„Scat“ – Versionsunterschied

[gesichtete Version][gesichtete Version]
Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
KKeine Bearbeitungszusammenfassung
Markierung: 2017-Quelltext-Bearbeitung
 
(37 dazwischenliegende Versionen von 25 Benutzern werden nicht angezeigt)
Zeile 1: Zeile 1:
{{Begriffsklärungshinweis}}
{{Begriffsklärungshinweis}}
Als '''Scat''' ([[englische Sprache|engl.]] ''to scat'' „hasten, jagen“), auch ''scat singing'', bezeichnet man eine spezielle Form des [[Gesang]]s im [[Vereinigte Staaten|US-amerikanischen]] [[Gospel]] und im [[Jazzgesang]], die ein [[Improvisation (Musik)|improvisiertes]] Singen von rhythmisch und melodisch aneinandergereihten Silbenfolgen ohne Wortbedeutung und ohne zusammenhängenden Sinn bezeichnet; mit den Silben und Wortfragmenten werden [[Onomatopoesie|lautmalerisch]] instrumentale [[Phrase (Musik)|Phrasen]] nachgeahmt, beispielsweise Elemente aus dem Instrumentalstil der umgebenden Musiker. Die exakte Ausformung und Klanggestalt der Silbenfolgen wird vom Musiker weitgehend spontan improvisiert und die Stimme nicht zusätzlich zur Übermittlung von Sinninhalten, sondern allein als Instrument benutzt.
Als '''Scat''' oder '''Scatting''', auch ''scat singing'', bezeichnet man eine spezielle Form des [[Gesang]]s im US-amerikanischen [[Gospel]] und im [[Jazzgesang]], die ein [[Improvisation (Musik)|improvisiertes]] Singen von rhythmisch und melodisch aneinandergereihten Silbenfolgen ohne Wortbedeutung und ohne zusammenhängenden Sinn bezeichnet; mit den Silben und Wortfragmenten werden [[Onomatopoesie|lautmalerisch]] instrumentale [[Phrase (Musik)|Phrasen]] nachgeahmt, beispielsweise Elemente aus dem Instrumentalstil der umgebenden Musiker. Die exakte Ausformung und Klanggestalt der Silbenfolgen wird vom Musiker weitgehend spontan improvisiert und die Stimme nicht zusätzlich zur Übermittlung von Sinninhalten, sondern allein als Instrument benutzt.


== Entwicklung ==
== Entwicklung ==
Der Ursprung dieser Form des Gesangs ist nicht bekannt. [[Louis Armstrong]] behauptete zwar, den Scat-Gesang 1926 bei der Aufnahme des Titels „Heebie Jeebies“ mit den [[Hot Five]] erfunden zu haben; ihm sei bei der Aufnahme versehentlich das Notenblatt mit dem Text auf den Boden gefallen (und damals – siehe [[Schallplatte#Entstehung der Schallplattenindustrie ab 1900]] – wurden Musikaufnahmen für Schallplatten noch ohne Schnitt bei der [[Tonaufnahme]] „in einem Stück“ direkt auf einen [[Schallplatte#Industrielle Pressung|Wachsrohling]] aufgenommen, eine Wiederholung wäre zu teuer gekommen),<ref>[http://www.npr.org/programs/jazzprofiles/archive/armstrong_singer.html Louis Armstrong: The Singer (NPR)]</ref> worauf er folgende Wortfetzen improvisierte:
Der Ursprung dieser Form des Gesangs ist nicht bekannt. [[Louis Armstrong]] behauptete zwar, den Scat-Gesang 1926 bei der Aufnahme des Titels ''Heebie Jeebies'' mit seiner [[Louis Armstrong and His Hot Five|Hot Five]] erfunden zu haben; ihm sei bei der Aufnahme versehentlich das Notenblatt mit dem Text auf den Boden gefallen<ref>{{Internetquelle |url=https://www.npr.org/2007/08/22/13829155/louis-armstrong-the-singer |titel=Louis Armstrong: 'The Singer' |abruf=2024-02-06}}</ref> (und damals – siehe [[Schallplatte#Entstehung der Schallplattenindustrie ab 1900]] – wurden Musikaufnahmen für Schallplatten noch ohne Schnitt bei der [[Tonaufnahme]] „in einem Stück“ direkt auf einen [[Schallplatte#Industrielle Pressung|Wachsrohling]] aufgenommen, eine Wiederholung wäre zu teuer gekommen), worauf er folgende Wortfetzen improvisierte:


[[Datei:Notenbeispiel_Armstrong_Heebie.png|thumb|center|500px|Notenbeispiel aus Louis Armstrongs ''Heebie Jeebies'' (1926) – Scat-Silben: di da da bi bol di-bi-la daou]]
[[Datei:Notenbeispiel Armstrong Heebie.png|mini|zentriert|500px|Notenbeispiel aus Louis Armstrongs ''Heebie Jeebies'' (1926) – Scat-Silben: di da du bi bol di-bi-la daou]]


Allerdings nahm bereits 1924 [[Don Redman]] mit der Band von [[Fletcher Henderson]] den ersten, noch etwas unbeholfenen Scat-Gesang der Jazzgeschichte („My Papa Doesn't Two-Time No Time“) auf. Auch zeigen Aufnahmen von Bands um [[Adrian Rollini]] wie die [[The Little Ramblers]] in ''Hard Hearted Hannah'' vom 13. August 1924 oder [[The Goofus Five]] in dem Stück ''Go Emaline'' vom 24. September 1924, dass schon vor Armstrongs Aufnahme von 1926 Scat Bestandteil von Jazzmusik war. Bereits zuvor hatte [[Cliff Edwards]] 1922 mehrere Aufnahmen (wie ''Nobody'' oder ''Homesick'') gemacht, auf denen er Scat-artig improvisierte; schon 1911 hatte der [[Vaudeville]]-Künstler [[Gene Greene]] mit ''King of the Bungaloos'' eine erste Aufnahme mit Scat vorgelegt.<ref>vgl. [http://www.redhotjazz.com/cliffedwards.html Cliff Edwards (Red Hot Jazz)] und [http://www.jazz.com/music/2007/11/10/louis-armstrong-heebie-jeebies Louis Armstrong: Heebies Jeebies (jazz.com)]</ref>
Allerdings nahm bereits 1924 [[Don Redman]] mit der Band von [[Fletcher Henderson]] den ersten, noch etwas unbeholfenen Scat-Gesang der Jazzgeschichte („My Papa Doesn't Two-Time No Time“) auf. Auch zeigen Aufnahmen von Bands um [[Adrian Rollini]] wie die [[The Little Ramblers]] in ''[[Hard Hearted Hannah]]'' vom 13. August 1924 oder ''The Goofus Five'' in dem Stück ''Go Emaline'' vom 24. September 1924, dass schon vor Armstrongs Aufnahme von 1926 Scat Bestandteil von Jazzmusik war. Bereits zuvor hatte [[Cliff Edwards]] 1922 mehrere Aufnahmen (wie ''Nobody'' oder ''Homesick'') gemacht, auf denen er Scat-artig improvisierte; schon 1911 hatte der [[Vaudeville]]-Künstler [[Gene Greene]] mit ''King of the Bungaloos'' eine erste Aufnahme mit Scat vorgelegt.<ref>vgl. {{Webarchiv | url=http://www.redhotjazz.com/cliffedwards.html | wayback=20151101075734 | text=Cliff Edwards (Red Hot Jazz)}} und {{Webarchiv|url=http://www.jazz.com/music/2007/11/10/louis-armstrong-heebie-jeebies |wayback=20121223124753 |text=Louis Armstrong: Heebies Jeebies (jazz.com)}}</ref>


Scat-Gesang erleichtert die [[Improvisation (Musik)#Jazz|Vokalimprovisation]] im Jazz-Gesang, denn dabei wird die Hauptmelodie durch weitere Töne erweitert oder variiert, für die kein Text vorrätig ist. Die Mitverwendung von Konsonanten ergibt – im Gegensatz zu einer klassischen [[Koloratur]] – eine Ähnlichkeit mit [[Rhythmusinstrument]]en, um damit sogenannten „[[Drive (Musik)|Drive]]“ (eine zeitliche [[Synkope (Musik)|Synkope]], die rhythmische Spannung <ref>Vgl. Elmar Bozetti, ''Einführung in musikalisches Verstehen und Gestalten'', Frankfurt 1988, S. 143.</ref>und den sogenannten [[Swing (Rhythmus)|„Swing“-Rhythmus]] erzeugt) hervorzurufen.
Scat-Gesang erleichtert die [[Improvisation (Musik)#Jazz|Vokalimprovisation]] im Jazz-Gesang, denn dabei wird die Hauptmelodie durch weitere Töne erweitert oder variiert, für die kein Text vorrätig ist. Die Mitverwendung von Konsonanten ergibt – im Gegensatz zu einer klassischen [[Koloratur]] – eine Ähnlichkeit mit [[Rhythmusinstrument]]en, um damit sogenannten „[[Drive (Musik)|Drive]]“ (eine zeitliche [[Synkope (Musik)|Synkope]], die rhythmische Spannung<ref>Vgl. Elmar Bozetti, ''Einführung in musikalisches Verstehen und Gestalten'', Frankfurt 1988, S. 143.</ref> und den sogenannten [[Swing (Rhythmus)|„Swing“-Rhythmus]] erzeugt) hervorzurufen.


Scat-Gesang war darum besonders in der [[Swing (Musikrichtung)|Swing]]- und [[Bebop]]-Ära verbreitet und wurde in der [[Cool Jazz|Cool-Jazz]]- und [[Hard Bop|Hardbop]]-Periode weiter kultiviert. Typische und erfolgreiche Scat-Songs aus dieser Zeit sind beispielsweise ''[[How High the Moon]]'' und ''[[Lullaby of Birdland]]'' aus dem Repertoire von [[Ella Fitzgerald]] und [[Sarah Vaughan]].
Scat-Gesang war darum besonders in der [[Swing (Musikrichtung)|Swing]]- und [[Bebop]]-Ära verbreitet und wurde in der [[Cool Jazz|Cool-Jazz]]- und [[Hard Bop|Hardbop]]-Periode weiter kultiviert. Typische und erfolgreiche Scat-Songs aus dieser Zeit sind beispielsweise ''[[How High the Moon]]'' und ''[[Lullaby of Birdland]]'' aus dem Repertoire von [[Ella Fitzgerald]] und [[Sarah Vaughan]].


Auch [[Paul McCartney]], der Ella Fitzgerald als die größte Scatterin bezeichnete, nahm Ende der 1970er Jahre ''Check My Machine'' (1980 auf der B-Seite der Single ''Waterfalls'' veröffentlicht) in der Tradition des ''Scatting'' auf.<ref>[[Paul McCartney]]: ''Lyrics. 1956 bis heute.'' Hrsg. mit einer Einleitung von [[Paul Muldoon]]. Aus dem Englischen übersetzt von Conny Lösche. C. H. Beck, München 2021, ISBN 978-3-406-77650-2, S. 75 (zu ''Check My Machine'').</ref>
Ein bekanntes Beispiel ist auch [[Cab Calloway]] mit seinem Stück ''[[Minnie the Moocher]]'' (1931). In dem Refrain gibt es sowohl einfache („Hidi Hidi Hidi Ho“) Silbenspiele wie auch sehr schnelle und kaum mehr verständliche Kombinationen.


Ein bekanntes Beispiel ist auch [[Cab Calloway]] mit seinem Stück ''[[Minnie the Moocher]]'' (1931). In dem Refrain gibt es sowohl einfache („Hidi Hidi Hidi Ho“) Silbenspiele als auch sehr schnelle und kaum mehr verständliche Kombinationen.
Besonders eng verbunden mit dem Scat-Gesang ist auch [[Al Jarreau]], der Instrumente mit seiner Stimme täuschend echt imitieren kann und daher gelegentlich auch als „Mann mit dem Orchester in der Kehle“ apostrophiert wird. Die Jazzpianistin [[Aziza Mustafa Zadeh]] fusionierte in den 1990er Jahren Scat-Gesang mit aserbaidschanischem [[Mugham]] und [[Wiener Klassik|klassischen]] Elementen.

Besonders eng verbunden mit dem Scat-Gesang war auch [[Al Jarreau]], der Instrumente mit seiner Stimme täuschend echt imitieren konnte und daher gelegentlich auch als „Mann mit dem Orchester in der Kehle“ apostrophiert wurde. Die Jazzpianistin [[Aziza Mustafa Zadeh]] fusionierte in den 1990er Jahren Scat-Gesang mit aserbaidschanischem [[Mugham]] und [[Wiener Klassik|klassischen]] Elementen.


Ein weiteres bekanntes Scat-Beispiel ist „Doo be doo be doo“, womit [[Frank Sinatra]] das Lied ''[[Strangers in the Night]]'' ausklingen ließ.
Ein weiteres bekanntes Scat-Beispiel ist „Doo be doo be doo“, womit [[Frank Sinatra]] das Lied ''[[Strangers in the Night]]'' ausklingen ließ.


Im weitesten Sinn sind auch [[Vocal Percussion]] und [[Beatboxing]], bei denen Rhythmusinstrumente mit der Stimme nachgeahmt werden, Varianten bzw. Weiterentwicklungen des Scat-Gesangs, [[A cappella]]-Gesang bedeutete ursprünglich ebenso die Nachahmung von Instrumenten durch die menschliche Stimme, also Gesang ohne Text. „Hollarretidijia“-[[Jodeln]] mit Konsonanten wäre eine europäische Wurzel, bei der ebenfalls ohne Text gesungen wird.
Im weitesten Sinn sind auch [[Vocal Percussion]] und [[Beatboxing]], bei denen Rhythmusinstrumente mit der Stimme nachgeahmt werden, Varianten bzw. Weiterentwicklungen des Scat-Gesangs, [[A cappella|A-cappella]]-Gesang bedeutete ursprünglich ebenso die Nachahmung von Instrumenten durch die menschliche Stimme, also Gesang ohne Text. „Hollarretidijia“-[[Jodeln]] mit Konsonanten wäre eine europäische Wurzel, bei der ebenfalls ohne Text gesungen wird.


Scat-Gesang und [[Rap]] haben etwa die gleichen Wurzeln; amerikanische Radio-DJs griffen diesen Sprechgesang später auf und entwickelten daraus eine frühe Form des Rap (siehe auch [[Hip-Hop]]); ein typisches Beispiel dafür ist ein Text des DJs [[Dr Hep Cat]]:
Scat-Gesang und [[Rap]] haben etwa die gleichen Wurzeln; amerikanische Radio-DJs griffen diesen Sprechgesang später auf und entwickelten daraus eine frühe Form des Rap (siehe auch [[Hip-Hop]]); ein typisches Beispiel dafür ist ein Text des DJs [[Dr Hep Cat]]:


: ''If you want to hip to the tip and bop to the top,''
: ''If you want to hip to the tip and bop to the top,''
: ''You get some mad threads that just won’t stop''.<ref>[http://petra-klaus.de/?p=33 DJ-Culture]</ref>
: ''You get some mad threads that just won’t stop''.<ref>{{Webarchiv |url=http://petra-klaus.de/?p=33 |archive-is=20120721220612 |text=DJ-Culture }}</ref>


== Typische Vertreter (in alphabetischer Reihenfolge) ==
== Typische Vertreter (in alphabetischer Reihenfolge) ==
Zeile 30: Zeile 32:
* [[George Benson]]
* [[George Benson]]
* [[Dee Dee Bridgewater]]
* [[Dee Dee Bridgewater]]
* [[Cab Calloway]] – ''Trickeration'', ''Between The Devil And The Deep Blue Sea'' (Frühe dreißiger Jahre)
* [[Cab Calloway]] – ''Trickeration'', ''Between the Devil And the Deep Blue Sea'' (frühe dreißiger Jahre)
* [[Bing Crosby]] – &nbsp; ''Some of These Days'' (1932)
* [[Bing Crosby]] – &nbsp; ''[[Some of These Days]]'' (1932)
* [[Sammy Davis Jr.]] – z.&nbsp;B. ''Love Me Or Leave Me''
* [[Sammy Davis Jr.]] – z.&nbsp;B. ''Love Me or Leave Me''
* [[Urszula Dudziak]]
* [[Cliff Edwards]]
* [[Cliff Edwards]]
* [[Kurt Elling]] – z.&nbsp;B. ''Nature Boy'' (2003)
* [[Kurt Elling]] – z.&nbsp;B. ''Nature Boy'' (2003)
* [[Ella Fitzgerald]] – z.&nbsp;B. ''How High the Moon''
* [[Ella Fitzgerald]] – z.&nbsp;B. ''How High the Moon, Flying Home, Oh Lady Be Good''
* [[Dizzy Gillespie]] – &nbsp; ''Oop Bop Sh’Bam''
* [[Dizzy Gillespie]] – &nbsp; ''Oop Bop Sh’Bam''
* [[Eddie Harris]] – z.&nbsp;B. ''Come on Down''
* [[Eddie Harris]] – z.&nbsp;B. ''Come on Down''
Zeile 45: Zeile 48:
* [[Lauren Newton]]
* [[Lauren Newton]]
* [[Dianne Reeves]]
* [[Dianne Reeves]]
* [[Scatman John]] – z.&nbsp;B. ''Scatman'', ''Scatman’s World'' (1994)
* [[Scatman John]] – z.&nbsp;B. ''[[Scatman (Ski-Ba-Bop-Ba-Dop-Bop)]]'' (1994), ''[[Scatman’s World (Lied)|Scatman’s World]]'' (1995)
* [[Swingle Singers|The Swingle Singers]] – als [[A cappella|A-cappella]]-Chor bzw. -[[Oktett (Musik)#Chormusik|Oktett]] mit Chorsätzen über Werke von [[Johann Sebastian Bach|Bach]] und [[Wolfgang Amadeus Mozart|Mozart]] ([[1960er]]-Jahre)
* [[Swingle Singers|The Swingle Singers]] – als [[A cappella|A-cappella]]-Chor bzw. -[[Oktett (Musik)#Chormusik|Oktett]] mit Chorsätzen über Werke von [[Johann Sebastian Bach|Bach]] und [[Wolfgang Amadeus Mozart|Mozart]] ([[1960er]]-Jahre)
* [[Caterina Valente]]
* [[Caterina Valente]]
Zeile 51: Zeile 54:
* [[Leo Watson]] – &nbsp; ''It’s the Tune That Counts'' (1939)
* [[Leo Watson]] – &nbsp; ''It’s the Tune That Counts'' (1939)
* [[Aziza Mustafa Zadeh]] – z.&nbsp;B. ''Scrapple from the Apple'' (1997)
* [[Aziza Mustafa Zadeh]] – z.&nbsp;B. ''Scrapple from the Apple'' (1997)

== Siehe auch ==
* [[Onomatopoesie|Onomatopoetischer Gesang]]


== Weblinks ==
== Weblinks ==
Zeile 59: Zeile 65:


[[Kategorie:Jazz-Stil]]
[[Kategorie:Jazz-Stil]]
[[Kategorie:Gesang]]
[[Kategorie:Gesangstechnik]]
[[Kategorie:Gesangstechnik]]

Aktuelle Version vom 7. Juli 2024, 00:23 Uhr

Als Scat oder Scatting, auch scat singing, bezeichnet man eine spezielle Form des Gesangs im US-amerikanischen Gospel und im Jazzgesang, die ein improvisiertes Singen von rhythmisch und melodisch aneinandergereihten Silbenfolgen ohne Wortbedeutung und ohne zusammenhängenden Sinn bezeichnet; mit den Silben und Wortfragmenten werden lautmalerisch instrumentale Phrasen nachgeahmt, beispielsweise Elemente aus dem Instrumentalstil der umgebenden Musiker. Die exakte Ausformung und Klanggestalt der Silbenfolgen wird vom Musiker weitgehend spontan improvisiert und die Stimme nicht zusätzlich zur Übermittlung von Sinninhalten, sondern allein als Instrument benutzt.

Entwicklung

Der Ursprung dieser Form des Gesangs ist nicht bekannt. Louis Armstrong behauptete zwar, den Scat-Gesang 1926 bei der Aufnahme des Titels Heebie Jeebies mit seiner Hot Five erfunden zu haben; ihm sei bei der Aufnahme versehentlich das Notenblatt mit dem Text auf den Boden gefallen[1] (und damals – siehe Schallplatte#Entstehung der Schallplattenindustrie ab 1900 – wurden Musikaufnahmen für Schallplatten noch ohne Schnitt bei der Tonaufnahme „in einem Stück“ direkt auf einen Wachsrohling aufgenommen, eine Wiederholung wäre zu teuer gekommen), worauf er folgende Wortfetzen improvisierte:

Notenbeispiel aus Louis Armstrongs Heebie Jeebies (1926) – Scat-Silben: di da du bi bol di-bi-la daou

Allerdings nahm bereits 1924 Don Redman mit der Band von Fletcher Henderson den ersten, noch etwas unbeholfenen Scat-Gesang der Jazzgeschichte („My Papa Doesn't Two-Time No Time“) auf. Auch zeigen Aufnahmen von Bands um Adrian Rollini wie die The Little Ramblers in Hard Hearted Hannah vom 13. August 1924 oder The Goofus Five in dem Stück Go Emaline vom 24. September 1924, dass schon vor Armstrongs Aufnahme von 1926 Scat Bestandteil von Jazzmusik war. Bereits zuvor hatte Cliff Edwards 1922 mehrere Aufnahmen (wie Nobody oder Homesick) gemacht, auf denen er Scat-artig improvisierte; schon 1911 hatte der Vaudeville-Künstler Gene Greene mit King of the Bungaloos eine erste Aufnahme mit Scat vorgelegt.[2]

Scat-Gesang erleichtert die Vokalimprovisation im Jazz-Gesang, denn dabei wird die Hauptmelodie durch weitere Töne erweitert oder variiert, für die kein Text vorrätig ist. Die Mitverwendung von Konsonanten ergibt – im Gegensatz zu einer klassischen Koloratur – eine Ähnlichkeit mit Rhythmusinstrumenten, um damit sogenannten „Drive“ (eine zeitliche Synkope, die rhythmische Spannung[3] und den sogenannten „Swing“-Rhythmus erzeugt) hervorzurufen.

Scat-Gesang war darum besonders in der Swing- und Bebop-Ära verbreitet und wurde in der Cool-Jazz- und Hardbop-Periode weiter kultiviert. Typische und erfolgreiche Scat-Songs aus dieser Zeit sind beispielsweise How High the Moon und Lullaby of Birdland aus dem Repertoire von Ella Fitzgerald und Sarah Vaughan.

Auch Paul McCartney, der Ella Fitzgerald als die größte Scatterin bezeichnete, nahm Ende der 1970er Jahre Check My Machine (1980 auf der B-Seite der Single Waterfalls veröffentlicht) in der Tradition des Scatting auf.[4]

Ein bekanntes Beispiel ist auch Cab Calloway mit seinem Stück Minnie the Moocher (1931). In dem Refrain gibt es sowohl einfache („Hidi Hidi Hidi Ho“) Silbenspiele als auch sehr schnelle und kaum mehr verständliche Kombinationen.

Besonders eng verbunden mit dem Scat-Gesang war auch Al Jarreau, der Instrumente mit seiner Stimme täuschend echt imitieren konnte und daher gelegentlich auch als „Mann mit dem Orchester in der Kehle“ apostrophiert wurde. Die Jazzpianistin Aziza Mustafa Zadeh fusionierte in den 1990er Jahren Scat-Gesang mit aserbaidschanischem Mugham und klassischen Elementen.

Ein weiteres bekanntes Scat-Beispiel ist „Doo be doo be doo“, womit Frank Sinatra das Lied Strangers in the Night ausklingen ließ.

Im weitesten Sinn sind auch Vocal Percussion und Beatboxing, bei denen Rhythmusinstrumente mit der Stimme nachgeahmt werden, Varianten bzw. Weiterentwicklungen des Scat-Gesangs, A-cappella-Gesang bedeutete ursprünglich ebenso die Nachahmung von Instrumenten durch die menschliche Stimme, also Gesang ohne Text. „Hollarretidijia“-Jodeln mit Konsonanten wäre eine europäische Wurzel, bei der ebenfalls ohne Text gesungen wird.

Scat-Gesang und Rap haben etwa die gleichen Wurzeln; amerikanische Radio-DJs griffen diesen Sprechgesang später auf und entwickelten daraus eine frühe Form des Rap (siehe auch Hip-Hop); ein typisches Beispiel dafür ist ein Text des DJs Dr Hep Cat:

If you want to hip to the tip and bop to the top,
You get some mad threads that just won’t stop.[5]

Typische Vertreter (in alphabetischer Reihenfolge)

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Louis Armstrong: 'The Singer'. Abgerufen am 6. Februar 2024.
  2. vgl. Cliff Edwards (Red Hot Jazz) (Memento vom 1. November 2015 im Internet Archive) und Louis Armstrong: Heebies Jeebies (jazz.com) (Memento vom 23. Dezember 2012 im Internet Archive)
  3. Vgl. Elmar Bozetti, Einführung in musikalisches Verstehen und Gestalten, Frankfurt 1988, S. 143.
  4. Paul McCartney: Lyrics. 1956 bis heute. Hrsg. mit einer Einleitung von Paul Muldoon. Aus dem Englischen übersetzt von Conny Lösche. C. H. Beck, München 2021, ISBN 978-3-406-77650-2, S. 75 (zu Check My Machine).
  5. DJ-Culture (Memento vom 21. Juli 2012 im Webarchiv archive.today)