Evangelische Notgemeinschaft in Deutschland

Die Evangelische Notgemeinschaft in Deutschland ist eine konservativ bis rechtsextremistische Vereinigung von Mitgliedern der Evangelischen Kirche in Deutschland. Die EKD stuft sie als "sehr konservative Laienorganisation" ein. In Ihrer Satzung definiert sich die ENiD wie folgt: Die ENiD "...ist ein Zusammenschluß von Mitgliedern, die der Innere Notstand der Kirche bewegt und die angesichts der Herausforderungen der Gegenwart an das biblische Zeugnis im reformatorischen Verständnis gebunden wissen". Die Vereinigung wurde am 30. September 1966 in Stuttgart als "e.V." gegründet und im Juni 1996 aus dem Vereinsregister wieder gelöscht. Die Zahl der Mitglieder wird auf 700 geschätzt.[1]

2001 kam es zu schweren internen Richtungs-und Führungsstreittigkeiten, in deren Verlauf der seit 1982 amtierende Vorsitzende, Pfarrer Hanns Schrödl (Weßling bei München), seines Amtes enthoben wurde und andere Vorstandsmitglieder, darunter der Schriftleiter von Erneuerung und Abwehr Lothar Gassmann zurücktraten. Ein Gericht entschied, daß die Absetzung Hanns Schrödls rechtmäßig gewesen sei.[2] Ende Oktober 2003 verließen mit ihm etwa 50 Mitglieder die Notgemeinschaft und gründeten die Evangelische Neubesinnung in Deutschland e.V.. Sie firmiert unter der selben Adresse wie die ENiD in Renningen und vertritt ebenfalls eine konservative theologisch-politische Haltung. [3] Gottfried Meskemper steht der Notgemeinschaft seit November 2005 vor. Sein Vorgänger Ulrich Motte (München) war nach 16 Monaten im Juli 2005 zurückgetreten.[4]


Geschichte

1965 forderte die Evangelische Kirche in Deutschland in einer Ost- oder Vertriebenendenkschrift die Versöhnung auch mit Deutschlands östlichen Nachbarn verbunden mit der Anerkennung der Oder-Neiße-Linie, da das Verlangen nach Rückgabe der Ostgebiete die Glaubwürdigkeit deutscher Friedenspolitik beschädige und einer Wiedervereinigung zuwiderlaufe. Als Reaktion darauf gründete sich die Evangelische Notgemeinschaft unter dem Motto "Kirche muß Kirche bleiben". In Artikel 2 der Satzung wird ihre Intention dargestellt: »Zweck des Vereins ist die Besinnung auf den Auftrag der Kirche, der in der rechten Verkündung des Evangeliums besteht. Daraus ergibt sich notwendig auch die Treue im Umkreis der irdischen Pflichten zur Familie, zum Nächsten, zu Volk und Vaterland.« Die Vereinigung leitet aus dem Bekenntnis zum christlichen Glauben eine national-konservative Einstellung zu politischen und gesellschaftlichen Themen ab. Teilweise sieht sich die Evangelische Notgemeinschaft in der Tradition der Bekennenden Kirche, wie durch die Namensgebung des Walter Künneth Institutes deutlich wird. Die Notgemeinschaft bezieht sich auf die konservativen Teile der BK, die den Einfluss des NS-Regimes auf die Kirche ausschließlich aus Gründen des Bekenntnistreue und nicht wegen des Antisemitismus des NS-Regimes ablehnten.

Als geistiger Mentor gilt u.a. Pastor Werner Petersmann, der von 1934 bis 1945 bei den Deutschen Christen aktiv war, dann in der evangelischen Vertriebenenarbeit engagiert war und schließlich Bundestagskandidat der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD). Mit Bezug auf Martin Luther, die Bibel und die Evangelien warnten er vor der "Überfremdung", forderte die "nationale Identität", die "Reinheit der Völker" und "ethnopluralistische Maßnahmen". Zusätzlich ist seit damals ein wichtiges Thema die Familie und das "ungeborene Leben". Die Ostgrenze ist weiterhin Thema, ebenso wie die "Gefahren" der Homosexualität, des Feminismus und Sozialismus.[5]

1995 waren die Verbindung der ENiD zu rechtsextremen Personen und Organisationen, sowie ihre eigene erzkonservative Ausrichtung Gegenstand einer Kleinen Anfrage der PDS-Abgeordneten Ulla Jelpke im deutschen Bundestag.[6]

Zur Einführung der Doppelten Staatsbürgerschaft 1999 erklärte die Notgemeinschaft, dass dies "zur Überfremdung und Selbstaufgabe unseres Volkes und Vaterlandes" führe.[7]

Die Notgemeinschaft musste ihre Jahrestagung 2000 absagen, nachdem die Tagungsstädte, das Gustav-Stressemann-Institut den ENiD den Mietvertrag gekündigt hatte. Das GSI berief sich dabei auf den Vertragsabsatz, wonach eine Kündigung möglich ist, wenn „die Veranstaltung die Sicherheit oder den Ruf oder den reibungslosen Geschäftsbetrieb“ des Institutes entgegen stehe. Vorausgegangen waren Proteste von Antifaschistischen Gruppen aus Bonn. [8]

Struktur

Die Mitglieder der Evangelischen Notgemeinschaft in Deutschland e.V. sind in Ortsgruppen zusammengefasst. Obleute leiten die Ortsgruppen nach Maßgabe des Leitfadens für Obleute. Ortsgruppen existieren u. a. in Bonn, Lüneburg, Köln, Hannover, München und Stuttgart. Wo es nicht genügend Mitglieder gibt, bilden sie Regionalgruppen, z.B. in Südhessen. Als Ideen-Zentrum gilt ihr Walter-Künneth-Institut e.V..

Aktivitäten

Zu religiösen und gesellschaftspolitischen Themen organisieren die Gruppen, neben dem »Gemeindeleben«, Veranstaltungen. Als Hilfe für die Gruppenleiter bieten sie Obleute-Tagungen an. Regelmäßig führt die Evangelische Notgemeinschaft bundesweit Studientagungen durch, u. a. 1995 in Bad Pyrmont mit Gastreferent Alfred Mechtersheimer und 1996 in Coburg mit Günter Rohrmoser. Zu ihren Aufgaben zählt die Notgemeinschaft auch die »Unterstützung bedürftiger Schüler in evangelischen Bekenntnisschulen« und Studenten an bekenntnistreuen theologischen Akademien. Die Bewegung der Bekentnissschulen in Deutschland wurde teilweise vvon Mitgliedern der ENiD mit gegründet. So wurde die Freie Evangelische Bekenntnisschule in Bremen von dem heutigen Vorsitzenden der Notgemeinschaft Gottfried Meskemper mitinitiert.[9]

Der Vorstand der ENiD gibt monatlich die Zeitschrift Erneuerung und Abwehr in einer Auflage von ca 9000 Stück heraus. Nach eigenen Angaben hat sie 6000 Abonnenten. Eine Reihe renommierter Autoren schrieben bzw schreiben für Erneuerung und Abwehr, darunter

  • Prof. Dr. Peter Beyerhaus, Theologie Professor an der Universität Tübingen und Gründungsdirektor des Albrecht-Bengel-Hauses. [10]
  • Dr. Karl-Hermann Kandler, Professor für Systematische Theologie an der Universität Leipzig
  • Dr. Siegfried Ernst, Arzt, aktiv in der PBC

Zusätzlich erscheinen Beihefte und Dokumentationen der Tagungen. In der inzwischen in Neue Nachricht umbenannten rechtslastigen Vierteljahres-Zeitschrift criticón wurden wiederholt Beiträge von Mitgliedern der ENiD veröffentlicht.

Zusammenarbeit und Kooperationen

Helmut Matthies, der Chefredakteur der Nachrichtenargentur der Evangelischen Allianz idea, ist Mitglied der Notgemeinschaft.

Seit ihrer Gründung unterhält die ENiD Verbindungen zu konservativen bis rechtsextremistischen Kreisen. Die Notgemeinschaft ließ Beitrittsformulare dem Bayernkurier und der National-Zeitung (München) beilegen. Kontakte gibt es über persönliche Wege und Doppelmitgliedschaften, u. a. zum Hilfskomitee Südliches Afrika, der Europäische Ärzteaktion, der Berliner Kulturgemeinschaft Preußen e.V. und der Konservative Kultur und Bildung e.V./Konservatives Büro um Löwenthal und Groppe. In Mut (Zeitschrift) und Junge Freiheit schreiben Autoren der Evangelischen Notgemeinschaft. In der Jungen Freiheit empfahl Hans B. von Sothen in einer Zeitschriftenkritik Erneuerung und Abwehr.[11]

Die "Hilfsstelle für evangelische Pfarrer e.V." unter ihrem Leiter Roland Reuter war nach ihrer Gründung Mitglied der Evangelischen Notgemeinschaft und hält enge Verbindung zu Gruppen der Bekenntnisbewegung im Rheinland.[12] Der Verein unterstützt evangelische Pastoren, die aus dienstrechtlichen Gründen mit der Kirchenleitung in Konflikt geraten und rät zu einer konfrontativen Haltung.

Durch Doppelmitgliedschaften hat die ENiD viele Verbindungen zur Bekenntnisbewegung "Kein anderes Evangelium", welche auch in der Konferenz Bekennender Gemeinschaften in der Evangelischen Kirche Deutschlands organisiert ist.

Als Organisation ist die Evangelische Notgemeinschaft u. a. Mitglied in der Konferenz Bekennender Gemeinschaften in der Evangelischen Kirche Deutschlands. Ökumenische Verbindungen bestehen zur "Bekenntnis-Ökumene" , welche durch Prof. Dr. Peter Beyerhaus mit konservativen Strömungen der Katholischen Kirche gegründet wurde. Die "Bekenntnis-Ökumene" lehnt die, als synkretistische (auf einen Absolutheitsanspruch verzichtende) bezeichnete Ökumene der EKD ab und will eine Ökumene, die sich "aus "bekennenden", also konservativen Gläubigen der drei Konfessionen Protestantismus, Katholizismus und Orthodoxie" [13] zusammen setzt.

Bekannte Mitglieder der Evangelischen Notgemeinschaft in Deutschland

  • Alexander Evertz, Vorsitzender der ENiD 1966-1982
  • Dr. Lothar Gassmann, ehem. Chefredakteur von Erneuerung und Abwehr, freier Evangelikaler
  • Ekkehard Jacoby, Pastor im Rheinland, Landessprecher des Christlich-Konservativen Deutschland Forums (CKDF)in Nordrhein-Westfalen
  • Ortwin Lowack, ehemaliger CSU-MdB, nach CSU-Austritt Mitbegründer der konservativen CSU-Abspaltung Freie Bürger Union FBU
  • Helmut Matthies, Chefredakteur der Nachrichtenargentur der Evangelischen Allianz idea. Gab mit Jens Motschmann 1976 das Rotbuch Kirche heraus.
  • Dipl. Ing. Gottfried Meskemper, seit 2005 Vorsitzender der ENiD, auch im Mitglied des Geschäftsführenden Ausschusses der Bekenntnisbewegung "Kein anderes Evangelium"
  • Ulrich Motte, Journalist(Focus, idea, Junge Freiheit), Vorsitzender der ENiD 2003-2005
  • Elisabeth Charlotte Motschmann, Mitglied der Bremer Bürgerschaft für die CDU, ehem. Senatorin
  • Jens Motschmann, 1987-2007 Pastor der Bremer Martini-Gemeinde
  • Klaus Motschmann, Berliner Politikwissenschaftler
  • Walter Rominger, Theologe, Mitglied im Bibelbund, seit 1996 im Bundesarbeitskreis der Bekenntnisbewegung "Kein anderes Evangelium"
  • Rolf Sauerzapf, Pastor beim BGS a.D., Autor bei Criticon, Mitglied des Hilfskomitee Südliches Afrika, Deutsches Seminar, VDA - Deutschtum im Ausland-, Pan-Europa Union und Preußeninstitut
  • Hanns Schrödl, Theologe, von 1982 bis 2001 Vorsitzender der ENiD, heute Leiter der Evangelischen Neubesinnung in Deutschland
  • Hans B. von Sothen, Millitärgeistlicher a.D., Autor.
  • Rainer Wagner, Vorsitzender der der „Union der Opferverbände kommunistischer Gewaltherrschaft UOKG“ e.V., Bundesverdienstkreuzträger am Bande

Siehe auch

Literatur

  • Mecklenburg, Jens (Hg.): Handbuch Deutscher Rechtsextremismus, Berlin 1996, S.381-382

Einzelnachweise

  1. http://www.apabiz.de/archiv/material/Profile/ENiD.htm
  2. http://www.idea.de/nachrichten/detailartikel/archive/2005/juli/artikel/evangelische-notgemeinschaft-steht-vor-neuanfang.html?tx_ttnews[day]=19&cHash=06bb1aeeb8
  3. http://www.wikio.de/article/74869368
  4. http://www.idea.de/nachrichten/detailartikel/archive/2007/januar/artikel/notgemeinschaft-evangelische-kirche-wird-beduerfnisanstalt.html?tx_ttnews[day]=25&cHash=b2787e32de
  5. http://www.apabiz.de/archiv/material/Profile/ENiD.htm
  6. http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/13/019/1301969.asc%7CDrucksache 13/1969 vom 12.07.1995 des Deutschen Bundestages
  7. http://www.jungefreiheit.de/Single-News-Display.525+M57221707b7e.0.html%7C In Junge Freiheit vom 19.03.1999
  8. http://www.selk.de/neues/info/Info%2011-2000.pdf
  9. http://gottfried-meskemper.de/
  10. http://www.idea.de/nachrichten/detailartikel/archive/2005/juli/artikel/evangelische-notgemeinschaft-steht-vor-neuanfang.html?tx_ttnews[day]=19&cHash=06bb1aeeb8
  11. http://www.jf-archiv.de/archiv/36aa16.htm
  12. http://209.85.129.132/search?q=cache:uKWpSTJb-iUJ:www.antifaschistische-nachrichten.de/2000/01/026.shtml+notgemeinschaft+bekenntnisbewegung&cd=4&hl=de&ct=clnk&gl=de&client=firefox-a
  13. http://www.bible-only.org/german/handbuch/Bekenntnis-Oekumene.html