Hugo Sperber

Hugo Sperber' (* 26. November 1885 in Wien; † 16. Oktober 1938 im KZ Dachau) war ein Wiener Jurist und Rechtsanwalt in der österreichischen Ersten Republik.

Franz Elbogen, Egon Dietrichstein und Hugo Sperber (von links nach rechts, Wien um 1912)

Leben

Hugo Sperber war der Sohn des jüdischen Fabrikanten Jacob (Jakob) Sperber (gestorben 1895) und Ottilia Etelka, geborene Sommer (gestorben 1934). Er besuchte ein Gymnasium in Baden bei Wien und studierte 1905 bis 1908 Rechtswissenschaften an der Universität Wien. Im Dezember 1909 wurde er zum Dr. jur. promoviert, im Mai 1913 legte er die Advokatenprüfung ab. Als Einjährig-Freiwilliger bei den Jägern im Ersten Weltkrieg, rückte er 1915 in ein k.k. Landwehrinfanterieregiment ein, kämpfte am russischen Kriegsschauplatz und wurde im Juni 1916 durch einen Schulterschuss verwundet. Sein Bruder Friedrich fiel Ende 1915. Seit Februar 1916 arbeitete Hugo Sperber zwischenzeitlich in Wien als Rechtsanwalt, diente aber wieder, zuletzt als Oberleutnant, ausgezeichnet mit Orden, bis zum Kriegsende.[1]

Mit 18 Jahren wurde Sperber Mitglied der Sozialdemokratischen Arbeiter-Partei Österreichs. Als schon bekannter Strafverteidiger vertrat er 1935 angeklagte Mitglieder seiner Partei im Schutzbundprozess nach den Kämpfen vom 12. Februar 1934.[2] Nach den Februarkämpfen wurde er selbst auch verhört und einige Wochen inhaftiert.[1] Bruno Kreisky lehnte eine Verteidigung durch Sperber ab, weil er fürchtete, von diesem als unbedeuteter Mitläufer dargestellt zu werden, um eine geringere Strafe zu erhalten.[3]

Er war wie sein Namensvetter Manès Sperber, mit dem er bekannt, aber nicht verwandt war, ein Anhänger der Lehre der Individualpsychologie von Alfred Adler.[4]

Nach der Annexion Österreichs durch das nationalsozialistische Deutsche Reich wurde Sperber im März 1938 von der Gestapo verhaftet und in das KZ Dachau verschleppt, wo er im Oktober 1938 ermordet wurde. Friedrich Torberg setzte dem „heiter-spöttischen, geistreichen Lebenskünstler“ in seiner 1975 erschienenen Anekdotensammlung Die Tante Jolesch als prominentem Besucher des Café Herrenhofs und Wiener Stadtoriginal ein literarisches Denkmal.[2]

Zitate

Sperbers „Traum“ war laut Torberg ein Werbeplakat für seine Anwaltspraxis mit dem „ganz und gar standeswidrigen“ Text: „Räuber, Mörder, Kindsverderber gehen nur zu Doktor Sperber!“[5]

Bei einem Zivilprozess zwischen zwei Achtzigjährigen, der wegen Verhandlungsunfähigkeit der Streitparten immer wieder vertagt werden musste, rief Sperber: „Herr Vorsitzender, ich beantrage die Abtretung des Falles an das Jüngste Gericht“.[6]

Ein Wiener Staatsanwalt warf einem angeklagten Einbrecher im Strafprozess besondere Dreistigkeit vor, da dieser einen Einbruch bei Tageslicht begangen hatte. Den zweiten Einbruch hatte der Einbrecher in nächtlicher Dunkelheit begangen, weshalb ihn der Staatsanwalt in diesem Fall besonderer Heimtücke bezichtigte, worauf Sperber dem Staatsanwalt empört zurief: „Herr Staatsanwalt, wann soll mein Klient eigentlich einbrechen?“[7]

Ein angeklagter Mandant Sperbers gab auf die für ihn konstruierten Entlastungsfragen so dumme, für ihn nachteilige Antworten, dass Sperber in den „Klageschrei“ ausbrach: „Herr Vorsitzender – mein Klient verblödet mir unter der Hand!“[8]

Bei der Verteidigung eines jugendlichen Sprengstoffattentäters argumentierte er bezugnehmend auf den österreichischen Klerikalfaschismus: „Offenbar wußte er nicht, daß das einzige in Österreich erlaubte Sprengmittel das Weihwasser ist“.[9]

Schriften

  • Die Lüge im Strafrecht. Zahn und Diamant, Wien 1927.
  • Todesgedanke und Lebensgestaltung. M. Perles, Wien 1930.

Literatur

Einzelnachweise

  1. a b Peter Wrabetz: Wer kannte Dr. Hugo Sperber? (PDF) Österreichisches Anwaltsblatt, 67. Jahrgang, Februar 2005, S. 15 ff.
    Robert Sedlaczek, Melita Sedlaczek, Wolfgang Mayr: Die Tante Jolesch und ihre Zeit. Eine Recherche. Haymon-Verlag, Innsbruck 2013, ISBN 978-3-7099-7069-0, S. 29ff.
  2. a b Sperber Hugo. In: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950 (ÖBL). Band 13, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 2010, ISBN 978-3-7001-6963-5, S. 16 f. (Direktlinks auf S. 16, S. 17).
  3. Robert Sedlaczek, Melita Sedlaczek, Wolfgang Mayr: Die Tante Jolesch und ihre Zeit. Eine Recherche. Haymon-Verlag, Innsbruck 2013, ISBN 978-3-7099-7069-0, S. 70.
  4. Mirjana Stančić: Manès Sperber. Stroemfeld, Frankfurt am Main 2003, ISBN 3-86109-163-1, S. 160.
  5. Friedrich Torberg: Die Tante Jolesch oder Der Untergang des Abendlandes in Anekdoten. Dtv, München 1977, ISBN 3-423-01266-8, S. 154.
  6. Friedrich Torberg: Die Tante Jolesch oder Der Untergang des Abendlandes in Anekdoten. Dtv, München 1977, ISBN 3-423-01266-8, S. 166.
  7. Friedrich Torberg: Die Tante Jolesch oder Der Untergang des Abendlandes in Anekdoten. Dtv, München 1977, ISBN 3-423-01266-8, S. 164.
  8. Friedrich Torberg: Die Tante Jolesch oder Der Untergang des Abendlandes in Anekdoten. Dtv, München 1977, ISBN 3-423-01266-8, S. 165.
  9. Friedrich Torberg: Die Tante Jolesch oder Der Untergang des Abendlandes in Anekdoten. Dtv, München 1977, ISBN 3-423-01266-8, S. 167.