Sozialerhebung

Eine Sozialerhebung ist eine empirische Untersuchung zur sozialen Lage eines bestimmten Personenkreises. In Deutschland besonders bekannt ist die seit 1951 regelmäßig im Auftrag der Studentenwerke durchgeführte Studie zur wirtschaftlichen und sozialen Lage der Studierenden in der Bundesrepublik Deutschland. Sie wird erarbeitet vom Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung und herausgegeben vom Bundesministerium für Bildung und Forschung.

Auch in Österreich existiert mit der Studierenden-Sozialerhebung eine vergleichbare Untersuchung. Die erste wurde 1973 durchgeführt, weitere Erhebungen folgten in unregelmäßigen Abständen und von unterschiedlichen Instituten. Die letzte österreichische Sozialerhebung wurde im Jahr 2011 vom Institut für Höhere Studien im Auftrag des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung veröffentlicht. In der Schweiz wird eine solche Erhebung ebenfalls unregelmäßig durchgeführt. Nach einer zehnjährigen Pause wurde vom Schweizer Bundesamt für Statistik im Jahre 2005 wieder die Soziale Lage der Studierenden in der Schweiz untersucht.

Auf europäischer Ebene stellt der Euro Student die Ergebnisse der Sozialerhebungen einzelner Länder zusammen und ermöglicht so einen Vergleich einiger Ergebnisse.

Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks

Geschichtliche Entwicklung der Sozialerhebung

Die erste Studie erschien 1952.[1] Seit Anfang der 1970er Jahre wird sie mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gefördert. Das Hochschul-Informations-System ist mit der Erhebung und Auswertung der Daten seit der 10. Sozialerhebung, seit 1982 betraut. Seit 1991 werden auch die Neuen Länder miteinbezogen. Seit 1988 (12. Sozialerhebung) werden sozialgruppenspezifische Quoten für die Beteiligung an der Hochschulbildung dargestellt. Obwohl die eindeutigen Befunde eine ungleiche Chancenverteilung beim Zugang zu höherer Bildung verdeutlichten, sind sie – was in der Sozialerhebung bedauert wurde – in der Öffentlichkeit kaum zur Kenntnis genommen worden. Erst im Zusammenhang mit der Präsentation der 16. Sozialerhebung im Frühsommer 2001 sind sie in den Mittelpunkt der Wahrnehmung der Sozialerhebung gelangt. Die 18. Sozialerhebung wurde im Jahr 2007 veröffentlicht und enthält Daten, die 2006 erhoben wurden. Die Untersuchung für die 2010 vorgestellte 19. Sozialerhebung erfolgte im Jahr 2009 und die für die 2013 publizierte 20. Sozialerhebung entsprechend 2012.

Stichprobenziehung – wer wird befragt?

Zur Grundgesamtheit der Sozialerhebung gehören alle im Befragungssemester immatrikulierten Studierenden an den staatlichen und staatlich anerkannten Hochschulen in Deutschland (ausgenommen der Hochschulen des Fernstudiums, der Bundeswehr und der Verwaltung). Von ihnen ziehen die an der Sozialerhebung teilnehmenden Hochschulen nach den Vorgaben des DZHW eine Zufallsstichprobe aus ihrem jeweiligen Studierendenverzeichnis und verschicken per E-Mail Einladungen zur Befragung an ihre Studierenden. Auf diese Weise wird im Rahmen der 21. Sozialerhebung jede(r) sechste Studierende in einem Bachelor-, Master- oder einem traditionellen Studiengang (Diplom, Magister, Staatsexamen) um Teilnahme gebeten, wobei Bildungsinländerinnen und Bildungsinländer sowie Studierende, die zum Befragungszeitpunkt einen studiumsbezogenen Auslandsaufenthalt absolvieren, einen auf sie zugeschnitten Fragenkatalog erhalten.

Erhebungsmodus – wie wird befragt?

Bis zur 20. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks (DSW) war die Untersuchungsreihe als postalisch-schriftliche Befragung konzipiert: Den Studierenden wurde ein gedruckter Fragebogen zugesandt, den sie nach dem Ausfüllen in einem Freiumschlag zurückgeschickt haben. Mit der 21. Sozialerhebung erfolgt nun ein Methodenswitch hin zu einer Online-Befragung: Anstatt eines Papier-Fragebogens erhalten die Studierenden nun von ihrer Hochschule eine E-Mail, mit der sie zur Befragungsteilnahme eingeladen werden. Diese E-Mail enthält einen Link zum Online-Survey. Der Befragungszeitraum erstreckt sich dabei über etwa zehn Wochen des Sommersemesters 2016.

Datenschutz

Die Anonymität der an der Sozialerhebung teilnehmenden Studierenden wird u. a. dadurch gewährleistet, dass die Stichprobenziehung und die Einladung zur Befragung ausschließlich durch die Hochschulen erfolgen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung erfahren zu keinem Zeitpunkt, wer an der Befragung teilnimmt. Die Hochschulen ihrerseits erhalten keine Informationen darüber, was einzelne Studierende geantwortet haben. So erfolgen Erhebung, Aufbereitung, Auswertung und Veröffentlichung der Daten unter Beachtung der aktuellen rechtlichen Datenschutzbestimmungen und – darüber hinaus – in Einklang mit den Standards der Qualitätssicherung für Online-Befragungen des Arbeitskreises Deutscher Markt- und Sozialforschungsinstitute e. V. (ADM), der Arbeitsgemeinschaft Sozialwissenschaftlicher Institute e. V. (ASI), des Berufsverbands Deutscher Markt- und Sozialforscher e. V. (BVM) und der Deutschen Gesellschaft für Online-Forschung e. V. (D.G.O.F.). Ein Rückschluss auf Einzelpersonen ist damit ausgeschlossen.

Bedeutung und Inhalt

Die Sozialerhebung ist besonders bei der Beurteilung der sozialen und wirtschaftlichen Lage der Studierenden in Deutschland von großer Bedeutung und zeichnet deren Entwicklung seit den 1950er Jahren nach. Zentralen Themen der Studie sind

  • Bildung und Erfahrungen vor dem Studium,
  • Hochschulzugang und Studienverlauf,
  • soziale Zusammensetzung der Studierenden,
  • Finanzierung des Studiums und Lebenshaltungskosten,
  • Zeitaufwand für verschiedene Studientätigkeiten,
  • studentische Erwerbstätigkeit sowie die
  • Wohn- und Lebenssituation Studierender.

Gemeinsam bilden sie den inhaltlichen Kern der Sozialerhebung, die damit in regelmäßigen Abstand eine Fülle an Daten, Befunden und Informationen zur Bewertung aktueller und künftig erforderlicher Entwicklungen im Hochschulwesen liefert. Entsprechend hat die Sozialerhebung einen großen und vielfältigen Kreis an Interessent(inn)en und Nutzer(innen), z. B:

  • politische Akteure und Entscheidungsträger auf Bundes-, Länder-, regionaler sowie hochschulbezogener Ebene,
  • Parteien, Verbände und Initiativen aus Gesellschaft, Politik und Wirtschaft,
  • Vereine und Stiftungen,
  • die Hochschulforschung und Sozialberichterstattung,
  • Lehrkräfte und Lehrbeauftragte an den Hochschulen,
  • Studierendenberatungen und -beauftragte aber auch
  • Studierende, Studienberechtigte und ihre politischen Interessenvertretungen.

Die 21. Sozialerhebung

Gegenwärtig wird die Befragungsphase der 21. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks (DSW) vom Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) vorbereitet. In den Monaten seit Projektbeginn im Oktober 2014 ist der Fragekatalog im Rahmen der Prüfung auf Aktualität und Zielgruppenpassung einer partiellen Neukonzeption unterzogen worden. Viele Standardfragen wurden modifiziert, um die Vielfalt der Studien- und Lebenssituation der Studierenden noch besser abbilden und dem steigenden Bedarf nach stärker differenzierten empirischen Daten stärker entsprechen zu können. Schließlich tragen die Befunde der Sozialerhebung zu aktuellen gesellschafts- wie bildungspolitischen Diskursen bei, z. B. über

  • Chancengerechtigkeit, Teilhabe,
  • die Ausschöpfung von Begabungsreserven,
  • Wege zur Erhöhung von Studienerfolgsquoten,
  • die Individualisierung des Studiums sowie
  • über die Pluralisierung bzw. Öffnung von beruflichen und (hoch-)schulischen Bildungswegen.

Europäische Untersuchung

Auf europäischer Ebene gibt es den Euro Student Report, der ebenfalls von HIS erstellt wird. Die letzte Untersuchung Eurostudent III wurde im September 2008 veröffentlicht. Dabei werden keine eigenen Fragebogen versendet, sondern es werden vorhandene Daten aus den teilnehmenden Ländern zusammengestellt und ausgewertet. Die Fragestellungen sind mit denen der deutschen Sozialerhebung weitestgehend vergleichbar. Derzeit läuft der Eurostudent IV (Berichtlegung im Juli 2011).

Am Eurostudent II haben Deutschland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Irland, Italien, Lettland, Niederlande, Österreich, Portugal und Spanien teilgenommen. Am Eurostudent III haben bereits 23 Länder teilgenommen, Bulgarien, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Irland, Italien, Lettland, Litauen, Niederlande, Österreich, Portugal, Rumänien, Schweden, Schweiz, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien, Türkei. Derzeit arbeiten ForscherInnenteams aus knapp 30 Ländern am Eurostudent IV.

Siehe auch

Literatur

  • Gerhard Kath: Das soziale Bild der Studentenschaft in Westdeutschland und Berlin. Hrsg. vom Verband Deutscher Studentenwerke e. V., Frankfurt a. M. 1952.
  • Elke Middendorff: Sozialerhebungen des Deutschen Studentenwerkes 1951–2016. Ein historischer Überblick über Akteure, Wellen und Themen. Deutsches Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW), Hannover 2016.
  • Elke Middendorff (u. a.): Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland 2012. 20. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks durchgeführt durch das Deutsche Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW). Bundesministerium für Bildung und Forschung, Berlin 2013.

Einzelnachweise

  1. Gerhard Kath: Das soziale Bild der Studentenschaft in Westdeutschland und Berlin. Hrsg.: Verband Deutscher Studentenwerke. Frankfurt am Main 1952.