„Turkvölker“ – Versionsunterschied

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'''Turkvölker''' bezeichnet eine Gruppe von [[Ethnie]]n in [[Ostasien|Ost-]], [[Zentralasien|Zentral-]] und [[Westasien]] sowie in [[Sibirien]] und [[Osteuropa]], deren rund 40&nbsp;relativ nah verwandte Sprachen mit insgesamt etwa 180&nbsp;bis 200&nbsp;Millionen Sprechern zur [[Sprachfamilie]] der [[Turksprachen]] gerechnet werden.<ref>[[Peter Benjamin Golden]]: ''An Introduction to the History of the Turkic Peoples. Ethnogenesis and State-Formation in Medieval and Early Modern Eurasia and the Middle East.'' Harrassowitz, Wiesbaden 1992, ISBN 3-447-03274-X, S.&nbsp;1.</ref> Zu diesen gehört beispielsweise auch die [[türkische Sprache]].
'''Turkvölker''' bezeichnet eine Gruppe von etwa 40&nbsp;[[Ethnie]]n in [[Ostasien|Ost-]], [[Zentralasien|Zentral-]] und [[Westasien]] sowie in [[Sibirien]] und [[Osteuropa]], deren Sprachen zur [[Sprachfamilie]] der [[Turksprachen]] gerechnet werden.<ref>[[Peter Benjamin Golden]]: ''An Introduction to the History of the Turkic Peoples. Ethnogenesis and State-Formation in Medieval and Early Modern Eurasia and the Middle East.'' Harrassowitz, Wiesbaden 1992, ISBN 3-447-03274-X, S.&nbsp;1.</ref> Zu dieser gehören die [[türkische Sprache]] sowie rund 40&nbsp;relativ nah verwandte Sprachen mit insgesamt etwa 180&nbsp;bis 200&nbsp;Millionen Sprechern.


Die Wissenschaft der Sprachen, Geschichte und Kulturen der Turkvölker ist die [[Turkologie]]. [[Panturkismus]] bezeichnet die im 19.&nbsp;Jahrhundert entstandene politische und kulturelle Bewegung, die auf die Gemeinsamkeit der Turkvölker zielt. Die Kulturen, [[Traditionelle Wirtschaftsform|traditionellen Wirtschaftsformen]] und Lebensweisen der einzelnen Turkvölker sind vielfältig, ihre Geschichte ist vielschichtig (siehe auch [[Liste der Turkvölker]]).
Die Wissenschaft der Sprachen, Geschichte und Kulturen der Turkvölker ist die [[Turkologie]]. [[Panturkismus]] bezeichnet die im 19.&nbsp;Jahrhundert entstandene politische und kulturelle Bewegung, die auf die Gemeinsamkeit der Turkvölker zielt. Die Kulturen, [[Traditionelle Wirtschaftsform|traditionellen Wirtschaftsformen]] und Lebensweisen der einzelnen Turkvölker sind vielfältig, ihre Geschichte ist vielschichtig (siehe auch [[Liste der Turkvölker]]).
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== Ursprung und Gliederung der frühen Turkvölker ==
== Ursprung und Gliederung der frühen Turkvölker ==
Der Ursprung der heutigen Turkvölker ist umstritten. Vermutet wird eine Region zwischen [[Zentralasien]] bis in die [[Mandschurei]] im nordöstlichen [[China]]. Die frühen Türken waren genetisch als auch kulturell nahe mit [[Mongolen]] sowie [[Han-Chinesen]] verwandt.<ref>{{Literatur |Autor=Bayazit Yunusbayev, Mait Metspalu, Ene Metspalu, Albert Valeev, Sergei Litvinov |Titel=The genetic legacy of the expansion of Turkic-speaking nomads across Eurasia |Sammelwerk=PLoS genetics |Band=11 |Nummer=4 |Datum=2015-04 |ISBN= |ISSN=1553-7404 |Seiten=e1005068 |DOI=10.1371/journal.pgen.1005068 |PMC=4405460 |PMID=25898006 |Zitat=The origin and early dispersal history of the Turkic peoples is disputed, with candidates for their ancient homeland ranging from the Transcaspian steppe to Manchuria in Northeast Asia.}}</ref> Manche Forscher sehen in der [[Xinglongwa]]-Kultur entland des [[Liao He]] den Ursprung der frühen Türken.<ref>{{Internetquelle |autor= |url=https://www.researchgate.net/publication/320915864_Austronesian_influence_and_Transeurasian_ancestry_in_Japanese_A_case_of_farminglanguage_dispersal |titel=(PDF)Transeurasian: A case of farming/language dispersal |werk= |hrsg= |datum= |abruf=2019-08-25 |sprache=en}}</ref>
Der Ursprung der heutigen Turkvölker ist umstritten. Vermutet wird eine Region zwischen [[Kaspisches Meer|Transkaspische Steppe]] über [[Zentralasien]] zum [[Altai-Gebirge]] bis zum [[Baikalsee|Trans-Baikal]] und [[Südsibirien|Süd-Zentral-Sibirien]].<ref>[[Peter B. Golden|Golden, Peter B.]] (1998). "''The Turkic peoples: A historical sketch.''" In Johanson & Csató (eds.) 1998, Seite 16.</ref><ref>»''Die Ethnogenese der Türken liegt bis heute im Dunkeln, vieles ist unsicher und kann nur mit Vorsicht und unter Schwierigkeiten rekonstruiert werden. […] Ebenso unklar ist es, ob die erste Urheimat der Türken mit dem Altai, mit Südsibirien und der Trans-Baikal-Region oder mit dem transkaspischen Gebiet identifiziert werden soll, […] (Golden 1992:16; Golden 1992:125). «'' Römer, Claudia. "''Von den Hunnen zu den Türken – dunkle Vorgeschichte''", in: Zentralasien. 13. bis 20. Jahrhundert. Geschichte und Gesellschaft, Wien 2006, S. 61</ref><ref>[[Róna-Tas, András]]. “''The Reconstruction of Proto-Turkic and the Genetic Question.''” [https://www.routledgehandbooks.com/doi/10.4324/9780203066102.ch4 The Turkic Languages], 1998, Seiten 67–80.</ref>


Geschichtlich greifbar wurden sie ab dem 6.&nbsp;Jahrhundert v.&nbsp;Chr. So werden unter anderem die ''Turk'' mit den [[Xiongnu]] in Verbindung gebracht, deren [[Vasall]]en und Waffenschmiede sie waren.<ref name="zieme" /> Im Jahre 177 v.&nbsp;Chr. vertrieb der [[Chanyu]] der Xiongnu [[Mao-tun]] die konkurrierenden [[Yuezhi]] und etablierte seine Stammesföderation als wichtigste Macht in der heutigen [[Mongolei]] und in [[Xinjiang|Ostturkestan]].<ref>Wolfgang-Ekkard Scharlipp: ''Die frühen Türken.'' S.&nbsp;9.</ref> Vielfach werden die Xiongnu als die Vorfahren der heutigen Turkvölker und der [[Mongolen]] angesehen. Doch diese These gilt als umstritten und konnte nicht eindeutig belegt werden.<ref>Klaus Kreiser: ''Kleine Geschichte der Türkei.'' Stuttgart 2003, S.&nbsp;20.</ref> Unstrittig ist jedoch, dass die Xiongnu teilweise Vorläufer der heutigen Turksprachen benutzten bzw. dass zumindest die herrschende Schicht in dieser Föderation turksprachig war und ein anderer Teil altmongolische und [[Tungusische Sprachen|tungusische]] Sprachen verwendete. So werden sie denn auch überwiegend als „turko-mongolisch“ beschrieben und bezeichnet.<ref>Carter Vaughn Findley: ''The Turks in World History.'' S.&nbsp;28.</ref>
Die frühen Türken betrieben [[Ackerbau]] (Weizen und Hirse) und hatten das [[Hauspferd|Pferd]] als Haupttier. [[Viehzucht]]kulturen des 3. Jahrtausends v. Chr. innerhalb der heutigen Provinzen [[Shensi]] und [[Kansu]] in China werden zweifellos als Vorfahren der heutigen Turkvölker erkannt. Die Urheitmat der Türken lag jedoch nicht in diesem Gebiet, sondern stellt lediglich ein Randgebiet der türkischen Verbreitung dar. Von den verschiedenen Viehzuchtkulturen im Norden Chinas stellt die proto-türkische Ausprägung die "kräftigste und für die weitere Entwicklung am entscheidendsten" dar.<ref>[[Wolfram Eberhard]], [https://d-nb.info/456503854 "''Chinas Geschichte. Von den Anfängen bis zur Gegenwart.''"] Kröner, Stuttgart 1971, Seiten 12–14.</ref>


Über die Sprache der Xiongnu ist nicht viel bekannt. Es existieren lediglich einige Personennamen und Wörter aus dem Kriegswesen sowie aus dem täglichen Leben. Die wenigen bekannten Wörter weisen zwar auf eine enge Verbindung zu den Turksprachen hin, aber sie beweisen nicht, dass die Xiongnu ausschließlich turksprachig waren.<ref>Wolfgang-Ekkehard Scharlipp: ''Die frühen Türken.'' S.&nbsp;2.</ref> So weist Josef Matuz ausdrücklich auf die Schwierigkeit bei der Zuordnung der [[Hunnen]] (wobei die Hunnen im Westen von den Xiongnu und den [[Iranische Hunnen|iranischen Hunnen]] zu trennen sind) zu den Turkvölkern hin:
Anthropologisches Material aus der Zeit der [[Karasuk-Kultur]] lässt schließen, dass der Menschentyp dieser Kultur sowohl den mittelalterlichen als auch heutigen Turkvölkern ähnelt ([[Turanide|Turanider Typus]]), der durch ein Verhältnis [[Mongolide|ostasiatischer]] und [[Europide|europäischer]] Einflüsse gekennzeichnet ist und Verwandtschaftsgrade zur [[Andronovo-Kultur]] und Afanassjewo-Kultur aufweist.<ref>[[Karl Jettmar]], [http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/propylaeumdok/1541/1/Jettmar_The_Karasuk_culture_1950.pdf "The Karasuk culture and its south-eastern affinities"]. Bulletin of the Museum of Far Eastern Antiquities 22, 1950. Seiten 83–126</ref> Die Karasuk-Kultur wird daher als Indiz erster Westwanderungen proto-türkischer Völker angesehen.<ref name="Kuzʹmina">Elena E. Kuzʹmina (Hrsg. [[James P. Mallory]]), [https://books.google.de/books?id=x5J9rn8p2-IC "''The Origin of the Indo-Iranians''"], Band 3 von ''Leiden Indo-European etymological dictionary series, v. 3'', [[Brill (Verlag)|BRILL]] 2007, Seite 364.</ref> Die Karasuk-Kultur verfügte über eine archaische Technik zur Herstellung von Gefäßen durch Aushöhlen von Lehmklumpen, eine Methode, die nur von den türkischen Völkern Sibiriens wie den [[Jakuten]] und den [[Schoren]] bewahrt wurde.<ref name="Kuzʹmina"/>

Geschichtlich greifbar wurden sie ab dem 6.&nbsp;Jahrhundert v.&nbsp;Chr. So werden unter anderem die ''Turk'' mit den [[Xiongnu]] in Verbindung gebracht, deren [[Vasall]]en und Waffenschmiede sie waren.<ref name="zieme">Peter Zieme: ''Die Alttürkischen Reiche in der Mongolei.'' In: ''Dschingis Khan und seine Erben. Das Weltreich der Mongolen.'' Sonderband zur Ausstellung 2005/2006, S.&nbsp;64.</ref> Im Jahre 177 v.&nbsp;Chr. vertrieb der [[Chanyu]] der Xiongnu [[Mao-tun]] die konkurrierenden [[Yuezhi]] und etablierte seine Stammesföderation als wichtigste Macht in der heutigen [[Mongolei]] und in [[Xinjiang|Ostturkestan]].<ref>Wolfgang-Ekkard Scharlipp: ''Die frühen Türken.'' S.&nbsp;9.</ref> Vielfach werden die Xiongnu als die Vorfahren der heutigen Turkvölker und der [[Mongolen]] angesehen. Doch diese These gilt als umstritten und konnte nicht eindeutig belegt werden.<ref>Klaus Kreiser: ''Kleine Geschichte der Türkei.'' Stuttgart 2003, S.&nbsp;20.</ref> Unstrittig ist jedoch, dass die Xiongnu teilweise Vorläufer der heutigen Turksprachen benutzten bzw. dass zumindest die herrschende Schicht in dieser Föderation turksprachig war und ein anderer Teil altmongolische und [[Tungusische Sprachen|tungusische]] Sprachen verwendete. So werden sie denn auch überwiegend als „turko-mongolisch“ beschrieben und bezeichnet.<ref>Carter Vaughn Findley: ''The Turks in World History.'' S.&nbsp;28.</ref>

Über die Sprache der Xiongnu ist nicht viel bekannt. Es existieren lediglich einige Personennamen und Wörter aus dem Kriegswesen sowie aus dem täglichen Leben. Die wenigen bekannten Wörter weisen zwar auf eine enge Verbindung zu den Turksprachen hin, aber sie beweisen nicht, dass die Xiongnu ausschließlich turksprachig waren.<ref>Wolfgang-Ekkehard Scharlipp: ''Die frühen Türken.'' S.&nbsp;2.</ref> So weist Josef Matuz ausdrücklich auf die Schwierigkeit bei der Zuordnung der [[Hunnen]] zu den Turkvölkern hin:


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== Geschichte ==
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Die später entstandene Stammesföderation der ''Türk'', waren zuerst nur ein Zusammenschluss verschiedener nomadischer Volksstämme, im Grunde lediglich eine Interessengemeinschaft, die sich für die Erweiterung ihrer Weidegründe und die Beherrschung der wenigen [[Oase]]nstädte einsetzte. Doch bevor diese Stammesföderation selbst zu einem zentralasiatischen Machtfaktor wurde, übte sie Vasallendienste für andere nomadisch organisierte Stammesverbände aus, so beispielsweise für die [[Xiongnu]] und die Rouran.
Die später entstandene Stammesföderation der ''Türk'', waren zuerst nur ein Zusammenschluss verschiedener nomadischer Volksstämme, im Grunde lediglich eine Interessengemeinschaft, die sich für die Erweiterung ihrer Weidegründe und die Beherrschung der wenigen [[Oase]]nstädte einsetzte. Doch bevor diese Stammesföderation selbst zu einem zentralasiatischen Machtfaktor wurde, übte sie Vasallendienste für andere nomadisch organisierte Stammesverbände aus, so beispielsweise für die [[Xiongnu]] und die Rouran.
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== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==

Version vom 29. August 2019, 23:48 Uhr

Heutiges Verbreitungsgebiet der Turksprachen

Turkvölker bezeichnet eine Gruppe von etwa 40 Ethnien in Ost-, Zentral- und Westasien sowie in Sibirien und Osteuropa, deren Sprachen zur Sprachfamilie der Turksprachen gerechnet werden.[1] Zu dieser gehören die türkische Sprache sowie rund 40 relativ nah verwandte Sprachen mit insgesamt etwa 180 bis 200 Millionen Sprechern.

Die Wissenschaft der Sprachen, Geschichte und Kulturen der Turkvölker ist die Turkologie. Panturkismus bezeichnet die im 19. Jahrhundert entstandene politische und kulturelle Bewegung, die auf die Gemeinsamkeit der Turkvölker zielt. Die Kulturen, traditionellen Wirtschaftsformen und Lebensweisen der einzelnen Turkvölker sind vielfältig, ihre Geschichte ist vielschichtig (siehe auch Liste der Turkvölker).

Andere Bezeichnungen

Die Turkvölker werden mitunter auch fälschlich als „Türkvölker“, „türkische Völker“ oder als „Türken“ bezeichnet. Um eine Verwechslung mit den in der heutigen Türkei lebenden Volksgruppen, die dort per Gesetz offiziell als „Türken“ bezeichnet werden, mit den übrigen eine Turksprache sprechenden Nationen zu vermeiden, ist es in Europa üblich geworden, diese generell als „Turkvölker“ (englisch Turkic people) zu bezeichnen. „Türke“ wird dort ausnahmslos auf den Staatsbürger der Republik Türkei bzw. im engeren Sinne auf den Sprecher des Türkei-Türkischen angewendet. Die Praxis der Unterscheidung zwischen den eigentlichen Türken und anderen turksprachigen Volksgruppen hatte ihren Ursprung im Russland des 19. Jahrhunderts.[2]

In der turksprachigen Turkologie ist es im Gegensatz dazu aber allgemein üblich, von den „türkischen Völkern“ (türkisch Türk halkları) beziehungsweise schlicht allgemein von „Türken“ (Türkler) zu sprechen.

Von einer früher vermuteten ural-altaischen Sprachfamilie bzw. einem Sprachbund mit den altaischen Sprachen, welcher auch die Mongolische Sprache und die Tungusische Sprache umfasst, wird heute von manchen Forschern abgesehen, und daher gilt unter diesen Forschern die unmittelbare Verbindung zwischen den Turk- und den mongolischen, beziehungsweise tungusischen Sprachen als umstritten.

Namensherkunft

Die Bezeichnung „Türke“ leitet sich vom Namen einer nomadischlebenden Stammesföderation des 6. Jahrhunderts ab, die sich selbst als Türk oder Türük bezeichneten und die von Aschina-Clans geführt wurden.[3]

Der Terminus „Türke“ tauchte erstmals 552 n. Chr. auf, als der Stamm der „Türük“ seine Stammesföderation begründete, die heute als „Reich der Göktürken“ (auch mitunter „Reich der Kök-Türken“ geschrieben) bekannt ist. Gök türük bzw. kök türük bedeutet Himmels- oder Blautürken. Diese kriegerische Stammesföderation wurde von den Han-Chinesen als 突厥 Tūjué, ältere Transkriptionen sind T'u-chüeh, Tu-küe oder Tür-küt, bezeichnet. Diese Bezeichnung leitet sich offensichtlich vom Namen Türk ab.[4] Als unmittelbare Herkunftsstätte wird heute allgemein das Altaigebirge angesehen.[5]

Nach Josef Matuz reichte die Urheimat der Turkvölker im Norden über den Baikalsee hinaus ins heutige Sibirien hinein, im Westen sei sie von Altai und Sajangebirge, im Osten von den Bergen des Tian Shan und im Süden vom Altungebirge im heutigen Xinjiang umgrenzt gewesen.[6] Michael Weiers geht davon aus, dass Ende des 3. Jahrhunderts im heutigen Nordchina verschiedene Stämme auftauchten, die er als „Urtürken“ bezeichnete. Um diesen Kern gruppierten sich mehrere andere Stämme. Nach griechischen, persischen und chinesischen Quellen hielten sich damals folgende bedeutenden Stammesverbände dort auf: Xiongnu-Hu (so genannte östliche „Hunnen“), die Tab'a, die hunnischen Xia und die türkischen und protomongolischen Ruanruan.[7]

Ursprung und Gliederung der frühen Turkvölker

Der Ursprung der heutigen Turkvölker ist umstritten. Vermutet wird eine Region zwischen Zentralasien bis in die Mandschurei im nordöstlichen China. Die frühen Türken waren genetisch als auch kulturell nahe mit Mongolen sowie Han-Chinesen verwandt.[8] Manche Forscher sehen in der Xinglongwa-Kultur entland des Liao He den Ursprung der frühen Türken.[9]

Geschichtlich greifbar wurden sie ab dem 6. Jahrhundert v. Chr. So werden unter anderem die Turk mit den Xiongnu in Verbindung gebracht, deren Vasallen und Waffenschmiede sie waren.[10] Im Jahre 177 v. Chr. vertrieb der Chanyu der Xiongnu Mao-tun die konkurrierenden Yuezhi und etablierte seine Stammesföderation als wichtigste Macht in der heutigen Mongolei und in Ostturkestan.[11] Vielfach werden die Xiongnu als die Vorfahren der heutigen Turkvölker und der Mongolen angesehen. Doch diese These gilt als umstritten und konnte nicht eindeutig belegt werden.[12] Unstrittig ist jedoch, dass die Xiongnu teilweise Vorläufer der heutigen Turksprachen benutzten bzw. dass zumindest die herrschende Schicht in dieser Föderation turksprachig war und ein anderer Teil altmongolische und tungusische Sprachen verwendete. So werden sie denn auch überwiegend als „turko-mongolisch“ beschrieben und bezeichnet.[13]

Über die Sprache der Xiongnu ist nicht viel bekannt. Es existieren lediglich einige Personennamen und Wörter aus dem Kriegswesen sowie aus dem täglichen Leben. Die wenigen bekannten Wörter weisen zwar auf eine enge Verbindung zu den Turksprachen hin, aber sie beweisen nicht, dass die Xiongnu ausschließlich turksprachig waren.[14] So weist Josef Matuz ausdrücklich auf die Schwierigkeit bei der Zuordnung der Hunnen (wobei die Hunnen im Westen von den Xiongnu und den iranischen Hunnen zu trennen sind) zu den Turkvölkern hin:

„Hypothesen, wonach die europäischen oder die asiatischen Hunnen, letztere in den chinesischen Annalen unter der Bezeichnung Hiung-nu erwähnt, Türken gewesen seien, lassen sich mangels Überlieferung nicht nachweisen. Das gleiche gilt für die Juan-Juan [Rouran], die asiatischen und auch für die europäischen Awaren.“

Josef Matuz: Das Osmanische Reich. Grundlinien seiner Geschichte.[15]

Diese Problematik ist allgemein anerkannt.[16]

Nach dem Zerfall des Xiongnu-Reiches gehörten die Turk zum Reich der Rouran, das ebenfalls nomadisch organisiert war. Auch hier waren die Turk zuerst nur Vasallen und Waffenfabrikanten der neuen Herrscherschicht.[10]

Die Stammesföderation der Turk war in einzelne Unterstämme (alttürkisch bodun) gegliedert. Die Turk beherrschten ein Territorium (El) und besaßen Einrichtungen (törö).[10] Vielfach benannten sich die Unterstämme nach einem ihrer Gründer.

Geschichte

Vorgeschichte

Die proto-Türken lebten wahrscheinlich teilweise sesshaft in der heutigen Mandschurei und Teilen der Mongolei. Aufgrund bisher unbekannten Umständen nahmen sie einen nomadischen Lebensstil an und starteten eine Wanderung nach Westen. Laut der These von Robbeets, ist die Xinglongwa-Kultur in der Mandschurei der Ursprung der proto-Türken. Von dort aus haben sich die Turkvölker immer weiter nach Westen ausgebreitet.[17][18]

Die später entstandene Stammesföderation der Türk, waren zuerst nur ein Zusammenschluss verschiedener nomadischer Volksstämme, im Grunde lediglich eine Interessengemeinschaft, die sich für die Erweiterung ihrer Weidegründe und die Beherrschung der wenigen Oasenstädte einsetzte. Doch bevor diese Stammesföderation selbst zu einem zentralasiatischen Machtfaktor wurde, übte sie Vasallendienste für andere nomadisch organisierte Stammesverbände aus, so beispielsweise für die Xiongnu und die Rouran.

Das Reich der Göktürken

Kök-türkische Individuen zeigende Petroglyphen aus der mongolischen Dsawchan-Provinz (6. bis 8. Jh.)

Aufgrund der Weigerung des letzten Rouran-Fürsten, dem Khan der Türk, Bumın, eine Prinzessin zur Frau zu geben, unterstellte sich dieser der Oberherrschaft des damaligen chinesischen Reiches und zerschlug im Jahr 552 das Steppenreich der Rouran. Dieses Reich der Kök-Türken (Göktürken) umfasste das Gebiet zwischen der chinesischen Grenze, der heutigen Mongolei, dem Xinjiang und dem Kaspischen Meer. Sein Einflussbereich erstreckte sich vom Baikalsee im Norden über die heutige Kasachensteppe bis zum Schwarzen Meer.

Anfänglich war die Bezeichnung Türk nur dem Adel vorbehalten und wurde im Laufe der Zeit zu einer reinen Stammesbezeichnung.[10] Nach dem frühen Tod des Reichsgründers Bumın (552) zerfiel das erste Türkenreich in zwei Flügel. Das Westreich wurde von Iştemi (dem Bruder Bumıns), das bedeutendere Ostreich mit dem für alle Steppennomaden heiligen Ötükän (dem heutigen Changai-Gebirge) von Bumıns Sohn Muhan beherrscht.[19] Die Geschichte des Reiches wurde unter einem späteren Herrscher in den mit Orchon-Runen beschrifteten Steinstelen für die Nachwelt festgehalten. In westlichen Quellen wurden die Türk das erste Mal beim spätantiken Geschichtsschreiber Theophanes von Byzanz (spätes 6. Jahrhundert) erwähnt.

Kyzylinschrift in den mit den Orchon-Runen verwandten Jenissei-Runen (ca. 730 n. Chr.)

Während das türkische Ostreich ab 580 zu einer chinesischen Provinz herabsank, da es sich von diesem Zeitpunkt an ausnahmslos unter der Oberherrschaft des chinesischen Kaisers befand, konnte sich das Westreich länger halten. Dieses schloss bereits um 560 mit den iranischen Sassaniden ein Bündnis gegen die Hephthaliten. Nach ihrem gemeinsamen Sieg über diese zerstritten sich jedoch die Bündnispartner (unter anderem aufgrund von Handelsinteressen). Die Türken wandten sich daraufhin auf Rat des einflussreichen Sogdiers Maniakh (die Sogdier spielten eine führende wirtschaftliche Rolle im spätantiken Zentralasien und dienten auch in der Verwaltung), dem byzantinischen Reich zu.

Unter ihrem Herrscher Tardu (regierte von 575/76 bis 603), dem Nachfolger Iştemis (siehe Sizabulos) und eventuell ein Bruder des Turxanthos, sagte sich das Westreich 584 vom Ostreich los und begann mit Zustimmung der damals in China herrschenden Sui-Dynastie seinen eigenen Machtbereich auszubauen. Dabei erschien Tardu offiziell als Verbündeter des chinesischen Kaisers.[19] So gelang es dem Westreich, sein Herrschaftsgebiet weiter auszudehnen und Tardu trat auch in diplomatische Beziehungen mit dem Byzanz in seinem Krieg gegen die konkurrierenden Awaren ein. Als sich jedoch die Byzantiner mit diesen selbst verbündeten, kam es zu kriegerischen Auseinandersetzungen des türkischen Westreiches mit dem Byzantinischen Reich.[19]

In den Jahren 588 und 589 zogen die Türk des Westreiches, die sich nun als On-Ok (Volk der zehn Stämme) bezeichneten, mehrmals gegen die Sassaniden in den Krieg und gelangten dabei bis nach Herat.

Nach Tardus Tod folgten ihm einige unbedeutende Khagane nach, von denen nur die chinesischen Namen bekannt sind. Unter Khagan Tong Yehu konnte das Westreich einige Gebietsteile des Ostreiches erobern, sodass dieses vom Altai bis zum Kaspischen Meer reichte. Nach Tongs Tod wurde das türkische Westreich ab 657 nach und nach in chinesische Protektorate umgewandelt und 659 endgültig in den chinesischen Gesamtstaat eingegliedert.[19]

Nach der Eingliederung des Westreiches begannen 679 erste Aufstände der frühen Turkvölker gegen die Chinesen. So machte sich 683 der Aschina-Fürst Kutlug auf, die verschiedenen türkischen Stämme unter seiner Führung zu vereinen. Als Elteriş (Reichssammler) wurde er der neue Herrscher der Türken, stellte in nur einem Jahr das Göktürkenreich in seinen alten Grenzen wieder her und begann gezielte Einfälle in das chinesische Gebiet.[19] Diese Zeit wird in den um 727 entstandenen Steinstelen am Orchon beschrieben, deren Errichtung dem damaligen Reichsminister Tonyukuk zugeschrieben wird.

Die Erben des Göktürkischen Reiches

Siedlungs- und Einflussgebiet der Kiptschaken um 1200
Die Petschenegen gegen die „Skyth“ von Swjatoslaw I. von Kiew
Grabstele eines Kiptschaken (12. Jahrhundert, Lugansk)

Mit dem Ende des Göktürkenreiches entstanden in der Folgezeit weitere turkvölkisch geprägte Nomadenstaaten. Diese waren einst Vasallen des westlichen Türkenreiches und konnten nach dessen Untergang eigene Wege gehen. So errichteten die Chasaren zwischen dem 6. und 11. Jahrhundert im Gebiet des heutigen Südrusslands ein weiteres Türkenreich, dessen Oberschicht sich von den Türk und deren Stämme aus einem Ogurenvolk ableitete.[20] Im Gegensatz zu den meisten anderen Turkvölkern nahmen die Chasaren das Judentum als Staatsreligion an.

Um 744 oder 745 erhoben sich die Uiguren gegen die Herrschaft der Türk. Sie töteten den letzten amtierenden Khagan der Türk, Ozmış, zerschlugen deren nomadisch-geprägten Staat und errichteten eine eigene Herrschaft in dem von Turkvölkern bewohnten Gebiet. Die Uiguren verstanden es, sich von der nomadischen Traditionen ihrer Vorgänger zu lösen und sehr gute Beziehungen zum chinesischen Nachbarn aufzubauen. Im Reich der Uiguren nahmen die iranischsprachigen Sogder eine wichtige Position ein, denn bereits gegen Ende der 750er Jahre nahm deren Herrscher Bögü Kontakt mit den sogdischen Manichäern auf. Im Zuge dieser Beziehungen traten die Uiguren 762 zum Manichäismus über, der die alte Religion des Tengrismus ablöste. Dadurch waren die Uiguren auch das erste Turkvolk, das eine anerkannte Hochreligion annahm.[20]

Um 840 erhoben sich die am Jenissej siedelnden Kirgisen gegen die uigurische Oberherrschaft und in einem kurzen Krieg zerschlugen sie das Reich der Uiguren. Die Kirgisen traten nun an die Stelle einer neuen Herrscherschicht, doch war dieses neue Türkenreich bereits wieder nomadisch geprägt. Die Jenissej-Kirgisen jener Zeit werden von chinesischen Historikern überwiegend als blond bis rothaarig und mit blauen und grünen Augen beschrieben und gelten als die Nachfahren der Dingling und K'ien-K'un.[21][22] Zweifellos haben die Kirgisen ihnen die Mythen entlehnt, in denen der mythische Wolf als Gatte von jungen Mädchen durch einen roten Hund ersetzt wird.[23] Viele turkische Völker glaubten, dass sie von Wölfen abstammten oder mit diesen eng verbunden waren.

Die überlebenden Uiguren wanderten schließlich in den Süden und Südwesten ab, wo sie zwei neue Uigurenreiche gründeten. Von diesen existierte das westuigurische Reich von Qoço am längsten, da es sich 1209 freiwillig der Mongolenherrschaft des Dschingis Khan unterstellte und bis zum Ende der Yuan-Dynastie unter chinesischer Oberherrschaft bestehen blieb.[24] Das Uigurenreich im Tarimbecken wurde bereits 1028 von einem tibetanischstämmigen Volk, den Tanguten, ausgelöscht.[20]

In den Jahren 1090 und 1091 erreichten die turkischen Petschenegen die Mauern von Konstantinopel, wo Kaiser Alexios I. mit Hilfe der Kiptschaken ihre Armee vernichtete.[25] Ab dem 9. Jahrhundert begannen die Petschenegen eine schwierige Beziehung mit den Kiewer Rus. 914 gelang es Igor von Kiew die Petschenegen zu unterwerfen und tributpflichtig zu machen. Im Jahre 920 fand der Höhepunkt der Kämpfe statt. 943 gab es aber auch temporäre militärische Bündnisse zwischen Petschenegen und Byzantinern. Im Jahr 968 belagerten die Petschenegen die Stadt Kiew. In den darauffolgenden Jahren schloss ein Teil der Petschenegen ein Bündnis mit Igors Sohn Swjatoslaw I., dem neuen Fürsten von Kiew. In den Jahren 970–971 starteten sie zusammen Feldzüge gegen die Byzantiner. 972 starb Swjatoslaw I. bei einem Hinterhalt der Petschenegen. Verdrängt wurden die Petschenegen schließlich von den Kiptschaken. Auf dem heutigen Gebiet Tatarstans entwickelte sich eine ethnische Synthese zwischen dem kiptschakischen und dem oghurischen Zweig der Turkvölker. Diese ethnische Synthese bildete die Kernbevölkerung der Khanate von Kasan, Astrachan, Kasimov und Sibir (siehe Goldene Horde).

Einführung des Islams und Aufstieg turkischer Militärsklaven

Als die Araber im 8. Jahrhundert nach Mittelasien vordrangen, hatte das für die turkischen Stämme zwei Auswirkungen: Zum einen wurden viele Turkvölker zum Islam bekehrt.[26] Die turkstämmige Dynastie der Karachaniden war 999 die erste, die konvertierte. In ihrem Gebiet wurde der Islam als alleinige Religion festgeschrieben; die Karachaniden eroberten Buchara und stürzten die persischen Samaniden. Eine zentrale Rolle spielte in der Auseinandersetzung der beiden Dynastien der Dschihad der Samaniden gegen die zentralasiatischen Nomaden, der jedoch im Kern politisch motiviert war und nur der Vergrößerung der eigenen Armee diente. Im 12. Jahrhundert wurde das Reich der Karachaniden von den mongolischen Kara Kitai unterworfen.[20]

Vor allem aber dienten die Türken seit der Abbasidenherrschaft als Militärsklaven (Mamluken),[20] als welche sie bald zu einem zentralen Machtfaktor wurden, de facto weite Teile der islamischen Welt beherrschten und eigene Dynastien und Reiche gründeten. Das erste von einem muslimischen Türken gegründete Großreich war das der Sultane von Ghazna. 961 gelangte Alp Tigin, ein ehemaliger Mamluk im Dienste der Samaniden, an die Macht und löste den verstorbenen Herrscher Abd al-Malik in Balch im persischen Chorasan als regionalen Fürsten ab. In Zabul errichtete er ein kleines Fürstentum, das später unter seinem Nachfolger expandierte. Als eigentlicher Begründer der Dynastie gilt jedoch sein Sohn Mahmud (989–1030). Obwohl die Ghaznawiden ethnische Türken waren, lassen historische Dokumente und Biographien jedoch stark daran zweifeln, dass sie sich selbst auch als solche gesehen haben. Als persischsprachige Familie, die auch kulturell von der einheimischen Bevölkerung Chorasans assimiliert worden war, waren die Ghaznawiden der Anfang eines kulturellen Phänomens innerhalb der muslimischen Gesellschaft, das erst mit dem Siegeszug der späteren Osmanen (siehe unten) sein Ende fand: Nachkommen nomadischer Turkstämme wurden zum Islam bekehrt, übernahmen die persische oder arabische Sprache und verbreiteten selbst diese Kultur in andere Regionen (Indien, China, Anatolien).[27]

Von den Seldschuken zum Osmanischen Reich

Der größte Kontrahent der Ghaznawiden war wiederum eine türkische Dynastie, die Seldschuken.[26] Dieser oghusischen Clan siedelte zunächst an den Ufern des Aralsees, bevor sie im 11. Jahrhundert ein Großreich errichteten und sogar das Kalifat unter ihre Kontrolle brachten. Das byzantinische Reich bedrängend, stießen die Seldschuken auch nach Anatolien vor und begründeten dort mehrere Dynastien. Eine von ihnen war die im Jahr 1299 gegründete osmanische, die sich von einem seldschukischen Kleinfürsten namens Osman ableitete.[28] Die Osmanen waren ursprünglich ein kleiner turkmenischer Stamm, dem der Sultan der Rum-Seldschuken ein kleines Fürstentum (Beylik) an der Grenze zum Byzantinischen Reich überließ. Die meisten Türken der Türkei sehen sich selbst als Nachkommen der osmanischen Türken. Diese wiederum waren Angehörige der so genannten „Westoghusen“. Der Ursprung dieser als Oghusen bezeichneten Stämme liegt in der heutigen Mongolei.

Religion

Ursprünglich folgten die meisten Turkvölker der indigenen Religion des Altaischen Schamanismus. Heute sind die meisten Angehörigen der Turkvölker Muslime, die Mehrheit davon Sunniten, Schiiten und Aleviten. Es gibt unter ihnen auch Angehörige anderer Religionen wie Tengristen, Buddhisten, Juden (insbesondere Karäer) und Christen.

Die Urum und viele Balkan-Türken bekennen sich zum orthodoxen Christentum. Bei den sibirischen Turkvölkern wird noch teilweise der Schamanenglaube praktiziert. Einige haben den orthodoxen Glauben angenommen oder üben diesen snykretisch mit dem Schamanismus aus. Die Tuwiner sind überwiegend lamaistisch.

Schrift und Sprache

Das Prototürkische, also die Ursprungssprache aller lebenden Turksprachen, ist noch nicht rekonstruiert. Versuche dazu sind jedoch schon vorhanden.[29]

Im frühen Mittelalter verwendeten die Turkvölker ein runenähnliches Schriftsystem, das die Wissenschaft heute als Runentürkisch bezeichnet. Dieses Schriftsystem wurde später von einem semitischen Schriftsystem abgelöst, das als syro-uigurisches Alphabet bezeichnet wird und die Basis des heutigen mongolischen Alphabetes ist. Nach der Übernahme des Islam setzte sich bei den Turkvölkern das arabische Alphabet durch.

In den 1920er Jahren wurde begonnen, die arabischen Schriftsysteme durch lateinische abzulösen (siehe Türkische Lateinalphabete). Doch bereits in den 1930er Jahren wurden die meisten von ihnen auf ein kyrillisches Alphabet umgestellt. Allein die heutige Türkei verwendete seit 1928 nur noch das lateinische Alphabet, während die turksprachigen Minderheiten in den arabischen Staaten, dem Iran und Afghanistan weiterhin mit arabischen Schriftsystemen arbeiten.

Mit dem Zusammenbruch der damaligen Sowjetunion (ab 1989) beschlossen die meisten Turkvölker, im Bereich der ehemaligen UdSSR eine erneute Latinisierung durchzuführen. Mit Ausnahme der Staaten Kasachstan und Kirgisistan wurde diese inzwischen dort durchgeführt. In Kasachstan soll die Umstellung auf das lateinische Alphabet bis 2025 abgeschlossen sein. Kirgisistan begründet das Beibehalten des kyrillischen Alphabetes – wie zuvor auch Kasachstan – mit der russischen Minderheit im Land.

Die Turksprachen bilden eine der größeren Sprachfamilien der Welt.[30][31] Sie sind vom osteuropäischen Balkanraum über die Türkei und den Kaukasus bis hin zum zentralasiatischen und sibirischen Siedlungsraum zerstreut. Dennoch sind sie untereinander sowohl im grammatischen Bau wie auch im Grundwortschatz noch sehr eng miteinander verwandt. Aufgrund dieser nahen Sprachverwandtschaft ist eine mündliche Verständlichkeit zwischen ihnen gegeben, jedoch teilweise mit Schwierigkeiten.[32] Eine vermutete Sprachfamilie oder ein Sprachbund mit den altaischen Sprachen, die auch die mongolische Sprache und die tungusische Sprache umfasst, wird heute von manchen Forschern bestritten.

Die Turksprachen werden in vier Gruppen eingeteilt: [33]

  1. Südwestliche Gruppe (Oghusische Gruppe)
  2. Nordwestliche Gruppe (Kyptschakische Gruppe)
  3. Südöstliche Gruppe (Türki- oder Uigurische Gruppe)
  4. Nordöstliche Gruppe (Sibirische Gruppe)

Die aktuelle Klassifizierung der Turksprachen ist im dortigen Artikel aufgeführt.

Galerie: Die heutige Verbreitung der Turkvölker

Siehe auch

Literatur

  • K. Heinrich Menges: The Turkic Language and People. Wiesbaden 1968 (englisch).
  • Colin Renfrew: Archaeology and Language. The Puzzle of Indoeuropean Origins. Jonathan Cape, London 1987, S. 131–133 (englisch).
  • Wolfgang-Ekkehard Scharlipp: Die frühen Türken in Zentralasien. Eine Einführung in ihre Geschichte und Kultur. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1992, ISBN 3-534-11689-5.
  • Peter Benjamin Golden: An Introduction to the History of the Turkic Peoples. Ethnogenesis and State-Formation in Medieval and Early Modern Eurasia and the Middle East. Harrassowitz, Wiesbaden 1992, ISBN 3-447-03274-X (englisch).
  • Colin Renfrew: World Linguistic Diversity. In: Scientific American. Band 270, Nr. 1, 1994, S. 118 (englisch).
  • Dschalal Mamadow, Vougar Aslanow: Turan. Geheimnisvolles Reich der Turkvölker. In: Wostok, Informationen aus dem Osten für den Westen. Heft 2, Berlin 2003, S. 75–77.
  • Carter Vaughn Findley: The Turks in World History. Oxford University Press, New York 2005, ISBN 0-19-517726-6 (englisch).
  • Bert Fragner, Andreas Kappeler (Hrsg.): Zentralasien. 13. bis 20. Jahrhundert. Geschichte und Gesellschaft. Promedia, Wien 2006, ISBN 978-3-85371-255-9.
  • Ergun Çağatay, Doğan Kuban (Hrsg.): The Turkic Speaking Peoples. 2,000 Years of Art and Culture from Inner Asia to the Balkans. Prestel Verlag, München 2006, ISBN 978-3-7913-3515-5.
  • Udo Steinbach: Geschichte der Türkei. 4., durchgesehene und aktualisierte Ausgabe. Beck, München 2007, ISBN 978-3-406-44743-3.

Mehrbändiges Werk:

  • Jean Deny u. a. (Hrsg.): Philologiae Turcicae Fundamenta. Band 1: Sprachen der Türkvölker, Wiesbaden 1959.
  • Louis Bazin u. a. (Hrsg.): Philologiae Turcicae Fundamenta. Band 2: Literaturen der Türkvölker, Wiesbaden 1964.
  • Hans Robert Roemer (Hrsg.): Philologiae Turcicae Fundamenta. Band 3: Geschichte der Türkvölker, Schwarz, Berlin 2000; englisch: Wolfgang-Ekkehard Scharlipp (Hrsg.): History of the Turkic Peoples in the Pre-Islamic Period. Berlin 2000, ISBN 3-87997-283-4.
Commons: Turkvölker – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Peter Benjamin Golden: An Introduction to the History of the Turkic Peoples. Ethnogenesis and State-Formation in Medieval and Early Modern Eurasia and the Middle East. Harrassowitz, Wiesbaden 1992, ISBN 3-447-03274-X, S. 1.
  2. Carter Vaughn Findley: The Turks in World History. S. 6.
  3. Carter Vaughn Findley: The Turks in World History. S. 38.
  4. Wolfgang-Ekkehart Scharlipp: Die frühen Türken. S. 14.
  5. Wolfgang-Ekkehart Scharlipp: Die frühen Türken. S. 18.
  6. Josef Matuz: Das Osmanische Reich. Grundlinien seiner Geschichte. 5. Auflage. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2008, S. 9 und 323.
  7. Vgl. M. Weiers: Türken, Protomongolen und Prototibeter im Osten. 1998 (PDF; 21 kB).
  8. Bayazit Yunusbayev, Mait Metspalu, Ene Metspalu, Albert Valeev, Sergei Litvinov: The genetic legacy of the expansion of Turkic-speaking nomads across Eurasia. In: PLoS genetics. Band 11, Nr. 4, April 2015, ISSN 1553-7404, S. e1005068, doi:10.1371/journal.pgen.1005068, PMID 25898006, PMC 4405460 (freier Volltext): „The origin and early dispersal history of the Turkic peoples is disputed, with candidates for their ancient homeland ranging from the Transcaspian steppe to Manchuria in Northeast Asia.“
  9. (PDF)Transeurasian: A case of farming/language dispersal. Abgerufen am 25. August 2019 (englisch).
  10. a b c d Referenzfehler: Ungültiges <ref>-Tag; kein Text angegeben für Einzelnachweis mit dem Namen zieme.
  11. Wolfgang-Ekkard Scharlipp: Die frühen Türken. S. 9.
  12. Klaus Kreiser: Kleine Geschichte der Türkei. Stuttgart 2003, S. 20.
  13. Carter Vaughn Findley: The Turks in World History. S. 28.
  14. Wolfgang-Ekkehard Scharlipp: Die frühen Türken. S. 2.
  15. Josef Matuz: Das Osmanische Reich. Grundlinien seiner Geschichte. 6. Auflage. Primus Verlag, Darmstadt 2010, ISBN 978-3-89678-703-3, S. 9.
  16. […] The Xiongnu were a confederation of tribal peoples. As usual in tribal societies, their confederation and even the member tribes were probably polyethnic in origin. […] It has been widely held that the Xiongnu, or at least their ruling clans, had or were acquiring a Turkic identity, or at least an Altaic one. […]” Carter Vaughn Findley, in: The Turks in World History. S. 28 f.
  17. (PDF) Transeurasian: A case of farming/language dispersal. Abgerufen am 13. März 2019 (englisch).
  18. Bayazit Yunusbayev, Mait Metspalu, Ene Metspalu, Albert Valeev, Sergei Litvinov: The genetic legacy of the expansion of Turkic-speaking nomads across Eurasia. In: PLoS genetics. Band 11, Nr. 4, April 2015, ISSN 1553-7404, S. e1005068, doi:10.1371/journal.pgen.1005068, PMID 25898006, PMC 4405460 (freier Volltext).
  19. a b c d e Peter Zieme: Die Alttürkischen Reiche in der Mongolei. In: Dschingis Khan und seine Erben. Das Weltreich der Mongolen. Sonderband zur Ausstellung 2005/2006, S. 65.
  20. a b c d e Vgl. Josef Matuz: Das Osmanische Reich. Grundlinien seiner Geschichte. 6. Auflage. Primus Verlag, Darmstadt 2010, ISBN 978-3-89678-703-3, S. 10 ff.
  21. Svenska forskningsinstitutet i Istanbul, Turcica et orientalia, 1988, S. 54
  22. Werner Leimbach, Landeskunde von Tuwa. Das Gebiet des Jenissei-Oberlaufes, J. Perthes, 1936, S. 98
  23. Götter und Mythen in Zentralasien und Nordeurasien. Käthe Uray-Kőhalmi, Jean-Paul Roux, Pertev N. Boratav, Edith Vertes ISBN 3-12-909870-4 Daraus: Jean-Paul Roux, Die alttürkische Mythologie, Der Wolf, S. 204
  24. Peter Zieme: Die Altturkischen Reiche in der Mongolei. In: Dschingis Khan und seine Erben. Das Weltreich der Mongolen. Sonderband zur Ausstellung 2005/2006, S. 67.
  25. The Pechenegs (Memento vom 27. Oktober 2009 im Internet Archive), Steven Lowe and Dmitriy V. Ryaboy
  26. a b Vergleiche Sonderausstellung Linden-Museum Stuttgart: Der lange Weg der Türken. (Memento vom 11. Dezember 2007 im Internet Archive) 13. September 2003 bis 18. April 2004 .
  27. Vgl. Encyclopaedia Iranica: Ghaznavids. (Online-Version).
  28. Vergleiche Richard Hooker: The Ottomans: Origins. (Memento vom 14. Mai 2011 im Internet Archive) In: World Civilizations. 1996 (englisch).
  29. Gerhard Doerfer Proto-Turkic: Reconstruction Problems. In: Belleten. 1975/1976.
  30. Brigitte Moser, Michael Wilhelm Weithmann: Landeskunde Türkei: Geschichte, Gesellschaft und Kultur. Buske Verlag, 2008, S. 173.
  31. Deutsches Orient-Institut: Orient. Band 41, Alfred Röper, 2000, S. 611.
  32. Heinz F. Wendt: Fischer Lexikon Sprachen. Kapitel Turksprachen, S. 317.
  33. Vgl. Turkologie, Gutenberg-Universität (Memento des Originals vom 15. Juni 2006 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.orientalistik.uni-mainz.de.