„Philomena Franz“ – Versionsunterschied

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=== Nach der NS-Zeit bis 1949 ===
=== Nach der NS-Zeit bis 1949 ===
Nach der Befreiung trat sie mit ihrem späteren Mann und ihrem Bruder wieder auf, so auch in Offizierkasinos der amerikanischen Besatzungsmacht und bei Veranstaltungen in [[Ansbach]] und in Tübingen, bei denen [[Dwight D. Eisenhower]] und General [[Charles de Gaulle]] anwesend waren. Sie sang hierbei amerikanische Schlager.<ref> Philomena Franz, Zwischen Liebe und Hass. Ein Zigeunerleben, BOD, ISBN 3-8311-1619-9, S. 95-97.</ref><ref>http://ns-opfer-nt.jimdo.com/sinti/hintergrundinformationen/erlebnisse-von-philomena-franz/ ''Manuel Werner: Jugenderfahrungen der Auschwitz-Überlebenden Philomena Franz geborene Köhler. "Die Wahrheit ist schmerzlich, aber nur mit ihr können wir unser Glück aufbauen..." Webseite der Gedenkinitiative für die Opfer und Leidtragenden des Nationalsozialismus in Nürtingen'', abgerufen am 30. Juni 2014</ref>.
Nach der Befreiung trat sie mit ihrem späteren Mann und ihrem Bruder wieder auf, so auch in Offizierkasinos der amerikanischen Besatzungsmacht und bei Veranstaltungen in [[Ansbach]] und in Tübingen, bei denen [[Dwight D. Eisenhower]] und General [[Charles de Gaulle]] anwesend waren. Sie sang hierbei amerikanische Schlager.<ref> Philomena Franz, Zwischen Liebe und Hass. Ein Zigeunerleben, BOD, ISBN 3-8311-1619-9, S. 95-97.</ref><ref>http://ns-opfer-nt.jimdo.com/sinti/hintergrundinformationen/erlebnisse-von-philomena-franz/ ''Manuel Werner: Jugenderfahrungen der Auschwitz-Überlebenden Philomena Franz geborene Köhler. "Die Wahrheit ist schmerzlich, aber nur mit ihr können wir unser Glück aufbauen..." Webseite der Gedenkinitiative für die Opfer und Leidtragenden des Nationalsozialismus in Nürtingen'', abgerufen am 30. Juni 2014</ref>.

== Publikationen ==

"''Mit ihren schriftstellerischen Werken''".<ref>Zitiert nach: [http://www.goethe.de/kue/lit/aug/de9171070.htm Julia Blandfort, Deutsche Autoren und Genres. Mehr als ein Zigeunermärchen – die Literatur der Sinti und Roma, Goethe-Institut e. V. April 2012]</ref> trägt Philomena Franz zusammen mit anderen Autorinnen und Autoren von Sinti und Roma dazu bei, dass Sinti und Roma "''aus einem nicht nur gesellschaftlichen, sondern auch literarischen Schattendasein''" heraustreten.<ref>Zitiert nach: [http://www.goethe.de/kue/lit/aug/de9171070.htm Julia Blandfort, Deutsche Autoren und Genres. Mehr als ein Zigeunermärchen – die Literatur der Sinti und Roma, Goethe-Institut e. V. April 2012]</ref> Das Spektrum ihrer Bücher erstreckt sich über Sinti-Märchen, die Darstellung des Porrajmos aus Sicht einer Zeitzeugin bis hin zu Gedichten.<ref>[https://portal.dnb.de/opac.htm?method=showFullRecord&currentResultId=%22Philomena%22+and+%22Franz%22%26any%26persons&currentPosition=0 Kurzcharakterisierung in der Deutschen Nationalbibliothek]</ref>, <ref>[https://portal.dnb.de/opac.htm?query=Philomena+Franz&method=simpleSearch Buchpublikationen in der Deutschen Nationalbibliothek]</ref>
Mit ihrem Erstlingswerk hat Philomena Franz eine eigene Verschriftlichung der traditionell mündlichen Erzählkultur bei Sinti mit eingeleitet. Es wurde auch in der Fachliteratur rezipiert. [[Klaus-Michael Bogdal]] ordnet es vergleichend in die Bedeutung der "'Zigeunermärchen' des schwedischen Rom" [[Dimitri Taikon]] ein, die "''in mehrere Sprachen''" übersetzt wurden<ref>Klaus-Michael Bogdal, Europa erfindet die Zigeuner. Eine Geschichte von Faszination und Verachtung, Berlin 2011, S. 471</ref>: "''Für Deutschland spielt die Sintezza Philomena Franz eine vergleichbare Rolle''".<ref>Klaus-Michael Bogdal, Europa erfindet die Zigeuner. Eine Geschichte von Faszination und Verachtung, Berlin 2011, S. 471</ref>
In ihrer Autobiographie, "''eine der frühesten''"<ref>Klaus-Michael Bogdal, Europa erfindet die Zigeuner. Eine Geschichte von Faszination und Verachtung, Berlin 2011, S. 457</ref> unter der "''Erinnerungsliteratur der Sinti und Roma''"<ref>Klaus-Michael Bogdal, Europa erfindet die Zigeuner. Eine Geschichte von Faszination und Verachtung, Berlin 2011, S. 442</ref> überhaupt, "''nutzt''" sie "''ihren Rückblick, um Verständnis für die Besonderheiten ihres Volkes zu wecken''". "''In diesem Zusammenhang nennt sie einerseits die strenge Abgrenzung nach außen, andererseits Familiensinn, Hilfsbereitschaft, Gastfreundschaft, Naturverbundenheit''". Auch hebt Bogdal hervor, dass sie eine "Affinität zur Welt der Klänge""<ref>Klaus-Michael Bogdal, Europa erfindet die Zigeuner. Eine Geschichte von Faszination und Verachtung, Berlin 2011, S. 457</ref> schildet: "''Unsere Seele fanden wir in der Musik wieder''"."<ref>Zitiert nach Klaus-Michael Bogdal, Europa erfindet die Zigeuner. Eine Geschichte von Faszination und Verachtung, Berlin 2011, S. 457</ref>. Ihre Autobiographie lässt "''einen gewissen Stolz auf den Bildungsgrad ihrer Familie (...) und die Zugehörigkeit zur deutschen Kultur erkennen.''"<ref>Klaus-Michael Bogdal, Europa erfindet die Zigeuner. Eine Geschichte von Faszination und Verachtung, Berlin 2011, S. 457</ref> Eine Besonderheit liegt darin, dass sie im Unterschied zu anderen mit eigener Stimme erinnerten Porrajmos-Veröffentlichungen "''der Hölle von Ravensbrück, Oranienburg und Auschwitz einen positiven Aspekt abzugewinnen sucht''".<ref>Klaus-Michael Bogdal, Europa erfindet die Zigeuner. Eine Geschichte von Faszination und Verachtung, Berlin 2011, S. 457</ref>


== Zeitzeugin ==
== Zeitzeugin ==

Version vom 4. Juli 2014, 18:11 Uhr

Philomena Franz, geborene Köhler (* 21. Juli 1922 in Biberach) ist eine deutsche Sintizza, Auschwitz-Überlebende und Zeitzeugin.

Leben

Philomena Franz wurde in eine Musikerfamilie hinein geboren. Sie hatte sieben Geschwister. Mit ihrem Großvater Johannes Haag führte die Großfamilie zusammen mit einem Bruder ihrer Mutter – teils mit lebensgroßen Marionetten – auf Fahrten und Auftritten Dramen, Operetten und heitere Stücke auf. Ihr Vater Johann Köhler war Cellist, ihre Mutter Sängerin. Das Streichquartett, in dem Johannes Haag Cello spielte, hatte 1906 als Sieger eines internationalen Wettbewerbs die "Goldene Rose" aus der Hand des württembergischen König Wilhelm II erhalten.[1]

Leben, Deportation und Haft

Im Alter von sieben Jahren tanzte Philomena Franz Csárdás, dabei trug sie ein "ungarisches" Kostüm, die Haare waren kronenartig geflochten und mit weißen Blüten versehen. Mit ihren Eltern reiste sie vor allem in Hohenzollern.[2]. Sie zogen nach einer Zwischenstation in Rohrdorf nach Bad Cannstatt. Bis 1938 hatte sie Auftritte auch in der Liederhalle Stuttgart, im Lido und im Wintergarten Berlin.[3][4] 1938 musste Philomena Franz die Mädchenoberschule aus „rassischen Gründen“ verlassen. 1939 trat der "Festsetzungserlass" für "Zigeuner" in Kraft: Bei der Rückreise von Paris wurden der Familie das Auto und alle Musikinstrumente abgenommen. Die Familie musste zunächst Zwangsarbeit leisten, Philomena Franz bei der Stuttgarter Firma Haga, von der aus sie ins Gefängnis in der Büchsenstraße ("Büchsenschmiere") und dann ins Zigeunerlager Auschwitz deportiert wurde. Dort wurde sie am 21. April 1944 registriert und mit der Häftlingsnummer Z 10550 unter ihrem Mädchennamen registriert, für den 25. Mai 1944 ist ihr Weitertransport dort vermerkt.[5]

Auch die anderen Familienmitglieder wurden in Lager eingeliefert. Danach war sie im Konzentrationslager Ravensbrück, dem KZ-Außenlager Schlieben, dem KZ Sachsenhausen und einem Lager beim KZ-Außenlager Wittenberge inhaftiert.[6]. Zum zweiten Mal gelang ihr von dort die Flucht, diesmal erfolgreich. Ein Volkssturmmann, der sie entdeckte, versteckte sie bei sich. Dort wurde sie von der Roten Armee befreit.[7]

Im Porajmos wurden ihre Eltern, Onkel, Neffen, Nichten und sechs ihrer sieben Geschwister ermordet.

Nach der NS-Zeit bis 1949

Nach der Befreiung trat sie mit ihrem späteren Mann und ihrem Bruder wieder auf, so auch in Offizierkasinos der amerikanischen Besatzungsmacht und bei Veranstaltungen in Ansbach und in Tübingen, bei denen Dwight D. Eisenhower und General Charles de Gaulle anwesend waren. Sie sang hierbei amerikanische Schlager.[8][9].

Zeitzeugin

Die Lagererlebnisse wirken nach: „Ich brauche Licht. In dunklen Räumen bekomme ich Depressionen. Die Bilder kommen dann hoch ...' Sie stockt und fügt hinzu: 'Die vergisst man ein Leben lang nicht.[10]. Eine Scheinaufhängung in einem der Lager, kombiniert mit Pfahlhängen, von dem sie abgeschnitten wurde, und auf dem Boden aufprallte, verursacht heute noch Schmerzen in den Schultern und Einschränkungen bei Bewegungen. [11].

Zunächst erzählte Philomena Franz an Schulen Märchen, auch Märchen in der Tradition der Sinti. Als Auschwitz-Überlebende und Zeitzeugin referiert sie vor Schülern und anderen Zuhören, auch in Talkshows und Radiosendungen erzählt sie von dieser Zeit, denn sie wünscht sich „von ganzem Herzen,... die Wiederholung von Geschehnissen zu verhindern, die man in Deutschland 'Vergangenheit' nennt. Die Wahrheit ist schmerzlich, aber nur mit ihr können wir unser Glück aufbauen“. [12]Ich bin übriggeblieben aus dieser Hölle. Ich habe eine Pflicht zu erfüllen, das weiß ich. Ich möchte noch so viel vermitteln, wie ich kann. Soviel in meiner Kraft steht, solange mir der Herrgott die Kraft gibt. Das müssen die Menschen erfahren, die wirklichen Menschen. Das ist wichtig für unsere jetzige Generation. Ich habe eine Verantwortung dafür, weil ich in die Abgründe der menschlichen Seele geschaut habe. Gott hat nur gewollt, daß ich überlebt habe, damit ich es vermitteln kann.„[13]

Zusätzlich zu ihrer regen Tätigkeit, sich als Zeitzeugin des Porajmos und der Shoah zur Verfügung zu stellen, setzt sie sich für den dauerhaften Erhalt von Gräbern von Sinti und Roma ein, die NS-verfolgt waren, Stolpersteine für Sinti lehnt sie hingegen ab.

Auszeichnungen

Bücher

  • Zigeunermärchen Europa-Union-Verlag, Bonn 1982.
  • Zwischen Liebe und Hass. Ein Zigeunerleben Herder, Freiburg im Breisgau 1985, mehrere Auflagen. Neuausgabe: Books on Demand, ISBN 3-8311-1619-9.
  • Tragen wir einen Blütenzweig im Herzen, so wird sich immer wieder ein Singvogel darauf niederlassen Books on Demand, Norderstedt.

Literatur

  • Michael Albus: Philomena Franz. Die Liebe hat den Tod besiegt. Düsseldorf 1988, ISBN 3-491-79288-6

Einzelnachweise

  1. http://ns-opfer-nt.jimdo.com/sinti/hintergrundinformationen/erlebnisse-von-philomena-franz/ Manuel Werner: Jugenderfahrungen der Auschwitz-Überlebenden Philomena Franz geborene Köhler. "Die Wahrheit ist schmerzlich, aber nur mit ihr können wir unser Glück aufbauen..." Webseite der Gedenkinitiative für die Opfer und Leidtragenden des Nationalsozialismus in Nürtingen, abgerufen am 30. Juni 2014
  2. Philomena Franz, Zwischen Liebe und Hass. Ein Zigeunerleben, BOD, ISBN 3-8311-1619-9, S. 15-31.
  3. http://ns-opfer-nt.jimdo.com/sinti/hintergrundinformationen/erlebnisse-von-philomena-franz/ Manuel Werner: Jugenderfahrungen der Auschwitz-Überlebenden Philomena Franz geborene Köhler. "Die Wahrheit ist schmerzlich, aber nur mit ihr können wir unser Glück aufbauen..." Webseite der Gedenkinitiative für die Opfer und Leidtragenden des Nationalsozialismus in Nürtingen, abgerufen am 20. Juni 2014
  4. Philomena Franz, Zwischen Liebe und Hass. Ein Zigeunerleben, BOD, ISBN 3-8311-1619-9, S. 11 ff.
  5. Staatliches Museum Auschwitz-Birkenau in Zusammenarbeit mit dem Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma Heidelberg: Gedenkbuch: Die Sinti und Roma im Konzentrationslager Auschwitz Birkenau. Saur, München/London/New York/Paris 1993, ISBN 3-598-11162-2. (Dreisprachig: Polnisch, Englisch, Deutsch) S. 681f.
  6. http://ns-opfer-nt.jimdo.com/sinti/hintergrundinformationen/erlebnisse-von-philomena-franz/ Manuel Werner: Jugenderfahrungen der Auschwitz-Überlebenden Philomena Franz geborene Köhler. "Die Wahrheit ist schmerzlich, aber nur mit ihr können wir unser Glück aufbauen..." Webseite der Gedenkinitiative für die Opfer und Leidtragenden des Nationalsozialismus in Nürtingen, abgerufen am 20. Juni 2014
  7. Philomena Franz, Zwischen Liebe und Hass. Ein Zigeunerleben, BOD, ISBN 3-8311-1619-9, S. 92 f.
  8. Philomena Franz, Zwischen Liebe und Hass. Ein Zigeunerleben, BOD, ISBN 3-8311-1619-9, S. 95-97.
  9. http://ns-opfer-nt.jimdo.com/sinti/hintergrundinformationen/erlebnisse-von-philomena-franz/ Manuel Werner: Jugenderfahrungen der Auschwitz-Überlebenden Philomena Franz geborene Köhler. "Die Wahrheit ist schmerzlich, aber nur mit ihr können wir unser Glück aufbauen..." Webseite der Gedenkinitiative für die Opfer und Leidtragenden des Nationalsozialismus in Nürtingen, abgerufen am 30. Juni 2014
  10. Zitiert nach Lisa von Prondzinski: Wie Philomena Franz fünf KZ überlebte‘‘, Webseite des Westdeutschen Rundfunks Köln, http://www1.wdr.de/themen/politik/nsopfer120.htm
  11. http://ns-opfer-nt.jimdo.com/sinti/hintergrundinformationen/erlebnisse-von-philomena-franz/ Manuel Werner: Jugenderfahrungen der Auschwitz-Überlebenden Philomena Franz geborene Köhler. "Die Wahrheit ist schmerzlich, aber nur mit ihr können wir unser Glück aufbauen..." Webseite der Gedenkinitiative für die Opfer und Leidtragenden des Nationalsozialismus in Nürtingen, abgerufen am 30. Juni 2014
  12. Zitiert nach Philomena Franz, Zwischen Liebe und Hass. Ein Zigeunerleben, BOD, ISBN 3-8311-1619-9, S. 95-97.
  13. Zitiert nach Michael Albus, Philomena Franz. Die Liebe hat den Tod besiegt, Düsseldorf 1988, S. 44
  14. http://ns-opfer-nt.jimdo.com/sinti/hintergrundinformationen/erlebnisse-von-philomena-franz/ Manuel Werner: Jugenderfahrungen der Auschwitz-Überlebenden Philomena Franz geborene Köhler. "Die Wahrheit ist schmerzlich, aber nur mit ihr können wir unser Glück aufbauen..." Webseite der Gedenkinitiative für die Opfer und Leidtragenden des Nationalsozialismus in Nürtingen, abgerufen am 20. Juni 2014