom Versuch einer „Geschlechtsumwandlung“. September 2006. http://www.goethe.de/lhr/prj/mac/spw/de1728783.htm
  21. http://www.jura.uni-osnabrueck.de/institut/jkr/kommunalrecht/gonieder.pdf
  22. Birgit Eickhoff: „Gleichstellung von Frauen und Männern in der Sprache,“ Januar 1999 [5]
  23. http://www.aufenthaltstitel.de/auslg.html

Literatur

  • Der Duden. 2005. Grammatik, insbesondere Abschnitt Nomen (Substantiv): Genus, Regel 236 (Personenbezeichnungen) [6]
  • Luise F. Pusch. 1984. Das Deutsche als Männersprache: Aufsätze und Glossen zur feministischen Linguistik. Frankfurt/M. edition suhrkamp 1217.
  • Luise F. Pusch. 1990. Alle Menschen werden Schwestern: Feministische Sprachkritik. Frankfurt/M. edition suhrkamp 1565.
  • Luise F. Pusch. 1999. Die Frau ist nicht der Rede wert: Aufsätze, Reden und Glossen. Frankfurt/M. Suhrkamp TB 2921.
  • Senta Trömel-Plötz: Vatersprache Mutterland. Beobachtungen zu Sprache und Politik. Frauenoffensive, München 1993, ISBN 3881042199.
  • Senta Trömel-Plötz: Frauensprache. Sprache der Veränderung. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 1982, ISBN 3596237254.
  • F. Braun, A. Gottburgsen, S. Sczesny, D. Stahlberg: Können Geophysiker Frauen sein? Generische Personenbezeichnungen im Deutschen (Beitrag in Zeitschrift für Germanistische Linguistik), 1998.
  • Richter am Bundesgerichtshof a. D. Dr. Eberhard Foth: Zur »geschlechtsneutralen« (oder: »geschlechtergerechten«) Rechtssprache, JZ 2007, S. 410-112, http://www.reference-global.com/doi/pdf/10.1515/JURU.2007.118