Deutsches Filmorchester Babelsberg

Das Deutsche Filmorchester Babelsberg (kurz: DFOB, im Englischen auch bekannt unter dem Namen German Film Orchestra Babelsberg) ist ein Orchester und Tonstudio mit Sitz im Studio Babelsberg in Potsdam. Es ist auf die Produktion von Film- und Gamemusik und Tonträgern spezialisiert und spielt regelmäßig Konzerte und wirkt in TV-Shows mit.

Geschichte

Die Wurzeln des Deutschen Filmorchesters Babelsberg reichen bis in das Jahr 1918 zurück. Die Universum Film AG (Ufa) gründete in Babelsberg mit dem Ufa-Sinfonieorchester das erste Filmorchester Deutschlands. Legendäre Stummfilme wie Fritz Langs Metropolis (1926), Carl Mayers Das Cabinet des Dr. Caligari (1920) und Walter Ruttmanns Berlin – Die Sinfonie der Großstadt (1927) wurden vom Orchester begleitet. Nach der Einführung des Tonfilms wurde 1932 der auch noch heute in Betrieb befindliche Aufnahmesaal errichtet. Es entstanden darin Meilensteine der Filmgeschichte wie Joseph von Sternbergs Der blaue Engel (1930), Wilhelm Thieles Die drei von der Tankstelle (1930) oder Die Feuerzangenbowle (1944) von Helmut Weiss sowie Kassenschlager, Revue- und Musikfilme der 1930er und 40er Jahre mit Stars wie Marlene Dietrich, Lilian Harvey, Zarah Leander, Marika Rökk, Hans Albers, Johannes Heesters oder Heinz Rühmann. Viele Ufa-Schlager, darunter die Welthits wie „Kann denn Liebe Sünde sein“, „Ich bin die fesche Lola“ und „Ein Freund, ein guter Freund“ wurden vom Orchester eingespielt und produziert.

Das Orchester überstand die Zeit des Zweiten Weltkriegs nahezu unbeschadet und konnte 1946 mit Gründung der Deutschen Film AG (DEFA) seine Arbeit am alten Standort in Babelsberg als studioeigenes Orchester der DEFA-Musikabteilung fortsetzen. Nahezu alle Produktionen der DEFA wurden mit dem Orchester eingespielt, darunter Filmklassiker wie Wolfgang Staudtes Die Mörder sind unter uns (1946), Heiner Carows Die Legende von Paul und Paula (1973), Peter Schamonis Frühlingssinfonie (1983) sowie alle Folgen der TV-Reihe Polizeiruf 110.

Nach der deutschen Wiedervereinigung gingen 1993 das DEFA-Sinfonieorchester und das Radio Berlin Tanzorchester unter dem Gründer Klaus Peter Beyer zusammen im neuen Klangkörper auf, firmierend unter dem heutigen Namen Deutsches Filmorchester Babelsberg (DFOB). Das DFOB setzt somit die Tradition seiner Vorgänger fort. Aufnahmen und Proben fanden 1993 bis 2007 im Funkhaus Nalepastraße statt. 2007 bezog das Orchester wieder die ursprünglichen Gebäude aus den 1930er Jahren inklusive des historischen Aufnahmesaals. Neue Räumlichkeiten für Proben und Verwaltung sowie weitere Studios mit neuestem technischen Standard befinden sich ebenfalls in den Gebäuden auf dem Filmgelände von Studio Babelsberg.

2018 feierte das Orchester sein 100-jähriges Bestehen.[1]

Die Arbeit

Im Bereich Film und Fernsehen beteiligte sich das Orchester an über 1000 Filmmusikproduktionen.[2] In den letzten Jahrzehnten entstanden unter anderem Filme wie Die Apothekerin, Solo für Klarinette, Otto – Der Katastrofenfilm, Der Tanz mit dem Teufel, The Musketeer, Lauras Stern, 7 Zwerge – Männer allein im Wald, Der Clown, Anonymus, Er ist wieder da, Jeder stirbt für sich allein, Das kalte Herz, Tabaluga, Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer, Der Fall Collini.[3], Jeder stirbt für sich allein, Jim Knopf und die wilde 13, Another Mother´s son, Ich bin dann mal weg, und Annette.

Das DFOB spielt Opernprojekte, Crossover-Programme und sinfonische Konzerte. Es präsentiert zudem ein großes Repertoire bekannter Stummfilme als „Film-Live-Konzerte“. 16 Jahre lang wurde die José Carreras Gala (MDR) in Leipzig vom Filmorchester begleitet. Auch bei den Elblandfestspielen Wittenberge ist das Orchester seit der Gründung im Jahre 2000 fester Partner mit jährlichen Fernsehaufzeichnungen (RBB, alle weiteren dritten Programme der ARD und 3sat).

Das Deutsche Filmorchester Babelsberg war an der Produktion von weit über 800 Tonträgern beteiligt. In den letzten Jahren folgten Aufnahmen von Orchesterbegleitungen für Peter Fox’ Solo-Album Stadtaffe und Alben von Silbermond, Söhne Mannheims, Udo Lindenberg, Rammstein sowie Polarkreis 18. Auch an internationalen Projekten von Künstlern und Künstlerinnen wie Celine Dion, Bryan Adams und Shania Twain war das Orchester beteiligt.

Zwischen 2007 und 2010 nahm das DFOB zusammen mit zahlreichen Bands und Solisten aus der früheren DDR am Projekt Ost-Rock Klassik teil. Daneben veranstaltete radioEINS 2010 Radiokonzerte mit dem Filmorchester und Keimzeit sowie Selig. 2009 spielten sie auf dem Album Low Voltage der Band The BossHoss und der folgenden Tournee.

Außerdem nimmt das Deutsche Filmorchester Babelsberg Musik für Computerspiele auf. Zuletzt die Titel Balan Wonderworld (2021) und Final Fantasy: Brave Exvius (2019) des Publishers Square Enix.

Mit der benachbarten Filmuniversität Babelsberg finden Kooperationen statt, so dass Filmstudierende bei ihren ersten Arbeiten und Kurzfilmen schon früh in Kontakt mit dem Orchester kommen.

Intendant und Gründer ist Klaus-Peter Beyer. Chefdirigent war von 1999 bis 2003 Scott Lawton. Lawtons Vorgänger waren Frank Strobel (1995 bis 1998) und Bernd Wefelmeyer (bis 1995). Ständige Gastdirigenten sind derzeit Robert Reimer, Christian Köhler und Matt Dunkley.

Diskografie (Auswahl)

Chart­plat­zie­rungen
Erklärung der Daten
Alben[4]
Resonance – Music For Orchestra Vol.1 (mit VNV Nation)
 DE722.05.2015(2 Wo.)
 AT7329.05.2015(1 Wo.)
Ein Wintermärchen – Weihnachtslieder aus Deutschland (mit Max Raabe, Gregor Meyle, Katharina Thalbach, Cassandra Steen, Thomas Quasthoff, Albrecht Mayer & Christoph Israel)
 DE2502.12.2016(5 Wo.)
Eternally Yours (mit Alphaville)
 DE230.09.2022(6 Wo.)
 AT3304.10.2022(1 Wo.)
 CH2702.10.2022(1 Wo.)

Alben

JahrTitelInterpret(en)
1997BelcantoUdo Lindenberg
1997BalanceKarat
1998ZeitmaschineUdo Lindenberg
199917 MillimeterHildegard Knef
2000ZionSöhne Mannheims
2001MutterRammstein
2001RomantikElement of Crime
2002A New Day Has ComeCeline Dion
2002Up!Shania Twain
2002Macht LiebeRosenstolz
200220 Jahre – Nena feat. NenaNena
2003Leave the Light OnBeth Hart
2004Reise, ReiseRammstein
2004NoizSöhne Mannheims
2004Verschwende deine ZeitSilbermond
2005Nord Nord OstSubway to Sally
2005Colour Me KubrikBryan Adams
2006Laut gedachtSilbermond
2006TagtraumSchiller
2007Das optimale LebenAnnett Louisan
2008StadtaffePeter Fox
2008Cantus Bruanus IICorvus Corax
2008The Colour of SnowPolarkreis 18
2009Liebe ist für alle daRammstein
2009Alles kann besser werdenXavier Naidoo
2009Krieger des LichtsSilbermond
2010FreiPolarkreis 18
2010In FarbeRevolverheld
2010Low VoltageThe BossHoss
2011Der ganz normale WahnsinnUdo Jürgens
2011Barrikaden von EdenSöhne Mannheims
2012AffärenRoland Kaiser
2013The Mystery of TimeAvantasia
2014Mitten im LebenUdo Jürgens
2014Ich lasse mir das Singen nicht verbietenHape Kerkeling
2014ZusammenKeimzeit
2015Leichtes GepäckSilbermond
2015Eddie GauntEddie Gaunt
2015ResonanceVNV Nation
2016Six CyclesMatt Dunkley
2016Ein Wintermärchen – Weihnachtslieder aus DeutschlandDeutsches Filmorchester Babelsberg, Max Raabe, Gregor Meyle, Katharina Thalbach, Cassandra Steen, Thomas Quasthoff, Albrecht Mayer
2017WIRERhonda
2017Three Worlds: Music from Woolf WorksMax Richter
2017Zwischen den SekundenAlexa Feser
2018Cycles 7–17Matt Dunkley
2019Voyager – Essential Max RichterMax Richter
2019WerkzeugkastenAnna Loos
2020Punkt.Balbina
2023Mia Brentano’s American DiaryBenyamin Nuss (Klavier), Deutsches Filmorchester Babelsberg, Christian Köhler (Dirigent), Klaus Martin Kopitz (Synthesizer u. a.)
2023Alphaville A Night at the Philharmonie BerlinAlphaville

Singles

JahrTitelInterpret(en)
2005Wir sind wir (Ein Deutschlandlied)Paul van Dyk und Peter Heppner
2008Allein AlleinPolarkreis 18

Filmografie (Auszug)

TitelJahrKomponist
Metropolis1927Gottfried Huppertz
Die Feuerzangenbowle1944Werner Bochmann
Les milles – Gefangen im Lager (Les Milles)1995Alexandre Desplat
Victory1996Richard Hartley
Die Apothekerin1997Ludwig Eckmann, Maximilian Geller
Liebe deine Nächste1998Stefan Fischer, Ralf Wienrich
Solo für Klarinette1998Nikolaus Glowna
Otto – Der Katastrofenfilm2000Darius Zahir
Snow White2001Michael Conventino, Robert Muzingo
Lauras Stern2004Hans Zimmer, Nick Glennie-Smith, Henning Lohner
Casanova2005Alexandre Desplat
7 Zwerge – Der Wald ist nicht genug2006Joja Wendt
Wickie und die starken Männer2009Ralf Wengenmayr
Ninja Assassin2009Ilan Eshkeri
Anonymous2011Thomas Wandler, Harald Kloser
Disconnect2012Max Richter
The Last Days on Mars2013Max Richter
The Congress2013Max Richter
Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand2013Matti Bye
Der Medicus2013Ingo Ludwig Frenzel
The Leftovers2014Max Richter
Hectors Reise oder die Suche nach dem Glück2014Dan Mangan, Jesse Zubot
Escobar: Paradise Lost2014Max Richter
Wie Brüder im Wind2015Sarah Class
Muhammad: The Messenger of God2015A.R. Rahman
Ich bin dann mal weg2015Alexander Geringas, Joachim Schlüter, Matthias Petsche
Er ist wieder da2015Enis Rothoff
Hitman: Agent 472015Marco Beltrami
Jeder stirbt für sich allein2016Alexandre Desplat
Timeless2016Robert Duncan
Sleepless2017Michael Kamm
Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer2018Ralf Wengenmayr
Asphaltgorillas2018Bowen Liu, Pierre Baigorry, Torsten Reibold
Der Fall Collini2019Ben Lukas Boysen
Love, Death & Robots2019Maxime Hervé
Deutschstunde2019Lorenz Dangel
Ad Astra2019Max Richter, Lorne Balfe
Enkel für Anfänger2020Helmut Zerlett
Die Wolf-Gäng2020Andreas Weidinger
Die Heinzels2020Alex Komlew
Jim Knopf und die Wilde 132020Marvin Miller, Ralf Wengenmayr
Gott, du kannst ein Arsch sein2020Michael Regner
Der Boandlkramer und die ewige Liebe2021Marvin Miller, Ralf Wengenmayr
Tides2021Lorenz Dangel
Arlo the Alligator Boy2021Alex Geringas
Annette2022Sparks

Einzelnachweise

  1. Filmorchester Babelsberg vor dem 100-jährigen Bestehen. In: Berliner Zeitung. Ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 29. August 2022.@1@2Vorlage:Toter Link/archiv.berliner-zeitung.de (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)
  2. Konzerttätigkeit. In: filmorchester.de. Abgerufen am 29. August 2022.
  3. Deutsches Filmorchester Babelsberg: Credits, DFOB / Filmorchester.de, abgerufen am 6. Februar 2020
  4. Chartquellen: DE AT CH