Deutsche Energiewirtschaft

Kohlebilanz Deutschlands (seit 1980)
Erdgasbilanz Deutschlands (seit 1970)

Die deutsche Energiewirtschaft hat Parallelen zur Energiewirtschaft in anderen europäischen Ländern.

Im 21. Jahrhundert wird in vielen Industrienationen eine Energiewende zur Nutzung nachhaltiger Energiequellen vollzogen. Deutschland hatte dabei ungefähr von 2004 bis etwa 2012 eine Vorreiterrolle inne, vor allem bei der Nutzung der Sonnenenergie mit der Photovoltaik. Seitdem hinkt Deutschland hinterher und erreichte 2018 im vom Weltwirtschaftsforum und von McKinsey ermittelten internationalen Energiewende-Index nur noch Mittelmaß.[1] Zum aktuellen Stand der umweltfreundlichen Energiegewinnung siehe den Artikel Erneuerbare Energien in Deutschland, zur Entwicklungsgeschichte und der politischen Diskussion siehe den Artikel Energiewende in Deutschland.

Geschichte

Historische Entwicklung der CO₂-Emissionen

In Deutschland bildete sich eine staatlich kontrollierte Struktur regionaler Monopole mit definierten und staatlich garantierten Demarkationslinien auf nationaler Ebene einerseits und auf der Ebene der kommunalen Energieversorgungsunternehmen (EVU, Stadtwerke) andererseits heraus. Hierbei spielte das von den Nationalsozialisten zur Vorbereitung auf die Kriegswirtschaft 1935 auf den Weg gebrachte Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) eine zentrale Rolle. Den Kommunen obliegt die Sicherstellung der Energieversorgung im Rahmen der kommunalen Daseinsvorsorge, die mit dem Grundgesetz in der Bundesrepublik Verfassungsrang erhielt.

Während in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) die Ebene der kommunalen Versorgungsstrukturen an die zentralistische Planung der landesweiten Energieversorgung angepasst wurde, behielt die Bundesrepublik die horizontal zweigeteilte Struktur und im Wesentlichen auch das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) von 1935 bei. Mit dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland wurde in den neu entstandenen Bundesländern die kommunale Versorgungsstruktur restituiert.

In den 1970er und 1980er Jahren kam es in Deutschland zu erbitterten Auseinandersetzungen um die Nutzung der Kernenergie. In der Anti-AKW-Bewegung hatten die Grünen eine ihrer stärksten Wurzeln. Die rot-grüne Bundesregierung (1998–2005) unter Kanzler Gerhard Schröder vereinbarte im Rahmen von Energiekonsens-Gesprächen mit den deutschen Betreibern von Kernkraftwerken einen Atomausstieg.

Mit der Novelle des EnWG im Jahr 1998 wurde der Weg der schrittweisen Liberalisierung der Energiewirtschaft begonnen. Sie wurde durch eine entsprechende Richtlinie der Europäischen Union von 1996 notwendig. Am 13. Juli 2005 ist eine weitere Novelle (Zweites Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechtes) in Kraft getreten.

Im Jahr 2005 konnte Deutschland in der Gesamtbilanz zwischen Stromexport und -import einen Exportüberschuss von 8,5 Mrd. kWh verzeichnen. 2007 betrug der Überschuss 19,1 Mrd. kWh und 2009 14,3 Mrd. kWh.[2] 2012 betrug der Exportüberschuss 23 Mrd. kWh.[3]

2007 beschloss die Bundesnetzagentur die Geschäftsprozesse zur Kundenbelieferung mit Elektrizität. Damit werden alle Prozesse zwischen den beteiligten Marktakteuren (Verteilnetzbetreiber, alter und neuer Lieferant), die mit dem Lieferantenwechsel eines Stromkunden einhergehen und die zur ordnungsgemäßen Abwicklung der Belieferung des Kunden notwendig sind, reguliert. Grund für die Regulierung war eine bis dahin unzureichende Anwendung, der von den beteiligten Marktakteuren selbsttätig entwickelten Prozesse zur Umsetzung der Vorgaben aus dem EnWG, da diesen die Rechtsverbindlichkeit fehlte. Diese wurde durch die behördliche Regulierung hergestellt.

2009 folgte die nächste Regulierung des Strommarktes durch die Bundesnetzagentur. Die am 10. Juni 2009 beschlossenen Marktregeln für die Durchführung der Bilanzkreisabrechnung Strom, kurz MaBiS, regulieren die Bilanzierung der in einem Monat im Stromnetz verteilten Energiemengen und die Abrechnung der Bilanzkreise. Auch hier war ein wesentlicher Grund, dass die im Markt entwickelten Regelungen aufgrund der fehlenden Rechtsverbindlichkeit nur unzureichend Anwendung fanden. Folge waren z. T. erhebliche Nachteile und vor allem finanzielle Risiken besonders für die Energielieferanten. Die MaBiS trat vollumfänglich am 1. Juni 2010 in Kraft. Für eine Beschreibung der Energieversorgungsprozesse im Rahmen der neuregulierten Energiewirtschaft siehe den Artikel Energiemarkt.

Im Zuge der Energiewende seit 2000 hat die wirtschaftliche Bedeutung erneuerbarer Energien stark zugenommen, die inzwischen einen erheblichen Wirtschaftsfaktor für die deutsche Industrie darstellen.[4] Im Jahr 2021 deckten erneuerbare Energien 19,7 % des gesamten Endenergieverbrauchs. 41,1 % des Stroms stammten aus erneuerbaren Energien, 16,5 % der Wärme, während im Verkehrssektor der Anteil bei 6,8 % lag.[5]

Mit Stand 2014 förderte Deutschland mehr Braunkohle als jedes andere Land.[6]

Nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine Anfang 2022 wurde die Wiederherstellung der Energiesicherheit zu einem starken Thema der Energiepolitik Deutschlands. Zu dem Zeitpunkt war Deutschland stark vom Import fossiler Energieträger aus Russland abhängig. So stammten vor Kriegsbeginn ca. 50 % der in Deutschland genutzten Steinkohle, ca. 35 % des Erdöls und ca. 55 % des Erdgases aus Russland. Um Deutschland aus dem "Klammergriff der russischen Importe zu lösen" kündigte der deutsche Energieminister Robert Habeck eine Diversifizierung der Energieimporte, Energiesparmaßnahmen sowie Programme zum Austausch von Öl- und Gasheizungen an. Wie schnell Deutschland auf russische Gasimporte verzichten könne, hänge aber nicht zuletzt vom Ausbau der erneuerbaren Energien sowie von Energieeinsparungen ab.[7] Infolge der daraufhin eingeleiteten Gaseinsparungen sowie der Diversifikation der Gasbezugsquellen fiel der Anteil russischen Erdgases von 55 % im 2021 auf 20 % im Jahr 2022.[8] Im Jahr 2020 gingen 36 % des deutschen Erdgasverbrauchs auf die Industrie zurück. Haushalte verbrauchten 31 % des Gases, die Stromerzeugung 14 %, Handel und Gewerbe 12 % und die Fernwärme 7 %. 0,2 % wurden im Verkehr genutzt.[9]

Stromerzeugung

Strom wurde 2021 in Deutschland mit einem Anteil von 28,1 % mit Kohle erzeugt (36 % im Jahr 2018, 23,7 % 2020). Der Anteil erneuerbarer Energien stieg von 2003 bis 2020 stetig an[10], hauptsächlich von dem Ausbau der Windkraft getragen; er lag 2020 bei 44,9 % und damit deutlich über dem von Kohle.

Verbände

In Deutschland gibt es zahlreiche Energiewirtschafts-Verbände, nachfolgend eine Auswahl:

Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft entstand im Jahr 2007 aus dem Zusammenschluss der Verbände Bundesverband der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft (BGW), Verband der Elektrizitätswirtschaft (VDEW), Verband der Netzbetreiber (VDN) und dem Verband der Verbundunternehmen und Regionalen Energieversorger in Deutschland (VRE).

Institute und Forschung

Literatur

Fachbücher

Ältere Werke

  • Wilm Tegethoff: Das Recht der öffentlichen Energieversorgung, ETV seit 1982 (Erstauflage), zusammen mit Ulrich Büdenbender, Heinz Klinger
  • Wilm Tegethoff: Probleme der räumlichen Energieversorgung, Vincentz Hannover 1986, ISBN 3-87870-765-7.
  • Christian Held, Peter Becker (Hrsg.): Kommunale Wirtschaft im 21. Jahrhundert: Rahmenbedingungen, Strategien und Umsetzungen. VWEW-Energieverlag, 2006, ISBN 978-3-8022-0780-8.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Nadja Podbregar: Energiewende: Deutschland hinkt hinterher. In: natur.de / wissenschaft.de. Konradin Medien GmbH, 16. März 2018, abgerufen am 9. Mai 2021 (deutsch).
  2. Bundesverband der Energie und Wasserwirtschaft (Memento des Originals vom 19. März 2011 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.bdew.de, abgerufen am 15. März 2011
  3. www.ag-energiebilanzen.de 'Bruttostromerzeugung in Deutschland ab 1990–2015 nach Energieträgern', abgerufen am 29. Mai 2016
  4. Agentur für Erneuerbare Energien: Erneuerbare Energien - Ein Gewinn für den Standort Deutschland. Berlin 2014
  5. Erneuerbare Energien in Zahlen. Umweltbundesamt. Abgerufen am 26. März 2022.
  6. Janosch Delcker, Martin Sümening, Christoph Seidler: Riskante Billig-Energie. spiegel.de, 24. Juni 2014, abgerufen am 1. Oktober 2014
  7. Weniger Abhängigkeit von Russland: Wie weit wir schon sind. In: Die Zeit, 25. März 2022. Abgerufen am 26. März 2022.
  8. Anteil des Ökostroms steigt 2022 auf Rekordwert. In: Frankfurter AllgemeineZeitung, 20. Dezember 2022. Abgerufen am 20. Dezember 2022.
  9. Anteil der Verbrauchergruppen am Erdgasabsatz in Deutschland in den Jahren 2010 und 2020 . Statista. Abgerufen am 26. März 2022.
  10. Jährlicher Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung in Deutschland. In: energy-charts.info Energy Charts. Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE, Freiburg, abgerufen am 9. Mai 2021.