„Anetta Kahane“ – Versionsunterschied

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[[Datei:Birlikte - Podiumsdiskussion-0454 - Anetta Kahane - Ausschnitt.jpg|mini|Anetta Kahane, 2014]]
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'''Anetta Kahane''' (geboren am [[25. Juli]] [[1954]] in [[Ost-Berlin]]) ist eine deutsche [[Journalist]]in und [[Autor]]in. Sie engagiert sich gegen [[Rechtsextremismus]], [[Rassismus]] und [[Judenfeindlichkeit|Antisemitismus]]. 1990 war sie die erste Ausländerbeauftragte des [[Magistrat von Berlin|Ost-Berliner Magistrats]], baute nach der [[Wiedervereinigung Deutschlands|Wiedervereinigung]] die [[Regionale Arbeitsstelle]] für Ausländerfragen in [[Berlin]] mit auf und setzte sich für eine [[Interkulturelle Erziehung|interkulturelle Bildung]] an Schulen in den neuen Bundesländern ein. Ende 1998 war sie Mitgründerin der [[Amadeu Antonio Stiftung]], deren hauptamtliche Vorsitzende sie seit 2003 ist.
'''Anetta Kahane''' (geboren am [[25. Juli]] [[1954]] in [[Ost-Berlin]]) ist eine deutsche [[Journalist]]in und [[Autor]]in. Sie engagiert sich gegen [[Rechtsextremismus]], [[Rassismus]] und [[Judenfeindlichkeit|Antisemitismus]]. 1990 war sie die erste Ausländerbeauftragte des [[Magistrat von Berlin|Ost-Berliner Magistrats]], baute nach der [[Wiedervereinigung Deutschlands|Wiedervereinigung]] die [[Regionale Arbeitsstelle]] für Ausländerfragen in [[Berlin]] mit auf und setzte sich für eine [[Interkulturelle Erziehung|interkulturelle Bildung]] an Schulen in den neuen Bundesländern ein. Ende 1998 war sie Mitgründerin der [[Amadeu Antonio Stiftung]], deren hauptamtliche Vorsitzende sie seit 2003 ist.
== Biografie ==
== Leben und Wirken ==
=== Familie ===
=== Familie ===
Anetta Kahane ist das jüngste Kind des Journalisten [[Max Kahane (Journalist)|Max Kahane]] und der Künstlerin [[Doris Kahane]], geborene Machol. Beide Eltern waren [[Jüdischer Säkularismus|säkulare Juden]] und 1933 vor dem [[Deutsches Reich 1933 bis 1945|nationalsozialistischen Regime]] aus Deutschland geflohen. Max Kahane kämpfte als Kommunist ab 1938 im [[Spanischer Bürgerkrieg|spanischen Bürgerkrieg]] für die [[Zweite Spanische Republik]], dann in der französischen [[Résistance]].<ref>{{WWW-DDR|1616|Kahane, Max Leon|[[Annette Leo]]}}</ref> Doris Machol schloss sich in Frankreich 1940 einer kommunistischen Organisation der Résistance an.<ref>[[Ulla Plener]] (Hrsg.): ''Frauen aus Deutschland in der französischen Résistance. Eine Dokumentation.'' Edition Bodoni, Berlin 2005, ISBN 3-929390-90-6, S. 284</ref> In einem Internierungslager des [[Vichy-Regime]]s lernten sie sich kennen. Nach Kriegsende heirateten sie und kehrten 1945 nach Ost-Berlin zurück, um am Aufbau der DDR mitzuwirken. Sie wurden als politisch und rassistisch [[Verfolgter des Naziregimes|Verfolgte des Naziregimes]] (VdN) eingestuft. Einer der Brüder Anetta Kahanes ist der Filmregisseur [[Peter Kahane]]. Anetta Kahane ist geschieden und hat eine Tochter.<ref>[https://www.br.de/fernsehen/ard-alpha/sendungen/alpha-forum/anetta-kahane-gespraech-100.html ''Anetta Kahane: Vorsitzende Amadeu Antonio Stiftung im Gespräch mit Jochen Kölsch''] alpha-Forum, br.de, 24. April 2014, PDF-Datei, S. 8</ref>
Anetta Kahane ist das jüngste Kind des Journalisten [[Max Kahane (Journalist)|Max Kahane]] und der Künstlerin [[Doris Kahane]], geborene Machol. Beide Eltern waren [[Jüdischer Säkularismus|säkulare Juden]] und 1933 vor dem [[Deutsches Reich 1933 bis 1945|nationalsozialistischen Regime]] aus Deutschland geflohen. Max Kahane kämpfte als Kommunist ab 1938 im [[Spanischer Bürgerkrieg|spanischen Bürgerkrieg]] für die [[Zweite Spanische Republik]], dann in der französischen [[Résistance]].<ref>{{WWW-DDR|1616|Kahane, Max Leon|[[Annette Leo]]}}</ref> Doris Machol schloss sich in Frankreich 1940 einer kommunistischen Organisation der Résistance an.<ref>[[Ulla Plener]] (Hrsg.): ''Frauen aus Deutschland in der französischen Résistance. Eine Dokumentation.'' Edition Bodoni, Berlin 2005, ISBN 3-929390-90-6, S. 284</ref> In einem Internierungslager des [[Vichy-Regime]]s lernten sie sich kennen. Nach Kriegsende heirateten sie und kehrten 1945 nach Ost-Berlin zurück, um am Aufbau der DDR mitzuwirken. Sie wurden als politisch und rassistisch [[Verfolgter des Naziregimes|Verfolgte des Naziregimes]] (VdN) eingestuft. Einer der Brüder Anetta Kahanes ist der Filmregisseur [[Peter Kahane]]. Anetta Kahane ist geschieden und hat eine Tochter.<ref>[https://www.br.de/fernsehen/ard-alpha/sendungen/alpha-forum/anetta-kahane-gespraech-100.html ''Anetta Kahane: Vorsitzende Amadeu Antonio Stiftung im Gespräch mit Jochen Kölsch''] alpha-Forum, br.de, 24. April 2014, PDF-Datei, S. 8</ref>


=== Kindheit und Jugend ===
=== Kindheit und Jugend ===
Kahane wuchs in [[Berlin-Pankow]] auf.<ref>[http://www.taz.de/!706391/ Sabine am Orde: ''„Ich war nicht gemacht für die DDR“: Anetta Kahane.'' In: ''taz.de'', 30. August 2004]</ref> Als der Vater 1957 der erste Auslandskorrespondent der Nachrichtenagentur [[Allgemeiner Deutscher Nachrichtendienst|ADN]] der DDR in Indien wurde, lebte die Familie drei Jahre in [[Neu-Delhi]] und Anetta Kahane besuchte eine indische Vorschule. 1961 wurde sie in Berlin eingeschult und kam zu den [[Junge Pioniere|Jungen Pionieren]]. 1963 zog die Familie für neun Monate nach [[Rio de Janeiro]], wo der Vater für die DDR-Zeitung [[Neues Deutschland]] als Auslandskorrespondent arbeitete.<ref name="BRalpha2014">[https://www.br.de/fernsehen/ard-alpha/sendungen/alpha-forum/anetta-kahane-sendung-100.html ''Kahane, Anetta'', BR alpha, Anetta Kahane im Gespräch mit Jochen Kölsch, 1. April 2014]</ref> Dort lernte Anetta Kahane laut ihrer Autobiografie [[Portugiesische Sprache|Portugiesisch]] von einem brasilianischen Hausmädchen.<ref>Anetta Kahane: ''Ich sehe was, was du nicht siehst'', S. 5–31</ref>
Kahane wuchs in [[Berlin-Pankow]] auf.<ref>[http://www.taz.de/!706391/ Sabine am Orde: ''„Ich war nicht gemacht für die DDR“: Anetta Kahane.'' In: ''taz.de'', 30. August 2004]</ref> Als der Vater 1957 der erste Auslandskorrespondent der Nachrichtenagentur [[Allgemeiner Deutscher Nachrichtendienst|ADN]] der DDR in Indien wurde, lebte die Familie drei Jahre in [[Neu-Delhi]] und Anetta Kahane besuchte eine indische Vorschule. 1961 wurde sie in Berlin eingeschult und kam zu den [[Junge Pioniere|Jungen Pionieren]]. 1963 zog die Familie für neun Monate nach [[Rio de Janeiro]], wo der Vater für die DDR-Zeitung [[Neues Deutschland]] als Auslandskorrespondent arbeitete.<ref name="BRalpha2014">[https://www.br.de/fernsehen/ard-alpha/sendungen/alpha-forum/anetta-kahane-sendung-100.html Zur Person: ''Kahane, Anetta'', BR alpha, 1. April 2014]</ref> Dort lernte Anetta Kahane laut ihrer Autobiografie [[Portugiesische Sprache|Portugiesisch]] von einem brasilianischen Hausmädchen.<ref>Anetta Kahane: ''Ich sehe was, was du nicht siehst'', S. 5–31</ref>


Wie andere Kinder von Überlebenden des [[Holocaust]] ist Anetta Kahane unter dem prägenden Eindruck der Traumata ihrer Eltern aufgewachsen.<ref>[https://www.deutschlandfunkkultur.de/stumme-ausgrenzung.1079.de.html?dram:article_id=176137 Gerald Beyrodt: ''Stumme Ausgrenzung. Juden in der DDR'', Deutschlandfunk Kultur, 6. November 2009]</ref><ref>[https://www.deutschlandfunk.de/antisemitismus-in-deutschland-es-gibt-eine-antijuedische.886.de.html?dram:article_id=400139 ''Antisemitismus in Deutschland'', Anetta Kahane im Interview mit Gerald Beyrodt, Deutschlandfunk, 9. November 2017]</ref> Während ihrer Schulzeit in der DDR bekannte sie sich gegen den Willen ihrer Eltern öffentlich als Jüdin.<ref name="Jander">[https://www.hsozkult.de/publicationreview/id/rezbuecher-5109 ''A. Kahane: Ich sehe was, was du nicht siehst''. Rezensiert für H-Soz-Kult von Martin Jander, 3. November 2011]</ref>
Wie andere Kinder von Überlebenden des [[Holocaust]] ist Anetta Kahane unter dem prägenden Eindruck der Traumata ihrer Eltern aufgewachsen.<ref>[https://www.deutschlandfunkkultur.de/stumme-ausgrenzung.1079.de.html?dram:article_id=176137 Gerald Beyrodt: ''Stumme Ausgrenzung. Juden in der DDR'', Deutschlandfunk Kultur, 6. November 2009]</ref><ref>[https://www.deutschlandfunk.de/antisemitismus-in-deutschland-es-gibt-eine-antijuedische.886.de.html?dram:article_id=400139 ''Antisemitismus in Deutschland'', Anetta Kahane im Interview mit Gerald Beyrodt, Deutschlandfunk, 9. November 2017]</ref> Während ihrer Schulzeit in der DDR bekannte sie sich gegen den Willen ihrer Eltern öffentlich als Jüdin.<ref name="Jander">[https://www.hsozkult.de/publicationreview/id/rezbuecher-5109 ''A. Kahane: Ich sehe was, was du nicht siehst''. Rezensiert für H-Soz-Kult von Martin Jander, 3. November 2011]</ref>


=== Ausbildung und Tätigkeiten bis 1990 ===
=== Ausbildung und Tätigkeiten bis 1990 ===
1973 machte Kahane Abitur. Sie begann anschließend ein Volontariat in der Lateinamerika-Redaktion des Senders [[Radio Berlin International]]. Von Herbst 1974 bis 1979 studierte sie [[Lateinamerikanistik]] an der [[Universität Rostock]]. Nach dem Diplomabschluss wurde sie der [[Humboldt-Universität zu Berlin]] zugeteilt, wo sie von 1980 bis 1983 portugiesischen Sprachunterricht gab. Parallel zum Studium und zur Berufstätigkeit war Anetta Kahane von 1974 bis 1982 [[Inoffizieller Mitarbeiter|Inoffizielle Mitarbeiterin]] (IM) des [[Ministerium für Staatssicherheit|DDR-Staatssicherheitsdienstes]] (MfS). Sie war nie Mitglied der [[Sozialistische Einheitspartei Deutschlands|SED]].<ref name="BRalpha2014" />
1973 machte Kahane Abitur. Sie begann anschließend ein Volontariat in der Lateinamerika-Redaktion des Senders [[Radio Berlin International]]. Von Herbst 1974 bis 1979 studierte sie [[Lateinamerikanistik]] an der [[Universität Rostock]]. Nach dem Diplomabschluss wurde sie der [[Humboldt-Universität zu Berlin]] zugeteilt, wo sie von 1980 bis 1983 portugiesischen Sprachunterricht gab. Ab 1983 bis 1989 arbeitete sie freiberuflich als literarische Übersetzerin.<ref name="Stiftungen" /> Sie war nie Mitglied der [[Sozialistische Einheitspartei Deutschlands|SED]].<ref name="BRalpha2014" />


Im Alter von 19 Jahren wurde Anetta Kahane vom [[Ministerium für Staatssicherheit]] (MfS) angeworben. Nachdem eine Freundin bei einem Fluchtversuch verhaftet worden war, verhörte das MfS Kahane als mögliche Mitwisserin der Flucht. Sie willigte in die Zusammenarbeit ein.<ref>[https://www.tagesspiegel.de/berlin/arbeitgeber-stellt-sich-hinter-anetta-kahane/354056.html ''Arbeitgeber stellt sich hinter Anetta Kahane'', Der Tagesspiegel, 12. Oktober 2002]</ref> Das MfS führte sie von 1974 bis 1982 als ''[[Inoffizieller Mitarbeiter|IM]] Victoria'' und setzte sie vor allem auf Westdeutsche und in der DDR lebende Ausländer an. Dabei wurde sie laut den MfS-Akteneinträgen als „unzuverlässig, politisch-ideologisch unausgereift und schwer zu führen“ eingestuft, so dass das MfS ihr zunächst die Erlaubnis zu Auslandsreisen verwehrte. Nach Angaben ihres Führungsoffiziers berichtete sie mündlich in den Anfangsmonaten auch „belastend“ über Freunde und Studienkollegen.<ref name="Enbergs-Gutachten" /> Sie soll Dutzende Personen aus ihrem Umfeld bespitzelt haben, darunter Künstler, einen [[ZDF]]-Reporter, Westberliner Studenten und in der DDR lebende Ausländer.<ref name="UweMüller">Uwe Müller: [https://www.welt.de/politik/deutschland/article1212415/Birthler-Behoerde-liess-Stasi-Spitzel-einladen.html ''Birthler-Behörde ließ Stasi-Spitzel einladen.''] In: ''Die Welt'', 25. September 2007</ref>
==== Kooperation mit dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS) ====
Im Alter von 19 Jahren wurde Anetta Kahane vom [[Ministerium für Staatssicherheit]] (MfS) angeworben. Nachdem eine Freundin bei einem Fluchtversuch verhaftet worden war, verhörte das MfS Kahane als mögliche Mitwisserin der Flucht. Sie willigte in die Zusammenarbeit ein.<ref>[https://www.tagesspiegel.de/berlin/arbeitgeber-stellt-sich-hinter-anetta-kahane/354056.html ''Arbeitgeber stellt sich hinter Anetta Kahane'', Der Tagesspiegel, 12. Oktober 2002]</ref> Das MfS führte sie als ''IM Victoria'' und setzte sie vor allem auf Westdeutsche und in der DDR lebende Ausländer an. Dabei wurde sie laut den MfS-Akteneinträgen als „unzuverlässig, politisch-ideologisch unausgereift und schwer zu führen“ eingestuft, so dass das MfS ihr zunächst die Erlaubnis zu Auslandsreisen verwehrte. Nach Angaben ihres Führungsoffiziers berichtete sie mündlich in den Anfangsmonaten auch „belastend“ über Freunde und Studienkollegen.<ref name="Enbergs-Gutachten" /> Sie soll Dutzende Personen aus ihrem Umfeld bespitzelt haben, darunter Künstler, einen [[ZDF]]-Reporter, Westberliner Studenten und in der DDR lebende Ausländer.<ref name="UweMüller">Uwe Müller: [https://www.welt.de/politik/deutschland/article1212415/Birthler-Behoerde-liess-Stasi-Spitzel-einladen.html ''Birthler-Behörde ließ Stasi-Spitzel einladen.''] In: ''Die Welt'', 25. September 2007</ref>


Kahane durfte 1979 nach [[São Tomé und Príncipe]] (Westafrika) reisen, um als [[Dolmetscher]]in für Portugiesisch im dortigen Staatlichen Planungsministerium der DDR zu arbeiten; 1981 begleitete sie Tiefbauingenieure in [[Mosambik]]. Nach ihrer Rückkehr wusste sie, dass es für sie „keine politische Identifikation mit der realen DDR mehr geben könnte“.<ref name="Jander" /> Nach ihren Angaben erlebte sie die vorgebliche „sozialistische Bruderhilfe“ als rassistischen und [[Paternalismus|paternalistischen]] Umgang der DDR-Vertreter mit der Bevölkerung. Darin habe sie das Versagen und die Verlogenheit des staatlich verordneten Antifaschismus erkannt.<ref name="Jander" /> 1982 brach sie die Zusammenarbeit mit dem MfS ab.<ref>Peter Schneider: ''Anetta Kahane und die Amadeu Antonio Stiftung.'' In: Peter Schneider: ''An der Schönheit kann's nicht liegen'', München 2016, S. 232</ref> Sie wurde daraufhin von der [[Reisekader]]liste gestrichen,<ref name="Enbergs-Gutachten" /> verlor ihre Anstellung an der Universität und erhielt nur noch eingeschränkt Übersetzungsaufträge.<ref>[https://www.br.de/fernsehen/ard-alpha/sendungen/alpha-forum/anetta-kahane-gespraech-100.html ''Anetta Kahane im Gespräch mit Jochen Kölsch.''] In: ''Bayerischer Rundfunk, alpha-Forum'', 1. April 2014</ref> Von 1983 bis mindestens 1988 war sie selbst Gegenstand der Beobachtung der [[Ministerium für Staatssicherheit|Stasi]].
==== Bruch mit der DDR ====
Kahane durfte 1979 nach [[São Tomé und Príncipe]] (Westafrika) reisen, um als [[Dolmetscher]]in für Portugiesisch im dortigen Staatlichen Planungsministerium der DDR zu arbeiten; 1981 begleitete sie Tiefbauingenieure in [[Mosambik]]. Nach ihrer Rückkehr wusste sie, dass es für sie „keine politische Identifikation mit der realen DDR mehr geben könnte“.<ref name="Jander" /> Nach ihren Angaben erlebte sie die vorgebliche „sozialistische Bruderhilfe“ als rassistischen und [[Paternalismus|paternalistischen]] Umgang der DDR-Vertreter mit der Bevölkerung. Darin habe sie das Versagen und die Verlogenheit des staatlich verordneten Antifaschismus erkannt.<ref name="Jander" /> 1982 brach sie die Zusammenarbeit mit dem MfS ab.<ref>Peter Schneider: ''Anetta Kahane und die Amadeu Antonio Stiftung.'' In: Peter Schneider: ''An der Schönheit kann's nicht liegen'', München 2016, S. 232</ref> Sie wurde daraufhin von der [[Reisekader]]liste gestrichen,<ref name="Enbergs-Gutachten" /> verlor ihre Anstellung an der Universität und erhielt nur noch eingeschränkt Übersetzungsaufträge.<ref>[https://www.br.de/fernsehen/ard-alpha/sendungen/alpha-forum/anetta-kahane-gespraech-100.html ''Anetta Kahane im Gespräch mit Jochen Kölsch.''] In: ''Bayerischer Rundfunk, alpha-Forum'', 1. April 2014</ref> Ab 1983 bis 1989 arbeitete sie freiberuflich als literarische Übersetzerin.<ref name="Stiftungen" />


In der aufkommenden [[Opposition und Widerstand in der DDR|Bürgerrechtsbewegung]] setzte sie sich für Ausländer und Minderheiten ein. 1990 nahm sie für das [[Neues Forum|Neue Forum]] an der ''Arbeitsgruppe Ausländerfragen'' des ''[[Runder Tisch#Zentraler Runder Tisch in der DDR 1989/1990|Runden Tisches]]'' teil.<ref>{{Internetquelle |autor= |url=http://www.argus.bstu.bundesarchiv.de/DA3-26498/mets/DA3_27/index.htm?target=midosaFraContent&backlink=/argus-bstu/DA3-26498/index.htm-kid-8eca027d-99ce-4464-b347-3b7dcad48db3&sign=DA%203/27 |titel=Teilnehmerliste der Sitzung AG-Ausländerfragen am 2. Jan. 1990 |werk=Arbeitsgruppen des Zentralen Runden Tisches – Arbeitsgruppe Ausländerfragen |titelerg=Sitzungen. - Protokolle und Vorlagen der 1. bis 10. Sitzung |hrsg=[[Bundesarchiv (Deutschland)|Bundesarchiv]] |zugriff=2018-08-25}}</ref> Von Mai bis Oktober 1990 wurde sie die erste und zugleich letzte Ausländerbeauftragte im Magistrat von Ost-Berlin.<ref>([http://www.ddr89.de/ddr89/texte/kahane.html ''"...enorm viel Verständnis auch für die Deutschen", Interview mit der neuen Ostberliner Ausländerbeauftragten Anetta Kahane / Ihre Zielrichtung: "Inländer müssen begleitet werden, weil sie keine Erfahrung haben, was es heißt, mit Ausländern zusammenzuleben" / Schlechte Startbedingungen'', taz, 10. Mai 1990], ddr89.de)</ref>
In der aufkommenden [[Opposition und Widerstand in der DDR|Bürgerrechtsbewegung]] setzte sie sich für Ausländer und Minderheiten ein. Sie nahm für das [[Neues Forum|Neue Forum]] an der ''Arbeitsgruppe Ausländerfragen'' des ''[[Runder Tisch#Zentraler Runder Tisch in der DDR 1989/1990|Runden Tisches]]'' teil.<ref>{{Internetquelle |autor= |url=http://www.argus.bstu.bundesarchiv.de/DA3-26498/mets/DA3_27/index.htm?target=midosaFraContent&backlink=/argus-bstu/DA3-26498/index.htm-kid-8eca027d-99ce-4464-b347-3b7dcad48db3&sign=DA%203/27 |titel=Teilnehmerliste der Sitzung AG-Ausländerfragen am 2. Jan. 1990 |werk=Arbeitsgruppen des Zentralen Runden Tisches – Arbeitsgruppe Ausländerfragen |titelerg=Sitzungen. - Protokolle und Vorlagen der 1. bis 10. Sitzung |hrsg=[[Bundesarchiv (Deutschland)|Bundesarchiv]] |zugriff=2018-08-25}}</ref> Von Mai bis Oktober 1990 wurde sie die erste und zugleich letzte Ausländerbeauftragte im Magistrat von Ost-Berlin.<ref>([http://www.ddr89.de/ddr89/texte/kahane.html ''"...enorm viel Verständnis auch für die Deutschen", Interview mit der neuen Ostberliner Ausländerbeauftragten Anetta Kahane/Ihre Zielrichtung: "Inländer müssen begleitet werden, weil sie keine Erfahrung haben, was es heißt, mit Ausländern zusammenzuleben"/Schlechte Startbedingungen'', taz, 10. Mai 1990], ddr89.de)</ref>


=== Tätigkeiten seit 1991 ===
=== Tätigkeiten seit 1991 ===
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2002 erfuhr eine breite Öffentlichkeit, dass Anetta Kahane als Inoffizielle Mitarbeiterin der Stasi gearbeitet hat. In einem Radiointerview am 8. Oktober 2002 hatte die Sozialsenatorin des Landes [[Berlin]], [[Heidi Knake-Werner]], bekannt gegeben, dass Kahane ihre Wunschkandidatin als Nachfolgerin von [[Barbara John]], der Ausländerbeauftragten des [[Senat von Berlin|Berliner Senats]], sei.<ref>Sabine am Orde: ''Kandidatin wider Willen''. In: ''taz'' vom 9. Oktober 2002. [http://www.taz.de/!1084987/ Online].</ref> In diesem Zusammenhang berichteten Zeitungen über ihre frühere IM-Tätigkeit.<ref>Barbara Junge: ''John-Nachfolge: Kandidatin war Stasi-IM''. In: ''Tagesspiegel [https://www.tagesspiegel.de/berlin/john-nachfolge-kandidatin-war-stasi-im/353188.html online]'', 9. Oktober 2002.</ref> Am 10. Oktober erklärte Kahane, sie stehe für dieses Amt nicht zur Verfügung.<ref>Kahane sagt ab. John-Nachfolge wieder offen. In: ''Tagesspiegel [https://www.tagesspiegel.de/berlin/kahane-sagt-ab/353702.html online]'', 11. Oktober 2002.</ref>
2002 erfuhr eine breite Öffentlichkeit, dass Anetta Kahane als Inoffizielle Mitarbeiterin der Stasi gearbeitet hat. In einem Radiointerview am 8. Oktober 2002 hatte die Sozialsenatorin des Landes [[Berlin]], [[Heidi Knake-Werner]], bekannt gegeben, dass Kahane ihre Wunschkandidatin als Nachfolgerin von [[Barbara John]], der Ausländerbeauftragten des [[Senat von Berlin|Berliner Senats]], sei.<ref>Sabine am Orde: ''Kandidatin wider Willen''. In: ''taz'' vom 9. Oktober 2002. [http://www.taz.de/!1084987/ Online].</ref> In diesem Zusammenhang berichteten Zeitungen über ihre frühere IM-Tätigkeit.<ref>Barbara Junge: ''John-Nachfolge: Kandidatin war Stasi-IM''. In: ''Tagesspiegel [https://www.tagesspiegel.de/berlin/john-nachfolge-kandidatin-war-stasi-im/353188.html online]'', 9. Oktober 2002.</ref> Am 10. Oktober erklärte Kahane, sie stehe für dieses Amt nicht zur Verfügung.<ref>Kahane sagt ab. John-Nachfolge wieder offen. In: ''Tagesspiegel [https://www.tagesspiegel.de/berlin/kahane-sagt-ab/353702.html online]'', 11. Oktober 2002.</ref>
In ihrer 2004 erschienenen Autobiografie ''Ich sehe was, was du nicht siehst'' berichtet sie ausführlich auch über ihre Stasi-Tätigkeit. 2012 beauftragte sie den Politikwissenschaftler [[Helmut Müller-Enbergs]] Art und Folgen ihrer Tätigkeit als IM zu bewerten.<ref>[https://www.deutschlandfunkkultur.de/anetta-kahane-unbeirrbares-engagement-gegen-rechten-hass.970.de.html?dram:article_id=356256 Klaus Pokatzky:'' Anetta Kahane. Unbeirrbares Engagement gegen rechten Hass''. In: Deutschlandradio Kultur, 6. Juni 2016]</ref> Er legte im November 2014 seine zusammenfassende gutachterliche Stellungnahme vor: Aus den ihm von Kahane übergebenen Akten (von der [[Bundesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen|BStU]] zur Verfügung gestellt) ergebe sich nicht, dass Kahane im Rahmen ihrer inoffiziellen Kooperation mit dem MfS in den Jahren von 1974 bis 1982 Dritten Nachteile zugefügt habe.<ref name="Enbergs-Gutachten">Helmut Müller-Enbergs: ''[https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/w/files/pdfs/gutachten-anetta-kahane.pdf Zusammenfassende gutachterliche Stellungnahme zu Frau Anetta Kahane und die DDR-Staatssicherheit]'' (PDF, Amadeu Antonio Stiftung, 26. November 2014).</ref><ref>[https://www.tagesspiegel.de/politik/angriffe-gegen-amadeu-antonio-stiftung-volle-kanne-hass/13964278.html Matthias Meisner: ''Angriffe gegen Amadeu-Antonio-Stiftung. Volle Kanne Hass'', Der Tagesspiegel, 3. März 2018]</ref><ref>[https://www.sueddeutsche.de/politik/rechtsextremismus-wenn-helfer-opfer-rechter-uebergriffe-werden-1.2966753 Hanna Spanhel: ''Wenn Helfer Opfer rechter Übergriffe werden'', Süddeutsche Zeitung, 26. April 2016]</ref> Er hielt aber fest, dass jede Art von Informationen an das MfS das Risiko einer Benachteiligung enthalten konnten. Auch eine Vorteilsnahme Kahanes sei in den Akten nicht zu erkennen.<ref name="Enbergs-Gutachten" /> Kahane selbst teilte in einem ''[[Die Tageszeitung|Taz]]''-Interview mit, dass sie 200 [[Mark (DDR)]] für acht Jahre bekommen habe.<ref>''Anetta Kahane über Schuld und Sühne. „Holm ist da sehr ideologisch“'', Taz, 2. April 2014</ref> Von 1983 bis mindestens 1988 war sie selbst Gegenstand der Beobachtung.<ref>
In ihrer 2004 erschienenen Autobiografie ''Ich sehe was, was du nicht siehst'' berichtet sie ausführlich auch über ihre Stasi-Tätigkeit. 2012 beauftragte sie den Politikwissenschaftler [[Helmut Müller-Enbergs]] Art und Folgen ihrer Tätigkeit als IM zu bewerten.<ref>[https://www.deutschlandfunkkultur.de/anetta-kahane-unbeirrbares-engagement-gegen-rechten-hass.970.de.html?dram:article_id=356256 Klaus Pokatzky:'' Anetta Kahane. Unbeirrbares Engagement gegen rechten Hass''. In: Deutschlandradio Kultur, 6. Juni 2016]</ref> Er legte im November 2014 seine zusammenfassende gutachterliche Stellungnahme vor: Aus den ihm von Kahane übergebenen Akten (von der [[Bundesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen|BStU]] zur Verfügung gestellt) ergebe sich nicht, dass Kahane im Rahmen ihrer inoffiziellen Kooperation mit dem MfS in den Jahren von 1974 bis 1982 Dritten Nachteile zugefügt habe.<ref name="Enbergs-Gutachten">Helmut Müller-Enbergs: ''[https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/w/files/pdfs/gutachten-anetta-kahane.pdf Zusammenfassende gutachterliche Stellungnahme zu Frau Anetta Kahane und die DDR-Staatssicherheit]'' (PDF, Amadeu Antonio Stiftung, 26. November 2014).</ref><ref>[https://www.tagesspiegel.de/politik/angriffe-gegen-amadeu-antonio-stiftung-volle-kanne-hass/13964278.html Matthias Meisner: ''Angriffe gegen Amadeu-Antonio-Stiftung. Volle Kanne Hass'', Der Tagesspiegel, 3. März 2018]</ref><ref>[https://www.sueddeutsche.de/politik/rechtsextremismus-wenn-helfer-opfer-rechter-uebergriffe-werden-1.2966753 Hanna Spanhel: ''Wenn Helfer Opfer rechter Übergriffe werden'', Süddeutsche Zeitung, 26. April 2016]</ref> Er hielt aber fest, dass jede Art von Informationen an das MfS das Risiko einer Benachteiligung enthalten konnten. Auch eine Vorteilsnahme Kahanes sei in den Akten nicht zu erkennen.<ref name="Enbergs-Gutachten"/> Das Gutachten zur früheren IM-Tätigkeit Kahanes ist seit 2016 auf der Website der Amadeu Antonio Stiftung veröffentlicht.
{{Internetquelle
| autor = Helmut Müller-Enbergs
| url = https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/w/files/pdfs/17-01-17-ergaenzung-zur-zusammenfassenden-gutachterlichen-stellungnahme.pdf
| titel = Ergänzung zur zusammenfassenden gutachterlichen Stellungnahme zu Frau Anetta Kahane und die DDR-Staatssicherheit
| werk = Amadeu Antonio Stiftung
| datum = 2017-01-17
| zugriff = 2018-10-07
}}</ref>
Das Gutachten zur früheren IM-Tätigkeit Kahanes ist seit 2016 auf der Website der Amadeu Antonio Stiftung veröffentlicht.


[[Neue Rechte|Neurechte]] und rechtsextreme Gegner Kahanes instrumentalisieren ihre IM-Vergangenheit für [[kampagne]]nartige Angriffe gegen sie, die zum Teil antisemitische Züge tragen und bis zu Morddrohungen gehen<ref>Hanna Spanhel: [http://www.sueddeutsche.de/politik/rechtsextremismus-wenn-helfer-opfer-rechter-uebergriffe-werden-1.2966753 ''Rechtsextremismus. Wenn Helfer Opfer rechter Übergriffe werden.''] In: ''Süddeutsche Zeitung'', 26. April 2016</ref><ref>[http://www.tagesspiegel.de/politik/angriffe-gegen-amadeu-antonio-stiftung-volle-kanne-hass/13964278.html ''Angriffe gegen Amadeu-Antonio-Stiftung: Volle Kanne Hass.''] In: ''Tagesspiegel'', 3. August 2016</ref><ref>[http://www.taz.de/!5295141/ Konrad Litschko: ''Drohungen im Netz, Kleber an der Tür'', Taz, 25. April 2016]</ref> sowie mit antisemitischen Karikaturen im Netz, die u.&nbsp;a. auch von der [[AfD Brandenburg|AfD]]-Fraktion [[Potsdam]] verbreitet wurden.<ref>[https://www.berliner-zeitung.de/berlin/brandenburg/antisemitische-darstellung-afd-fraktion-verbreitet-karikatur-von-anetta-kahane-31330396 Katrin Bischoff: ''Antisemitische Darstellung. AfD-Fraktion verbreitet Karikatur von Anetta Kahane'', Berliner Zeitung, 21. September 2018]</ref> Laut [[Britta Schellenberg]] kreierte [[Thorsten Hinz]] mit seiner Beschreibung Kahanes in der [[Junge Freiheit|Jungen Freiheit]] „ein klassisches rechtsextremes Feindbild: Jüdisch, Spitzel und Bolschewiki.“<ref>Thorsten Hinz: ''Anetta Kahane. Die Zuträgerin.'' Junge Freiheit 36, 31. August 2007; referiert nach Britta Schellenberg: ''Die Rechtsextremismus-Debatte: Charakteristika, Konflikte und ihre Folgen.'' 2. Auflage, Springer VS, Wiesbaden 2013, ISBN 978-3-658-04176-2, S. 208 f. und Fn. 843</ref> Anetta Kahane stand auf der Liste möglicher Anschlagsopfer des rechtsextremen Oberleutnants [[Terrorermittlungen gegen Bundeswehrsoldaten 2017|Franco A.]]<ref>[https://www.zeit.de/kultur/2017-05/bundeswehr-franco-a-terrorgruppe-wehrmacht-weimarer-republik/komplettansicht Wolfram Wette: ''Franco A. und die anderen'', Zeit Online, 12. Mai 2017]</ref> Rechtsextreme „[[Identitäre Bewegung|Identitäre]]“ blockierten zeitweise die Stiftungsräume, nachdem Bundesjustizminister [[Heiko Maas]] Kahane als Vertreterin der Amadeu Antonio Stiftung 2016 eingeladen hatte, an einer Task-Force zum „Umgang mit rechtswidrigen Hassbotschaften im Internet“ beratend mitzuwirken.
[[Neue Rechte|Neurechte]] und rechtsextreme Gegner Kahanes instrumentalisieren ihre IM-Vergangenheit für [[kampagne]]nartige Angriffe gegen sie, die zum Teil antisemitische Züge tragen und bis zu Morddrohungen gehen<ref>Hanna Spanhel: [http://www.sueddeutsche.de/politik/rechtsextremismus-wenn-helfer-opfer-rechter-uebergriffe-werden-1.2966753 ''Rechtsextremismus. Wenn Helfer Opfer rechter Übergriffe werden.''] In: ''Süddeutsche Zeitung'', 26. April 2016</ref><ref>[http://www.tagesspiegel.de/politik/angriffe-gegen-amadeu-antonio-stiftung-volle-kanne-hass/13964278.html ''Angriffe gegen Amadeu-Antonio-Stiftung: Volle Kanne Hass.''] In: ''Tagesspiegel'', 3. August 2016</ref><ref>[http://www.taz.de/!5295141/ Konrad Litschko: ''Drohungen im Netz, Kleber an der Tür'', Taz, 25. April 2016]</ref> sowie mit antisemitischen Karikaturen im Netz, die u.&nbsp;a. auch von der [[AfD Brandenburg|AfD]]-Fraktion [[Potsdam]] verbreitet wurden.<ref>[https://www.berliner-zeitung.de/berlin/brandenburg/antisemitische-darstellung-afd-fraktion-verbreitet-karikatur-von-anetta-kahane-31330396 Katrin Bischoff: ''Antisemitische Darstellung. AfD-Fraktion verbreitet Karikatur von Anetta Kahane'', Berliner Zeitung, 21. September 2018]</ref> Laut [[Britta Schellenberg]] kreierte [[Thorsten Hinz]] mit seiner Beschreibung Kahanes in der [[Junge Freiheit|Jungen Freiheit]] „ein klassisches rechtsextremes Feindbild: Jüdisch, Spitzel und Bolschewiki.“<ref>Thorsten Hinz: ''Anetta Kahane. Die Zuträgerin.'' Junge Freiheit 36, 31. August 2007; referiert nach Britta Schellenberg: ''Die Rechtsextremismus-Debatte: Charakteristika, Konflikte und ihre Folgen.'' 2. Auflage, Springer VS, Wiesbaden 2013, ISBN 978-3-658-04176-2, S. 208 f. und Fn. 843</ref> Anetta Kahane stand auf der Liste möglicher Anschlagsopfer des rechtsextremen Oberleutnants [[Terrorermittlungen gegen Bundeswehrsoldaten 2017|Franco A.]]<ref>[https://www.zeit.de/kultur/2017-05/bundeswehr-franco-a-terrorgruppe-wehrmacht-weimarer-republik/komplettansicht Wolfram Wette: ''Franco A. und die anderen'', Zeit Online, 12. Mai 2017]</ref> Rechtsextreme „[[Identitäre Bewegung|Identitäre]]“ blockierten zeitweise die Stiftungsräume, nachdem Bundesjustizminister [[Heiko Maas]] Kahane als Vertreterin der Amadeu Antonio Stiftung 2016 eingeladen hatte, an einer Task-Force zum „Umgang mit rechtswidrigen Hassbotschaften im Internet“ beratend mitzuwirken.
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Über Kahanes IM-Vergangenheit und ihre Mitwirkung bei der Task-Force stritten die Historiker [[Hubertus Knabe]] und [[Jens Gieseke]]. Knabe kritisierte, dass eine ehemalige IM für eine „sensible Aufgabe wie die Kontrolle des Internets“ herangezogen werde. Gieseke hielt dem entgegen, dass Knabes Argumentation dem eingeschliffenen Muster folge, „ausgerechnet der Stasi das letzte Wort über das Schicksal von heutigen politischen Akteuren zuzusprechen“.<ref>[https://www.tagesspiegel.de/politik/amadeu-antonio-stiftung-streit-um-die-stasi-vergangenheit-von-anetta-kahane/14966422.html Matthias Meisner: ''Streit um die Stasi-Vergangenheit von Anetta Kahane'', Der Tagesspiegel, 13. Dezember 2016]</ref>
Über Kahanes IM-Vergangenheit und ihre Mitwirkung bei der Task-Force stritten die Historiker [[Hubertus Knabe]] und [[Jens Gieseke]]. Knabe kritisierte, dass eine ehemalige IM für eine „sensible Aufgabe wie die Kontrolle des Internets“ herangezogen werde. Gieseke hielt dem entgegen, dass Knabes Argumentation dem eingeschliffenen Muster folge, „ausgerechnet der Stasi das letzte Wort über das Schicksal von heutigen politischen Akteuren zuzusprechen“.<ref>[https://www.tagesspiegel.de/politik/amadeu-antonio-stiftung-streit-um-die-stasi-vergangenheit-von-anetta-kahane/14966422.html Matthias Meisner: ''Streit um die Stasi-Vergangenheit von Anetta Kahane'', Der Tagesspiegel, 13. Dezember 2016]</ref>


In Veröffentlichungen und Projekten setzt sich Kahane mit dem Antisemitismus in Deutschland auseinander und entwickelte pädagogische Praxisangebote mit.<ref name="PraxisangeboteBpB">[http://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtsextremismus/41818/praxisangebote-gegen-antisemitismus?p=all Anetta Kahane: ''Praxisangebote gegen Antisemitismus'', Dossier Rechtsextremismus, Bundeszentrale für politische Bildung, 17. Januar 2007]</ref> Die Amadeu Antonio Stiftung sammelt seit den 2000er Jahren Meldungen über antisemitische Vorfälle. Kahane thematisierte insbesonders [[Judenfeindlichkeit]] in der DDR, über die sie 2010 sagte: „Alles Jüdische, einschließlich der Judenfeindschaft, war dort ein Tabu […] Man hat das Thema quasi unsichtbar gemacht. Und damit den Bürgern die Möglichkeit genommen, sich mit Juden auseinanderzusetzen. Der Antisemitismus, den es in der DDR auf jeden Fall gab, war sehr subtil und trat vorrangig durch politische, kulturelle und israelfeindliche Stereotype zutage.“<ref>Katrin Richter: [http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/9374/highlight/Anetta&Kahane&Ost-&Berlin ''Interview: „Alles Jüdische war in der DDR ein Tabu“.''] In: ''Jüdische Allgemeine'', 23. Dezember 2010</ref> In einem Gespräch mit dem Journalisten Philipp Gessler 2014 im [[Deutschlandfunk Kultur]] antwortete sie auf die Frage, wo ihrer Meinung nach Israelkritik in Antisemitismus umschlägt, dass sie das Wort ‚Israelkritik‘ nicht verstehe. „Es gibt einen Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern und zwischen Israel und der arabisch-muslimischen Welt, und da kann man natürlich Partei ergreifen, muss man aber nicht.“ Es gebe ein immer wiederkehrendes Argumentationsmuster: „So, wie die Israelis sich den Palästinensern gegenüber verhalten, kann man gut verstehen, dass einem die Juden unsympathisch sind. Da wird eine direkte Verbindung zwischen Juden und Israel hergestellt. Diese Verbindung ist ja vorhanden, natürlich haben alle Juden in irgendeiner Weise was mit Israel zu tun, weil das Wort Israel in jedem Gebet vorkommt. Aber wenn man Juden […] mit dem Staat Israel gleichsetzt, dann kann man das natürlich sofort übertragen auf die Frage, ob die zu uns gehören oder nicht. Und dann ist es antisemitisch.“<ref>[https://www.deutschlandfunkkultur.de/naher-osten-die-juden-wissen-genau-wer-sie-angespuckt-hat.1278.de.html?dram:article_id=293483 ''„Die Juden wissen genau, wer sie angespuckt hat.“ Anetta Kahane von der Amadeu Antonio Stiftung über den aktuellen Antisemitismus.'' Moderation: Philipp Gessler, Deutschlandfunk Kultur, 3. August 2014]</ref>
==== Autobiografie ====

Zusammen mit [[Deidre Berger]], [[Micha Brumlik]], [[Stephan J. Kramer]] und [[Julius H. Schoeps]] gehörte sie 2015 zu den Initiatoren des „Netzwerks zur Erforschung und Bekämpfung des Antisemitismus“ (NEBA).<ref>''Antisemitismus-Experten geben Gründung von Netzwerk bekannt.'' In: ''[[haGalil]]'', 26. Februar 2015</ref><ref>[[Martin Krauß|Martin Krauss]]: [https://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/21672 ''„Einen anderen Akzent setzen“. Neues Netzwerk will Antisemitismus erforschen und bekämpfen.'' In: ''Jüdische Allgemeine'', 5. März 2015]</ref> Gründungsmitglieder sind neben der Amadeu Antonio Stiftung, das [[Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien]] und das [[American Jewish Committee]].<ref>[https://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/22706 Alice Lanzke: ''Netzwerk gegen Antisemitismus. »NEBA«-Gründungskonferenz entwickelt Forderungskatalog für Bundestagsabgeordnete'', Jüdische Allgemeine, 3. Juli 2015]</ref> 2017 organisierte Kahane eine Tagung des Netzwerks mit, die aktuelle antisemitische Entwicklungen diskutierte. Laut Kahane ist Antisemitismus von Heute ein „weltweites Unbehagen am Jüdischen“. Es könne sich „in den unterschiedlichsten Formen bahn brechen, von diffusen Verschwörungstheorien gegenüber einer vermeintlichen jüdischen Machtelite, bis zur Israelkritik in „das wird man ja wohl noch sagen dürfen“-Manier“.<ref>[http://www.taz.de/!5471015/ Dundula Haage: ''Konferenz zum Antisemitismus. „Unbehagen am Jüdischen“'', TAZ, 15. Dezember 2017]</ref>

== Rezeption der Autobiografie ==
In ihrer Autobiografie ''Ich sehe was, was du nicht siehst. Meine deutschen Geschichten'' erinnert sich Kahane in der ersten Hälfte des Buches an ihre Kindheit und Jugend in der DDR. Im zweiten Teil berichtet sie von ihrem Kampf gegen Rechtsextremismus im vereinten Deutschland.
In ihrer Autobiografie ''Ich sehe was, was du nicht siehst. Meine deutschen Geschichten'' erinnert sich Kahane in der ersten Hälfte des Buches an ihre Kindheit und Jugend in der DDR. Im zweiten Teil berichtet sie von ihrem Kampf gegen Rechtsextremismus im vereinten Deutschland.


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Für Andreas Bock ''([[Süddeutsche Zeitung]])'' ist Kahanes Autobiografie „ein Buch über den Zustand der Zivilgesellschaft im wiedervereinigten Deutschland“. Das alte Kinderspiel, das dem Buch den Titel gab, ''Ich sehe was, was Du nicht siehst'' werde bei ihr zu einer gesamtgesellschaftlichen Diagnose. Die Erfahrung des Rassismus in der DDR habe zu Kahanes Bruch mit dem Regime geführt. Nach ihrer Erzählung habe der Staat, der sich den Stempel «antifaschistisch» aufgedrückt hat, «de facto eine Auseinandersetzung mit Schuld und Verantwortung für die jüdischen Opfer des Nationalsozialismus von Grund auf verhindert» und „so die Saat für neuen alten Ausländerhass gelegt“. Kahanes Buch hält laut Bock „der deutschen Gesellschaft den Spiegel vor“.<ref>Andreas Bock: ''Antifaschismus reicht nicht. Das Leben von Anetta Kahane in beiden Deutschlands'', Süddeutsche Zeitung, Ressort Politisches Buch, 25. Oktober 2004, S. 18</ref>
Für Andreas Bock ''([[Süddeutsche Zeitung]])'' ist Kahanes Autobiografie „ein Buch über den Zustand der Zivilgesellschaft im wiedervereinigten Deutschland“. Das alte Kinderspiel, das dem Buch den Titel gab, ''Ich sehe was, was Du nicht siehst'' werde bei ihr zu einer gesamtgesellschaftlichen Diagnose. Die Erfahrung des Rassismus in der DDR habe zu Kahanes Bruch mit dem Regime geführt. Nach ihrer Erzählung habe der Staat, der sich den Stempel «antifaschistisch» aufgedrückt hat, «de facto eine Auseinandersetzung mit Schuld und Verantwortung für die jüdischen Opfer des Nationalsozialismus von Grund auf verhindert» und „so die Saat für neuen alten Ausländerhass gelegt“. Kahanes Buch hält laut Bock „der deutschen Gesellschaft den Spiegel vor“.<ref>Andreas Bock: ''Antifaschismus reicht nicht. Das Leben von Anetta Kahane in beiden Deutschlands'', Süddeutsche Zeitung, Ressort Politisches Buch, 25. Oktober 2004, S. 18</ref>


== Mitgliedschaften ==
==== Engagement gegen Antisemitismus ====
* Seit 1997 gehört Anetta Kahane zum Kuratorium der [[Theodor-Heuss-Stiftung]].<ref name="BRalpha2014"/>
In Veröffentlichungen und Projekten setzt sich Kahane mit dem Antisemitismus in Deutschland auseinander und entwickelte pädagogische Praxisangebote mit.<ref name="PraxisangeboteBpB">[http://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtsextremismus/41818/praxisangebote-gegen-antisemitismus?p=all Anetta Kahane: ''Praxisangebote gegen Antisemitismus'', Dossier Rechtsextremismus, Bundeszentrale für politische Bildung, 17. Januar 2007]</ref> Die Amadeu Antonio Stiftung sammelt seit den 2000er Jahren Meldungen über antisemitische Vorfälle. Kahane thematisierte insbesonders [[Judenfeindlichkeit]] in der DDR, über die sie 2010 sagte: „Alles Jüdische, einschließlich der Judenfeindschaft, war dort ein Tabu […] Man hat das Thema quasi unsichtbar gemacht. Und damit den Bürgern die Möglichkeit genommen, sich mit Juden auseinanderzusetzen. Der Antisemitismus, den es in der DDR auf jeden Fall gab, war sehr subtil und trat vorrangig durch politische, kulturelle und israelfeindliche Stereotype zutage.“<ref>Katrin Richter: [http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/9374/highlight/Anetta&Kahane&Ost-&Berlin ''Interview: „Alles Jüdische war in der DDR ein Tabu“.''] In: ''Jüdische Allgemeine'', 23. Dezember 2010</ref> In einem Gespräch mit dem Journalisten Philipp Gessler 2014 im [[Deutschlandfunk Kultur]] antwortete sie auf die Frage, wo ihrer Meinung nach Israelkritik in Antisemitismus umschlägt, dass sie das Wort ‚Israelkritik‘ nicht verstehe. „Es gibt einen Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern und zwischen Israel und der arabisch-muslimischen Welt, und da kann man natürlich Partei ergreifen, muss man aber nicht.“ Es gebe ein immer wiederkehrendes Argumentationsmuster: „So, wie die Israelis sich den Palästinensern gegenüber verhalten, kann man gut verstehen, dass einem die Juden unsympathisch sind. Da wird eine direkte Verbindung zwischen Juden und Israel hergestellt. Diese Verbindung ist ja vorhanden, natürlich haben alle Juden in irgendeiner Weise was mit Israel zu tun, weil das Wort Israel in jedem Gebet vorkommt. Aber wenn man Juden […] mit dem Staat Israel gleichsetzt, dann kann man das natürlich sofort übertragen auf die Frage, ob die zu uns gehören oder nicht. Und dann ist es antisemitisch.“<ref>[https://www.deutschlandfunkkultur.de/naher-osten-die-juden-wissen-genau-wer-sie-angespuckt-hat.1278.de.html?dram:article_id=293483 ''„Die Juden wissen genau, wer sie angespuckt hat.“ Anetta Kahane von der Amadeu Antonio Stiftung über den aktuellen Antisemitismus.'' Moderation: Philipp Gessler, Deutschlandfunk Kultur, 3. August 2014]</ref>
* 2001 wurde sie in die Repräsentantenversammlung (RV) der [[Jüdische Gemeinde zu Berlin|Jüdischen Gemeinde zu Berlin]] gewählt.<ref>[https://www.tagesspiegel.de/berlin/juedische-gemeinde-andreas-nachama-bekam-die-meisten-stimmen/212466.html Der Tagesspiegel, 19. März 2001]</ref>

Zusammen mit [[Deidre Berger]], [[Micha Brumlik]], [[Stephan J. Kramer]] und [[Julius H. Schoeps]] gehörte sie 2015 zu den Initiatoren des „Netzwerks zur Erforschung und Bekämpfung des Antisemitismus“ (NEBA).<ref>''Antisemitismus-Experten geben Gründung von Netzwerk bekannt.'' In: ''[[haGalil]]'', 26. Februar 2015</ref><ref>[[Martin Krauß|Martin Krauss]]: [https://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/21672 ''„Einen anderen Akzent setzen“. Neues Netzwerk will Antisemitismus erforschen und bekämpfen.'' In: ''Jüdische Allgemeine'', 5. März 2015]</ref> Gründungsmitglieder sind neben der Amadeu Antonio Stiftung, das [[Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien]] und das [[American Jewish Committee]].<ref>[https://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/22706 Alice Lanzke: ''Netzwerk gegen Antisemitismus. »NEBA«-Gründungskonferenz entwickelt Forderungskatalog für Bundestagsabgeordnete'', Jüdische Allgemeine, 3. Juli 2015]</ref> 2017 organisierte Kahane eine Tagung des Netzwerks mit, die aktuelle antisemitische Entwicklungen diskutierte. Laut Kahane ist Antisemitismus von Heute ein „weltweites Unbehagen am Jüdischen“. Es könne sich „in den unterschiedlichsten Formen bahn brechen, von diffusen Verschwörungstheorien gegenüber einer vermeintlichen jüdischen Machtelite, bis zur Israelkritik in „das wird man ja wohl noch sagen dürfen“-Manier“.<ref>[http://www.taz.de/!5471015/ Dundula Haage: ''Konferenz zum Antisemitismus. „Unbehagen am Jüdischen“'', TAZ, 15. Dezember 2017]</ref>

==== Mitgliedschaften ====
Seit 1997 gehört Anetta Kahane zum Kuratorium der [[Theodor-Heuss-Stiftung]].<ref name="BRalpha2014">[https://www.br.de/fernsehen/ard-alpha/sendungen/alpha-forum/anetta-kahane-sendung-100.html ''Kahane, Anetta'', BR alpha, Anetta Kahane im Gespräch mit Jochen Kölsch, 1. April 2014]</ref> 2001 wurde sie in die Repräsentantenversammlung (RV) der [[Jüdische Gemeinde zu Berlin|Jüdischen Gemeinde zu Berlin]] gewählt.<ref>[https://www.tagesspiegel.de/berlin/juedische-gemeinde-andreas-nachama-bekam-die-meisten-stimmen/212466.html Der Tagesspiegel, 19. März 2001]</ref>


== Auszeichnungen ==
== Auszeichnungen ==

Version vom 11. Oktober 2018, 12:27 Uhr

Anetta Kahane, 2014

Anetta Kahane (geboren am 25. Juli 1954 in Ost-Berlin) ist eine deutsche Journalistin und Autorin. Sie engagiert sich gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus. 1990 war sie die erste Ausländerbeauftragte des Ost-Berliner Magistrats, baute nach der Wiedervereinigung die Regionale Arbeitsstelle für Ausländerfragen in Berlin mit auf und setzte sich für eine interkulturelle Bildung an Schulen in den neuen Bundesländern ein. Ende 1998 war sie Mitgründerin der Amadeu Antonio Stiftung, deren hauptamtliche Vorsitzende sie seit 2003 ist.

Leben und Wirken

Familie

Anetta Kahane ist das jüngste Kind des Journalisten Max Kahane und der Künstlerin Doris Kahane, geborene Machol. Beide Eltern waren säkulare Juden und 1933 vor dem nationalsozialistischen Regime aus Deutschland geflohen. Max Kahane kämpfte als Kommunist ab 1938 im spanischen Bürgerkrieg für die Zweite Spanische Republik, dann in der französischen Résistance.[1] Doris Machol schloss sich in Frankreich 1940 einer kommunistischen Organisation der Résistance an.[2] In einem Internierungslager des Vichy-Regimes lernten sie sich kennen. Nach Kriegsende heirateten sie und kehrten 1945 nach Ost-Berlin zurück, um am Aufbau der DDR mitzuwirken. Sie wurden als politisch und rassistisch Verfolgte des Naziregimes (VdN) eingestuft. Einer der Brüder Anetta Kahanes ist der Filmregisseur Peter Kahane. Anetta Kahane ist geschieden und hat eine Tochter.[3]

Kindheit und Jugend

Kahane wuchs in Berlin-Pankow auf.[4] Als der Vater 1957 der erste Auslandskorrespondent der Nachrichtenagentur ADN der DDR in Indien wurde, lebte die Familie drei Jahre in Neu-Delhi und Anetta Kahane besuchte eine indische Vorschule. 1961 wurde sie in Berlin eingeschult und kam zu den Jungen Pionieren. 1963 zog die Familie für neun Monate nach Rio de Janeiro, wo der Vater für die DDR-Zeitung Neues Deutschland als Auslandskorrespondent arbeitete.[5] Dort lernte Anetta Kahane laut ihrer Autobiografie Portugiesisch von einem brasilianischen Hausmädchen.[6]

Wie andere Kinder von Überlebenden des Holocaust ist Anetta Kahane unter dem prägenden Eindruck der Traumata ihrer Eltern aufgewachsen.[7][8] Während ihrer Schulzeit in der DDR bekannte sie sich gegen den Willen ihrer Eltern öffentlich als Jüdin.[9]

Ausbildung und Tätigkeiten bis 1990

1973 machte Kahane Abitur. Sie begann anschließend ein Volontariat in der Lateinamerika-Redaktion des Senders Radio Berlin International. Von Herbst 1974 bis 1979 studierte sie Lateinamerikanistik an der Universität Rostock. Nach dem Diplomabschluss wurde sie der Humboldt-Universität zu Berlin zugeteilt, wo sie von 1980 bis 1983 portugiesischen Sprachunterricht gab. Ab 1983 bis 1989 arbeitete sie freiberuflich als literarische Übersetzerin.[10] Sie war nie Mitglied der SED.[5]

Im Alter von 19 Jahren wurde Anetta Kahane vom Ministerium für Staatssicherheit (MfS) angeworben. Nachdem eine Freundin bei einem Fluchtversuch verhaftet worden war, verhörte das MfS Kahane als mögliche Mitwisserin der Flucht. Sie willigte in die Zusammenarbeit ein.[11] Das MfS führte sie von 1974 bis 1982 als IM Victoria und setzte sie vor allem auf Westdeutsche und in der DDR lebende Ausländer an. Dabei wurde sie laut den MfS-Akteneinträgen als „unzuverlässig, politisch-ideologisch unausgereift und schwer zu führen“ eingestuft, so dass das MfS ihr zunächst die Erlaubnis zu Auslandsreisen verwehrte. Nach Angaben ihres Führungsoffiziers berichtete sie mündlich in den Anfangsmonaten auch „belastend“ über Freunde und Studienkollegen.[12] Sie soll Dutzende Personen aus ihrem Umfeld bespitzelt haben, darunter Künstler, einen ZDF-Reporter, Westberliner Studenten und in der DDR lebende Ausländer.[13]

Kahane durfte 1979 nach São Tomé und Príncipe (Westafrika) reisen, um als Dolmetscherin für Portugiesisch im dortigen Staatlichen Planungsministerium der DDR zu arbeiten; 1981 begleitete sie Tiefbauingenieure in Mosambik. Nach ihrer Rückkehr wusste sie, dass es für sie „keine politische Identifikation mit der realen DDR mehr geben könnte“.[9] Nach ihren Angaben erlebte sie die vorgebliche „sozialistische Bruderhilfe“ als rassistischen und paternalistischen Umgang der DDR-Vertreter mit der Bevölkerung. Darin habe sie das Versagen und die Verlogenheit des staatlich verordneten Antifaschismus erkannt.[9] 1982 brach sie die Zusammenarbeit mit dem MfS ab.[14] Sie wurde daraufhin von der Reisekaderliste gestrichen,[12] verlor ihre Anstellung an der Universität und erhielt nur noch eingeschränkt Übersetzungsaufträge.[15] Von 1983 bis mindestens 1988 war sie selbst Gegenstand der Beobachtung der Stasi.

In der aufkommenden Bürgerrechtsbewegung setzte sie sich für Ausländer und Minderheiten ein. Sie nahm für das Neue Forum an der Arbeitsgruppe Ausländerfragen des Runden Tisches teil.[16] Von Mai bis Oktober 1990 wurde sie die erste und zugleich letzte Ausländerbeauftragte im Magistrat von Ost-Berlin.[17]

Tätigkeiten seit 1991

Das Bundesland Berlin beauftragte 1991 Anetta Kahane, die zu dem Zeitpunkt Verwaltungsangestellte war, mit Unterstützung der Freudenberg Stiftung die Regionale Arbeitsstelle für Ausländerfragen in Berlin aufzubauen. Weitere 17 Projekte entstanden in den darauf folgenden Jahren in Ostdeutschland.[18][19] Treibende Kräfte waren Christian Petry von der Freudenberg Stiftung und Anetta Kahane.[20] Sie gründete den Verein RAA e.V. (Regionale Arbeitsstellen für Ausländerfragen, Jugendarbeit und Schule) als Träger aller RAA in den neuen Bundesländern. Die Bekämpfung des Rechtsextremismus, die Erziehung zur Demokratie und interkulturelle Bildung waren vom Beginn der 1990er Jahre die wichtigsten Schwerpunkte der ostdeutschen Regionalen Arbeitsstellen. Für die ostdeutschen pädagogischen Zentren entwickelte die RAA Berlin Kriterien, „die helfen sollten eine demokratische Kultur zu schaffen“. Kahane war überzeugt, dass eine demokratische, zur Nachbarschaft offene Schule der Weg sei, der Gefahr der Ethnisierung von Konflikten und der sozialen Ausgrenzung entgegenzuwirken.[21] Kahane und Bernd Wagner, mit dem sie in den Regionalen Arbeitsstellen und dem Zentrum Demokratische Kultur zusammenarbeitete,[22] vertraten seit 1990, Rechtsextremismus in Ostdeutschland nach der Wende lasse sich nicht nur ökonomisch und sozialpsychologisch erklären, sondern müsse historisch aus der DDR-Geschichte begriffen werden. Dort habe es lange vor 1989 Ausländerfeindlichkeit und eine rechte Jugendszene gegeben.[23] Ihre Thesen, die als Sichtweise von wenigen Aktivisten galten, werden erst seit Ende der 1990er Jahre in der Forschung stärker beachtet.[24] Als die Fremdenfeindlichkeit und der Rechtsextremismus in Ostdeutschland weiter eskalierten, gründete Kahane zusammen mit anderen 1998 die Amadeu Antonio Stiftung mit dem Ziel, die demokratische Zivilgesellschaft gegen Antisemitismus, Rassismus und Rechtsextremismus stärken. Bis 2003 war sie Leiterin der RAA Berlin und Geschäftsführerin des RAA e.V.[10] Im selben Jahr wurde sie hauptamtliche Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung.

2002 erfuhr eine breite Öffentlichkeit, dass Anetta Kahane als Inoffizielle Mitarbeiterin der Stasi gearbeitet hat. In einem Radiointerview am 8. Oktober 2002 hatte die Sozialsenatorin des Landes Berlin, Heidi Knake-Werner, bekannt gegeben, dass Kahane ihre Wunschkandidatin als Nachfolgerin von Barbara John, der Ausländerbeauftragten des Berliner Senats, sei.[25] In diesem Zusammenhang berichteten Zeitungen über ihre frühere IM-Tätigkeit.[26] Am 10. Oktober erklärte Kahane, sie stehe für dieses Amt nicht zur Verfügung.[27] In ihrer 2004 erschienenen Autobiografie Ich sehe was, was du nicht siehst berichtet sie ausführlich auch über ihre Stasi-Tätigkeit. 2012 beauftragte sie den Politikwissenschaftler Helmut Müller-Enbergs Art und Folgen ihrer Tätigkeit als IM zu bewerten.[28] Er legte im November 2014 seine zusammenfassende gutachterliche Stellungnahme vor: Aus den ihm von Kahane übergebenen Akten (von der BStU zur Verfügung gestellt) ergebe sich nicht, dass Kahane im Rahmen ihrer inoffiziellen Kooperation mit dem MfS in den Jahren von 1974 bis 1982 Dritten Nachteile zugefügt habe.[12][29][30] Er hielt aber fest, dass jede Art von Informationen an das MfS das Risiko einer Benachteiligung enthalten konnten. Auch eine Vorteilsnahme Kahanes sei in den Akten nicht zu erkennen.[12] Das Gutachten zur früheren IM-Tätigkeit Kahanes ist seit 2016 auf der Website der Amadeu Antonio Stiftung veröffentlicht.

Neurechte und rechtsextreme Gegner Kahanes instrumentalisieren ihre IM-Vergangenheit für kampagnenartige Angriffe gegen sie, die zum Teil antisemitische Züge tragen und bis zu Morddrohungen gehen[31][32][33] sowie mit antisemitischen Karikaturen im Netz, die u. a. auch von der AfD-Fraktion Potsdam verbreitet wurden.[34] Laut Britta Schellenberg kreierte Thorsten Hinz mit seiner Beschreibung Kahanes in der Jungen Freiheit „ein klassisches rechtsextremes Feindbild: Jüdisch, Spitzel und Bolschewiki.“[35] Anetta Kahane stand auf der Liste möglicher Anschlagsopfer des rechtsextremen Oberleutnants Franco A.[36] Rechtsextreme „Identitäre“ blockierten zeitweise die Stiftungsräume, nachdem Bundesjustizminister Heiko Maas Kahane als Vertreterin der Amadeu Antonio Stiftung 2016 eingeladen hatte, an einer Task-Force zum „Umgang mit rechtswidrigen Hassbotschaften im Internet“ beratend mitzuwirken.

Über Kahanes IM-Vergangenheit und ihre Mitwirkung bei der Task-Force stritten die Historiker Hubertus Knabe und Jens Gieseke. Knabe kritisierte, dass eine ehemalige IM für eine „sensible Aufgabe wie die Kontrolle des Internets“ herangezogen werde. Gieseke hielt dem entgegen, dass Knabes Argumentation dem eingeschliffenen Muster folge, „ausgerechnet der Stasi das letzte Wort über das Schicksal von heutigen politischen Akteuren zuzusprechen“.[37]

In Veröffentlichungen und Projekten setzt sich Kahane mit dem Antisemitismus in Deutschland auseinander und entwickelte pädagogische Praxisangebote mit.[38] Die Amadeu Antonio Stiftung sammelt seit den 2000er Jahren Meldungen über antisemitische Vorfälle. Kahane thematisierte insbesonders Judenfeindlichkeit in der DDR, über die sie 2010 sagte: „Alles Jüdische, einschließlich der Judenfeindschaft, war dort ein Tabu […] Man hat das Thema quasi unsichtbar gemacht. Und damit den Bürgern die Möglichkeit genommen, sich mit Juden auseinanderzusetzen. Der Antisemitismus, den es in der DDR auf jeden Fall gab, war sehr subtil und trat vorrangig durch politische, kulturelle und israelfeindliche Stereotype zutage.“[39] In einem Gespräch mit dem Journalisten Philipp Gessler 2014 im Deutschlandfunk Kultur antwortete sie auf die Frage, wo ihrer Meinung nach Israelkritik in Antisemitismus umschlägt, dass sie das Wort ‚Israelkritik‘ nicht verstehe. „Es gibt einen Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern und zwischen Israel und der arabisch-muslimischen Welt, und da kann man natürlich Partei ergreifen, muss man aber nicht.“ Es gebe ein immer wiederkehrendes Argumentationsmuster: „So, wie die Israelis sich den Palästinensern gegenüber verhalten, kann man gut verstehen, dass einem die Juden unsympathisch sind. Da wird eine direkte Verbindung zwischen Juden und Israel hergestellt. Diese Verbindung ist ja vorhanden, natürlich haben alle Juden in irgendeiner Weise was mit Israel zu tun, weil das Wort Israel in jedem Gebet vorkommt. Aber wenn man Juden […] mit dem Staat Israel gleichsetzt, dann kann man das natürlich sofort übertragen auf die Frage, ob die zu uns gehören oder nicht. Und dann ist es antisemitisch.“[40]

Zusammen mit Deidre Berger, Micha Brumlik, Stephan J. Kramer und Julius H. Schoeps gehörte sie 2015 zu den Initiatoren des „Netzwerks zur Erforschung und Bekämpfung des Antisemitismus“ (NEBA).[41][42] Gründungsmitglieder sind neben der Amadeu Antonio Stiftung, das Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien und das American Jewish Committee.[43] 2017 organisierte Kahane eine Tagung des Netzwerks mit, die aktuelle antisemitische Entwicklungen diskutierte. Laut Kahane ist Antisemitismus von Heute ein „weltweites Unbehagen am Jüdischen“. Es könne sich „in den unterschiedlichsten Formen bahn brechen, von diffusen Verschwörungstheorien gegenüber einer vermeintlichen jüdischen Machtelite, bis zur Israelkritik in „das wird man ja wohl noch sagen dürfen“-Manier“.[44]

Rezeption der Autobiografie

In ihrer Autobiografie Ich sehe was, was du nicht siehst. Meine deutschen Geschichten erinnert sich Kahane in der ersten Hälfte des Buches an ihre Kindheit und Jugend in der DDR. Im zweiten Teil berichtet sie von ihrem Kampf gegen Rechtsextremismus im vereinten Deutschland.

Aufschlussreicher als historische Fakten über die DDR fand Viola Roggenkamp (Die Welt) „die durchfühlten Erinnerungen“, „das subjektive Erleben“, das Kahane auf ihre Weise versuche. Kahane dokumentiere ihr eigenes Dilemma mit den Worten: «Mir sind die Motive suspekt, aus denen viele Menschen mit der DDR abrechnen wollen, doch mindestens genauso suspekt ist es mir, wenn sie es nicht tun.» Roggenkamp fragt sich, warum deutsche Juden, wie Kahanes Eltern, in die DDR gegangen sind. Sie hätten doch nicht übersehen können, dass die DDR genauso „Nazi-Land“ gewesen war wie die BRD. Die aus dem Exil zurückgekehrten Juden, „ohne dass es das Wort Jude gab“, hätten als ‚Opfer des Faschismus‘ weniger gegolten als ‚Kämpfer gegen den Faschismus‘. Doch sie seien nun auch als die besseren Deutschen erlebt worden, die ein besseres Deutschland aufbauen wollten und dafür seien sie „mehr oder weniger gehasst“ worden.[45]

Kahane habe sich als junge Frau in der DDR bewähren, den Idealen ihrer Eltern, deren „unpathetischen, antifaschistischen Heroismus“ sie bewunderte, und des antifaschistischen Staates gleichermaßen gerecht werden wollen, schrieb Martin Jander (H-Soz-Kult). Dazu habe auch die „erpresste Verpflichtung zur Spitzeltätigkeit für das MfS“ gehört. Ihr „zunächst nur zögernd und dann radikaler vollzogene Ausbruch aus der «Antifaschismusfalle»“ mache ihre Autobiografie „zu einer ungewöhnlichen Dokumentation des Alltags in der nachnationalsozialistischen DDR“, so Jander.[9]

Uwe Stolzmann (Neue Zürcher Zeitung) fragte sich, woher Kahanes „Tunnelblick“ auf die DDR komme. „Das Wort ‚Privilegien‘ mag Anetta Kahane nicht hören, doch es gab sie: Reisen nach Indien und Brasilien (wo der Vater Korrespondent wurde), Ferienplätze auf Schloss Wiepersdorf und an der Schwarzmeerküste, dann das Studium der Lateinamerikanistik und ein Job beim Aussenhandel in Sao Tomé und Moçambique.“ In Kahanes Erinnerung sei „der kleine deutsche Staat ein abstossendes Gebilde: kalt und eng, spiessig und rassistisch, ein Quell für Hass und dauerhafte Frustration“. Er vermutet dahinter „Wut auf den Vater“, der sich nach Meinung von Kahane zu sehr anpasste, oder „Scham darüber, dass sie gelegentlich der Staatssicherheit zu Diensten war“. Ein „Dokument eines außergewöhnlichen Lebens“, als das die Verlagswerbung es ankündigte, sei ihr Buch dadurch nicht geworden.[46]

Micha Brumlik (Die Tageszeitung) las Kahanes Geschichte der „Kindheit und Jugend eines jüdischen Mädchens in der Nomenklatura der DDR“ als „Fallstudie über jüdische Identitätsbildung“. Nachdem die Hoffnungen auf „einen besseren, einen antirassistischen deutschen Staat restlos verflogen“ waren, sei der Versuch geblieben, „in der maroden DDR zu einem neuen, einem jüdischen Selbstverständnis zu finden“. In ihren Schilderungen ließe sich nachvollziehen, „wie viele verschiedene innere und äußere, psychische, soziale und politische Motive zusammenwirken müssen, damit ein deutsch-jüdisches Selbstverständnis wiedererfunden werden konnte“.[47]

Für Andreas Bock (Süddeutsche Zeitung) ist Kahanes Autobiografie „ein Buch über den Zustand der Zivilgesellschaft im wiedervereinigten Deutschland“. Das alte Kinderspiel, das dem Buch den Titel gab, Ich sehe was, was Du nicht siehst werde bei ihr zu einer gesamtgesellschaftlichen Diagnose. Die Erfahrung des Rassismus in der DDR habe zu Kahanes Bruch mit dem Regime geführt. Nach ihrer Erzählung habe der Staat, der sich den Stempel «antifaschistisch» aufgedrückt hat, «de facto eine Auseinandersetzung mit Schuld und Verantwortung für die jüdischen Opfer des Nationalsozialismus von Grund auf verhindert» und „so die Saat für neuen alten Ausländerhass gelegt“. Kahanes Buch hält laut Bock „der deutschen Gesellschaft den Spiegel vor“.[48]

Mitgliedschaften

Auszeichnungen

Veröffentlichungen

Autobiografie

Herausgeberin

  • Nach Auschwitz. Schwieriges Erbe DDR. Plädoyer für einen Paradigmenwechsel in der DDR-Zeitgeschichtsforschung. Mit Enrico Heitzer, Martin Jander, Patrice G. Poutrus, Wochenschau Verlag Wissenschaft, Frankfurt a. M. 2018, ISBN 978-3-7344-0705-5
  • Begegnungen, die Hoffnung machen. Grenzen gegenüber Ausländern überwinden. Mit Eleni Torossi, Herder, Freiburg 1993, ISBN 3-89331-176-9

Buchbeiträge

  • Rechtsextremismus. Herausforderungen für die ganze Gesellschaft. In: W. Frindte, D. Geschke, N. Haußecker, F. Schmidtke (Hrsg.): Rechtsextremismus und „Nationalsozialistischer Untergrund“, Springer VS, Wiesbaden 2016, ISBN 978-3-658-09997-8, S. 303–307
  • Der Partisan aus Chemnitz. In: Gisela Dachs (Hrsg.): Proteste. Jüdische Rebellion in Jerusalem, New York und andernorts. Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag, Berlin 2012, ISBN 978-3-633-54261-1, S. 59–71.
  • Erinnern heißt Leben. In: Beatrice von Weizsäcker, Hildegard Hamm-Brücher (Hrsg.): Demokratie ist keine Glücksversicherung: vierzig Jahre Theodor-Heuss-Preis, 1965 bis 2005: Chronik und Zeitansage. Hohenheim, 2005, ISBN 3-89850-129-9, S. 227 ff.
  • Jeckes in der DDR. In: Gisela Dachs (Hrsg.): Die Jeckes. Jüdischer Verlag im Suhrkamp-Verlag, 2005, ISBN 3-633-54219-1
  • Ich habe die Möglichkeit, etwas zu tun. In: Elmar Balster (Hrsg.): Augenblicke. Portraits von Juden in Deutschland. Mosse, Berlin 2003, ISBN 3-935097-08-5, S. 45–46
  • Handeln für Demokratie ist Handeln gegen Rechtsextremismus. In: Jens Mecklenburg (Hrsg.): Was tun gegen Rechts, Elefanten Press, Berlin 1999, ISBN 978-3-88520-749-8, S. 58–71
  • Ich durfte, die anderen mußten … In: Vincent von Wroblewsky (Hrsg.): Zwischen Thora und Trabant. Juden in der DDR. Aufbau, Berlin 1993, ISBN 3-7466-7011-X, S. 124–144
  • Fremdheit mit Folgen: Geschichte einer Ausländerbeauftragten. In: Namo Aziz, Thea Bauriedl (Hrsg.): Fremd in einem kalten Land: Ausländer in Deutschland. Herder, Freiburg 1992, ISBN 3-451-04130-8, S. 137 ff.

Artikel (Auswahl)

Artikel in Bulletin. Schriftenreihe des Zentrum Demokratische Kultur[53]:

  • Antisemitismus als Herausforderung für die Demokratie. 2004/5, S. 5–6
  • Was ist Zivilgesellschaft ? 2000/1, S. 6–11
  • Zivilgesellschaft und Barbarei 2000/1, S. 11–12
  • Die reine Lehre ist die reine Lehre. Zur Kritik der akzeptierenden Sozialarbeit. 1999/1, S. 5–7
  • Ferch – Ein Orts des Glücks? 1998/4, S. 41–44
  • Unsere Schule ist wie Schoko mit Vanille – ein Beispiel aus B-Lichtenberg. 1998/4, S. 16
  • Handeln für mehr Demokratie ist Handeln gegen Rechtsextremismus. 1998/4, S. 8–16 (mit Bernd Wagner, Sylke Kirschnick)
  • Protest!? 1998/2, S. 24–25
  • Gedanken zum Gedenken 1998/2, S. 18–19
  • Solidarität neu denken 1998/1, S. 3–4

Literatur

  • Peter Schneider: Anetta Kahane und die Amadeu Antonio Stiftung. In: Peter Schneider: An der Schönheit kann’s nicht liegen. Berlin – Porträt einer ewig unfertigen Stadt. btb, München 2016, ISBN 978-3-442-71379-0, S. 228–238.
  • Esther Schapira, Georg M. Hafner: Sie halten einfach einen starken Juden nicht aus – Zu Besuch bei Anetta Kahane. In: Esther Schapira, Georg M. Hafner: Israel ist an allem schuld: Warum der Judenstaat so gehasst wird. Bastei Lübbe, Köln 2015, ISBN 978-3-7325-0596-8, S. 190–194.
Commons: Anetta Kahane – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Annette LeoKahane, Max Leon. In: Wer war wer in der DDR? 5. AusgabeBand 1. Ch. Links, Berlin 2010, ISBN 978-3-86153-561-4.
  2. Ulla Plener (Hrsg.): Frauen aus Deutschland in der französischen Résistance. Eine Dokumentation. Edition Bodoni, Berlin 2005, ISBN 3-929390-90-6, S. 284
  3. Anetta Kahane: Vorsitzende Amadeu Antonio Stiftung im Gespräch mit Jochen Kölsch alpha-Forum, br.de, 24. April 2014, PDF-Datei, S. 8
  4. Sabine am Orde: „Ich war nicht gemacht für die DDR“: Anetta Kahane. In: taz.de, 30. August 2004
  5. a b c Zur Person: Kahane, Anetta, BR alpha, 1. April 2014
  6. Anetta Kahane: Ich sehe was, was du nicht siehst, S. 5–31
  7. Gerald Beyrodt: Stumme Ausgrenzung. Juden in der DDR, Deutschlandfunk Kultur, 6. November 2009
  8. Antisemitismus in Deutschland, Anetta Kahane im Interview mit Gerald Beyrodt, Deutschlandfunk, 9. November 2017
  9. a b c d A. Kahane: Ich sehe was, was du nicht siehst. Rezensiert für H-Soz-Kult von Martin Jander, 3. November 2011
  10. a b Rupert Strachwitz, Florian Mercker: Stiftungen in Theorie, Recht und Praxis: Handbuch für ein modernes Stiftungswesen, Duncker & Humblot, 2005, ISBN 978-3-428-11680-5, S. 1135
  11. Arbeitgeber stellt sich hinter Anetta Kahane, Der Tagesspiegel, 12. Oktober 2002
  12. a b c d Helmut Müller-Enbergs: Zusammenfassende gutachterliche Stellungnahme zu Frau Anetta Kahane und die DDR-Staatssicherheit (PDF, Amadeu Antonio Stiftung, 26. November 2014).
  13. Uwe Müller: Birthler-Behörde ließ Stasi-Spitzel einladen. In: Die Welt, 25. September 2007
  14. Peter Schneider: Anetta Kahane und die Amadeu Antonio Stiftung. In: Peter Schneider: An der Schönheit kann's nicht liegen, München 2016, S. 232
  15. Anetta Kahane im Gespräch mit Jochen Kölsch. In: Bayerischer Rundfunk, alpha-Forum, 1. April 2014
  16. Teilnehmerliste der Sitzung AG-Ausländerfragen am 2. Jan. 1990. Sitzungen. - Protokolle und Vorlagen der 1. bis 10. Sitzung. In: Arbeitsgruppen des Zentralen Runden Tisches – Arbeitsgruppe Ausländerfragen. Bundesarchiv, abgerufen am 25. August 2018.
  17. ("...enorm viel Verständnis auch für die Deutschen", Interview mit der neuen Ostberliner Ausländerbeauftragten Anetta Kahane/Ihre Zielrichtung: "Inländer müssen begleitet werden, weil sie keine Erfahrung haben, was es heißt, mit Ausländern zusammenzuleben"/Schlechte Startbedingungen, taz, 10. Mai 1990, ddr89.de)
  18. Britta Kollberg, Cordula Mäbert, Herbert Weber: „- dann hab' ich mir das Hitlerbärtchen abrasiert“: Exit – Ausstieg aus der rechtsextremen Szene. In: Rechtsextremismus, Jugendgewalt, Neue Medien, Band 2. Zentrum Demokratische Kultur, Klett Schulbuchverlag, 2002, ISBN 3-12-060202-7, S. 3–5
  19. Barbara Junge: John-Nachfolge: Kandidatin war Stasi-IM. In: Der Tagesspiegel, 9. Oktober 2002
  20. Klaus Peter Wallraven: Handbuch politische Bildung in den neuen Bundesländern, Wochenschau Verlag, 2003, ISBN 978-3-87920-627-8, S. 74
  21. Silke Kirschnik: Rechtsextremismus an Schulen. Was tun? Anregungen und Argumente für Lehrer/innen, in: Christoph Butterwegge, Georg Lohmann (Hrsg.): Jugend, Rechtsextremismus und Gewalt: Analyse und Argumente, Leske & Budrich, Opladen 2001, S. 147
  22. Jeanette Goddar: Menschenrechtlerin mit Akte, Taz, 10. Oktober 2002
  23. Michael Hammerbacher: Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit: Handlungsstrategien gegen eine rechtsextreme Jugendkultur und fremdenfeindliche Einstellungen. Diplomica, Hamburg 2015, ISBN 978-3-95934-688-7, S. 67 f.
  24. Wolfgang Edelstein: Die Ausbreitung rechter Jugendkultur in Deutschland, in: Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus. Dokumentation einer multidisziplinären Vortragsreihe, hrsg. von Felix Büchel u. a., Leske und Budrich, Opladen 2002, ISBN 978-3-8100-3542-4, S. 20
  25. Sabine am Orde: Kandidatin wider Willen. In: taz vom 9. Oktober 2002. Online.
  26. Barbara Junge: John-Nachfolge: Kandidatin war Stasi-IM. In: Tagesspiegel online, 9. Oktober 2002.
  27. Kahane sagt ab. John-Nachfolge wieder offen. In: Tagesspiegel online, 11. Oktober 2002.
  28. Klaus Pokatzky: Anetta Kahane. Unbeirrbares Engagement gegen rechten Hass. In: Deutschlandradio Kultur, 6. Juni 2016
  29. Matthias Meisner: Angriffe gegen Amadeu-Antonio-Stiftung. Volle Kanne Hass, Der Tagesspiegel, 3. März 2018
  30. Hanna Spanhel: Wenn Helfer Opfer rechter Übergriffe werden, Süddeutsche Zeitung, 26. April 2016
  31. Hanna Spanhel: Rechtsextremismus. Wenn Helfer Opfer rechter Übergriffe werden. In: Süddeutsche Zeitung, 26. April 2016
  32. Angriffe gegen Amadeu-Antonio-Stiftung: Volle Kanne Hass. In: Tagesspiegel, 3. August 2016
  33. Konrad Litschko: Drohungen im Netz, Kleber an der Tür, Taz, 25. April 2016
  34. Katrin Bischoff: Antisemitische Darstellung. AfD-Fraktion verbreitet Karikatur von Anetta Kahane, Berliner Zeitung, 21. September 2018
  35. Thorsten Hinz: Anetta Kahane. Die Zuträgerin. Junge Freiheit 36, 31. August 2007; referiert nach Britta Schellenberg: Die Rechtsextremismus-Debatte: Charakteristika, Konflikte und ihre Folgen. 2. Auflage, Springer VS, Wiesbaden 2013, ISBN 978-3-658-04176-2, S. 208 f. und Fn. 843
  36. Wolfram Wette: Franco A. und die anderen, Zeit Online, 12. Mai 2017
  37. Matthias Meisner: Streit um die Stasi-Vergangenheit von Anetta Kahane, Der Tagesspiegel, 13. Dezember 2016
  38. Anetta Kahane: Praxisangebote gegen Antisemitismus, Dossier Rechtsextremismus, Bundeszentrale für politische Bildung, 17. Januar 2007
  39. Katrin Richter: Interview: „Alles Jüdische war in der DDR ein Tabu“. In: Jüdische Allgemeine, 23. Dezember 2010
  40. „Die Juden wissen genau, wer sie angespuckt hat.“ Anetta Kahane von der Amadeu Antonio Stiftung über den aktuellen Antisemitismus. Moderation: Philipp Gessler, Deutschlandfunk Kultur, 3. August 2014
  41. Antisemitismus-Experten geben Gründung von Netzwerk bekannt. In: haGalil, 26. Februar 2015
  42. Martin Krauss: „Einen anderen Akzent setzen“. Neues Netzwerk will Antisemitismus erforschen und bekämpfen. In: Jüdische Allgemeine, 5. März 2015
  43. Alice Lanzke: Netzwerk gegen Antisemitismus. »NEBA«-Gründungskonferenz entwickelt Forderungskatalog für Bundestagsabgeordnete, Jüdische Allgemeine, 3. Juli 2015
  44. Dundula Haage: Konferenz zum Antisemitismus. „Unbehagen am Jüdischen“, TAZ, 15. Dezember 2017
  45. Viola Roggenkamp: Deutschstunde, Die Welt (Literarische Welt), Jg. 59, 3. April 2004, Nr. 80, S. 7
  46. Uwe Stolzmann: Was, Sie sind keine Ost-Frau? Neue Zürcher Zeitung, Nr. 239, Feuilleton, S. 45, 13. Oktober 2004
  47. Micha Brumlik: Iphigenie in der Uckermark, Taz (Archiv), 26. Juni 2004
  48. Andreas Bock: Antifaschismus reicht nicht. Das Leben von Anetta Kahane in beiden Deutschlands, Süddeutsche Zeitung, Ressort Politisches Buch, 25. Oktober 2004, S. 18
  49. Der Tagesspiegel, 19. März 2001
  50. Theodor Heuss Stiftung: Preisträger 1991
  51. Aufrechter Gang. Theodor-Heuss-Preis für Bürgerrechtler, Zeit Online, Die Zeit 12/1991 vom 15. März 1991
  52. Amory Burchard: Einsatz inmitten der braunen Flut. Anetta Kahane wird heute der Moses-Mendelssohn-Preis für ihr Engagement gegen Rechts verliehen, Der Tagesspiegel, 5. September 2002
  53. Norbert Madloch: Rechtsextremismus in der DDR und in den neuen Bundesländern. Auswahl–Bibliographie.