Moldauische Staatsangehörigkeit

Die moldauische Staatsangehörigkeit haben die Bürger der Republik Moldau.

Das moldauische Staatsangehörigkeitsrecht ist das einzige kontinentaleuropäische bei dem nach Entstehung des neuen Staatswesens seit 1991 und die erweiterte Erlaubnis der doppelten Staatsbürgerschaft 2003 das ius soli konsequent umgesetzt wurde. Die Staatsbürgerschaft kann natürlich auch nach dem Abstammungsprinzip erworben werden.

Im 20. Jahrhundert

Die vor allem rumänischsprachige, als Bessarabien bekannte Region[1] wechselte seit dem Ende der Zugehörigkeit zum osmanischen Reich im 19. Jahrhundert mehrfach die Zugehörigkeit zu benachbarten Staatsverbänden. Am einschneidendsten waren die Abspaltung der cis-nistrischen Gebiete vom zerfallenen Zarenreich mit folgendem Anschluss an Rumänien in Folge des Ersten Weltkriegs.[2][3]

Zugleich bestand als Teil der entstandenen Ukraine bis in die 1940er Jahre die Moldauische Autonome Sozialistische Sowjetrepublik.

Wie überall in Osteuropa gab es eine Gemeinde von Nachfahren im frühen 19. Jahrhundert zugewanderter Volksdeutscher. Viele von diesen zogen ab 1941 heim ins Reich.[4][5][6] Die Verbliebenen gelten als „Deutsche i.S. Art. 116 (2)“ des Grundgesetzes.

Bessarabien wurde 1941 Teil der Sowjetunion. Zusammen mit angrenzenden Bezirken wurde es zur moldauischen sozialistischen Sowjetrepublik aufgewertet. Die Gültigkeit des sowjetischen Staatsbürgerschaftsgesetzes (Nr. 198, vom 19. Aug. 1938) wurde schon per Dekret vom 8. März 1941 auf Bessarabien und die Bukowina ausgeweitet.

Wie in vielen anderen Teilen der Sowjetunion führten die Zeitumstände zu gewaltigen Bevölkerungsverschiebungen. Zuzug vor allem Russisch-Stämmiger erfolgte primär in die ab den 1950er Jahren verstärkt industrialisierte Region östlich des Dnjestr. Die in sowjetischen Inlandpässen vermerkte „Nationalität“ wurde nach dem Zerfall der Sowjetunion, hier „Moldau-rumänisch“ bedeutsam.

Nach 1991

Nach der Unabhängigkeit ergingen folgende Gesetze mit Bezug auf Staatsangehörigkeitssachen:

  • Nr. 596-XII vom 5. Jun. 1991,[7] mehrfach geändert 1993 und 1996. Dazu der Parlamentsbeschluss Nr. 1138-XII vom 4. Aug. 1992 zur Klärung unklarer Punkte, vor allem zur Einbürgerung auf Antrag für in anderen Sowjetrepubliken Geborene. Der Anspruch auf moldauische Staatsangehörigkeit wurde später dahingehend ausgeweitet, dass alle am Tag der Unabhängigkeit ansässigen Personen Staatsbürger wurden. Doppelte Staatsbürgerschaft war bis 1994 ausgeschlossen, dann für im Lande geborene ex-Sowjetbürger als Option möglich. Durch die Verfassung blieb sie bis 2002 ansonsten ausgeschlossen.
  • Ein neues Staatsbürgerschaftsgesetz (Nr. 1024-XIV) wurde am 2. Juni 2000 verabschiedet und seitdem mehrmals geändert.[8]

Automatisch moldauischer Staatsbürger ist:

  • wer mindestens einen Eltern- oder Großelternteil hatte, der auf dem Gebiet der Republik Moldau geboren war, oder
  • wer vor dem 28. Juni 1940 in Bessarabien, der Nord-Bukovina oder dem Herza-Gebiet ansässig war. Sowie Nachfahren solcher Personen, wenn sie legal in Moldau wohnen, oder
  • Nachfahren der Vorgenannten, wenn sie seit dem 28. Juni 1940 geflohen oder deportiert worden waren.

Erwerb durch Geburt

Moldauischer Staatsbürger bei Geburt wird jeder, der

  • einen moldauischen Elternteil hat,
  • in der Republik Moldau als Kind Staatenloser geboren ist, oder Findelkind
  • in der Republik Moldau geboren, aber die Staatsbürgerschaft der Eltern nicht erhalten kann (und somit staatenlos wäre)
  • als Kind anerkannt wird; als Staatenloser in Pflege eines Moldauers kommt; oder als Minderjähriger adoptiert wird, wobei über 14-Jährige einem Staatsangehörigkeitswechsel zustimmen müssen.

Einbürgerung

Durch Einbürgerung kann moldauischer Bürger werden, wer:

  • seinen Unterhalt sichern kann,
  • ausreichend Kenntnisse des Rumänischen und der Verfassung hat,
  • über 18 Jahre alt ist

und:

  • zehn Jahre als Erwachsener oder fünf Jahre als Kind, legal im Lande gelebt hat, oder
  • mit einem moldauischen Staatsbürger seit drei Jahren verheiratet ist, oder
  • seit drei Jahren legal im Lande lebt mit Eltern oder Kindern, die moldauische Bürger sind, oder
  • als Staatenloser oder anerkannter Flüchtling acht Jahre legal im Lande gelebt hat.

Die Einbürgerung erstreckt sich auch auf minderjährige Kinder, ab 14 ist deren Zustimmung nötig.

Andere Staatsangehörigkeiten sind abzulegen, sofern dies möglich und zumutbar ist.

Ehemalige Moldauer werden auf Antrag wieder eingebürgert, sofern sie keine schweren Verbrechen begangen haben, oder sie ihre Staatsbürgerschaft nicht deshalb verloren hatten, weil sie in eine ausländische Armee eingetreten waren.

Die Bearbeitungsdauer eines Antrags darf ein Jahr nicht überschreiten. Der Neubürger hat einen Treueeid zu leisten, um die Einbürgerung effektiv werden zu lassen.

Verlust

Auf Antrag aus der Staatsbürgerschaft kann entlassen werden, wer eine andere annimmt.

Aberkennung kann erfolgen, wenn der Bürger freiwillig in eine ausländische Armee eintritt, jedoch nur wenn keine Staatenlosigkeit eintritt oder die Einbürgerung erschlichen hat. Eine Aberkennung bezieht sich nie auf Familienangehörige.

Mehrstaatlichkeit

Mehrstaatlichkeit ist zulässig, wenn weitere Staatsbürgerschaften automatisch durch Geburt, Heirat, Adoption usw. erworben wurden, oder ein Abkommen mit dem entsprechenden Staat die Möglichkeit vorsieht.

Rumänien

Moldauer können die rumänische Staatsangehörigkeit und somit die der EU unter erleichterten Bedingungen erwerben. Es genügt der Nachweis, dass mindestens ein Großeltern- oder Elternteil in den Jahren 1918–40, als Bessarabien rumänisch war, diese Staatsangehörigkeit gehabt hat. Von 1991 bis 2012 erhielten 335.000 Antragsteller im vereinfachten Verfahren, das auch Ukrainer begünstigt, einen rumänischen Pass. Man gewährte allein 2011 und 2012 rund 152.000 Ausländern, meist aus Moldau, die Staatsangehörigkeit. 112.000 Moldauer beantragten einen Pass.

Die Einführung dieser Regelung führte in Moldawien zu Befürchtungen ein wesentlicher Teil der Bevölkerung würde „weglaufen,“ nachdem Rumänien der EU beitrat und die Personenfreizügigkeit in Kraft trat. Gewisse mitteleuropäische Politiker, wie Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) und sein Kollege Markus Ulbig (CDU), sehen die Praxis kritisch und nutzen sie um ihre ausländerfeindliche Agenda durch das Schüren von Angst zu propagieren.[9] Tausende Moldauer sind als Gastarbeiter, vor allem wegen der Sprachverwandtschaft, nach Italien gegangen.

Investoren

Seit Oktober 2017[10] gibt es das so genannte “Moldova Citizenship by Investment,” das es ausländischen Investoren erlaubt für vergleichsweise kleine Beträge eingebürgert zu werden. Entweder geschieht dies in Form vom Kauf von Staatsanleihen für € 100.000, plus € 15.000 für jedes weitere Familienmitglied als „Spende“ oder durch Erwerb von Immobilienbesitz für € 250.000 oder fünf Jahre nicht verkäuflicher Staatsanleihen. Anderweitig sind auch € 450.000 sonstiges Investment für die Einbürgerung möglich.[11] Weiterhin wird verlangt, dass der Antragsteller einigermaßen gesund und unbescholten ist.

Zusätzlich werden Bearbeitungsgebühren, mindestens € 5.000 für Einzelpersonen, weniger für weitere Familienangehörige, fällig. Das an einen ausländischen Dienstleister vergebene Verfahren wurde als undurchsichtig kritisiert.[12][13]

Im Juni 2019 wurde die Anwendung der Regelung für zunächst vier Monate ausgesetzt. Nach strengeren Kontrollen wieder fortgeführt. Die Einschaltung eines konzessionierten Agenten war verpflichtend. Das Verfahren dauerte höchstens 90 Tage.[14] Ende 2020 wurde das Programm ganz abgeschafft.

Pridnestrowische Moldauische Republik

Die „Botschaften“ der „Staaten“ Abchasien und Südossetien in Tiraspol. (Diese beiden nicht anerkannten Staaten sind die einzigen, in denen transnistrische Reisepässe zur Einreise gültig sind.)

Transnistrien, Eigenbezeichnung Pridnestrowische Moldauische Republik (PMR),[15] spaltete sich 1992 in einem kurzen Krieg von Moldau ab. Zu dieser Zeit war die Bewegung zur Vereinigung von Rumänien und der Moldau stark, die vor allem russischstämmigen Bewohner des Landstreifens fühlten sich dadurch bedroht. Alle in dem Gebiet Ansässigen wurden nach Errichtung der PMR automatisch deren Staatsbürger.

Der erste Pass der PMR wurde am 1. Oktober 2001 ausgestellt. Bis zu diesem Zeitpunkt erhielten die Bürger ab Mitte der 1990er Jahre zusätzlich zu einem bestehenden Reisepass eines anderen Staates (oder eines Inlandspasses der UdSSR vom Muster 1974) eine Beilage, aus der hervorgeht, dass sie an die Staatsbürgerschaft der PMR besitzen. De facto handelt es sich hier um im Inland gültige Personalausweise.

2006 hatten etwa 350.000 der rund 550.000 Einwohner der PMR zusätzlich die moldauisch Staatsbürgerschaft inne. Im Jahre 2009 stieg die Zahl der Inhaber russischer Pässe von 130.000 auf 150.000, dazu waren etwa 100.000 Bewohner (auch) Staatsbürger der Ukraine. Im Sommer 2019 hat Russland die Voraussetzungen erleichtert, so dass Ende 2019 geschätzt 220.000 Einwohner der PMR (auch) russische Bürger sind.

Literatur

  • Beitzke, Günther; Staatsangehörigkeitsrecht von Albanien, Bulgarien und Rumänien; Frankfurt 1951 (Metzner); dazu: … Nachtrag; Frankfurt 1956
  • Dom, Rosanna; Fragile Loyalität zur Republik Moldau: Sowjetnostalgie und 'Heimatlosigkeit' unter den russischen und ukrainischen Minderheiten; Berlin 2017 (De Gruyter Oldenbourg), Kap.: Staatsbürgerschafts- und Minderheitenpolitik in der Republik Moldau – und ihre Auswirkungen.
  • Geilke, Georg; Staatsangehörigkeitsrecht der Sowjetunion einschließlich der geschichtlich-verfassungsrechtlichen Entwicklung der wichtigsten Gebietseinheiten und Völkerschaften; Frankfurt 1964 (Metzner)
  • Ginsburgs, George; Citizenship Law of the USSR; 1983 (Springer Science & Business); ISBN 978-94-015-1184-1.
  • Heintz, Monica; Weak state, uncertain citizenship: Moldova; Frankfurt 2008 (Lang); ISBN 3-631-57671-4.
  • Iordachi, Constantin; Redobândirea cetăţeniei române: perspective istorice, comparative şi aplicate; ISBN 978-606588275-1.
  • Reinhart Maurach: Staatsangehörigkeitsrecht der Sowjetunion. Ost-Europa-Verlag, Königsberg i.Pr. 1942
  • Tabachnik, Maxim; Citizenship, territoriality, and post-Soviet nationhood: the politics of birthright citizenship in Azerbaijan, Georgia, and Moldova; Cham CH 2019, ISBN 978-3-030-12882-1.
  • Wolloch, Erwin; Geschichtliche Entwicklung des Staatsangehörigkeitsrechts in Rumänien; Frankfurt 1988 (Lang); ISBN 3-8204-1654-4.

Einzelnachweise

  1. Vorgeschichte: Fürstentum Moldau.
  2. Abkommen zwischen der R.S.F.S R. und Rumänien, Jassy, 5. März 1918 und Odessa, 9. März 1918.
  3. Materialy po Bessarabskomu voprosu (so dnja Rumynskoj okkupacii) [1918–21]; Berlin-Šarlottenburg 1922 (Odesskij Komitet spasenija Bessarab.)
  4. Vereinbarung zwischen der Deutschen Reichsregierung und der Regierung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über die Umsiedlung der deutschstämmigen Bevölkerung aus den Gebieten von Bessarabien und der nördlichen Bukowina in das Deutsche Reich. 5. Sept. 1940.
  5. Hoffmann, Emil; Thoss, Alfred; Der vierte Treck: Leistung u. Heimkehr der Deutschen aus Bessarabien; Berlin 1941 (Nibelungen-Verl.)
  6. Pampuch, Andreas; Heimkehr der Bessarabien-Deutschen; Breslau 1942 (Schlesien-Verl.)
  7. Nach dem in Moldawien boykottierten Referendum vom 17. März, aber noch vor dem Augustputsch in Moskau.
  8. engl. Übersetzung
  9. Rumänien wird zum Einfallstor in die EU
  10. Verordnung Nr. 786 vom 4. Okt. 2017.
  11. gov.md
  12. Citizenship by Investment Program in Moldova – embracing great opportunities or risks? (13. Dezember 2018). Mit Hinweisen auf Querverbindungen zwischen der Ermordung der Journalistin Daphne Caruana Galizia und dem ebenfalls das maltesische Investorenprogramm kontrollierenden Dienstleister Henley & Partners.
  13. The passport king who markets citizenship for cash (16. Oktober 2018). Mit Hinweisen auf Wahlmanipulation auf St. Kitts durch Cambridge Analytica (bzw. die Muttergesellschaft SCL Group) samt Querverbindungen zu dem ebenfalls das Investorenprogramm dieser Insel kontrollierenden Dienstleister Henley.
  14. About the MCBI Program. Abgerufen am 14. Februar 2023.
  15. Nicht zu verwechseln mit dem von Rumänien 1941-44 verwalteten und flächenmäßig bedeutend größeren Gouvernement Transnistrien.