„Stasiopfer“ – Versionsunterschied

[gesichtete Version][ungesichtete Version]
Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
Zeile 1:Zeile 1:
<!--*[http://www.bmj.bund.de/enid/746e28d1e22654e0e6fe29aa86466e22,33d0e45f7472636964092d0933303334/Rechtsfolgen_der_Deutschen_Einheit/Rehabilitierung_fuer_die_Opfer_des_SED-Regimes_8u.html Bundesministerium der Justiz: Rechtsfolgen der Deutschen Einheit]-->[https://i.ytimg.com/vi/xD4O3Zn_wbE/maxresdefault.jpg alasjljlasjljl]
Als '''Stasiopfer''' werden Personen bezeichnet, deren Leben, [[Gesundheit]], persönliche [[Freiheit]] oder [[Eigentum]] aufgrund [[Politische Verfolgung|politischer Verfolgung]] durch Maßnahmen des [[Ministerium für Staatssicherheit|Ministeriums für Staatssicherheit]] oder ihrer Folgen in der Zeit der [[Deutsche Demokratische Republik|DDR]] zu [[Unrecht]] beeinträchtigt wurde.

== Stasi-Unrecht ==

Als Unrechtsmaßnahme sind eindeutig alle Fälle anzusehen, in denen gegen [[DDR-Justiz|Recht]] oder die [[Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik]] verstoßen wurde. In der Regel werden auch solche Maßnahmen als Unrecht bezeichnet, die gegen die [[Menschenrechte]] verstoßen.

Im Übrigen ist die Einschätzung zum Teil schwierig, insbesondere bei einigen Maßnahmen zur „[[Zersetzung (Ministerium für Staatssicherheit)|Zersetzung]]“, Stasi-Jargon für psychologische Unterdrückung und Zerstörung der Persönlichkeit. Das Ministerium für Staatssicherheit bediente sich teilweise einerseits nach DDR-Verständnis formalrechtlich zulässiger Mittel, andererseits nahm es auch Einfluss auf Personen auf Leitungsebene, die ihrerseits – formal rechtmäßig – den Betroffenen Schaden zufügen konnten, indem sie beispielsweise eine Wohnraumzuweisung verweigerten, die Fahrerlaubnis entzogen oder das Arbeitsverhältnis kündigten.

Schon die Weigerung, als [[Inoffizieller Mitarbeiter|IM]] tätig zu werden, oder die Ablehnung der Mitgliedschaft in einer gesellschaftlichen Organisation der DDR, wie der [[Sozialistische Einheitspartei Deutschlands|SED]] oder auch nur der [[Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft]], konnte die beschriebenen Nachteile bewirken.

Im Ergebnis wurden die betroffenen Personen geschädigt durch [[Ehrdelikt|Verleumdung]], [[Berufsverbot]], Einschränkung des [[Recht auf Bildung|Rechts auf Bildung]], [[Exmatrikulation]], Ortsverweise, Verdienstabzug (durch Weisung in den Betrieben), Beeinflussung von Gerichtsverfahren ([[Rechtsbeugung]]), aber auch durch Zerstörung privater Beziehungen, gesellschaftliche Isolation oder Zersetzung bis zur Inkaufnahme des [[Suizid]]s.<ref>{{Literatur | Autor= Sandra Pingel-Schliemann | Titel= Zersetzen – Strategie einer Diktatur | Verlag= Robert-Havelmann-Gesellschaft e.V. | Ort= Berlin | ISBN= 3-9804920-7-9 | Jahr= 2002 | Seiten= 277 ff}}</ref>

Unrecht wurde auch ausgeübt als Reaktion auf eine gescheiterte [[Ungesetzlicher Grenzübertritt im DDR-Recht|Flucht aus der DDR]], einen [[Ausreiseantrag]] oder als allgemeine [[Politische Verfolgung|Verfolgung aus politischen Gründen]] u. a. in Form von [[Enteignung]] oder schlechten Haftbedingungen. Auch das [[Staatsplanthema 14.25|staatlich organisierte Doping]] von Sportlern kann man, insbesondere bei Jugendlichen, als SED-Unrecht auffassen.

== Stasi-Gefängnisse ==

Das Ministerium für Staatssicherheit hatte eigene [[Untersuchungshaftanstalt des Ministeriums für Staatssicherheit|Untersuchungshaftanstalten]] in allen Bezirken der DDR. Darüber hinaus verfügte es über die Kontrolle von Strafhaftanstalten. Beispiele sind die Gefängnisse in Bützow, Brandenburg ([[Justizvollzugsanstalt Brandenburg a. d. Havel|Zuchthaus Brandenburg]]), Berlin ([[Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen]]), Halle ([[Roter Ochse]]), Cottbus, Bautzen ([[Gelbes Elend]]), Chemnitz (Haftanstalt Chemnitz) und in Hoheneck ([[Hoheneck (Gefängnis)]]). Betroffene aus diesen Gefängnissen haben über Zustände und Verhörpraktiken berichtet, die als [[Folter]] gewertet werden. Da jedoch keine äußeren Spuren von diesen Praktiken zu sehen waren und die Betroffenen stattdessen psychologische Schäden ([[Trauma (Psychologie)|Traumata]]) davontrugen, werden diese Verhörmethoden auch als [[Weiße Folter]] bezeichnet.

== Rehabilitierung ==
Unter dem Stichwort „Rehabilitierung“ steht im Artikel 17 des im Zuge der staatlichen Vereinigung von Bundesrepublik und DDR geschlossenen Einigungsvertrages:

''Die Vertragsparteien bekräftigen ihre Absicht, daß unverzüglich eine gesetzliche Grundlage dafür geschaffen wird, daß alle Personen rehabilitiert werden können, die Opfer einer politisch motivierten Strafverfolgungsmaßnahme oder sonst einer rechtsstaats- und verfassungswidrigen gerichtlichen Entscheidung geworden sind. Die Rehabilitierung dieser Opfer des SED-Unrechts-Regimes ist mit einer angemessenen Entschädigungsregelung zu verbinden.''

Nach der [[Deutsche Wiedervereinigung|Wiedervereinigung]] hat die Bundesrepublik Deutschland vier Rehabilitierungsgesetze erlassen.

=== Strafrechtliches Rehabilitierungsgesetz ===
Das 1992 in Kraft getretene ''Erste Gesetz zur Bereinigung von SED-Unrecht – Erstes SED-Unrechtsbereinigungsgesetz'' enthält Regelungen zur Aufhebung grob rechtsstaatswidriger Strafmaßnahmen und Freiheitsentziehungen. An die strafrechtliche Rehabilitierung sind soziale Ausgleichsleistungen (Kapitalentschädigung, Opferrente, Versorgungsleistungen nach dem Bundesentschädigungsgesetz) geknüpft.

Das [[Strafrechtliches Rehabilitierungsgesetz|Strafrechtliche Rehabilitierungsgesetz]] wurde 2007 mit dem Dritten SED-Unrechtsbereinigungsgesetz novelliert und in {{§|17a|strrehag|juris}} StrRehaG eine [[Opferrente|besondere Zuwendung für Haftopfer]] (Opferrente) eingeführt. Sie beträgt 300&nbsp;€ monatlich für zwischen 8.&nbsp;Mai&nbsp;1945 und der Wiedervereinigung unrechtmäßig Inhaftierte vor, sofern sie mindestens 180&nbsp;Tage Haft erlitten haben und in ihrer wirtschaftlichen Lage besonders beeinträchtigt sind. Berechtigte gelten als in ihrer wirtschaftlichen Lage besonders beeinträchtigt, wenn das Einkommen bei alleinstehenden Berechtigten das Dreifache, bei verheirateten oder in Lebenspartnerschaft lebenden Berechtigten sowie in eheähnlicher oder in lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft lebenden Berechtigten das Vierfache der [[Regelbedarf#Aktuelle Höhe|Regelbedarfsstufe 1]] nach der Anlage zu {{§|28|sgb_12|juris}} des [[Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch|Zwölften Buches Sozialgesetzbuch]] nicht übersteigt. Der Anspruch auf die besondere Zuwendung für Haftopfer ist [[Unpfändbarkeit#Unpfändbarkeit einer Forderung|unpfändbar]].

=== Verwaltungsrechtliches und Berufliches Rehabilitierungsgesetz ===
Das ''Zweite SED-Unrechtsbereinigungsgesetz'' umfasst das [[Verwaltungsrechtliches Rehabilitierungsgesetz|Gesetz über die Aufhebung rechtsstaatswidriger Verwaltungsentscheidungen im Beitrittsgebiet und die daran anknüpfenden Folgeansprüche]] und das Gesetz über den Ausgleich beruflicher Benachteiligungen für Opfer politischer Verfolgung im Beitrittsgebiet vom 23. Juni 1994.

Mit dem Vierten Gesetz zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften<ref>''Viertes Gesetz zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR'' vom 2. Dezember 2010 (BGBl. I S. 1744)</ref> wurden die Antragsfristen nach dem Strafrechtlichen, dem Verwaltungsrechtlichen und dem Beruflichen Rehabilitierungsgesetz bis zum 31. Dezember 2019 bzw. 2020 verlängert und ein anrechnungsfreier Kinderfreibetrag eingeführt.<ref>[https://soziales.hessen.de/familie-soziales/sozialpolitik/entschaedigung-von-sed-opfern ''Entschädigung von SED-Opfern''] Website des [[Hessisches Ministerium für Soziales und Integration|Hessischen Ministeriums für Soziales und Integration]], abgerufen am 16. Oktober 2017</ref>

=== Statistik ===
Bis zum 31. Dezember 2016 wurden bundesweit 81.224 Opferrenten beantragt, davon 43.763 Anträge bewilligt. Die Ausgaben für gezahlte Opferrenten beliefen sich zum 31. Dezember 2016 auf über 1,4 Mrd. Euro.<ref>[http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/133/1813332.pdf ''Inanspruchnahme von Leistungen gemäß SED-Unrechtsbereinigungsgesetzen''] Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage, BT-Drs. 18/13332 vom 16. August 2017, Anlage I</ref>

== Diskussion ==

Die politische und juristische Diskussion über die Tätigkeit des Ministeriums für Staatssicherheit und dessen Opfer wird sehr emotional geführt. Teils werden die Maßnahmen des Ministeriums für Staatssicherheit als Recht eines souveränen Staates verteidigt, teils wird die DDR mit dem Naziregime gleichgesetzt. Dieser Thematik ist in dem Buch ''[[Das Schwarzbuch des Kommunismus]]'' ein eigener Abschnitt gewidmet.

Die Rehabilitierungsgesetze erfassen nach Darstellung der Opferverbände die Nachteile, die Stasi-Opfer erlitten haben, nur unvollkommen und sind deshalb weiterhin Gegenstand politischer Diskussionen. Beispielsweise werde eine zu Unrecht erlittene Haft oder ein Berufsverbot bzw. Einkommensminderung bei der Rentenberechnung nicht berücksichtigt mit der Folge, dass Betroffene jetzt unter der [[Armutsgrenze]] leben, während Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit Rente entsprechend ihrem DDR-Verdienst erhalten. Auch die 2007 in das ''Strafrechtliche Rehabilitierungsgesetz'' eingefügten Regelungen zur Opferrente reichten noch nicht aus.

== Weitere Beispiele ==
* Die [[Waldheimer Prozesse]] 1950, bei denen mehrere Tausend Menschen wegen NS-Verbrechen verurteilt wurden, entsprachen nicht rechtsstaatlichen Grundsätzen.
* In der [[Aktion Rose]] 1953 wurden zahlreiche Unternehmer enteignet und teilweise inhaftiert.
* In der [[Aktion Ungeziefer]] 1952 und Folgemaßnahmen wurden Bewohner aus den [[Sperrgebiet#DDR|Sperrgebieten]] der innerdeutschen Grenze umgesiedelt.
* Aus heute gängiger Sicht [[Politische Haft (DDR)|praktizierte die DDR politische Haft]].

== Quellen ==
<references />

== Literatur und Film ==
* [[Jürgen Aretz]], [[Wolfgang Stock (Journalist)|Wolfgang Stock]]: ''Die vergessenen Opfer der DDR.'' Lübbe 1997, ISBN 3-404-60444-X.
* {{Webarchiv | url=http://www.staatshehlerei.org/rp/Ehrhard_Neubert_100705.htm | wayback=20070929024502 | text=Ehrhart Neubert, 1998: ''Politische Verbrechen in der DDR.'' In: Stéphan Courtois (Hg.): ''Das Schwarzbuch des Kommunismus.'' München, S. 829–884.}}
* [[Das Leben der Anderen]]
* [https://www.daserste.de/checkpointcharlie/ ''Die Frau vom Checkpoint Charlie.'']
* [[Hubertus Knabe]]: ''Die Täter sind unter uns. Über das Schönreden der SED-Diktatur.'' ISBN 978-3-549-07302-5.
* [[Stefan Appelius]]: ''Bulgarien. Die vergessenen Opfer.'' ISBN 3-416-03154-7.
* [[Bettina Greiner]]: ''Verdrängter Terror. Geschichte und Wahrnehmung sowjetischer Speziallager in Deutschland.'' [[Hamburger Edition]], 2010, 526 Seiten.

== Weblinks ==
* {{DNB-Portal|Stasiopfer*|TYP=Literatur über}}
* [http://www.bstu.bund.de/ Der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes]
<!--*[http://www.bmj.bund.de/enid/746e28d1e22654e0e6fe29aa86466e22,33d0e45f7472636964092d0933303334/Rechtsfolgen_der_Deutschen_Einheit/Rehabilitierung_fuer_die_Opfer_des_SED-Regimes_8u.html Bundesministerium der Justiz: Rechtsfolgen der Deutschen Einheit]-->
* [http://www.stiftung-aufarbeitung.de/ Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur]
* [https://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF/AbteilungenReferate/StrafrechtlicheRehabilitierung.pdf?__blob=publicationFile&v=1 ''Strafrechtliche Rehabilitierung''] [[Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz]], Stand: 1. Januar 2015

=== Landesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen oder die Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur ===
Beratung in Rehabilitierungsfragen bieten folgende Landesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen (LStU) an:

LStU Mecklenburg-Vorpommern
* [http://www.landesbeauftragter.de/ Die Landesbeauftragte für Mecklenburg-Vorpommern für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR]
LAkD Brandenburg
* [http://www.aufarbeitung.brandenburg.de/sixcms/detail.php?template=start_aufarbeitung Die Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur (LAkD)]
LStU Berlin
* [http://www.berlin.de/lstu/ Der Landesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR/Berlin]
LStU Sachsen-Anhalt
* [http://www.stasi-unterlagen.sachsen-anhalt.de/ Die Landesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR/Sachsen-Anhalt]
LStU Sachsen
* [http://www.justiz.sachsen.de/lstu/ Sächsischer Landesbeauftragter zur Aufarbeitung der SED-Diktatur]
ThLA Thüringen
* [http://www.thla-thueringen.de/ Der Landesbeauftragte des Freistaats Thüringen zur Aufarbeitung der SED-Diktatur (ThLA)]

=== Rehabilitierungsgesetze ===
* [[Strafrechtliches Rehabilitierungsgesetz]]
* [[Verwaltungsrechtliches Rehabilitierungsgesetz]]
* [[Berufliches Rehabilitierungsgesetz]]

=== Weiterführende Links ===
* [http://www.stasiopfer.com/ Archiv des Portals für Stasiopfer der Berliner Havemanngesellschaft]
* [http://www.ssoar.info/ssoar/bitstream/handle/document/3180/ssoar-hsr-1998-no_4__no_86-schroder_et_al-politische_strafgefangene_in_der_ddr.pdf ''Politische Strafgefangene in der DDR. Versuch einer statistischen Beschreibung'']von [[Wilhelm Heinz Schröder]], Jürgen Wilke, S. 1–40 (mit umfassender Literaturauswahl; leider hier ohne Tabellen), auf archive.is, vollständig in: [[Historical Social Research]]/Historische Sozialforschung, Vol. 23, 1998, No. 4, 3–78
* [http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/politischesfeuilleton/538181/ Rente vom Klassenfeind]
* [[Politische Haft (DDR)]]
* [http://www.stasiopfer.de/ Informatives Archiv für Interessierte und politisch Verfolgte durch die Staatssicherheit der DDR] auf stasiopfer.de
* [http://www.kas.de/db_files/dokumente/zukunftsforum_politik/7_dokument_dok_pdf_334_1.pdf Was war die Stasi ?] (PDF-Datei; 646 kB)

[[Kategorie:Staatssicherheit (DDR)]]
[[Kategorie:Staatssicherheit (DDR)]]
[[Kategorie:Opfer der Diktatur in der DDR|!]]
[[Kategorie:Opfer der Diktatur in der DDR|!]]

Version vom 18. Dezember 2018, 12:52 Uhr