Sozialerhebung

Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks

Bei der Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks (DSW) handelt es sich um eine im (inter-)nationalen Vergleich einmalige Langzeituntersuchung. 1951 wurde sie erstmalig durch den Verband Deutscher Studentenwerke durchgeführt. Ab 1982 wurde die Sozialerhebung dann im Auftrag des Deutschen Studentenwerks (DSW) und mit Förderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) von der HIS Hochschul-Informations-System GmbH, später von deren Nachfolger, dem HIS-Institut für Hochschulforschung (HIS-HF) realisiert. Seitdem werden die Daten ungefähr alle drei Jahre jeweils zum Sommersemester erhoben. Seit September 2013 führt das aus dem HIS-Institut für Hochschulforschung (HIS-HF) hervorgegangene Deutsche Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) diese Tradition der systematischen Dauerbeobachtung fort.

Im Kern geht es bei der Sozialerhebung um Fragen, die die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland betreffen. Um diese beantworten zu können, braucht es eine verlässliche Datenbasis. So gilt die Sozialerhebung mit insgesamt über 1,5 Millionen Befragten als größte, regelmäßig stattfindende Studierendenbefragung in Deutschland. An der letzten Sozialerhebung im Sommer 2012 etwa beteiligten sich mehr als 15.000 Studierende von insgesamt 227 Hochschulen.

Auf Basis dieser für Studierende repräsentativen Stichprobe ergänzen die Daten der Sozialerhebung die amtliche Statistik für verschiedene Heterogenitäts- bzw. Diversitäts-Dimensionen (z. B mit Daten zu Studierenden mit Kind, mit Migrationshintergrund, mit gesundheitlicher Beeinträchtigung oder mit studienbezogenen Auslandserfahrungen). Außerdem bilden die entsprechenden Befunde eine zentrale Grundlage für die Gestaltung der staatlichen Studienförderung (z. B. in Form des BAföG) und sind seit Jahren integraler Bestandteil der nationalen Bildungs- und Sozialberichterstattung. So fließen sie auf Bundesebene z. B. in den nationalen Bildungsbericht Bildung in Deutschland, den Sozialbericht oder den Teilhabebericht des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Darüber hinaus ist die Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks (DSW) der deutsche Beitrag zum internationalen Ländervergleichsprojekt EUROSTUDENT – einem wichtigen Instrument zum Monitoring der Studien-und Lebenssituation und des Bologna-Prozesses in den Ländern des Europäischen Hochschulraums.

Gegenwärtig läuft die 21. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks (DSW), diesmal als Verbundprojekt zwischen dem Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) und dem Deutschen Studentenwerk (DSW) und wiederum mit Förderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Die Befragung findet im Sommersemester 2016 statt. Erste Ergebnisse werden im Frühsommer 2017 veröffentlicht.

Geschichtliche Entwicklung der Sozialerhebung

Die erste Untersuchung der Studentenschaft in Westdeutschland und in Berlin führte der Verband Deutscher Studentenwerke im April 1951 durch. Ziel der Untersuchung war es, „den Blick auf die Frage [zu] lenken, inwieweit die Aufnahme eines Studiums und die richtige wissenschaftliche und erzieherisch wirkungsvolle Durchführung des Studiums auf Grund[!] der wirtschaftlichen Lage der einzelnen Studierenden überhaupt möglich sind“ [1]. Denn angesichts eines erheblichen Anteils an Heimatvertriebenen, Kriegsversehrten, Spätheimkehrern und Kriegswaisen unter der damaligen Studentenschaft, sahen die Studentenwerke eine ihrer Hauptaufgaben darin, „der akademischen Jugend ein Studium frei von Not zu ermöglichen“ [2].

Vorgegeben wurde diese Zielsetzung u. a. von Gerhard Kath, dem späteren Geschäftsführer des Studentenwerkes Frankfurt am Main. Als Initiator, Organisator und Forscher in einer Person für die ersten neun Sozialerhebungen in den Jahren 1951 bis 1979 ist sein Name bis heute eng mit der Sozialerhebung verknüpft. In diesem Zeitraum wurden die Studierenden unter Kaths Leitung in einem Abstand von zwei bis vier Jahren jeweils im Sommersemester zu ihren Lebensverhältnissen befragt. Einzige Ausnahme bildet diesbezüglich die 6. Sozialerhebung. Sie fand erst im Wintersemester 1967/68 statt, was aller Wahrscheinlichkeit nach aus den politischen Unruhen an den Hochschulen im Zusammenhang mit der 68er Studenten-Bewegung resultierte.

Es folgten dann noch drei weitere Sozialerhebungen unter der Leitung Kaths, ehe mit der 10. Sozialerhebung 1982 die HIS Hochschul-Information System GmbH und später das HIS-Institut für Hochschulforschung (HIS-HF) deren Durchführung im Auftrag des Deutschen Studentenwerks (DSW) übernahm. Seitdem werden die Daten ungefähr alle drei Jahre jeweils zum Sommersemester erhoben (ab 1991 inklusive der Neuen Bundesländer). Seit September 2013 führt das aus dem HIS-Institut für Hochschulforschung (HIS-HF) hervorgegangene Deutsche Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) diese Aufgabe fort.

Gefördert wird die Untersuchungsreihe durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). In den Anfangsjahren 1951 bis 1963 wurde die Sozialerhebung durch das Bundesministerium des Innern (BMI) und später (1967 bis 1991) durch das Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft (BMBW) gefördert.

Stichprobenziehung – wer wird befragt?

Zur Grundgesamtheit der Sozialerhebung gehören alle im Befragungssemester immatrikulierten Studierenden an den staatlichen und staatlich anerkannten Hochschulen in Deutschland (ausgenommen der Hochschulen des Fernstudiums, der Bundeswehr und der Verwaltung). Von ihnen ziehen die an der Sozialerhebung teilnehmenden Hochschulen nach den Vorgaben des DZHW eine Zufallsstichprobe aus ihrem jeweiligen Studierendenverzeichnis und verschicken per E-Mail Einladungen zur Befragung an ihre Studierenden. Auf diese Weise wird im Rahmen der 21. Sozialerhebung jede(r) sechste Studierende in einem Bachelor-, Master- oder einem traditionellen Studiengang (Diplom, Magister, Staatsexamen) um Teilnahme gebeten, wobei Bildungsinländerinnen und Bildungsinländer sowie Studierende, die zum Befragungszeitpunkt einen studiumsbezogenen Auslandsaufenthalt absolvieren, einen auf sie zugeschnitten Fragenkatalog erhalten.

Erhebungsmodus – wie wird befragt?

Bis zur 20. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks (DSW) war die Untersuchungsreihe als postalisch-schriftliche Befragung konzipiert: Den Studierenden wurde ein gedruckter Fragebogen zugesandt, den sie nach dem Ausfüllen in einem Freiumschlag zurückgeschickt haben. Mit der 21. Sozialerhebung erfolgt nun ein Methodenswitch hin zu einer Online-Befragung: Anstatt eines Papier-Fragebogens erhalten die Studierenden nun von ihrer Hochschule eine E-Mail, mit der sie zur Befragungsteilnahme eingeladen werden. Diese E-Mail enthält einen Link zum Online-Survey. Der Befragungszeitraum erstreckt sich dabei über etwa zehn Wochen des Sommersemesters 2016.

Datenschutz

Die Anonymität der an der Sozialerhebung teilnehmenden Studierenden wird u. a. dadurch gewährleistet, dass die Stichprobenziehung und die Einladung zur Befragung ausschließlich durch die Hochschulen erfolgen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung erfahren zu keinem Zeitpunkt, wer an der Befragung teilnimmt. Die Hochschulen ihrerseits erhalten keine Informationen darüber, was einzelne Studierende geantwortet haben. So erfolgen Erhebung, Aufbereitung, Auswertung und Veröffentlichung der Daten unter Beachtung der aktuellen rechtlichen Datenschutzbestimmungen und – darüber hinaus – in Einklang mit den Standards der Qualitätssicherung für Online-Befragungen des Arbeitskreises Deutscher Markt- und Sozialforschungsinstitute e. V. (ADM), der Arbeitsgemeinschaft Sozialwissenschaftlicher Institute e. V. (ASI), des Berufsverbands Deutscher Markt- und Sozialforscher e. V. (BVM) und der Deutschen Gesellschaft für Online-Forschung e. V. (D.G.O.F.). Ein Rückschluss auf Einzelpersonen ist damit ausgeschlossen.

Bedeutung und Inhalt

Die Sozialerhebung ist besonders bei der Beurteilung der sozialen und wirtschaftlichen Lage der Studierenden in Deutschland von großer Bedeutung und zeichnet deren Entwicklung seit den 1950er Jahren nach. Zentralen Themen der Studie sind

  • Bildung und Erfahrungen vor dem Studium,
  • Hochschulzugang und Studienverlauf,
  • soziale Zusammensetzung der Studierenden,
  • Finanzierung des Studiums und Lebenshaltungskosten,
  • Zeitaufwand für verschiedene Studientätigkeiten,
  • studentische Erwerbstätigkeit sowie die
  • Wohn- und Lebenssituation Studierender.

Gemeinsam bilden sie den inhaltlichen Kern der Sozialerhebung, die damit in regelmäßigen Abstand eine Fülle an Daten, Befunden und Informationen zur Bewertung aktueller und künftig erforderlicher Entwicklungen im Hochschulwesen liefert. Entsprechend hat die Sozialerhebung einen großen und vielfältigen Kreis an Interessent(inn)en und Nutzer(innen), z. B:

  • politische Akteure und Entscheidungsträger auf Bundes-, Länder-, regionaler sowie hochschulbezogener Ebene,
  • Parteien, Verbände und Initiativen aus Gesellschaft, Politik und Wirtschaft,
  • Vereine und Stiftungen,
  • die Hochschulforschung und Sozialberichterstattung,
  • Lehrkräfte und Lehrbeauftragte an den Hochschulen,
  • Studierendenberatungen und -beauftragte aber auch
  • Studierende, Studienberechtigte und ihre politischen Interessenvertretungen.

Die 21. Sozialerhebung

Gegenwärtig wird die Befragungsphase der 21. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks (DSW) vom Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) vorbereitet. In den Monaten seit Projektbeginn im Oktober 2014 ist der Fragekatalog im Rahmen der Prüfung auf Aktualität und Zielgruppenpassung einer partiellen Neukonzeption unterzogen worden. Viele Standardfragen wurden modifiziert, um die Vielfalt der Studien- und Lebenssituation der Studierenden noch besser abbilden und dem steigenden Bedarf nach stärker differenzierten empirischen Daten stärker entsprechen zu können. Schließlich tragen die Befunde der Sozialerhebung zu aktuellen gesellschafts- wie bildungspolitischen Diskursen bei, z. B. über

  • Chancengerechtigkeit, Teilhabe,
  • die Ausschöpfung von Begabungsreserven,
  • Wege zur Erhöhung von Studienerfolgsquoten,
  • die Individualisierung des Studiums sowie
  • über die Pluralisierung bzw. Öffnung von beruflichen und (hoch-)schulischen Bildungswegen.

Siehe auch

Literatur

  • Kath, G. (1951). Das soziale Bild der Studentenschaft in Westdeutschland und Berlin. Frankfurt a. M.: Verband Deutscher Studentenwerke e. V.
  • Middendorff, E. (2016). Sozialerhebungen des Deutschen Studentenwerkes 1951 – 2016. Ein historischer Überblick über Akteure, Wellen und Themen. Hannover: Deutsches Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW).
  • Middendorff, E., Apolinarski, E., Poskowsky, J., Kandulla, M. & Netz, N. (2013). Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland 2012. 20. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks durchgeführt durch das Deutsche Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW). Berlin: BMBF.
  1. Gerhard Kath: Das soziale Bild der Studentenschaft in Westdeutschland und Berlin, Verband Deutscher Studentenwerke, Berlin 1952, S.3
  2. Gerhard Kath: Das soziale Bild der Studentenschaft in Westdeutschland und Berlin, Verband Deutscher Studentenwerke, Berlin 1952, S.3