Oralismus

Als Oralismus wird die Philosophie einer monolingualen Spracherziehung von tauben und schwerhörigen Kindern bezeichnet, bei der die Lautsprache des Landes unter weitgehender Vermeidung von Gebärdensprache verstanden. Darin sind verschiedene Methoden für das Beibringen von Sprechen bei tauben Kindern vereinigt. Dazu gehört auch das Üben von Ablesen vom Mund. Je nach Vertreter kann der Oralismus rein sein, wobei jeder Gebrauch der Gebärden strengstens untersagt wird. Da das Ablesen als zu schwierig und frustrierend erweist, kann er auch mild sein mit teilweiser Verwendung von bei Hörenden allgemeinüblichen Gesten, oder mit Hilfe von Manual Aplphabet (bekannt als Rochster Method) oder Cued Speech von Orin Cornett in den USA bzw. Phonembestimmtes Manual Alphabet von Forhhammer in Dänemark oder von Klaus Schulte in Deutschland. Seit 1950 kommt die elektro-technische Ausnutzung des residualen Gehörs durch Hörgerät oder Cohlea Implantat verbunden mit intensivem Hörtraining, wobei unter der auditiv-verbalen Methode das visuelle Wahrnehmen vom Mund im Anfangsstadium gänzlich vermieden wird. Synonym zu Oralismus ist die Bezeichnung (reine) Lautspracherziehung.

Herkunft des Wortes

Das Adjektiv oral leitet sich etymologisch von lateinisch os, oris ('Mund') ab und bedeutet 'mündlich'. Aus diesem Wort lassen sich die Substantive Oralismus und Oralist und aus diesem wiederum oralistisch bilden.

Oralist wird von tauben und schwerhörigen Personen oft abwertend und schimpfend benutzt.

Geschichte

Die oralistische Spracherziehung begann um Ende des 18. Jahrhunderts durch Samuel Heinicke in Deutschland, Jacob Rodrigues Pereire in Frankreich und Thomas Braidwood in Großbritannien und erfährt Verfeinerungen unter Moritz Hill und Johannes Vatter im 19. Jahrhundert in Deutschland. Sie fand eine weite Verbreitung in vielen Ländern, das zu dem Beschluss des Kongresses der Taubstummenlehrer 1880 in Mailand führte, in dem beschlossen wurde, das ausschließliche Sprechen und Mundabsehen im Unterricht mit tauben Kindern den absoluten Vorzug zu geben und die Gebärdensprache aus dem Unterricht zu verbannen. Taube Lehrer wurden entweder entlassen oder nicht mehr eingestellt. Daraufhin war die Gebärdensprache in den meisten Schulen für taube Kinder für lange Zeit verboten. In den USA trat Alexander Graham Bell, Lehrer der Artikulation und Erfinder des „taubfeindlichen“ Telefons, vehement für den „reinen“ Oralismus auf und benutzte den von ihm für die Erfindung des Telefons gewonnenen Voltapreis für die Propagierung des Oralismus.

Siehe auch: Geschichte der Gebärdensprachen, Geschichte der Gehörlosen