Liste der Kolonialuniversitäten in Lateinamerika

Alter Campus der Kolonialuniversität San Antonio Abad in Cusco (Peru)

Die Liste der Kolonialuniversitäten in Lateinamerika umfasst alle Universitätsgründungen der spanischen Kolonialmacht in Lateinamerika von der Entdeckung Amerikas 1492 bis zu den Unabhängigkeitskriegen Anfang des 19. Jahrhunderts.

Der Transfer des europäischen Universitätsmodells in die amerikanischen Überseegebiete stellte eine entscheidende Zäsur in der Bildungsgeschichte des Kontinents dar:

„In der Neuen Welt gab es nichts, was auch nur entfernt einer Universität glich, bevor Europäer dorthin kamen und sich dort niederließen. Ende des 18. Jahrhunderts waren Universitäten und andere Hochschuleinrichtungen über ganz Nord-, Mittel- und Südamerika verbreitet. Es waren keine autochthonen Neuschöpfungen, sondern Ableger der europäischen Universitätstradition.“[1]

Die christliche Missionierung der Indianer und der zunehmende Bedarf an ausgebildetem Verwaltungspersonal für das rasch wachsende Kolonialreich führten den spanischen Kolonisatoren die Notwendigkeit einer Universitätsausbildung auf amerikanischem Boden vor Augen.[2] Zur Errichtung einer Kolonialuniversität bedurfte es, die mittelalterliche Tradition weiterführend, eines päpstlichen oder königlichen Privilegs zur Verleihung akademischer Grade, das man aus den Händen beider Instanzen anstrebte und gewöhnlich auch erreichte.[3] Die Universitäten unterstanden allesamt der königlichen Aufsicht, einzig San Nicolas in Bogotá hatte den Status einer Privatuniversität inne.[4]

Privileg von Karl V. zur Gründung der Universität San Marcos in Lima 1551

Überwiegend orientierten sich die Neugründungen in ihren Verfassungen am Vorbild der Universität von Salamanca, der ältesten und ehrwürdigsten Universität Spaniens.[5] Kleinere Universitäten beschränkten ihr Lehrangebot auf die Ausbildung in den artes, einer Art Grundstudium, und der katholischen Theologie (mit Kirchenrecht).[5] Führend wurden die allmählich sich entwickelnden Volluniversitäten, die dazu das Studium der Medizin und der Jurisprudenz in ihrem Lehrplan anboten und damit alle vier klassischen Fakultäten besaßen.[5] In den kolonialen Machtzentren Santo Domingo, Lima und Mexiko-Stadt entstanden die bedeutenden Universitäten der ersten Stunde, die in der Folgezeit, als offenbar wurde, dass die riesigen Entfernungen im spanischen Herrschaftsgebiet eine größere Streuung der Standorte erforderlich machten, beim Aufbau weiterer Gründungen eine wichtige Rolle übernahmen.[6]

Eine tragende Rolle in der Entwicklung des Universitätswesens spielten die christlichen Ordensgemeinschaften, vor allem die im Bildungsbereich sehr aktiven Jesuiten, aber auch die Dominikaner und Augustiner. Errichtung wie Betrieb der meisten Universitäten gingen auf die – gewöhnlich lokale – Initiative eines dieser Orden zurück, die mitunter offene Rivalitäten über die Kontrolle des Campus und der Lehrinhalte austrugen.[2] Das (zeitweilige) Verbot des Jesuitenordens im späten 18. Jahrhundert bedeutete einen schweren Rückschlag für die Universitätslandschaft Lateinamerikas, mehrere der geschlossenen Jesuitenuniversitäten wurden erst Jahrzehnte später wiedereröffnet.[7]

Der erfolgreiche Export der Universität, einer eigenen europäischen Schöpfung,[8] auf einen fremden Erdteil bewies ihre „außerordentliche Wirksamkeit und Anpassungsfähigkeit“ als höchste Bildungsinstitution und markierte den Auftakt zu ihrer weltweiten Übernahme in der Moderne (siehe auch Liste der ältesten Universitäten).[9] Gleichwohl ist nicht zu verkennen, dass am Ausgang der Kolonialepoche das geistige Leben und der akademische Betrieb in den später gegründeten Universitätscolleges der Dreizehn Kolonien deutlich vitaler war.[9] Trotzdem erfüllten die spanischen Kolonialuniversitäten mit der Ausbildung der geistigen und weltlichen Kolonialelite ihre Hauptaufgabe und konnten so nach der Trennung vom Mutterland eine wichtige Funktion beim inneren Ausbau der jungen Republiken wahrnehmen.[9]

Im portugiesischen Brasilien existierten dagegen weit über die Kolonialzeit hinaus keine Universitäten (die erste Gründung erfolgte erst 1912 in Curitiba); den geringeren lokalen Bedarf an theologischen und juristischen Fachkräften deckten jesuitische Kollegien weitgehend ab, für eine höhere Ausbildung musste ein Studium in Übersee an der Universität Coimbra aufgenommen werden.[10]

Liste

Die Liste ist nach dem Zeitpunkt der Anerkennung sortiert. Wo mehr als eine Universität an einem Ort gegründet wurde, steht der Name der Institution in Klammern.

16. Jahrhundert

Anerkannt Universität Heutiges Land
1538[11][6] Santo Domingo (Santo Tomás) Dominikanische Republik
1551[11] Lima Peru
1551[11][12] Nationale Autonome Universität von Mexiko Mexiko
1552[13] La Plata o Charcas[unsicher 1] (Real Universidad de La Plata) Bolivien
1558[11] Santo Domingo (Santiago de la Paz) Dominikanische Republik
1580[11] Bogotá (Santo Tomás) Kolumbien
1586[13] Quito (San Fulgencio) Ecuador

17. Jahrhundert

Anerkannt Universität Heutiges Land
1621[13] Santiago (San Miguel) Chile
1621[13] Cusco (Pontifica Universidad de San Ignacio de Loyola) Peru
1621[11][14] Córdoba Argentinien
1621[11] Sucre Bolivien
1624[11][4] Mérida, Yucatán Mexiko
1676[11][13] Guatemala-Stadt Guatemala
1677[11] Ayacucho Peru
1681[11] Quito (Santo Tomás) Ecuador
1685[11] Santiago (Nuestra Señora del Rosario) Chile
1690[11][4] Cusco (San Antonio Abad) Peru
1694[13][4] Bogotá (San Nicolás) Kolumbien
1696[11] Quito (San Gregorio Magno) Ecuador

18. Jahrhundert

Anerkannt Universität Heutiges Land
1704[11] Bogotá (Javeriana) Kolumbien
1721[11] Havana Kuba
1721[11] Caracas Venezuela
1733[7] Asunción Paraguay
1738[11] Santiago (San Felipe) Chile
1744[7][15] Popayán Kolumbien
1749[11] Panama-Stadt Panama
1749[13] Concepción Chile
1778[7] Buenos Aires Argentinien
1791[11] Guadalajara, Jalisco Mexiko

19. Jahrhundert

Anerkannt Universität Heutiges Land
1806[11] Mérida Venezuela
1812[11] Managua Nicaragua

Anmerkungen

  1. Universität wurde nicht eröffnet

Einzelnachweise

  1. Roberts, Rodriguez & Herbst 1996, S. 214
  2. a b Roberts, Rodriguez & Herbst 1996, S. 218f.
  3. Roberts, Rodriguez & Herbst 1996, S. 216
  4. a b c d Roberts, Rodriguez & Herbst 1996, S. 219
  5. a b c Roberts, Rodriguez & Herbst 1996, S. 215
  6. a b Roberts, Rodriguez & Herbst 1996, S. 218
  7. a b c d Roberts, Rodriguez & Herbst 1996, S. 220
  8. Rüegg 1993, S. 13f.
  9. a b c Roberts, Rodriguez & Herbst 1996, S. 231f.
  10. Roberts, Rodriguez & Herbst 1996, S. 220f.
  11. a b c d e f g h i j k l m n o p q r s t u v Jílek 1984, S. 325–339
  12. La Universidad Pontificia de México: Historia (Memento des Originals vom 22. Juli 2011 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.pontificia.edu.mx (span.)
  13. a b c d e f g Tünnermann 1991, S. 26, 35–38
  14. Universidad Nacional de Córdoba: Orígenes (Memento vom 14. Juli 2011 im Internet Archive) (span.)
  15. Tünnermann 1991, S. 26

Literatur

  • Jílek, Jubor (Hrsg.): Historical Compendium of European Universities/Répertoire Historique des Universités Européennes, Standing Conference of Rectors, Presidents and Vice-Chancellors of the European Universities (CRE), Genf 1984
  • Roberts, John; Rodriguez Cruz, Agueda M.; Herbst, Jürgen: „Die Übernahme europäischer Universitätsmodelle“, in: Rüegg, Walter (Hrsg.): Geschichte der Universität in Europa. Bd. II: Von der Reformation zur Französischen Revolution (1500–1800), C. H. Beck, München 1996, ISBN 3406-36953-7, S. 213–232
  • Rüegg, Walter: „Vorwort. Die Universität als europäische Institution“, in: Rüegg, Walter (Hrsg.): Geschichte der Universität in Europa. Bd. I: Mittelalter, C. H. Beck, München 1993, ISBN 3-406-36952-9, S. 13f.
  • Tünnermann Bernheim, Carlos: Historia de la Universidad en América Latina. De la Época Colonial a la Reforma de Córdoba, Editorial Universitaria Centroamericana, 1991, ISBN 9977-30-167-0

Siehe auch