Frau Welt

Frau Welt am Wormser Dom von vorne und von hinten

Frau Welt ist eine mittelalterliche Personifikation weltlicher Sinnenfreude und weltlichen Glückes. Sie erscheint von vorn als schöne betörende Frau, ihr Rücken aber ist voller Eiter und grässlichem Ungeziefer. Verführungskraft und Vergänglichkeit werden in dieser Allegorie wiedergegeben, die mit lehrhaftem Ziel vielfach in der Literatur und bildenden Kunst des Mittelalters erscheint. Diesem Sinnbild der Verlockung und Versuchung entspricht Voluptas, die römische Personifikation der Lust und Begierde, die den Menschen blind macht und ins Verderben führt.

Beispielsweise wird Frau Welt am Wormser Dom an der rechten Seite des Südportals in einer Figurengruppe dargestellt, die kurz nach 1298 nach dem Vorbild des Straßburger Münsters entstand. Vor Frau Welt kniet anbetend ein Ritter, der von ihrer äußeren Erscheinung geblendet ist. Frau Welt offenbart ihre wahre Natur aber nur dem, der ihre Rückseite mit Kröten und Schlangen und dem ganzen Unrat der Welt sieht, also ‚hinter die Dinge schauen‘ kann.

Eugen Drewermann interpretiert im Märchen Frau Holle die Stiefmutter als die Frau Welt, die für die Schlechtigkeit der äußeren, materiellen Welt steht, als Gegenspielerin von Frau Holle (siehe auch: Mutter Courage).

Männliche Darstellungen mit ähnlich verunstaltetem Rücken sind als Fürst der Welt bekannt.[1]

Literatur

  • Konrad von Würzburg (um 1225 bis 31. August 1287): Der Welt Lohn. Verserzählung. In: H. de Boor (Hrsg.): Die deutsche Literatur. Texte und Zeugnisse. Bd. I: Mittelalter. München 1965, S. 486–489.
  • Walther von der Vogelweide: Frau Welt, ich hab von dir getrunken. Herausgegeben und übertragen von Hubert Witt. Berlin 1979.
  • Walther von der Vogelweide: Frô Welt, ir sult dem wirte sagen (Lachmann 100,24).
  • Meinolf Schumacher: Die Welt im Dialog mit dem „alternden Sänger“? Walthers Absagelied Frô Welt, ir sult dem wirte sagen (L. 100,24). In: Wirkendes Wort, 50, 2000, S. 169–188 (Digitalisat).
  • Dieter Kartschoke: Walther von der Vogelweide: „Gedenke an mangen liehten tac“. Walthers Abschied von Frau Welt. (Lachmann 100,24ff.). In: Volker Mertens, Ulrich Müller (Hrsg.): Walther lesen. Interpretationen und Überlegungen zu Walther von der Vogelweide. Göppingen 2001 (GAG 692), S. 147–166.
  • Sabine Ley: Frau Welt – eine motivgenetische Studie. München 2004.
  • Wolfgang Stammler: Frau Welt: Eine mittelalterliche Allegorie. Freiburg in der Schweiz 1959.

Einzelnachweise

  1. Magdalena Lass: Fürst. In: Michaela Bauks, Klaus Koenen, Stefan Alkier (Hrsg.): Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet (WiBiLex), Stuttgart März 2020, abgerufen am 21. Juni 2024.