Virgo-Galaxienhaufen
Der Virgo-Galaxienhaufen ist ein großer Galaxienhaufen mit mindestens 1300, voraussichtlich aber über 2000 Mitgliedern, dessen Zentrum sich in einer Entfernung von etwa 65 Millionen Lichtjahren befindet.
Der Haufen bildet ferner das Zentrum des lokalen Superhaufens, der daher auch Virgo-Superhaufen genannt wird. Die Lokale Gruppe, der Galaxienhaufen, dem unsere Milchstraße angehört, ist Teil dieses Superhaufens.
Entdeckung
Das erste Mitglied des Virgo-Galaxienhaufen wurde im Februar 1771 von Charles Messier entdeckt. Wir wissen heute, dass es sich bei dem nebeligen Wölkchen, dass Messier damals katalogisierte, um Verwechslungen mit Kometen zuvorzukommen, tatsächlich um die elliptische Riesengalaxie Messier 49 handelte. Schon im März desselben Jahres trug Messier weitere helle Mitgliedsgalaxien, die Pierre Méchain entdeckt hatte (darunter die Riesengalaxie Messier 87, die auch als Virgo A bekannt ist) in seinen Katalog ein. Dieser Monat kann daher als der Zeitpunkt der Entdeckung des Galaxienhaufens angegeben werden.
Messier trug in seinen Katalog insgesamt 16 Galaxien ein, die heute als Mitglieder des Virgohaufens identifiziert sind: M49, M58, M59, M60, M61, M84, M85, M86, M87, M88, M89, M90, M91, M98, M99, und M100. Messier selbst trug in seinen Notizen hinter dem Eintrag für M91 die folgenden Sätze ein (übersetzt nach Kenneth Glyn Jones):
- „Das Sternbild Jungfrau und speziell sein nördlicher Teil ist eines der Sternbilder, das die meisten Nebel beinhaltet. Der Katalog beinhaltet 13, die bestimmt wurden, nämlich die Nummern 49, 58, 59, 60, 61, 84, 85, 86, 87, 88, 89, 90 und 91. All diese Nebel scheinen keine Sterne zu beinhalten und können bei gutem Wetter und während des Meridiandurchgangs gesehen werden. Auf die meisten dieser Nebel wurden ich von Herrn Méchain aufmerksam gemacht."
Messier hat also schon damals erkannt, dass diese Nebel eine Gruppe bilden und das es sich nicht um Sternhaufen handelt. Die Natur der Galaxien als Sternensysteme außerhalb unserer Milchstraße konnte er, fast 150 Jahre vor der ersten Beobachtung von Einzelsternen im Andromedanebel, natürlich nicht erkennen.
Die helle Sombrerogalaxie M104, die dieser Gruppe durch ihre Lage am Himmel scheinbar angehört, ist allerdings kein Mitglied des Haufens, da sie uns näher ist als die anderen Mitgliedsgalaxien des Haufens.
Ausdehnung, Abstand und Morphologie
Am Himmel erstreckt sich der Galaxienhaufen über ein Gebiet von etwa 8 Grad in den Sternbildern Jungfrau und Haar der Berenike. Durch das Hubble Space Telescope gelang es im Jahre 1994 erstmals Cepheiden in Mitgliedern des Virgohaufens aufzulösen. Mittels der Perioden-Helligkeits-Beziehung dieser Sterne gelang damit eine genaue Abstandsmessung von 65 Millionen Lichtjahren, so dass daraus ein ungefährer Durchmesser der Gruppe von etwa 9 Millionen Lichtjahren errechnet werden kann (siehe auch [1]). Wie alle Galaxienhaufen ist der Virgo-Haufen aber nicht als abgeschlossenes System mit einer klar definierten Grenze zu verstehen. Die Ausläufer des Haufens gehen vielmehr nahtlos in die Großstruktur des Superhaufens über, und die hier angegebene Ausdehnung bezieht sich daher nur auf den Bereich der helleren Galaxien.
Der Haufen besteht aus einer durchschnittlichen Mischung von Spiralgalaxien und elliptischen Galaxien. Die Spiralgalaxien verteilen sich allerdings über ein zigarrenfömiges (prolates) Ellipsoid, das etwa viermal so lang wie breit ist [2] und vermeiden das Zentrum des Haufens. Dies ist eine typische Erscheinung in stark bevölkerten Galaxienhaufen, da die Spiralstruktur im dichten Zentrum des Haufens durch starke Gezeitenkräfte zerstört wird.
Die elliptischen Galaxien verteilen sich dagegen symmetrischer und verdichten sich zum Zentrum des Haufens stark. Der zentrale Bereich beinhaltet die drei elliptischen Riesengalaxien M49, M60 und M87. Die größte dieser drei Galaxien, M87, ist etwa 10 mal so groß wie die anderen beiden und hat eine Masse von etwa 100 Billionen Sonnenmassen [3], bzw. die gut 300fache Masse unserer Milchstraße.
Die Verteilung aller bekannten Galaxien des Haufens des zentralen Bereichs weisen kein eindeutig definiertes Zentrum auf. Die drei Riesengalaxien bilden vielmehr die Mittelpunkte von Untergruppen: Haufen A um M87 im geometrischen Zentrum des Haufens ist die mit Abstand größte dieser Gruppen, Haufen B um M49 im Süden bildet ein auffälliges Unterzentrum und Haufen C um M60 ist schließlich eine vergleichsweise kleine Gruppe im Osten von Haufen A. Die große Untergruppe Haufen A zerfällt dabei wiederum auffällig in zwei Teile: die Hauptgruppe um den Riesen M87 und eine kleiner Gruppe um M84 und M86, die mit einigen anderen hellen Galaxien eine lineare Struktur bilden, die nach ihrem Entdecker Markarian'sche Kette genannt wird (der Anfang die Markarian'schen Kette mit M84, M86 und dem Paar NGC 4435 und NGC 4438 ist im obigen Bild zu sehen). Neben den drei großen Untergruppen bilden die weiter außen liegenden Spiralgalaxien mit ihren Begleitern physikalische Unterstrukturen. Ein typisches Beispiel hierfür ist die Spiralgalaxie M100 weit nördlich des Zentrums.
Die Gesamtmasse des Galaxienhaufens kann mit dem so genannten Virialsatz der Himmelsmechanik und modernen Erweiterungen dieses Satzes aus den Pekuliargeschwindigkeiten, d.h. aus den Abweichungen der Einzelgeschwindigkeiten der Mitglieder gegenüber dem Schwerpunkt, berechnet werden. Da diese Pekuliargeschwindigkeiten z.T. sehr hoch sind (bis zu 1,600 km/s im Falle der Galaxie IC 3258) erhält man so einen Wert für die Gesamtmasse, der mit etwa 3 Billiarden Sonnenmassen deutlich über dem Wert liegt, den man aus einer Zählung und Gewichtung der Galaxien nach Leuchtkraft erwarten würde. Dieser Effekt gilt als einer der ältesten Hinweise auf die Existenz so genannter dunkler Materie.
Wie bereits erwähnt bilden Galaxienhaufen keine echten abgeschlossenen Untersysteme. Es gibt Anzeichen dafür, dass sich z.B. die zigarrenförmige Struktur der Spiralgalaxien des Virgo-Haufens noch weiter ausdehnt und eventuell sogar in Ausläufern bis in den Coma-Galaxienhaufen, Zentrum des benachbarten Superhaufens, reicht. Filamentartige Ausläufer derselben Struktur scheinen sich auch bis in den Bereich der Coma-Sculptor-Wolke zu ziehen, die unsere Lokale Gruppe beinhaltet [4]. Außerdem führt der enorme Massereichtum des Virgo-Haufens zu einer gravitativen Anziehung der restlichen Galaxien des lokalen Superhaufen. Die Tatsache, dass unsere Lokale Gruppe Teil des Virgo-Superhaufens ist, führt dazu, dass die gravitative Anziehung des Virgo-Haufens sich mit dem allgemeinen kosmologischen Hubblefluss überlagert. Die kosmologische Rotverschiebung der Galaxien des Virgohaufens ist daher wahrscheinlich um etwa 10 Prozent geringer, als man es bei der gegebenen Entfernung erwarten würde.
Galaxien im Virgohaufen
Es gibt etwa 30 Galaxien im Virgohaufen, die heller als die 10,5. Größenklasse sind (nach [5]):
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Weblinks
- University of California site über den Virgo-Haufen.
- California Institute of Technology site über den Virgo-Haufen.
- Heron Island Proceedings
- Chandra X-Ray Observatory: The Virgo Cluster
- The Virgo Cluster of Galaxies, SEDS Messier-Seiten