Typ-F-Gefängnis

Die Gerichtsbarkeit der Türkei ist entsprechend Artikel 138 der Verfassung unabhängig und unterliegt keinerlei Weisung. Zuständig für Personalfragen und die disziplinarrechtliche Kontrolle der Gerichte ist der "Hohe Rat der Richter und Staatsanwälte" (Hakimler ve Savcılar Yüksek Kurulu).[1]

Das türkische Gerichtswesen besteht bei Straf- und Zivilsachen grundsätzlich aus zwei Instanzen: Tatsacheninstanz und Revision (temyiz). Eine Berufung existiert lediglich bei der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Im Zuge der Reformen für den Beitritt in die Europäische Union wurde am 1. Juni 2005 mit den Regionsgerichten (bölge adliye mahkemeleri) eine Berufungsinstanz (istinaf mahkemesi) eingeführt, die noch in die Praxis umgesetzt werden muss.

Das Militär verfügt über eine eigene Gerichtsbarkeit.

Das Verfassungsgericht

Das Verfassungsgericht (Anayasa Mahkemesi) hat drei Hauptaufgaben:

  1. Die Überprüfung von Gesetzen und Verordnungen mit Gesetzeskraft (Art. 150 und 152 der Verfassung)
  2. Die Funktion als Staatsgerichtshof (Yüce Divan) nach Art. 148 der Verfassung
  3. Das Verbot von politischen Parteien (Art. 148)[2]

Eine Verfassungsbeschwerde, die in Deutschland über 90 Prozent der Arbeit des Verfassungsgerichts ausmacht, ist nach türkischem Recht nicht vorgesehen. Aus diesem Grunde hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte für Bürger der Türkei eine große Bedeutung.

Die Verwaltungsgerichtsbarkeit

Der Verwaltungsgerichtshof oder auch Staatsrat (Danıştay) wurde 1868 eingeführt. Er besteht heute aus 13 Senaten. Erst 1982 erfolgte der Aufbau einer Verwaltungsgerichtsbarkeit. Es gibt folgende Verwaltungsgerichte:

  • Verwaltungsgericht (İdare Mahkemesi), besteht aus einem Einzelrichter, Berufungsinstanz: Regionalverwaltungsgericht (Bölge İdare Mahkemesi)
  • Steuergericht (Vergi Mahkemesi), besteht aus einem Einzelrichter, Berufungsinstanz: Regionalverwaltungsgericht
  • Regionalverwaltungsgericht, besteht aus drei Richtern, Berufungsinstanz: Verwaltungsgerichtshof

Die ordentliche Gerichtsbarkeit

Die Strafgerichtsbarkeit

Die türkische Strafgerichtsbarkeit kennt folgende Gerichtsarten:

  • Friedensgericht (Sulh Ceza Mahkemesi): Dieses Gericht ist mit einem Einzelrichter besetzt und verhandelt Bagatelldelikte. Nach dem Gesetz 5235 gehören dazu Strafsachen, bei denen eine Geldstrafe oder eine maximale Haftstrafe von bis zu 2 Jahren vorgesehen ist.
  • Strafkammer (Asliye Ceza Mahkemesi): Dieses Gericht ist mit einem Einzelrichter besetzt und verhandelt mittelschwere Strafsachen, die nicht in das Aufgabengebiet der Friedensgerichte oder Großen Strafkammern fallen.
  • Große Strafkammer (Ağır Ceza Mahkemesi): Dieses Gericht ist mit drei Richtern besetzt und verhandelt schwere Strafsachen. Neben ein paar speziell den Kammern zugeordneten Delikten und mit Ausnahme aller als terroristisch (politisch) eingestuften Vergehen sind die Großen Strafkammern für Straftaten zuständig, bei denen das Mindeststrafmaß 10 Jahre beträgt.
  • Sonderstrafkammer ("Özel Yetkili" Ağır Ceza Mahkemesi): Im Juni 2004 wurden die Staatssicherheitsgerichte (Devlet Güvenlik Mahkemeleri, DGM), an denen politische Delikte verhandelt werden, in die gewöhnliche Gerichtsbarkeit aufgenommen. Die Kammern der in 8 der 81 Provinzen der Türkei existierenden aber für die gesamte Türkei zuständigen DGM wurden numerisch an die am jeweiligen Ort vorhandenen Großen Strafkammern angehängt.[3] Sie urteilen nach den in den Artikeln 250-252 der türkischen Strafprozessordnung (TStPO) definierten Sonderregeln und werden daher wörtlich die nach Artikel 250 TStPO zuständigen Gerichte für schwere Strafen genannt. Neben Artikel 250 TStPO bestimmt das Gesetz 3713 zur Bekämpfung des Terrorismus welche Straftaten vor diesen Sondergerichten verhandelt werden.[4]

Es gibt darüber hinaus weitere Sondergerichte wie die so genannten Kindergerichte (Çocuk Mahkemeleri) und Strafgerichte zu gedanklichen und gewerblichen Rechten (Fikri ve Sınai Haklar Ceza Mahkemeleri). Ebenso wie die Arbeitsgerichte sind die meisten Sondergerichte landesweit noch im Aufbaustadium.

Revisionsinstanz ist stets der Kassationshof (Yargıtay). Hebt der Kassationshof das Urteil einer Vorinstanz auf (karar bozma), beharrt die Vorinstanz aber trotzdem auf ihrem Urteil, entscheidet automatisch der "Große Strafsenat des Kassationshofes" (Ceza Genel Kurulu) letztinstanzlich. Zu den Großen Strafkammern, den Sonderkammern und dem Kassationshof gehören sogenannte "Oberstaatsanwaltschaften der Republik" (Cumhuriyet Başsavcılığı).

Die Zivilgerichtsbarkeit

Die türkische Zivilgerichtsbarkeit kennt folgende Gerichtstypen:

  • Ziviles Friedensgericht (Sulh Hukuk Mahkemesi): Dieses Gericht ist mit einem Einzelrichter besetzt und verhandelt Zivilsachen mit geringem Streitwert.
  • Zivilkammer (Asliye Hukuk Mahkemesi): Dieses Gericht ist mit einem Einzelrichter besetzt und verhandelt Zivilsachen mit höherem Streitwert.
  • Kammer für Handelssachen (Asliye Ticaret Mahkemesi): Dieses Gericht ist mit drei Richtern besetzt.
  • Arbeitsgerichte (İş Mahkemeleri): Sie entsprechen den deutschen Arbeitsgerichten.

Die Streitwertgrenze lässt sich nicht genau bestimmen, da sie inflationsbedingt wechselt.

Anmerkungen

  1. Nach Artikel 159 der Verfassung hat der Justizminister den Vorsitz in diesem Rat. Zu den Mitgliedern gehört der Staatssekretär im Justizministerium, drei Mitglieder des Plenums im Kassationshof und zwei Mitglieder des Staatsrats, die unter je drei Kandidaten für jeden Posten vom Staatspräsidenten gewählt werden. Aufgrund dieser Zusammensetzung und durch die Unterbringung dieses Gremiums in Räumlichkeiten des Justizministeriums ist eine erhebliche Einflussnahme der Politik - ähnlich wie in Deutschland - möglich.
  2. Eine deutsche Übersetzung der Verfassung im pdf Format
  3. Eine Übersicht über die Kammern an den jeweiligen Orten
  4. Im Gutachten Rechtsstaatlichkeit politischer Verfahren in der Türkei (Januar 2006) findet sich ein ausführliches Kapitel zur formellen Abschaffung der Staatssicherheitsgerichte. Eine Zusammenfassung und Möglichkeit, das gesamte Gutachten herunterzuladen, gibt es hier

Literatur