Sands of Sorrow

Film
Titel Sands of Sorrow
Produktionsland Ägypten, Jordanien
Originalsprache Englisch
Erscheinungsjahr 1950
Länge 28 Minuten
Stab
Drehbuch Theodore Morde
Produktion Council for Relief of Palestinian Arab Refugees
Kamera Don Senick
Besetzung
  • John S. Martin (Sprecher)
  • Dorothy Thompson
  • Hind al-Husseini

Sands of Sorrow ist ein 1950 gedrehter Dokumentarfilm von 28 Minuten Länge über die Situation arabischer Flüchtlinge nach dem Palästinakrieg. Er ist Teil des 2009 eingetragenen UNESCO-Weltdokumentenerbes UNRWA – Foto- und Filmarchive der palästinensischen Flüchtlinge. Dieser Film wird unter den Archivalien von UNRWA besonders hervorgehoben, weil er das erste Filmmaterial überhaupt über die Situation in den Flüchtlingslagern enthält.[1] Im Ton leicht didaktisch, richtete sich Sands of Sorrow primär an christliche Einrichtungen und Hilfsorganisationen.[2]

Entstehung des Films

Produzent war das Council for Relief of Palestinian Arab Refugees, eine Dachorganisation mehrerer amerikanischer christlicher Hilfswerke.[3] Direktor der Aufnahmen war Theodore A. Morde, die Aufnahmen machte Don Senick, der Sprecher war John S. Martin. Gedreht wurde im Jahr 1950 hauptsächlich in Gaza, im Raum Jerusalem und im Raum Amman.

Der Filmemacher, Journalist und Abenteurer Theodore Morde war kein Unbekannter. 1940 war er von einer fünfmonatigen Expedition im honduranischen Dschungel mit verschiedenen Artefakten zurückgekehrt, die er angeblich in der „Stadt des Affengottes“ entdeckt hatte. Die Lokalisierung dieser archäologischen Stätte gab er bis zu seinem Selbstmord (1954) nicht preis, und sie blieb und bleibt unauffindbar.[4] Später war Morde Repräsentant von Reader's Digest in Kairo, was aber offenbar die Tarnung für seine geheimdienstliche Tätigkeit darstellte.[5] Mit Rückendeckung von OSS- und Militärkreisen reiste er 1943 von Kairo nach Istanbul und traf den deutschen Botschafter Franz von Papen, um ihn als Zentralfigur für den Widerstand gegen Hitler zu werben.[6] Nach dem Krieg war Morde als Berater der ägyptischen Regierung und des ägyptischen Botschafters in Washington tätig. (Die wohlwollende Darstellung der ägyptischen Poltik gegenüber den Palästinensern ist in Sands of Sorrow evident.)[7]

Der Kameramann Don Senick hatte als Kriegsberichterstatter für Fox Movietone News gearbeitet. Er begleitete 1943 die Landung eines US-Marinekorps in Tarawa und wurde dabei verwundet.[8]

Ästhetik

Der Film verfolgt ein im Jahr 1950 relativ neues Anliegen, er wirbt für weltweites humanitäres Engagement, und er setzt dabei auch auf ästhetische Mittel. Es ist, so Lyndsey Stonebridge, „ein Film, der es wirklich versteht, Kummer erfahrbar zu machen – da ist kein Mangel an visuellen Signalen für Empathie. Es ist ein schöner Film … Zelte im Sand, wie von Paul Klee, monochrome Menschenreihen, die um Essen anstehen, eine Montage von Interieurs und Gesichtern, Ruinen und Heiligtümern: modernistische Techniken und ethnographisches Detail werden von … Theodore A. Morde meisterhaft kombiniert.“[9]

Verglichen mit anderen etwa zur gleichen Zeit entstandenen Dokumentarfilmen über Flüchtlinge hat der Film eine Sonderstellung. Die jüdischen Holocaustüberlebenden waren oft in ehemaligen Konzentrationslagern unter unerträglichen Bedingungen untergebracht, und doch zeigen die Filmaufnahmen ihres Alltags (z. B. The Persecuted, George Kadish 1946) Momente des Neubeginns. Dagegen dominieren in Sands of Sorrow Bilder des Dahinvegetierens und Sterbens, besonders klar im Falle zweier schwerkranker Kleinkinder, die nach den Dreharbeiten starben.[10]

Inhalt

Der Film enthält seinem Publikum konsequent die grundlegende Information vor, warum sich Menschen unter so elenden Bedingungen in Flüchtlingslagern aufhalten. Sie sind dort durch ein böses Verhängnis. „Es gibt keine Täter, Ursachen, Politik oder Geschichte für diesen Film, nur Konsequenzen, Menschen und Leiden.“[11] Das Wort Israel kommt überhaupt nicht vor; wörtlich heißt es: „Die Tragödie des Krieges kam herab auf dieses Land und machte sie zu Wanderern.“[12]

Rahmung

Der Dokumentarfilm ist gerahmt durch eine Ansprache, mit der sich die Journalistin und Menschenrechtsaktivistin Dorothy Thompson an das Publikum wendet. Sie weist eingangs darauf hin, dass Filmaufnahmen nur einen Teil der Realität abbilden können. Am Ende des Films hebt sie hervor, dass die international tätigen, vor allem christlichen Hilfsorganisationen bereits viel für die Palästinaflüchtlinge leisteten, aber auch andere Tätigkeitsfelder hätten. Jeder, der von der Situation der Flüchtlinge, besonders der Kinder, Kenntnis erhalte, sei verpflichtet, die biblische Frage „Soll ich meines Bruders Hüter sein?“ mit „Ja!“ zu beantworten.

Thompson betont in Sands of Sorrow, dass sie gerade von einer Nahostreise zurückgekehrt sei, also unter dem Eindruck des Erlebten zum Publikum spreche; das ist insofern nicht korrekt, als ihre Ansprache aus praktischen Gründen bereits vor ihrer Reise aufgezeichnet wurde.[13] Unterstützt vom State Department,[13] näherte sich Thompson zu diesem Zeitpunkt der arabischen Seite im Nahostkonflikt an und gründete American Friends of the Middle East, eine antizionistische Organisation.[13].

Während Thompson gerne bereit war, ihren Namen und ihre Bekanntheit zugunsten des Films Sands of Sorrow einzusetzen, teilte sie die apolitische Konzentration auf Wohltätigkeit, die Botschaft des Films, überhaupt nicht und war an den politischen Implikationen des Flüchtlingsproblems interessiert. Damit verspielte sie viele Sympathien, die sie sich im Zweiten Weltkrieg erworben hatte, und wurde auch des Antisemitismus bezichtigt.[14]

Dokumentarische Filmaufnahmen

Gaza

Der Film zeigt ein sehr improvisiertes Zeltlager in der Wüste; Nahaufnahmen erwecken den Eindruck, dass hier vor allem Frauen, kleine Kinder und Alte leben. Ein Lastwagen nähert sich; Güter werden entladen. Der Sprecher deutet die Szene: Ägyptisches Militär verteilt Hilfsgüter an Palästinaflüchtlinge, die in Gaza (damals ägyptisch) unter sehr ungeeigneten Bedingungen in einem Lager leben. Die Kamera zeigt, wie die Menschen sich für die Austeilung anstellen. Der Film geht detailreich darauf ein, wie Hilfsgüter, z. B. von der UNESCO, Ägypten erreichen, wie sie entladen, transportiert und aufbereitet werden (Milchpulver). All das ist unter Wüstenbedingungen sehr schwierig. Ägypten sei damit überfordert, den Flüchtlingen mehr als diese prekäre Versorgung zu bieten.

Bethlehem und Jerusalem

Der Film konzentriert sich hier auf eine private Initiative, die nahe der Kirche der Nationen angesiedelt ist. Sie nimmt Straßenkinder auf, die durch den Palästinakrieg von ihren Familien getrennt wurden und deren Identifikation erst langsam voranschreitet. Möglicherweise leben die Eltern nicht mehr oder sind in einem Flüchtlingslager untergebracht. Hier finden die Flüchtlingskinder vergleichsweise freundliche Lebensbedingungen vor. Sie haben Schulunterricht im Freien, legen einen Schulgarten an, spielen Fußball. Diese Aufnahmen entstanden in dem „Arabischen Kinderhaus“ Dar Al-Tifl Al-Arabi, das am 25. April 1948 von Hind al-Husseini gegründet wurde. Es befindet sich im Ostjerusalemer Stadtteil Scheich Dscharrah. Nach dem Massaker von Deir Yasin nahm Husseini hier 55 überlebende Kinder auf, die hilflos in der Jerusalemer Altstadt umherirrten.[15] Der Kontext des Massakers kommt in Sands of Sorrow aber nicht vor, womit der Film seiner sonstigen Linie treu bleibt. Vielmehr heißt es, Husseini habe herumirrende Kinder „nach den Feindseligkeiten (hostilities)“ aufgenommen.[16]

Die Kamera zeigt nun eine Gruppe von Flüchtlingsfrauen an Nähmaschinen, die Kinderkleidung herstellen. Einige Szenen aus der Jerusalemer Altstadt zeigen Werkstätten eines Schusters, eines Kesselflickers und eines Tischlers, wo offenbar jeweils einige jugendliche Flüchtlinge Arbeit gefunden haben und wo quasi im Akkord für den Alltagsbedarf in den Flüchtlingslagern nahe Bethlehem produziert wird: Schuhe, Blechtassen und Möbel.

Umgebung von Amman

Der Sprecher erwähnt, dass nicht alle Geflüchteten sich in einem der Lager eingefunden haben. Die Kamera zeigt die Ruinen eines römischen Amphitheaters, in denen sich einige Menschen Behausungen geschaffen haben, die, wie der Sprecher erläutert, nicht aus der Nähe gefilmt werden möchten.

Nun werden die Lebensbedingungen in einem jordanischen Flüchtlingslager gezeigt. Der Schulunterricht ist angesichts der großen Zahl von Kindern sehr elementar; hier entsteht für das Filmpublikum ein Kontrast zu den Angeboten, die für die Straßenkinder im Raum Jerusalem geschaffen wurden. Der Film konzentriert sich bei diesem Flüchtlingslager auf die Gesundheitsversorgung und beschreibt sie als völlig unzureichend. Zwar gibt es Impfaktionen, aber medizinische Hilfe bei Krankheiten steht nur bei schweren Fällen zur Verfügung. Der Film zeigt einige abgemagerte Männer in Krankenbetten; der Sprecher erläutert, dass diese Menschen aufgrund ihrer Mangelernährung nur wenig Aussicht auf Genesung hätten. Zwei Kinder mit aufgedunsenen Bäuchen werden gezeigt, und der Betrachter wird informiert, dass diese beiden kurz nach den Dreharbeiten verstorben seien. Die hohe Kindersterblichkeit wird in den Mittelpunkt der Darstellung gerückt. Nur eines von fünf Kindern überlebe die ersten Monate. Wo man einem Kleinkind erfolgreich helfen konnte, kehre es zu seiner Familie zurück und sei nun ein weitere kleiner Mensch, der im Rahmen der Hilfsprogramme für Palästinaflüchtlinge versorgt werden müsse. Von diesen Kindern, die in ihrem Leben nicht viel anderes als Krieg und Flucht gesehen hätten, hänge die Zukunft ab.

Literatur

  • Lyndsey Stonebridge: Humanitarianism Was Never Enough: Dorothy Thompson, Sands of Sorrow, and the Arabs of Palestine. In: Humanity: An International Journal of Human Rights, vol 8, 3. Winter, 2017, S. 441–465. (PDF, online)

Der Film im Internet

Sands of Sorrow

Einzelnachweise

  1. Memory of the World Register: UNRWA Photo and Film Archives of Palestinian Refugees, S. 4.
  2. Lyndsey Stonebridge: Humanitarianism Was Never Enough, S. 441.
  3. Lyndsey Stonebridge: Humanitarianism Was Never Enough, S. 447.
  4. Douglas Preston: Lure of the Lost City. In: National Geographic. Oktober 2015, abgerufen am 23. Juli 2019.
  5. Jürgen Heideking, Christoph Mauch (Hrsg.): USA und deutscher Widerstand. Analysen und Operationen des amerikanischen Geheimdienstes im Zweiten Weltkrieg. Francke Verlag, Tübingen / Basel 1993, S. 51.
  6. Jürgen Heideking, Christoph Mauch (Hrsg.): USA und deutscher Widerstand, Tübingen / Basel 1993, S. 39.
  7. Lyndsey Stonebridge: Humanitarianism Was Never Enough, S. 448.
  8. The Press: Best-Covered Story. In: TIME. 13. Dezember 1943, abgerufen am 23. Juli 2019.
  9. Lyndsey Stonebridge: Humanitarianism Was Never Enough, S. 447.
  10. Lyndsey Stonebridge: Humanitarianism Was Never Enough, S. 447 f.
  11. Lyndsey Stonebridge: Humanitarianism Was Never Enough, S. 449.
  12. Lyndsey Stonebridge: Humanitarianism Was Never Enough, S. 449.
  13. a b c Lyndsey Stonebridge: Humanitarianism Was Never Enough, S. 449.
  14. Lyndsey Stonebridge: Humanitarianism Was Never Enough, S. 453 f.
  15. DTA History. In: Dar Al-Tifel Al-Arabi Organization. Abgerufen am 23. Juli 2019.
  16. Lyndsey Stonebridge: Humanitarianism Was Never Enough, S. 450.