Nusplinger Plattenkalk

Nusplinger Plattenkalk-Steinbruch, NSG Westerberg bei Nusplingen

Der Nusplinger Plattenkalk ist eine geologische Gesteinseinheit bei Nusplingen im Zollernalbkreis, Baden-Württemberg. Er ist besonders als Fossillagerstätte aus dem Kimmeridgium, einer Stufe des Oberjura bekannt.[1][2] Ähnlich wie der bekanntere Solnhofener Plattenkalk besteht er vor allem aus in einem marinen Becken abgelagerten Kalkstein. Bekannte Fossile umfassen Flugsaurier (Pterodactylus Suevicus), sowie den ältesten erdläufigen Hundertfüßer Eogeophilus, oder außergewöhnlich gut erhaltene Quastenflosser.

Der Plattenkalk wurde im 19. Jahrhundert nur über wenige Jahre zur Nutzung als Dach- und Bodenplatten und als Lithografie-Stein abgebaut. Erst im Jahr 2001 wurden wieder für die Lithografie geeignete Steine entdeckt.[3]

Geschichte

Cycnorhamphus suevicus (vormals Pterodactylus suevicus), einer der ersten vollständigen Pterosaurier, in Nusplingen vorgestellt von Quenstedt in 1855

Kommerzielle Grabungen

Friedrich August Quenstedt von der Universität Tübingen nannte erstmals 1843 den Nusplinger Plattenkalk in einem Bericht, nachdem er von einem ehemaligen Studenten und in Nusplingen arbeitenden Arzt, Friedrich Kinzelbach auf die Fundstelle hingewiesen worden war[4]. Über die nächsten zehn Jahre erregte die Fundstelle immer weiter das Interesse lokaler Fossiliensammler, sowie auch von zwei Firmen, welche sich erhofften, Lithografiesteine zu gewinnen. Trotz eines Mangel an kommerziellen Erfolgen, wurde die Fundstelle doch aus wissenschaftlichem Interesse weiter abgebaut. So wurden spektakuläre Funde wie der Flugsaurier 'Gallodactylus suevicus' und zwei Meereskrokodile der Gattung 'Geosaurus suevicus' geborgen. Erst 1869 wurde der Nusplinger Steinbruch wieder offiziell in Betrieb genommen, die Plattenkalke wurden zur Herstellung von Dach- und Bodenplatten abgebaut. Nur 9 Jahre später wurde der Abbaubetrieb wieder eingestellt, die Platten hatten sich als wenig verwitterungsresistent erwiesen und wurden von den aufkommenden Dachziegeln abgelöst.[4]

1896 wurde der Steinbruch wieder in Betrieb genommen, diesmal mit der klaren Absicht, spektakuläre Fossilien zu gewinnen. Dies war sowohl von wissenschaftlicher, als auch kommerzieller Seite von Erfolg geprägt. Dennoch beendete Bernhard Stürtz, der Direktor der grabenden Firma bereits 1899 überraschend wieder die Ausgrabungen.[4]

Wissenschaftliche Grabungen

Unter Leitung der Universität Tübingen wurde gegen Ende des Jahres 1929 der Steinbruch erneut aufgewältigt, aufgrund finanzieller Engpässe verzögerte sich die Wiederaufnahme der Grabungen bis 1935, als der Freiwillige Arbeitsdienst zusagte, bei den Grabungen zu unterstuetzen. Noch im selben Jahr wurden die Grabungen wieder eingestellt, Grund hierfür war wohl der Zweiten Weltkrieg. 1938 gelang es dem Verein für vaterländische Naturkunde in Württemberg, das Gelände des Steinbruchs aufzukaufen.

Danach erfolgten nur 1946 unter der Universität Paris und 1962 unter der Universität Tübingen Bemühungen, den Steinbruch erneut zu eröffnen, beide Male ließ mangelnder Erfolg diese Bemühungen schnell wieder vergehen.

Erst 1980, als ein weiterer kleiner Steinbruch zur Gewinnung von Wegschotter in Egesheim eröffnet und durch Bemühung des Staatlichen Museums für Naturkunde Stuttgart drei Jahre später unter Naturschutz gestellt wurde, stieg das Interesse am Steinbruch wieder. Unter Leitung des Museums begannen 1993 in Egesheim und 1994 in Nusplingen wissenschaftliche Grabungen, welche bis mindestens 2015 andauerten.[4][5]

Geologie

Entstehung

Zur Zeit des Kimmeridge, gegen Ende des Juras, war Mitteleuropa größtenteils von Flachmeeren bedeckt. Durch die damalige Äquatornähe bildeten sich im Gebiet der schwäbischen Alb Schwammriffe, welche teilweise bis 100 m über den Meeresboden ragten. Zwischen diesen Schwammriffen bildeten sich wannenartige Strukturen, Lagunen genannt, welche mit Kalk verfüllt wurden. Die besonderen Bedingungen zur Bildung von Plattenkalk wie in Nusplingen waren jedoch nur gegeben, sobald die Schwammriffe die Meeresoberfläche durchstießen und somit die Lagune nahezu komplett isolierten. In Nusplingen lässt sich ein abrupter Wechsel zwischen massivem Kalkstein und Plattenkalk bemerken, was durch sehr schnelle Prozesse bei der Isolation zu erklären ist. Während in den massiven Kalken ein für das Jura typischer Fossilbestand beobachtet werden kann, setzt mit den Plattenkalken auch die ausgezeichnete Fossilführung ein, die den Nusplinger Plattenkalk so bekannt macht.[4]

Gesteinsbeschreibung

Die hellgrau-beigen Kalksteine sind dicht, teils feinkörnig, plattig (<13cm) bis dünnplattig (>0.2cm). Eingaschaltet sind einzelne Bänke von 10–35cm Mächtigkeit, gelegentlich auch Bankkalksteine bis 60 cm. Vorkommende Schrägschichtung lässt sich auf subaqautische Rutschungen zuruckführen. Auf den unregelmäßigen Schicht- und Kluftflächen sind Dendriten zu finden. Die gesamte geologische Mächtigkeit beträgt 10–17 m, davon sind 3 m bzw. 7,5 m hohe Profile bei Grabungen des Stuttgarter Naturkundemuseums aufgeschlossen.[6]

Datierung

Aufgrund der relativen Häufigkeit des Juras auf der Schwäbischen Alb glaubten frühe Geologen wie Quenstedt oder Albert Oppel an eine Gleichaltrigkeit von Solnhofer, Nuspliger und weiteren schwäbischen Plattenkalken. Mithilfe der genauen Betrachtung von Ammoniten-Vergesellschaftungen lässt sich eine zeitliche Auflösung von weniger als 100 000 Jahren bestimmen. So zeigte sich, dass der Nusplinger Plattenkalk bereits 500 000 Jahre vor dem Solnhofener Plattenkalk entstanden war, womit er in die Stufe des Ober-Kimmeridgiums fällt. Ebenso lässt sich ablesen, dass der gesamte Ablagerungsraum des Nusplinger Plattenkalks in nur wenigen Jahrzehntausenden entstand.[4]

Fossilien

Quelle ist, falls nicht in Anmerkungen anders indiziert,[4]

Schwämme (Porifera)

GattungArtAnmerkungenBilder
CoditesC. dubius
C. serpentinus
C. subarticulatus
C. ciliatus[5]
CrispispongiaC. stolata
CypelliaC. sp
LaocoetisL. schweiggeri
PeronidellaP. cylindrica
StaurodermaS. sp
TrochobolusT. dentatus
T. sp
VerrucocoeliaV. sp

Blumentiere (Anthozoa)

GattungArtAnmerkungenBilder
TrochocyathusT. sp

Weichtiere (Mollusca)

Muscheln (Lamellibranchia)

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ActinostreonA. gregareum
ArcaA. fracta
CamptonectesC. auritus
ChlamysC. textoria
CingentoliumC. cingulatum
CtenostreonC. pectiniforme
EopectenE. velatus
LiostreaL. roemeri
L. socialis
NanogyraN. virgula
PlagiostomaP. pratzi
PropeamussiumP. nonarium
PseudolimeaP. duplicata
RadulopectenR. sigmaringensis
SpondylopectenS. palinurus
S. subspinosus

Schnecken (Gastropoda)

GattungArtAnmerkungenBilder
AmberleyaA. sp
LeptomariaL. umbilicata

Ammoniten (Ammonoidea)

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AspidocerasA. catalaunicum
EuvirgalithacocerasE. sp
GlochicerasG. lens
GranulochetocerasG. ornatum
HybonotellaH. sp
HybonoticerasH. harpephorum
H. sp
LingulaticerasL. sp
L. pseudopercevali
LithacocerasL. fasciferum
L. onukii
L. ulmense
NeochetocerasN. praecursor
N. subnudatum
OchetocerasO. zio
PhysodocerasP. nattheimense
SilicisphinctesS. hoelderi
S. keratinitiformis
S. oxypleurus
S. russi
StreblitesS. zlatarskii
SubplanitesS. sp
SutneriaS. rebholzi
TaramellicerasT. sp

Nautiloideen (Nautiloidea)

GattungArtAnmerkungenBilder
CenocerasC. sp
PseudaganidesP. sp

Belemniten (Belemnoidea)

GattungArtAnmerkungenBilder
HibolithesH. semisulcatus
RaphibelusR. acicula

Andere Kopffüßer (Cephalopoden)

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DeinuncusD. sp
LeptotheuthisL. gigas
ParloviteuthisP. kapitzkei
PearceiteuthisP. sp
PlesioteuthisP. prisca
TrachyteuthisT. hastiformis
T. nusplingensis

Vielborster (Polychaeta)

GattungArtAnmerkungenBilder
EunicitesE. proavus
FicopomatusF. sp
MuensteriaM. lacunosa
M. encoelioides[5]
SerpulaS. sp
TerebellaT. sp

Insekten (Insekta)

Mehrere nicht benannte Käfer sowie eine Tipuloidea sind von dieser Fundstelle bekannt.

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AeschnidiumA. densum
CymatophlebiaC. longialata
C. sp
OrthophlebiaO. sp
StenophlebiaS. rolfhuggeri
BrunateaschnidumB. nusplingensis

Hundertfüßer (Chilopoda)

GattungArtAnmerkungenBilder
EogeophilusE. nusplingensis

Pfeilschwanzkrebse (Limulidae)

GattungArtAnmerkungenBilder
MesolimulusM. walchii

Krebstiere (Crustaceans)

Garnelen (Natantia)

GattungArtAnmerkungenBilder
AcanthochiranaA. cordate quelle
AegerA. tipularius
AntrimposA. nonodon
A. undenarius
BuergerocarisB. psittacoides
BylgiaB. spinosa
B. sp
DusaD. araneae
D. monocera
HarthofiaH. sp
HefrigaH. frischmanni
H. serrata
PseudodusaP. frattigianii

Reptantia

GattungArtAnmerkungenBilder
ColeiaC. longipes
CycleryonC. orbiculatus
C. propinquusCycleryon spinimanus is a synonym of this species, as they represent sexual dimorphism.
ErymaE. modestiforme
E. punctatum
ErymastacusE. major
GaliciaG. westphali
GlypheaG. pseudoscyllarus
PalaeastacusP. fuciformis
PalaeopentachelesP. roettenbacheri
PalinurinaP. sp
PseudastacusP. sp
PustuliaP. minuta
P. suevica

Mysidacea

GattungArtAnmerkungenBilder
ElderE. ungulatus[7]
NarandaN. anomala

Andere Krebstiere

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SculdaS. spinosakleiner Fangschreckenkrebs
PalaegaP. nusplingensisIsopoda
EolepasE. quenstedtiEntenmuscheln
GattungArtAnmerkungenBilder
MayrocarisM. bucculata

Armfüßer (Brachiopoda)

GattungArtAnmerkungenBilder
CheirothyrisC. fleuriausa
JuralinaJ. insigne
LacunosellaL. sp
OrnithellaO. pentagonalis
RioultinaR. sp
TerebratulinaT. substriata
TorquirhynchiaT. speciosa

Stachelhäuter (Echinodermata)

Seeigel (Echinoidea)

GattungArtAnmerkungenBilder
DiplocidarisD. cladifera
DiplopodiaD. subungularis
GymnocidarisG. sp
HolectypusH. orificatus
NenoticidarisN. hsitricoides
ParacidarisP. florigemma
PlegiocidarisP. crucifera
PolycidarisP. nusplingensis
RhabdocidarisR. boehmi
StomechinusS. perlatus

Seesterne (Asteroidea)

GattungArtAnmerkungenBilder
SphaerasterS. granulatus
TylasteriaT. jurensis

Schlangensterne (Ophiuroidea)

GattungArtAnmerkungenBilder
SinosuraS. kelheimense
GattungArtAnmerkungenBilder
ComaturellaC. formosa
MillericrinusM. milleri
PlicatocrinusP. fraasi
SaccocomaS. tenella
SolanocrinitesS. sp

Wirbeltiere (Vertebraten)

Plattenkiemer (Elasmobranchii)

GattungArtAnmerkungenBilder
BelemnobatisB. sismondae
HeterodontusH. falcifer
NotidanoidesN. muensteri
N. serratus
PalaeoscylliumP. sp
ParaorthacodusP. jurensis
PseudorhinaP. acanthoderma
SphenodusS. macer
S. nitidus
SynechodusS. ungeri
GattungArtAnmerkungenBilder
ElasmodectesE. avitus
IschyodusI. quenstedti

Quastenflosser (Crossopterygiformes)

GattungArtAnmerkungenBilder
CoccodermaC. suevicum
UndinaU. penicillata

Strahlenflosser (Actinopterygii)

GattungArtAnmerkungenBilder
AllothrissopsA. mesogaster
A. sp
AnaethalionA. angustus
A. cirinensis
AspidorhynchusA. acutirostris
CaturusC. furcatus
EurycormusE. speciosus
EurypomaE. grande
FuroF. aldingeri
F. microlepidotus
F. praelongus
F. sp
GyrodusG. circularis
HypsocormusH. macrodon
IonoscopusI. cyprinoides
LeptolepidesL. sprattiformis
OphiopsisO. procera
SanctusichthysS. rieteri
SiemensichthysS. macrocephalus
SimocormusS. macrolepidotus
SolnhofenamiaS. elongata
TharsisT. dubius
ThrissopsT. subovatus

Schildkröten (Testudinata)

GattungArtAnmerkungenBilder
EurysternumE. sp
GattungArtAnmerkungenBilder
CricosaurusC. suevicus
DakosaurusD. maximus
"Steneosaurus"S. sp

Flugsaurier (Pterosauria)

GattungArtAnmerkungenBilder
ArdeadactylusA. longicollumZuerst als Art von Pterodactylus beschrieben
CycnorhamphusC. suevicus
RhamphorhynchusR. longicepsVermutlich Synonym zu R. muensteri[8]
R. muensteri

Einzelnachweise

  1. Nusplingen Limestone. In: Fossilworks. Abgerufen am 12. Juli 2024.
  2. Nusplingen Plattenkalk. In: Fossilworks. Abgerufen am 12. Juli 2024.
  3. Nusplingen-Plattenkalk. In: lgrbwissen.lgrb-bw.de
  4. a b c d e f g Gerd Dietl, Günter Schweigert: Im Reich der Meerengel: der Nusplinger Plattenkalk und seine Fossilien. Pfeil, München 2001, ISBN 978-3-931516-90-1.
  5. a b c Günter Schweigert, Gerd Dietl, Olga Dietl, Martin Kapitzke, Markus Rieter: Der Nusplinger Plattenkalk (Weißer Jura ζ)–Grabungskampagne 2015. In: Jahreshefte der Gesellschaft für Naturkunde in Württemberg. Band 172, 2016, S. 129–147.
  6. Nusplingen-Plattenkalk. Abgerufen am 30. Juli 2024.
  7. Elder ungulatus. In: solnhofen-fossilienatlas.de..
  8. S. Christopher Bennett: A Statistical Study of Rhamphorhynchus from the Solnhofen Limestone of Germany: Year-Classes of a Single Large Species. In: Journal of Paleontology. 69. Jahrgang, Nr. 3, 1995, ISSN 0022-3360, S. 569–580, doi:10.1017/S0022336000034946, JSTOR:1306329 (englisch).

Literatur

  • R. Böttcher and C. J. Duffin. 2000. The neoselachian shark Sphenodus from the Late Kimmeridgian (Late Jurassic) of Nusplingen and Egesheim (Baden-Württemberg, Germany). Stuttgarter Beiträge zur Naturkunde B, Geologie und Paläontologie 283:1–31
  • O. Dietl and G. Schweigert. 2000. Brachiopoden aus dem Nusplinger Plattenkalk (Oberjura, SW Deutschland). Stuttgarter Beiträge zur Naturkunde. Serie B (Geologie und Paläontologie) 290:1–23
  • P. Zügel, W. Riegraf, G. Schweigert and G. Dietl. 1998. Radiolaria from the Nusplingen Lithographic Limestone (Late Kimmeridgian, SW Germany). Stuttgarter Beiträge zur Naturkunde, Serie B (Geologie und Paläontologie) 268:43
  • G. Schweigert and G. Dietl. 1997. Ein fossiler Hundertfüßler (Chilopoda, Geophilida) aus dem Nusplinger Plattenkalk (Oberjura, Südwestdeutschland). Stuttgarter Beiträge zur Naturkunde, Serie B (Geologie und Paläontologie) 254:1–11
  • G. Schweigert, G. Dietl, M. Kapitzke, J. Rieter, and R. Hugger. 1996. Libellen aus dem Nusplinger Plattenkalk (Oberjura, Ober-Kimmeridgium, Württemberg). Stuttgarter Beiträge zur Naturkunde, Serie B (Geologie und Paläontologie) 236:1–12

Koordinaten: 48° 7′ 55″ N, 8° 53′ 26″ O