„Turkvölker“ – Versionsunterschied

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== Erkenntnisse der Populationsgenetik ==
== Erkenntnisse der Populationsgenetik ==


Die Herkunft der historischen Türken wird auch in der Populationsgenetik in Zentral- und Ostasien vermutet. Eine Verwandtschaft zu den historischen [[Xiongnu]] ist dabei zwar nicht nachweisbar aber auch nicht ganz abzustreiten.<ref>Keyser-Tracqui C., Crubezy E., Ludes B. Nuclear and mitochondrial DNA analysis of a 2,000-year-old necropolis in the Egyin Gol Valley of Mongolia [http://www.pubmedcentral.nih.gov/articlerender.fcgi?tool=pubmed&pubmedid=12858290 American Journal of Human Genetics 2003 August; 73(2): 247–260.]</ref> Auch eine Verwandtschaft der heutigen Türken mit den historischen Türken ist Gegenstand der Diskussion. So ordnet der bekannte Populationsgenetiker [[Luigi Luca Cavalli-Sforza]] den südwestlichen Zweig (Türkei-Türken, Aserbaidschaner, kaukasische Turkstämme) als ''turksprachig'' aber nicht ''turkstämmig'' ein. Diese Annahme wird sowohl durch diverse Studien<ref name="Cinnioğlu">Cengiz Cinnioğlu, Roy King, Toomas Kivisild, Ersi Kalfoğlu, Sevil Atasoy, Gianpiero L. Cavalleri, Anita S. Lillie, Charles C. Roseman, Alice A. Lin, Kristina Prince, Peter J. Oefner, Peidong Shen, Ornella Semino, L. Luca Cavalli-Sforza, and Peter A. Underhill (2004). [http://hpgl.stanford.edu/publications/HG_2004_v114_p127-148.pdf Excavating Y-chromosome haplotype strata in Anatolia] Hum. Genet. 114:127--148. DOI 10.1007/s00439-003-1031-4</ref><ref name="B">vgl. [http://www.ncbi.nlm.nih.gov/entrez/query.fcgi?cmd=Retrieve&db=PubMed&list_uids=9686482&dopt=Abstract Study of 15 protein polymorphisms in a sample of the Turkish population Brega et al. 1998]</ref><ref name="CD">vgl. [http://www.journals.uchicago.edu/AJHG/journal/issues/v63n6/970820/970820.text.html?erFrom=2602963528509075734Guest Trading Genes along the Silk Road: mtDNA Sequences and the Origin of Central Asian Populations Comas, D. et al. 1998]</ref> als auch durch sprachwissenschaftliche Analysen unterstützt.<ref>V. Minorsky, ''Ā<u>dh</u>arbāyjān'', in [[Encyclopaedia of Islam|Encyclopædia of Islam]], Online Edition, 2006: ''"... [as consequence of Oghuz Turkic domination in the Caucasus, beginning the 12th century] the Iranian population of Ā<u>dh</u>arbāyjān and the adjacent parts of Transcaucasia became Turkophone while the characteristic features of Ā<u>dh</u>arbāyjānī Turkish, such as Persian intonations and disregard of the vocalic harmony, reflect the non-Turkish origin of the Turkicised population. ..."''</ref> Zwar lassen sich auch in Anatolien Spuren ostasiatischer Geneinflüße belegen,<ref>[http://www.genomenewsnetwork.org/articles/07_03/ancient.shtml Nancy Touchette. Ancient DNA Tells Tales from the Grave, Genome News Network]</ref> die man als ''türkisch'' interpretieren könnte, diese sind jedoch im Vergleich zu west-eurasischen Einflüssen zu vernachlässigen. Der Anteil ostasiatischer Einflüsse schwankt (abhängig von der Studie) zwischen 3% und 9%<ref name="Cinnioğlu" /><ref>Lluís Quintana-Murci, Raphaëlle Chaix, R. Spencer Wells, Doron M. Behar, Hamid Sayar, Rosaria Scozzari, Chiara Rengo, Nadia Al-Zahery, Ornella Semino, A. Silvana Santachiara-Benerecetti, Alfredo Coppa, Qasim Ayub, Aisha Mohyuddin, Chris Tyler-Smith, S. Qasim Mehdi, Antonio Torroni, and Ken McElreavey: [http://www.journals.uchicago.edu/AJHG/journal/issues/v74n5/40813/40813.fg1.html Where West Meets East: The Complex mtDNA Landscape of the Southwest and Central Asian Corridor]; Am. J. Hum. Genet., 74:827-845, 2004</ref>
Die Herkunft der historischen Türken wird auch in der Populationsgenetik in Zentral- und Ostasien vermutet. Eine Verwandtschaft zu den historischen [[Xiongnu]] ist dabei zwar nicht nachweisbar aber auch nicht ganz abzustreiten.<ref>Keyser-Tracqui C., Crubezy E., Ludes B. Nuclear and mitochondrial DNA analysis of a 2,000-year-old necropolis in the Egyin Gol Valley of Mongolia [http://www.pubmedcentral.nih.gov/articlerender.fcgi?tool=pubmed&pubmedid=12858290 American Journal of Human Genetics 2003 August; 73(2): 247–260.]</ref> Auch eine Verwandtschaft der heutigen Türken mit den historischen Türken ist Gegenstand der Diskussion. Diese Annahme wird sowohl durch diverse Studien<ref name="Cinnioğlu">Cengiz Cinnioğlu, Roy King, Toomas Kivisild, Ersi Kalfoğlu, Sevil Atasoy, Gianpiero L. Cavalleri, Anita S. Lillie, Charles C. Roseman, Alice A. Lin, Kristina Prince, Peter J. Oefner, Peidong Shen, Ornella Semino, L. Luca Cavalli-Sforza, and Peter A. Underhill (2004). [http://hpgl.stanford.edu/publications/HG_2004_v114_p127-148.pdf Excavating Y-chromosome haplotype strata in Anatolia] Hum. Genet. 114:127--148. DOI 10.1007/s00439-003-1031-4</ref><ref name="B">vgl. [http://www.ncbi.nlm.nih.gov/entrez/query.fcgi?cmd=Retrieve&db=PubMed&list_uids=9686482&dopt=Abstract Study of 15 protein polymorphisms in a sample of the Turkish population Brega et al. 1998]</ref><ref name="CD">vgl. [http://www.journals.uchicago.edu/AJHG/journal/issues/v63n6/970820/970820.text.html?erFrom=2602963528509075734Guest Trading Genes along the Silk Road: mtDNA Sequences and the Origin of Central Asian Populations Comas, D. et al. 1998]</ref> als auch durch sprachwissenschaftliche Analysen unterstützt.<ref>V. Minorsky, ''Ā<u>dh</u>arbāyjān'', in [[Encyclopaedia of Islam|Encyclopædia of Islam]], Online Edition, 2006: ''"... [as consequence of Oghuz Turkic domination in the Caucasus, beginning the 12th century] the Iranian population of Ā<u>dh</u>arbāyjān and the adjacent parts of Transcaucasia became Turkophone while the characteristic features of Ā<u>dh</u>arbāyjānī Turkish, such as Persian intonations and disregard of the vocalic harmony, reflect the non-Turkish origin of the Turkicised population. ..."''</ref> Zwar lassen sich auch in Anatolien Spuren ostasiatischer Geneinflüße belegen,<ref>[http://www.genomenewsnetwork.org/articles/07_03/ancient.shtml Nancy Touchette. Ancient DNA Tells Tales from the Grave, Genome News Network]</ref> die man als ''türkisch'' interpretieren könnte, diese sind jedoch im Vergleich zu west-eurasischen Einflüssen zu vernachlässigen. Der Anteil ostasiatischer Einflüsse schwankt (abhängig von der Studie) zwischen 3% und 9%<ref name="Cinnioğlu" /><ref>Lluís Quintana-Murci, Raphaëlle Chaix, R. Spencer Wells, Doron M. Behar, Hamid Sayar, Rosaria Scozzari, Chiara Rengo, Nadia Al-Zahery, Ornella Semino, A. Silvana Santachiara-Benerecetti, Alfredo Coppa, Qasim Ayub, Aisha Mohyuddin, Chris Tyler-Smith, S. Qasim Mehdi, Antonio Torroni, and Ken McElreavey: [http://www.journals.uchicago.edu/AJHG/journal/issues/v74n5/40813/40813.fg1.html Where West Meets East: The Complex mtDNA Landscape of the Southwest and Central Asian Corridor]; Am. J. Hum. Genet., 74:827-845, 2004</ref>


=== Kritik ===
=== Kritik ===

Version vom 24. November 2007, 16:55 Uhr

Die Turkvölker sind eine vor allem im eurasischen Großraum lebende und Turksprachen sprechende Völkergruppe. In unterschiedlicher Ausprägung teilen diese historische und kulturelle Eigenschaften. Die schätzungsweise 150 Millionen Angehörigen der turkischen Völkerfamilie leben heute in Aserbaidschan, Kasachstan, Kirgisistan, Türkei, Turkmenistan und Usbekistan und weiteren turkischen Staatsgebilden. Trotz der weiträumigen Besiedlung bestehen zwischen den einzelnen Turkstaaten und Turkvölkern kulturelle und historische Gemeinsamkeiten, die größte stellt die Sprache dar: Das Türkisch der Türkei steht dem der meisten Turkvölker sehr nahe. Die Turksprachen gehören dem Sprachbund der altaischen Sprachen an, der früher auch als Sprachfamilie angesehen wurde.

Die im 19. Jahrhundert entstandene politische und kulturelle Bewegung, die auf die Gemeinsamkeit der Turkvölker zielt, heißt Panturkismus. Die Wissenschaft, die sich mit den Sprachen, der Geschichte und den Kulturen der Turkvölker beschäftigt, ist die Turkologie.

Etymologie Turk-/Türk-

„Türke“ ist ursprünglich der Name eines Nomadenvolkes, das im 5. Jahrhundert zwischen Irtysch, Oghusen und Jenissei entstand und von den Chinesen T'u-chueh, Tu-küe oder Tür-küt genannt wurde, der so viel bedeutet wie „die Mächtigen“. Offensichtlich haben die Hsiung-nu oder Hunnen bis zum 3. Jahrhundert v. Chr. im Norden und Westen Chinas gelebt und ziemlich früh die Steppen bis zum Kaspischen Meer und zum Ural besiedelt. Ihre Geschichte, die sich bis 1800 vor Christus zurückverfolgen lässt, ist unter Chinesische Geschichte zu finden.

Der Terminus Türke wurde zum ersten Mal als offizielle Bezeichnung im 6. Jahrhundert nach Christus verwendet. Sie beschrieb den politischen Staat der Göktürken. Die Etymologie des Wortes Türk ist unklar. Die Wissenschaft bezeichnet die frühen Türken vor der Zeit von 552 nach Christus als gök türk (Himmelstürk(en) bzw. Blau-Türk(en)) aber auch kök türk (Grund/Wurzel/Basis Türke(n)).[1] Das Wort „Türke“ bildete früher einen Sammelnamen für die turksprachigen Steppenvölker.[2]

Im 19. Jahrhundert wurden die heutigen Turkvölker vereinfacht nur als „Türken“ oder auch gröber als „türkische Völker“ zusammengefasst. In den turksprachigen Staaten, autonomen Republiken und Regionen wird jedoch aus verschiedenen Gründen immer noch der Oberbegriff „Türken“ verwendet. Viele Sprachen, z. B. die englische, besitzen kein „ü“, und die Unterscheidung zwischen den Wortstämmen „Turk-“ und „Türk-“ erfolgt mit anderen sprachlichen Mitteln. Die Oberbezeichnungen mit „ü“ gehen auf die Tatsache zurück, dass es sich um die Nachfahren der Alttürken handelt. Als Alternativbezeichnungen sind auch „Türkvölker“, „Türkische Völker“, „Turktataren“, „Turkotataren“, „Turko-Tataren“, „Turk-Mongolen“ und „Turko-Mongolen“ (Mogulen) bekannt.

Die alte Stammesbezeichnung „Turuk“ entwickelte sich über mehrere Entwicklungsstufen zum heutigen Volksnamen „Türke“:

  • Ogurisch: Turuk ? Turkut ? Turk;
  • Oghusisch: Türük ? Türküt ? Türk;
  • Tatarisch: Török ? Törköt ? Törk

Ursprung der Turkvölker

Der Ursprung der Türken liegt im Verborgenen. Unumstritten scheint allein die Tatsache zu sein, dass die ersten turksprachigen Völker in der Altairegion (Zentralasien) gelebt haben. Genauer gesagt, am Schnittpunkt der beiden Flüsse Selenga und Orchon.[3]

Die Stammheimat der Türken, (…), ist das mittelasiatische Gebiet, das von den Gebirgen Altai und Sajan an der sibirisch-mongolischen Grenze, Tienschan an der Grenze zwischen Kasachstan und Chinesisch-Turkestan, Altin-Tag an der Nordwestgrenze Tibets und Chingan in Nordostchina eingefasst wird.[4]

Je nachdem, welche Vorfahren herangezogen werden, unterscheidet sich die Datierung der türkischen Geschichte. Einige Forscher glauben, dass die Hunnen (oder Hsiung-nu) zu den direkten Vorfahren zählen. Das lassen zumindest einige der in anderen Sprachen überlieferten Eigennamen vermuten. Die Hunnen selbst haben keine Schriftfunde hinterlassen. Dies gilt auch für die früher ihnen gleichgesetzten Hsiung-nu, die in den chinesischen Quellen 400–200 v. Chr. zum ersten Mal erwähnt werden. Durch Erzählungen, Sprichwörter und Geschichten der älteren turkstämmigen Menschen kann man jedoch darauf schließen, dass man hier mehr oder weniger über die Vorfahren der heutigen Turkvölker spricht. Andere Forscher wie Prof. Josef Matuz weisen auf die Schwierigkeit mit der Zuordnung der Hunnen zu den Turkvölkern hin:

"Hypothesen, wonach die europäischen oder die asiatischen Hunnen, letztere in den chinesischen Annalen unter der Bezeichnung Hsiung-nu erwähnt, Türken gewesen seien, lassen sich mangels Überlieferung nicht nachweisen. Das gleiche gilt für die Juan-Juan, die asiatischen und auch für die europäischen Awaren."[5]

Der Turkologe Prof. Dr. Michael Weiers geht davon aus, dass im heutigen Nordchina Ende des 3. Jahrhunderts nach Christus verschiedene Stämme auftauchten, die er als Urtürken bezeichnet. Um diesen Kern gruppierten sich mehrere andere Stämme. Nach griechischen, persischen und chinesischen Quellen hielten sich damals dort folgende bedeutenden Stammesverbände auf: Xiongnu-Hu (sogenannte östliche Hunnen), die Tab'a, die hunnischen Xia und die türkischen und protomongolischen Rouran.[6]

Das Volk der Türken war in Stammesverbänden (alttürkisch bodun) unterteilt. Die einzelnen Stämme benannten sich nach dem Urahn des Stammesführers. So gibt es eine Vielzahl von Turkvölkern mit unterschiedlichen Bezeichnungen wie z. B. Chasaren, Köktürken (auch bekannt als Göktürken), Oghusen, Turkmenen, Türken, Uiguren und Usbeken.

Räumliche Verbreitung

Die Gesamtheit der Angehörigen der Turkvölker wird heute auf ca. 200 Millionen Menschen geschätzt. Ihr Siedlungsgebiet reicht vom Balkan, über den Vorderen Orient, Zentralasien, Russland, Iran, China und Mongolei. Daneben gibt es bedeutsame Bevölkerungsgruppen in Westeuropa, Australien und den USA, die in der neueren Zeit dort hin immigriert sind.

Geschlossene turksprachige Gebiete bestehen in Turkestan (Turkmenen, Usbeken, Uiguren, Kasachen, Karakalpaken, Kirgisen), Anatolien (Osmanen bzw. „Türkei-Türken“) und Aserbaidschan. Viele Turkvölker leben verstreut im Wolgagebiet (Wolgabulgaren, Baschkiren, Tataren, Tschuwaschen), auf der Krim (Tataren) und im Kaukasusgebiet (Nogaier, Kumyken, Karatschaier, Balkaren). In Bessarabien (Moldawien bzw. Moldau) lebt der christlich-orthodoxe Volkstamm der Gagausen, die zu den Osmanen zählen. Eine systematische Klassifikation ist unter Turksprachen zu finden.

Gegenwärtig existieren sechs turksprachige Länder: Aserbaidschan, Kasachstan, Kirgisistan, Turkmenistan, Türkei und Usbekistan. Die Türkische Republik Nordzypern wird nur von der Türkei und Bangladesch diplomatisch anerkannt. Daneben gibt es mehrere autonome Turkrepubliken und -regionen in der Russischen Föderation: Republik Altai, Baschkortostan, Tschuwaschien, Dagestan, Chakassien, Karatschai-Tscherkessien, Tatarstan, Tuwa und Sacha. Jede dieser autonomen Turkrepubliken besitzt ihre eigene Flagge, ein eigenes Parlament, eigene Gesetze und eine offizielle Staatssprache.

Zwei autonome Regionen existieren darüber hinaus in China und Moldawien. Xinjiang, auch bekannt als „Ostturkestan“, wird zu einem großen Teil von einem Turkvolk bewohnt. Die autonome Region Gagausien liegt im Osten von Moldawien an der Grenze zur Ukraine.

Zu Verbreitungsgebieten ohne Autonomie zählen Gebiete im Iran, Nord-Irak, Georgien, Bulgarien, Griechenland, Mazedonien, Tadschikistan, Afghanistan und im Westen der Mongolei. Die Türken bilden das zahlenmäßig größte Turkvolk, dann folgen die Aserbaidschaner.

Trotz der weiträumigen Besiedlung bestehen zwischen den einzelnen Turkstaaten und Turkvölkern kulturelle und historische Gemeinsamkeiten, die größte stellt die Sprache dar: Das Türkische der Türkei steht dem der meisten Turkvölker nahe.[7]

Sprachlich bildeten und bilden die Turkvölker trotz der weiten Ausdehnung ihres Lebensraumes – bei Berücksichtigung zahlreicher Eigentümlichkeiten der Turksprachen – insofern eine Einheit, als auch heute die Türkei-Türken in den ethnischen und sprachlichen Kontext der Turkvölker insgesamt gestellt werden können.[4]

Innerhalb der Turkvölker existieren phänotypische Unterschiede. Während der südwestliche Zweig (Türkei-Türken, Aserbaidschaner, kaukasische Turkstämme) sich äußerlich nicht von den übrigen Ethnien im Mittelmeerraum unterscheidet, gleichen die Völker des östlichen Zweiges (Kasachen, Kirgisen, Karakalpaken sowie die altaiischen und sibirischen Völker) ihren ostasiatischen Nachbarn.[8]

Die Unterschiede sind geschichtlich bedingt. Während der Westwanderung der Turkvölker haben diese sich mehreren Reichen angeschlossen und später auch selbst mehrere Reiche gegründet. Die autochthone, unterworfene Bevölkerung wurde dabei in manchen Fällen kulturell assimiliert. Colin Renfrew spricht in diesem Zusammenhang von einem élite dominance process, bei dem eine siegreiche Minderheit ihre Sprache und zum Teil auch ihre Kultur auf die unterworfene Mehrheit überträgt. Viele Türken wurden aber auch selbst assimiliert und gingen in anderen Kulturen und Sprachgruppen auf. Als Beispiel sollen hier die mittelalterlichen Dynastien der Ghaznawiden und Mamelucken sowie einige Prinzen der Seldschuken genannt werden.


Geschichte

Im Laufe der Jahrhunderte formierten die nomadischen Turkvölker Steppenimperien, die teilweise sehr kurzlebig waren. Später stellten sie als Militärsklaven einen wichtigen Teil der muslimischen Kalifenarmeen und des Samanidenreiches, aus denen die ersten muslimischen Turkdynastien hervorgingen, unter anderem die Ghaznawiden oder die indische Sklaven-Dynastie.[2]

Die ersten Imperien der Turkvölker stellten lose Verbünde von verschiedenen Turkstämmen dar, die durch gemeinsame Interessen zusammengehalten wurden. Der Grund für den Zusammenschluss der einzelnen Nomadenstämme und deren Westwanderung war möglicherweise die ständige Suche nach Weideland und Wasser.

In der Ursprungsheimat der Turkvölker lebten noch diverse andere Steppenvölker, die das Reich der Chinesen bedrohten. Kaiser Shi Huang Ti ließ angesichts dieser Bedrohung die Große Mauer bauen, um den mächtigsten unter diesen Völkern, den Hsiung-nu den Weg in die fruchtbaren Gebiete in China zu versperren. Nach der Vervollständigung des Werkes wandten sich die Hsiung-nu dem Westen zu und übten stärkeren Druck auf die anderen Nomadenstämme aus. In ihrem Marsch gen Westen zogen die Hunnen u. a. Skythenstämme und andere Iranier sowie Ostgermanen mit sich.[3]

Das Machtvakuum, das die Hunnen bei ihrer Westwanderung im 4. Jahrhundert hinterlassen hatten, füllten die Türken aus dem Selengatal aus. Das erste Reich der Türken, das durch schriftliche Quellen gestützt wird, war das Reich der Göktürken. Es hatte von 552 bis 745 Bestand und stellte einen losen Verband von Turkstämmen dar. Sie erstreckte sich von der chinesischen Grenze bis zum Kaspischen Meer. Die Geschichte des Reiches wurde in den Orchon-Runen für die Nachwelt festgehalten.[9]

Nach der Zerschlagung des mongolischen Schuschan-Reiches wurde das Göktürken-Reich im Jahre 552 nach Christus durch Bumin Qa'gan gegründet. Das Reich reichte vom Chingangebirge bis nach Transoxanien. Erstmals taucht in dieser Zeit die Erwähnung des Namens Türke auf.

Die Chinesen bezeichneten mit T'u-küe oder Tür-küt (deutsche Übersetzung: die Mächtigen) die turksprachigen Völker in ihrer Gesamtheit als Türken. Das Reich schloss mit den Sassaniden in Iran einen Bündnis gegen die Hephthaliten. Nach der Zerschlagung der Hephthaliten stritten sich die ehemaligen Bündnispartner über die Aufteilung der Beute.[10] Das Reich der Göktürken zerfiel nach kurzer Zeit in einen westlichen und einen östlichen Teil und wurde schließlich von mittelasiatischen Turkvölkern zerstört.[5]

744 n. Chr. ersetzte das Reich der Uiguren das Reich der Göktürken. Die Uiguren waren das erste Turkvolk, das in seiner Gesamtheit eine Hochreligion annahm. Zuvor waren sie wie alle anderen Turkvölker Anhänger des Tengrismus. 762 n. Chr. traten sie zum Manichäismus über.[11]

Die Uiguren wurde ihrerseits von dem Turkvolk der Kirgisen aus ihrem Reichsgebiet vertrieben. Nach ihrer Vertreibung errichteten die Uiguren zwei Reiche, im Tarimbecken und in China. Das Reich im heutigen Turkestan wurde 1028 n. Chr. von den Tanguten, einem tibetischen Volk, vernichtet.[11]

Die Chasaren, ein anderes Turkvolk, errichteten zwischen dem 7. und 11. Jahrhundert n. Chr. in Südrussland ein Reich. Die Herrscherschicht bildeten Türken, die Bevölkerungsmehrheit rekrutierte sich aus einem Oguren-Volk.[12]

Die Karachaniden bildeten das erste Turkvolk, das im 10. Jahrhundert zum Islam übertrat. 999 n. Chr. eroberten sie Buchara und stürzten die Samaniden. Im 12. Jahrhundert wurde ihr Reich wiederum von den mongolischen Kara Kitai zerstört.[13]

Im 9. Jahrhundert haben vermutlich die Mongolen die Türken aus ihrer Urheimat vertrieben. Ab dem Zeitpunkt lebten keine Türken mehr in der heutigen Mongolei.[14]

Nach der Ausbreitung des Islam im 8. Jahrhundert in Mittelasien wurden viele Türken zum Islam bekehrt.[15] Eine zentrale Rolle spielte dabei der Dschihad der Samaniden gegen zentralasiatische Nomaden, welcher jedoch im Kern politisch motiviert war und der Vergrößerung der eigenen Armee gedient hat. Die ersten muslimischen Türken waren – mit wenigen Ausnahmen – konvertierte Militärsklaven im Dienste der Samaniden und später der abbasidischen Kalifen. So kam es auch, dass das erste von einem muslimischen Türken gegründete Großreich aus den Reihen jener Militärgeneräle hervorging: die Sultane von Ghazna. 961 n. Chr. gelang Alptigin, ein ehemaliger Militärsklave im Dienste der Samaniden, an die Macht und löste den verstorbenen Herrschers Abd al-Malik in Balch im persischen Chorasan als regionalen Fürst ab. In Zabul errichtete er ein kleines Fürstentum, welches später unter seiner Nachfolger expandieren sollte. Als eigentlicher Begründer der Dynastie gilt jedoch sein Sohn Mahmud (989-1030). Obwohl die Ghaznawiden ethnische Türken waren, lassen historische Dokumente und Biographien jedoch stark daran zweifeln, dass sie sich selbst auch als solche gesehen haben. Als persischsprachige Familie, die auch kulturell von der einheimischen Bevölkerung Chorasans assimiliert worden war, waren die Ghaznawiden der Anfang eines kulturellen Phänomens innerhalb der muslimischen Gesellschaft, welches erst mit dem Siegeszug der späteren Osmanen (s. u.) sein Ende fand: Nachkommen nomadischer Turkstämme wurden zum Islam bekehrt, übernahmen daraufhin die persische oder arabische Sprache und verbreiteten nun selbst diese Kultur in andere Regionen (Indien, China, Anatolien). [16]

Die gefährlichsten Feinde der Ghaznaviden waren wiederum ein Turkvolk, die Seldschuken.[15]

Als die Araber Transoxanien eroberten, gerieten einige turkische Stämme unter arabische Gefangenschaft. Fortan dienten sie den abbasidischen Kalifen als Sklaventruppen.[13] Die Mamelucken, überwiegend türkische Militärsklaven, rissen in Ägypten die Macht an sich und herrschten fast 300 Jahre lang, bis sie von den ebenfalls türkischen Osmanen unterworfen wurden.[17]

Die heutigen Türken in der Türkei sehen sich selbst als Nachkommen jener osmanischen Türken. Diese wiederum waren Angehörige der sogenannten Westtürken der Oghuz. Der Ursprung der Oghusen liegt in der heutigen Mongolei. Während der Herrschaft der türkischen Seldschuken über große Gebiete in Anatolien wanderten aus dem Osten türkische Stämme nach Anatolien ein.[18]

Die Osmanen waren ursprünglich ein kleiner turkmenischer Stamm, dem der Sultan der Rum-Seldschuken ein kleines Fürstentum (türk. Beylik) an der Grenze zum Byzantinischem Reich überließ.[17]

Mit dem Aufkommen des Nationalismus waren die Türken die ersten islamischen Völker, die die westlichen Ideen des Liberalismus und der Säkularität aufgriffen. Gegen Ende des 19. Jahrhundert wurden die Ideen durch tatarische Intellektuelle wie Ismail Gaspirali und Yusuf Akçura aufgegriffen und weiterentwickelt. Beide gehörten der tatarischen Minderheit im Russischen Reich an und ihre Arbeit ist wohl als Antwort auf den aufkommenden Panslawismus zu werten.

Die ersten demokratischen Turkstaaten wurden in Idel-Ural (1917), Aserbaidschan (1918), jedoch wurden beide Staaten von der Sowjetunion annektiert. 1923 wurde die Türkei gegründet. Weitere sind die Republik Hatay und Republik Gumulcine.

Siehe auch: Turkstaat

Kultur

Die Kulturen, traditionellen Wirtschaftsformen und Lebensweisen der Turkvölker sind vielfältig, und ihre Geschichte ist vielschichtig.

Schrift und Sprache

Die Turkvölker benutzten ab Mitte des ersten Jahrtausends ihre eigene Schrift, wie die Orchon-Inschriften oder das Uighuren-Alphabet beweisen. Letzteres stellt in der späteren Version eine modifizierte Schreibweise der arabischen Schrift dar.

Siehe auch: Turkische Lateinalphabete

Die Turksprachen werden in vier Gruppen eingeteilt[19]: 1. Die südwestliche Gruppe (oghusisch): umfasst Aserbaidschan-Türkisch (Republik Aserbaidschan, Südaserbaidschan im Iran), Gagausisch (Moldawien, Ukraine, Rumänien, Bulgarien), Türkei-Türkisch (Türkei, Balkan, Irak), Turkmenisch (Turkmenistan, Afghanistan, Iran), südoghusische Dialekte (Iran).

2. Die nordwestliche Gruppe (kyptschakisch): Baschkirisch (Baschkirien/Russland), Karaimisch (Litauen, Ukraine, Polen), Karakalpakisch (Usbekistan), Karatschaisch-Balkarisch (Kaukasus), Kasachisch (Kasachstan, Xinjiang/China), Kirgisisch (Kirgisistan, Xinjiang/China), Krimtatarisch (Krim, Usbekistan), Kumückisch (Kaukasus), Nogaisch (Kaukasus), Tatarisch (Tatarstan/Russland)

3. Die südöstliche Gruppe (Türki-Gruppe): Uigurisch (Xinjiang/China), Usbekisch (Usbekistan)

4. Die nordöstliche Gruppe (sibirische): Altaisch („Oirotisch“, Altai), Chakassisch (Chakassien), Dolganisch, West-Yugurisch (Gansu/China), Schorisch, Tofalarisch („Karagassisch“), Tschulymisch, Tuwinisch (Tuwa, Xinjiang/China), Jakutisch (Jakutien)

Religion

Heute sind die meisten Angehörigen der Turkvölker Muslime, die Mehrheit wiederum Sunniten und Schiiten. Aber es gibt unter ihnen auch Angehörige anderer Religionen wie z. B. naturreligiöse Schamanisten, Buddhisten, Juden und Christen.

Mythologie

Traditionelle nationale und kulturelle Symbole der Turkvölker sind, bereits seit der Zeit vor dem Übertritt zum Islam, der Stern und der Halbmond. Die Farbe blau, Eisen und Feuer stellen wichtige Bestandteile der Mythologie der Turkvölker dar.

Erkenntnisse der Populationsgenetik

Die Herkunft der historischen Türken wird auch in der Populationsgenetik in Zentral- und Ostasien vermutet. Eine Verwandtschaft zu den historischen Xiongnu ist dabei zwar nicht nachweisbar aber auch nicht ganz abzustreiten.[20] Auch eine Verwandtschaft der heutigen Türken mit den historischen Türken ist Gegenstand der Diskussion. Diese Annahme wird sowohl durch diverse Studien[21][22][23] als auch durch sprachwissenschaftliche Analysen unterstützt.[24] Zwar lassen sich auch in Anatolien Spuren ostasiatischer Geneinflüße belegen,[25] die man als türkisch interpretieren könnte, diese sind jedoch im Vergleich zu west-eurasischen Einflüssen zu vernachlässigen. Der Anteil ostasiatischer Einflüsse schwankt (abhängig von der Studie) zwischen 3% und 9%[21][26]

Kritik

Es wird kritisiert, dass Untersuchungen, die sich auf die Genetik beziehen, grundsätzlich übersehen, dass der Mensch neben seiner genetischen Eigenschaften auch ein kulturelles Wesen ist. Daher empfiehlt die UNESCO zur Unterscheidung der verschiedenen Völker statt der Einteilung in Rassen von kulturellen Gruppen (cultural groups) zu sprechen, welches später als ethnische Gruppe übersetzt wurde.[27]

Quellenverzeichnis

  1. vgl. M. Weiers: Kök-Türken, 1998 (PDF)
  2. a b vgl. U. Klever, 1978, Seite 7
  3. a b vgl. U. Klever, 1978, Seite 25
  4. a b vgl. U. Steinbach, 2003, Seite 8
  5. a b vgl. J. Matuz, 1996, Seite 9
  6. vgl. M. Weiers: Türken, Protomongolen und Prototibeter im Osten, 1998 (PDF)
  7. vgl. Columbia Encyclopedia: Turks
  8. vgl. Quelle: Grolier's Encyclopedia
  9. vgl. U. Klever, 1978, Seite 26
  10. vgl. M. Weiers: Kök-Türken, 1998 (PDF)
  11. a b vgl. J. Matuz, 1996, Seite 10
  12. vgl. J. Matuz, 1996, Seite 11
  13. a b vgl. J. Matuz, 1996, Seite 12
  14. vgl. U. Klever, 1978, Seite 24
  15. a b vgl. Lindenmuseum – Der lange Weg der Türken
  16. vgl. Encyclopaedia Iranica: "Ghaznavids" (Online-Version)
  17. a b vgl. U. Klever, 1978, Seite 8
  18. vgl. World Civilizations- The origins of Ottomans Richard Hooker
  19. vgl. Turkologie, Gutenberg-Universität
  20. Keyser-Tracqui C., Crubezy E., Ludes B. Nuclear and mitochondrial DNA analysis of a 2,000-year-old necropolis in the Egyin Gol Valley of Mongolia American Journal of Human Genetics 2003 August; 73(2): 247–260.
  21. a b Cengiz Cinnioğlu, Roy King, Toomas Kivisild, Ersi Kalfoğlu, Sevil Atasoy, Gianpiero L. Cavalleri, Anita S. Lillie, Charles C. Roseman, Alice A. Lin, Kristina Prince, Peter J. Oefner, Peidong Shen, Ornella Semino, L. Luca Cavalli-Sforza, and Peter A. Underhill (2004). Excavating Y-chromosome haplotype strata in Anatolia Hum. Genet. 114:127--148. DOI 10.1007/s00439-003-1031-4
  22. vgl. Study of 15 protein polymorphisms in a sample of the Turkish population Brega et al. 1998
  23. vgl. Trading Genes along the Silk Road: mtDNA Sequences and the Origin of Central Asian Populations Comas, D. et al. 1998
  24. V. Minorsky, Ādharbāyjān, in Encyclopædia of Islam, Online Edition, 2006: "... [as consequence of Oghuz Turkic domination in the Caucasus, beginning the 12th century] the Iranian population of Ādharbāyjān and the adjacent parts of Transcaucasia became Turkophone while the characteristic features of Ādharbāyjānī Turkish, such as Persian intonations and disregard of the vocalic harmony, reflect the non-Turkish origin of the Turkicised population. ..."
  25. Nancy Touchette. Ancient DNA Tells Tales from the Grave, Genome News Network
  26. Lluís Quintana-Murci, Raphaëlle Chaix, R. Spencer Wells, Doron M. Behar, Hamid Sayar, Rosaria Scozzari, Chiara Rengo, Nadia Al-Zahery, Ornella Semino, A. Silvana Santachiara-Benerecetti, Alfredo Coppa, Qasim Ayub, Aisha Mohyuddin, Chris Tyler-Smith, S. Qasim Mehdi, Antonio Torroni, and Ken McElreavey: Where West Meets East: The Complex mtDNA Landscape of the Southwest and Central Asian Corridor; Am. J. Hum. Genet., 74:827-845, 2004
  27. vgl. The race concept. Results of an inquiry UNESCO Paris, 1952, Seite 73 und 99

Literatur

  • Wolfgang E. Scharlipp: Die frühen Türken in Zentralasien. Eine Einführung in ihre Geschichte und Kultur. Darmstadt 1992, ISBN 3-534-11689-5
  • Luigi Cavalli-Sforza: Genes, Peoples and Languages. North Point Press, New York 2000.
  • Ulrich Klever: Das Weltreich der Türken – Vom Steppenvolk zur modernen Nation. Bayreuth 1978, ISBN 3-7770-0171-6
  • Dschalal Mamadow & Vougar Aslanow: Turan. Geheimnisvolles Reich der Turkvölker. In: Wostok, Informationen aus dem Osten für den Westen. Berlin. Heft 2/2003, S. 75–77; Abstract: [1]
  • Josef Matuz: Das Osmanische Reich – Grundlinien seiner Geschichte. Darmstadt 1996, ISBN 3-89678-010-7
  • Colin Renfrew: World linguistic diversity. Scientific American 270(1), 1994, S. 118
  • Colin Renfrew: Archaeology and language: the puzzle of Indoeuropean origins. Jonathan Cape, London 1987, S. 131–133
  • Udo Steinbach: Geschichte der Türkei. München 2003, ISBN 3-406-44743-0

Siehe auch