Axel Reitel

Axel Reinhard Reitel (* 7. April 1961 in Plauen, Vogtland) ist ein deutscher Schriftsteller.

Leben und Wirken

Axel Reitel wuchs in der DDR in einer von der SAG Wismut geprägten Familie auf. Zu seinen frühen Gedichthemen gehörte der im DDR-Alltag zutage tretende Ost-West-Zwiepalt. Zweimal wurde er, 1978 und 1981, durch das Ministerium für Staatssicherheit verhaftet und durch einbezogene Gerichte wegen Mißachtung staatlicher Symbole zu sechs Monaten Jugendhaft beziehunsgweise wegen Vorbereitung zur landesverräterischen Nachrichtenübermittlung zu 48 Monaten Freiheitsenzug verurteilt.

Auf Vermittlung seines Bruders Ralf Reitel, der damals als Schauspieler in Rudolstadt engagiert war, war er ab 1981 Klient von Amnesty International. Die Betreuung geschah durch die Schwedische Gruppe von AI. Im August 1982 erfolgte die Ausbürgerung aus der DDR (Freikauf durch die Bundesrepublik Deutschland). 1983 erschien sein erstes Prosastück im in Westberlin publizierten polnischen Exilmagagzin „Archipelag“.

Von 1985 bis 1990 studierte Reitel Publizistik, Französisch und Spanisch an der Freien Universität Berlin (West) sowie Kunstgeschichte und Philosophie an der Technischen Universität Berlin (West). Während seiner Studentenzeit an der TU-Berlin gründete er als Sänger und Komponist mit den Kommilitonen Frank Runge (p, key, b, dr, voc) und Martin Walter (g, key, fl) eine vom Jazz, der Musik der Beatles und der Doors beeinflusste Rockband „Erste Lektion, Berlin“, die bis 1988 bestand.

Seit 1990 ist Reitel freischaffender Autor. Er schreibt Prosa, Lyrik und Essays. Sein Hauptthema ist „Die Deutschen und die Offene Gesellschaft“. Dabei bezieht er sich auf den aus Litauen stammenden, bis zu seinem Tod 1965 in Berlin-Friedrichshagen wirkenden Dichter Johannes Bobrowski und dessen Thema „Die Deutschen und ihre europäischen Nachbarn“, sowie auf den österreichischen Philosophen Karl Popper und dessen 1945 erschienene, gegen den Totalitarismus gerichtete und neben dem Hauptwerk, „Logik der Forschung“ (1934) bekannteste Arbeit „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“.

Die von Reitel entwickelten Stilmittel bestimmen vor allem in der Prosa eine „ganz der Sprache“ anvertraute Geschichte.[1]. Das zu Erzählende wird in einer kontingenten Mischung aus „Fiktion und Wirklichkeit“ berichtet.[2] Reitels Figuren bewegen sich „in immer neu aufklappenden Fabeln“ (Taja Gut) im „existentiellen Erfahrungsraum“.[3]

Nach der Maueröffnung ging Reitel für zwölf Jahre in seine Heimatstadt zurück. Er schrieb in dieser Zeit unter anderem für die Berliner Morgenpost und Die Welt[4]. Für die Freie Presse, Lokalausgabe Plauen, entwickelte er die Rubrik „Vor 50 und vor 100 Jahren“ und für die Chemnitzer Ausgabe der Freien Presse die Rubrik „Lyrik des 20. Jahrhunderts“, für die er insgesamt 50 Beiträge schrieb (1. van Hoddis, 50. Hesse). Am 30. August 1991 erschien im Feuilleton der Freien Presse sein Artikel „Kein Reqiuem für Gorbi“ gegen den Putschversuch in Moskau.[5] Von 1994 bis 1995 arbeitete er als einer der beiden Redakteure der Dresdner Kultur- und Kunstzeitschrift Ostragehege. 1997 folgte in der Plauener Tageszeitung Vogtland-Anzeiger seine Kolumne „Menschen, Begegnungen“.

Am 25. September 1991 wurden die Urteile des Kreisgerichts Plauen Stadt aus dem Jahr 1978 sowie des Bezirksgerichts Karl-Marx-Stadt aus dem Jahr 1981 mit Beschluss des 2. Rehabilitierungssenats des Bezirksgerichtes Chemnitz aufgehoben. Axel Reitel wurde rehabilitiert.

2000 und 2001 erforschte Reitel mit Zuwendungen der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur das bis dahin noch „recht unbearbeitete Thema“ Jugendstrafvollzug in der DDR. Die weltweit erste fundierte Publikation zum Thema folgte.

Im Laufe des Jahres 2004 folgten vier CDs umfassende Interviewaufnahmen mit dem an Amyotropher Lateralsklerose (ALS) leidenden Sänger, Liedermacher und ehemaligen Frontmann der Rockgruppe Stern-Combo Meißen, Reinhard Fissler. Die Aufnahmen dienten als Grundlage für eine im Jahr 2006 vorgelegte Biografie über Reinhard Fissler: Seelenbrennen. Ein Leben für die Musik. Seit Februar 2009 wird die Biografie auf der Internetseite der von John Lennon gegründeten The Quarrymen vorgestellt.

Von Juni 2007 bis Mai 2008 arbeitete er am Projekt „Geschichte der FDJ-Poetenseminare“ beim Forschungsverbund SED-Staat der FU Berlin. Dieses Projekt wurde ebenfalls mit einer Publikation abgeschlossen.

Axel Reitel engagiert sich heute im Vostand des "Menschenrechtszentrum e.V." mit dessen Vorsitzenden Dieter Dombrowski um die alte Justizvollzugsanstalt in Cottbus.

Auszeichnungen

Werke

  • Daidalos und Ikarus jr. Erzählung. Berlin 1983.
  • Zündhölzer für ein Manöver. Erzählungen. Berlin 1987.
  • Das Glück in Mäusebach. Erzählungen. Berlin 1989, ISBN 3-926409-98-3.
  • Poetisches Leben. Funkessay. Saarländischer Rundfunk, Moderation: Arnfrid Astel, Saarbrücken, 5.November 1989.
  • Gethsemane. Lyrik. Mit Utz Rachowski. Grafiken von Thomas Berurich. Plauen 1992, ISBN 3-929039-16-8.
  • das exil und der sandberg. Gedichte 1976–1990. Cover: Thomas Beurich. Berlin und Haifa 1992, ISBN 3-923809-32-8.
  • Eine Stadt treibt ihre Teufel aus. Stück. Bühnenverlag Bernd Bauer, Berlin 1992.
  • Zeitalter der Fische. Erzählungen. Chemnitz 1996, ISBN 3-928678-30-2.
  • Liebe Anarchie. Gedichte. Mit grafischen Beigaben und Cover von Hubertus Giebe. fama, Dresden 1997, ISBN 3-9804194-2-8.
  • Paris, Paris. 15 Gedichte zu 15 Gemälden von Hubertus Giebe. Chemnitz 1998, ISBN 3-00-003814-0.
  • Die andere Seite des Lächelns oder Ein Terrier namens Stasi. Briefe an meine Freundin Demokratie. Radioessay. MDR 1999.
  • ohne anzuklopfen. Jodie Akt I. Musik-CD. Cover: Thomas Beurich. Plauen 2000. EAN 4018952907328.
  • Ghettos in petto. Jodie Akt II. Musik-CD. Cover: Thomas Beurich. Berlin 2002.
  • Selbsterziehung. Jugendstrafvollzug in der DDR. Radio-Feature. MDR und SFB 2003. ÜN: BR 2004, Deutschlandradio2005.
  • Die Huren von Ch. Ein Poem. In: Cathrin Schauer: Kinder auf dem Strich. Köln 2003, ISBN 3-89502-174-1.
  • Spatensoldaten. Wehrdienst ohne Waffe in der DDR. Radio-Feature. MDR und RBB 2004. ÜN: BR 2005.
  • Grenzgaenger. Kinderprostitution an der deutsch-tschechischen Grenze. Radio-Feature. MDR und RBB (in Kooperation) 2004.
  • Junge Poeten zum Lernen gebeten. Die zentralen Poetenseminare der FDJ.Radio-Feature. Deutschlandradio 2005. ÜN: BR 2005. MDR 2008.
  • Berlin. Lied-CD. Cover: Thomas Beurich. Berlin 2005.
  • Jugendstrafvollzug in der DDR am Beispiel des Jugendhauses Halle. Berlin 2006, ISBN 3-89574-585-5.
  • Pegasus, gegängelt, „hoch oben / tief in die Knie“. Die Zentralen Poetenseminare der FDJ. In: Zeitschrift des Forschungsverbundes SED-Staat. 19/2006, ISSN 0948-9878.
  • Seelenbrennen. Ein Leben für die Musik. Biografie. Berlin 2007, ISBN 3-935478-49-6.
  • Die Poetenpolizei. Kontrolle muß sein — Die Schweriner FDJ-Seminare für Nachwuchsdichter. In: Zeitschrift des Forschungsverbundes SED-Staat. 22/2007, ISSN 0948-9878.
  • Der Tod meines Bruders. Rekonstruktion eines vermeintlichen Unfalls. Radio-Feature. MDR und RBB (in Kooperation) 2007.
  • Schöne Jugend. Jugendliche im Widerspruch zur DDR. Fünf Features. Cover: H. Giebe. 2. Auflage. Berlin 2008, ISBN 978-3-89574-627-7.
  • Die Zentralen Poetenseminare der FDJ von 1970 bis 1979. Arbeitspapiere 42/2008 des Forschungsverbundes SED-Staat der FU Berlin 42/2008, ISSN 0942-3931.
  • Muschel und Welle. Neue Texte. MDR-Figaro 2009. Als Podcast in der ARD-Mediathek.
  • Freigekauft-Die geheimen Geschäfte mit politischen Gefangenen in der DDR. Radio-Feature. MDR und RBB (in Kooperation) 2010

Literatur

  • Cornelia Staudacher: Nacht und Gift. Ein junger Berliner Erzähler. Der Tagesspiegel. 28. Oktober 1990.
  • Taja Gut: Erzählungen, geschrieben wie bei aufklarendem Wind. Individualität. Nr. 26, Juni 1990.
  • Alexander von Bormann: Wege des verständigen Gesprächs. Freie Presse. 31. Juli 1992.
  • Susanne Altmann: Ein Berserker im Wort. Dresdner. Juni 1996.
  • Udo Scheer: Axel Reitels Teufel ist ein Eichhörnchen. Die Welt. Februar 1997.
  • Udo Scheer: Im Vogtland schreibt einer unglaubliche Geschichten. Sächsische Zeitung. 17./18. April 1999.
  • Undine Materni: Ist das hier Eden oder Buchenwald? Eine Hörwunder von Axel Reitel & collegium novum. Sächsische Zeitung. 15./16.Juli 2000.
  • Dietmar Schultke: Vom disziplinierten Rebellen zum Republikflüchtling. In: Die Grenze, die uns teilte. Köster, Berlin 2005.
  • Hans-Joachim Föller: Licht in das Dunkel eines bislang kaum behandelten Kapitels. Freie Presse. 30. Juni 2006.

Einzelnachweise

  1. Vgl.Individualität, S. 46 in Nr. 26 vom Juni 1990.
  2. Vgl. OTZ, Beilage S. 2 vom 1. Februar 1998.
  3. Vgl.Süddeutsche Zeitung vom 12. September 2004, Artikel Das Hörbuch: „Spatensoldaten – Wehrdienst ohne Waffen in der DDR.
  4. Vgl. Schalck kann bleiben, Jürgen Fuchs aber muss es!, Artikel von Reitel in Die Welt, 24. September 1999
  5. Vgl. Freie Presse, Feuilleton vom 30. August 1991