Bürgerlicher Realismus

Der Bürgerliche Realismus ist eine literarische Strömung von 1848 (Märzrevolution) bis Ende des 19. Jahrhunderts, die vorrangig in Deutschland zum Tragen kam. Sie wird üblicherweise in zwei Phasen unterteilt: In der ersten Phase (etwa 1849–1859) werden die programmatischen Grundlagen des bürgerlichen Realismus festgelegt. In der zweiten Phase erhält der bürgerliche Realismus neue Impulse, etwa durch den Gesellschaftsroman, und wird kritischer.

Historischer Hintergrund

Die Epoche des bürgerlichen Realismus beginnt 1848 mit dem Scheitern der bürgerlichen Revolution und endet mit dem Aufkommen des Naturalismus, der das Leben und die sozialen Probleme des Arbeiterstandes und der notleidenden Menschen beschreibt. Das gebildete Bürgertum (Träger der Revolution) verzichtet nach 1848 auf politische Macht und erkauft sich so Wohlstand, soziale Ruhe und Ordnung. 1871 kommt es zur Einigung Deutschlands, das einen wirtschaftlichen Aufschwung erlebt (Gründerzeit). Deutschland wird zum hochentwickelten Industriestaat, während Österreich bis ins 20. Jahrhundert ein Agrarstaat bleibt. Soziale Folgen der Industrialisierung sind das Anwachsen der Städte (Fabriken, Mietskasernen), ein starkes Bevölkerungswachstum, u.a. durch die Erfindung neuer antiseptischer Mittel und großer Erfolge in der Behandlung des Kindsbettfiebers, die Verelendung der Industriearbeiter, eine Verschärfung der Gegensätze zwischen Industriekapitalismus (Besitzbürgertum) und Proletariat („vierter Stand“) sowie Auswanderungswellen, welche vor allem Arbeitslose betreffen. Trotz erster Sozialgesetze verarmt der vierte Stand immer mehr. Karl Marx und Friedrich Engels schreiben das Manifest der kommunistischen Partei. Viele Dichter (und auch Bildungsbürger) ziehen sich in eine apolitische Innerlichkeit zurück, womit auch eine geistige Abgrenzung von der radikalen Wirklichkeit erfolgt. Humor und Ironie in der Dichtung sollen den Widerspruch zwischen persönlicher Wunschvorstellung und objektiver Wirklichkeit auflösen. Die Literaturproduktion erlebt einen Aufschwung: Leihbüchereien und Volksbibliotheken entstehen, Wochenzeitschriften (Die Gartenlaube. Illustriertes Familienblatt) und Illustrierte werden verlegt, viele Autoren unterwerfen sich den Zwängen der Massenproduktion und dem Geschmack breiter Leserschichten.

Programmatik

Die meisten Werke des bürgerlichen Realismus entsprechen einer gemeinsamen programmatischen Basis. Vor allem in der ersten Phase ging es um eine Idealisierung des Bürgertums und die Hervorhebung des bürgerlichen Wertekanons.

Literarische Formen

Vertreter

Literatur

  • Sabina Becker: Bürgerlicher Realismus. Literatur und Kultur im bürgerlichen Zeitalter. Tübingen/Basel 2003.
  • Edward McInnes, Gerhard Plumpe (Hrsg.): Bürgerlicher Realismus und Gründerzeit. München 1996.
  • Andreas Huyssen (Hrsg.): Bürgerlicher Realismus. Stuttgart 2006.
  • Gerhard Plumpe (Hrsg.): Theorie des bürgerlichen Realismus. Stuttgart 1997.