Jordan Peterson

Jordan Peterson bei einer Vorlesung (2017)

Jordan Bernt Peterson (geboren am 12. Juni 1962 in Fairview, Alberta) ist ein kanadischer klinischer Psychologe und Kulturkritiker. Seit 1997 lehrt er als Professor für Psychologie an der University of Toronto.

Seine Hauptforschungsgebiete sind die Psychologie des religiösen und ideologischen Glaubens sowie die Beurteilung und Verbesserung der Persönlichkeit und Leistung. Größere Bekanntheit erlangte er als Kritiker des im Juni 2017 verabschiedeten kanadischen Gesetzes „Bill C-16“ (englisch An Act to amend the Canadian Human Rights Act and the Criminal Code ‚Gesetz zur Änderung des kanadischen Menschenrechtsgesetzes und Strafgesetzbuchs[Anm. 1])

Leben

Peterson wurde 1962 in Fairview, einer Kleinstadt nordwestlich von Edmonton, als ältestes von drei Kindern geboren und wuchs dort auf. Sein Vater Walter Peterson war Lehrer und Konrektor, seine Mutter war Bibliothekarin am Grande Prairie College. Da Literatur in seiner Familie einen hohen Stellenwert genoss, lernte Peterson sehr früh lesen und schreiben.[1]

Im Alter von 13 Jahren erweckte Sandy Notley, die Mutter Rachel Notleys und damals Bibliothekarin an seiner Schule, sein Interesse für Literatur von George Orwell, Aleksandr Solschenizyn und Ayn Rand. Gleichzeitig begann auch sein politisches Engagement in der New Democratic Party (NDP) wo er als Jugendlicher jahrelang Mitglied war. Zwar bewunderte er den damaligen Parteichef Ed Broadbent, sah sich jedoch durch zahlreiche Parteifunktionäre enttäuscht. Im Rückblick auf diese Zeit meinte Peterson: „Orwell verfasste eine politisch-psychologische Analyse über die Beweggründe intellektueller tweedtragender Sozialisten der Mittelschicht. Er kam zu dem Schluss, dass solche Leute keine Armen lieben, sondern eher Reiche hassen“.[1] Hierbei bezog er sich auf Orwells Buch Der Weg nach Wigan Pier und betrachtete jeden, der primär durch das Verändern anderer Menschen die Welt verändern möchte, als suspekt. Mit 18 Jahren verließ er die Partei wieder.[2]

Nach Abschluss der High School begann Peterson ein Studium in Politikwissenschaften am Grande Prairie College, wechselte jedoch später auf die University of Alberta, wo er 1982 mit dem Bachelor of Arts abschloss. Nach dem Abschluss reiste er ein Jahr lang durch Europa. Er begann sich für die psychologischen Ursachen des Kalten Krieges zu interessieren, bekam jedoch schnell Angst vor einen drohenden Atomkrieg was bei ihm zu ständigen Albträumen führte.

Peterson erkannte die „Zerstörungsfähigkeit“ des Menschen, was bei ihm zu Depressionen führte. In seiner Suche nach Antworten vertiefte er sich in die Werke von Carl Jung, Friedrich Nietzsche und Aleksandr Solschenizyn. Er kehrte an die University of Alberta zurück und erwarb 1984 den Bachelor of Arts in Psychologie.[3] 1985 zog er nach Montreal und wurde bei Robert O. Pihl an der McGill University promoviert.[4]

Berufliche Tätigkeit

Von 1993 bis 1997 lebte Peterson in Arlington (Massachusetts). Während dieser Zeit lehrte er als Assistant Professor an der Harvard University und leistete dort Forschungsarbeit im Bereich der Psychologie. Diese konzentrierten sich auf das Aggressionsverhalten durch Drogenmissbrauch und Alkoholismus.[5]

1997 kehrte er an die University of Toronto zurück, wo er seitdem als Professor lehrt.[6]

Basierend auf seinem Buch „Maps of Meaning“ widmete ihm 2004 der kanadische Lokalsender TVOntario eine 13-teilige Wissenssendung.[6] Er war auch des Öfteren zu Gast bei den Talkshows Big Ideas und The Agenda with Steve Paikin.

2017 wurde Peterson von 10 Studenten zur Wahl des Rektors der University of Glasgow vorgeschlagen.[7] Er verlor gegen den schottischen Menschenrechtsanwalt Aamer Anwar, der damit Nachfolger von Edward Snowden wurde.[8]

Peterson kritisiert „politische Korrektheit“ bei Themen wie Privilegien der weißen Bevölkerung („white privilege“), kultureller Aneignung und neo-marxistischer sowie feministischer Postmoderne.[9][10]

Peterson ist Gastautor bei der Achse des Guten.[11]

Kontroverse

Öffentliche Aufmerksamkeit erlangte Peterson 2016 als Kritiker des im Juni 2017 verabschiedeten kanadischen Gesetzes „Bill C-16“. Die Gesetzesänderung soll Transgender-Rechte über Geschlechtsidentität („gender identity“) und -ausdruck („gender expression“) stärken.[Anm. 1] Bezüglich nicht-binärer Geschlechter, die nicht exklusiv maskulin oder feminin sind (Intersexualität), steht Peterson auf dem Standpunkt, es gäbe nicht ausreichend Belege dafür, dass Geschlechtsidentität und biologische Sexualität unterschiedliche, voneinander unabhängige Konstrukte wären.[12] Die Verwendung von durch Betroffene gewünschte spezifische Pronomen in der dritten Person lehnt er ab[13] und nennt diese: „Konstrukte einer kleinen Koterie ideologisch motivierter Menschen“.[12] Er beruft sich dabei auf sein Recht auf freie Meinungsäußerung: „Ich werde keine Worte von Ideologen aussprechen, denn wer das macht, wird zur Marionette ihrer Ideologie.“ Die konservative National Post zitierte als Betroffenen Petersons Kollegen, den Physikprofessor A.W. Peet: „Um einen falschen Anspruch zu entkräften, ist nur ein Gegenbeispiel notwendig. Hier bin ich das Gegenbeispiel.“[13] Peet warf Peterson eine „Entmenschlichung“ Betroffener „für Späße und Profit“ vor.[14]

In einem BBC-Interview erläuterte Peterson zur Begründung seiner Ablehnung des Gesetzes, dass er vierzig Jahre lang Totalitarismus studiert habe und dieser immer mit dem Versuch beginne, das ideologische und linguistische Territorium zu kontrollieren. „Unter keinen Umständen werde ich diese Worte benutzen, die von Leuten erfunden wurden, die genau dies tun.“[15]

Peterson kritisierte, durch die Änderungen am Menschenrechtsgesetz würden sich Arbeitgeber und Organisationen künftig strafbar machen, wenn ein Mitarbeiter oder Gesellschafter etwas sage, das direkt oder indirekt, „ob absichtlich oder unabsichtlich“, als beleidigend ausgelegt werden könne.[16] Jura-Professorin Brenda Cossman, wie Peterson von der U of T, äußerte hierzu: „Es gibt nichts in Bill C-16, das den Missbrauch von Pronomen kriminalisiert.“ Sprache, wie Flüche und Hassrede, unterlägen bereits gesetzlichen Regelungen. Sie befürchte, viele Gedanken in dem Kontext hätten postfaktische Hintergründe.[17]

Im Mai 2017 zählte Peterson zu 24 eingeladenen Sachverständigen, die zum „Bill C-16“ vor dem Senatsausschuss für Rechts- und Verfassungsangelegenheiten sprachen. Peterson erläuterte dort seine Auffassung, die Existenz biologisch nicht festgelegter Geschlechter würde „aus den Geisteswissenschaften stammen und wäre ideologisch angetrieben“.[18]

Finanzierung

Seit Anfang 2016 betreibt Peterson Fundraising über die Crowdfunding-Plattform Patreon, wo er in den ersten sieben Monaten rund 1.000 C$ monatlich einnahm. Im Oktober 2016 begannen seine Einnahmen hierüber stark zu steigen.[19] Je nach Höhe der Einzahlung gibt es hierfür sein Buch als PDF, Zugang zu Webseiten von Peterson, Gruppen-Video-Chat, Zugang zu Video-Vorträgen von Peterson u. ä.[20] Im Juni 2017 wurden 45.000 C$ monatliche Einnahmen hierüber erreicht, Peterson nannte zukünftig 100.000 C$ monatlich als Ziel. Im Juli 2017 stand er damit in der Liste der höchsten Einnahmen über Patreon auf Rang 32. Gemäß der Pressesprecherin der U of T bestehen wegen Petersons Crowdfunding-Aktivitäten keine Absprachen mit der Universität, aber bisher auch keine Bedenken bezüglich seiner Lehrtätigkeit.[19]

Im Mai 2017 berichtete die Presse, das „Social Sciences and Humanities Research Council of Canada“ (SSHRC) habe erstmals von Peterson beantragte Zuschüsse zur Finanzierung seiner studentischen Hilfskräfte abgelehnt. 1998 bis 2000 sowie 2002 bis 2010 hatte Peterson jährlich zwischen 18.000 C$ und 44.000 C$ Zuschuss, von 2012 bis 2016 sogar je 75.000 C$ erhalten, jetzt hätte Peterson 399.625 C$ für fünf Jahre beantragt.[21] Als Reaktion darauf startete die als rechtsextrem („far-right“) eingeordnete[22][23][24][25] Website „The Rebel Media“ eine Indiegogo-Kampagne für Peterson, bei der 195.000 C$ eingesammelt wurden. Gleichzeitig konnte Peterson als „Provokateur“, wie ihn The Globe and Mail in dem Zusammenhang nannte, mit 200 Videos und wöchentlich 100 Tweets 300.000 Abonnenten seit 2016 für seinen YouTube-Kanal gewinnen, was ihm weitere Einnahmen verschafft.[26]

Monografie

Literaturübersichten

Einzelnachweise

  1. a b A professor's refusal to use gender-neutral pronouns, and the vicious campus war that followed. In: Toronto Life. 25. Januar 2017, abgerufen am 31. Mai 2017.
  2. Jordan Peterson | News | The Harvard Crimson. Abgerufen am 31. Mai 2017 (englisch).
  3. nurun.com: Where we live... Abgerufen am 14. August 2017 (kanadisches Englisch).
  4. Jordan Peterson – U of T Mind Matters. In: U of T Mind Matters. Abgerufen am 14. August 2017.
  5. Jordan Peterson | News | The Harvard Crimson. Abgerufen am 19. August 2017 (englisch).
  6. a b nurun.com: Where we live... Abgerufen am 19. August 2017 (kanadisches Englisch).
  7. Jordan Peterson, Milo Yiannopoulos backed to become University of Glasgow rector despite clashing with gender policy. In: National Post. 3. März 2017, abgerufen am 19. August 2017.
  8. Aamer Anwar elected as new Glasgow University rector, BBC News, 21. März 2017
  9. Robert Kraychik: Dissident Professor Explains Neo-Marxism; „Women’s Studies Should Be Defunded“ In: The Daily Wire, 28. Mai 2017
  10. Antonella Artuso: Prof. Jordan Peterson responds to CBC cultural appropriation fallout. In: Toronto Sun, 23. Mai 2017
  11. Beiträge von und über Jordan B. Peterson bei der Achse des Guten.
  12. a b Carol Off: „I'm not a bigot“ Meet the U of T prof who refuses to use genderless pronouns. In: CBC Radio One, 30. September 2016
  13. a b Sean Craig: U of T professor attacks political correctness, says he refuses to use genderless pronouns. In: National Post, 28. September 2016
  14. Chris Selley: Jordan Peterson, hero of the anti-PC crowd, just keeps winning. In: National Post, 2. Juni 2017
  15. Canadian university professor under fire for 'disturbing' refusal to use gender-neutral pronouns. In: telegraph.co.uk. Telegraph Media Group Limited, 7. November 2016, archiviert vom Original am 26. April 2017; abgerufen am 12. Januar 2018 (englisch).
  16. Stella Morabito: Professor Ignites Protests By Refusing To Use Transgender Pronouns. In: thefederalist.com, 17. October 2016
  17. Simona Chiose: University of Toronto professor defends right to use gender-specific pronouns. In: The Globe and Mail, 19. November 2016
  18. Simona Chiose: U of T professor opposes transgender bill at Senate committee hearing. In: The Globe and Mail, 17. Mai 2017
  19. a b Alex McKeen: Controversial U of T professor making nearly $50,000 a month through crowdfunding. In: Toronto Star, 4. Juli 2017
  20. Dr Jordan B Peterson is creating lectures about profound psychological ideas | Patreon. In: Patreon. Abgerufen am 19. August 2017.
  21. ‘An opportunity to make their displeasure known’: Pronoun professor denied government grant. In: National Post. 4. April 2017, abgerufen am 19. August 2017.
  22. Mark Scott: U.S. Far-Right Activists Promote Hacking Attack Against Macron. In: The New York Times. 6. Mai 2017, abgerufen am 23. September 2017.
  23. Richard Warnica: Inside Rebel Media. In: National Post. 18. August 2017, abgerufen am 23. September 2017: „The Rebel is deeply, purposefully embedded in the controversial, far-right ideology“
  24. Brent Bambury: The Rebel Media's terrible, horrible, no good, very bad week. In: CBC/Radio-Canada. 18. August 2017, abgerufen am 23. September 2017: „… the Canadian far-right media site is shedding personalities“
  25. Tabatha Southey: Some Conservatives have denounced The Rebel. What took so long? In: The Globe and Mail, 25. August 2017: „you'd have to explain that it's the Ezra Levant-helmed far-right website“
  26. Simona Chiose: Jordan Peterson and the trolls in the ivory tower. In: The Globe and Mail, 2. Juni 2017

Anmerkungen

  1. a b englisch The bill is intended to protect individuals from discrimination within the sphere of federal jurisdiction and from being the targets of hate propaganda, as a consequence of their gender identity or their gender expression. The bill adds „gender identity or expression“ to the list of prohibited grounds of discrimination in the Canadian Human Rights Act and the list of characteristics of identifiable groups protected from hate propaganda in the Criminal Code. It also adds that evidence that an offence was motivated by bias, prejudice or hate based on a person’s gender identity or expression constitutes an aggravating circumstance for a court to consider when imposing a criminal sentence. ‚Der Gesetzentwurf soll Menschen vor Diskriminierung innerhalb der Sphäre der Bundesgerichtsbarkeit und sowie Ziel von Hassrede als Folge ihrer Geschlechtsidentität oder -ausdrucks zu sein schützen. Der Gesetzentwurf fügt „Geschlechtsidentität oder -ausdruck“ der Liste verbotener Diskriminierungsgründe im kanadischen Menschenrechtsgesetz und der Liste von Merkmalen identifizierbarer Gruppen hinzu, die vor Hassrede im Strafgesetzbuch geschützt sind. Es fügt hinzu, dass der Beweis dafür, dass ein Vergehen durch Befangenheit, Vorurteile oder Hass motiviert über Geschlechtsidentität oder -ausdruck einer Person erfolgte, einen erschwerenden Umstand für ein Gericht darstellt, der bei Verhängung eines Strafmaßes zu prüfen ist.‘ Aus: Legislative Summary of Bill C-16: An Act to amend the Canadian Human Rights Act and the Criminal Code vom 21. Oktober 2016, Library of Parliament Research Publications, Parlament von Kanada