Ludwig Boslet

Ludwig Boslet (* 12. Dezember 1860 in Biedershausen; † 23. Januar 1951 in Trier) war ein bedeutender Organist und spätromantischer Komponist in den Bistümern Speyer und Trier.

Leben und Wirken

Erste Seite des op. 2 in C-Dur

Boslet wuchs bei seinen Eltern Jakob Boslet und Barbara Buchheit im Dorf Biedershausen nahe Landstuhl auf.[1] Nach Abschluss der Volksschule besuchte er die Präparandenanstalt in Blieskastel und anschließend das Lehrerseminar in Speyer, um Lehrer zu werden. Mit 20 Lebensjahren bekleidete er seine erste Stelle, zunächst im Dorf Neunkirchen am Potzberg, wo es ihm nicht gefiel[2] später in Deidesheim. Über die Filialkirche in Neunkirchen schreibt Boslet in seinen Erinnerungen: „Von der Orgel stand nur das Gehäuse; die Orgel selbst fehlte. … Durch Zufall hatte ich im 18ten Lebensjahr den damals berühmten Orgelviruosen Lux aus Mainz wunderbar spielen gehört. Ich nahm mir vor, Ähnliches zu erreichen. Da … besuchte ich, kurz entschlossen, den Musikprofessor Lützel in Zweibrücken. Ohne mich spielen zu hören, erklärte er mir: ‚Sie wollen an eine Musikakademie; ich komme in einigen Tagen nach Stuttgart und kenne die Professoren, die großes Ansehen in ganz Europa haben, und ich sende Ihnen die Statuten der Musikakademie.‘“ Durch die Vermittlung Lützels beginnt Boslet bei Professor Immanuel Faißt in Stuttgart. Doch bereits ein Jahr später muss der Orgelschüler aufhören und wieder zum Schuldienst zurückkehren, weil seine finanziellen Mittel aufgebraucht sind. Seine neue Stelle führt in nach Königsbach an der Weinstraße.[3]

Von dort, wo ihm bereits viel Anerkennung gezollt wurde, kam er 1881 für ein Vorspielen nach Ludwigshafen, wo ihn der musikbegeisterte Albert von Jäger (1814–1884)[4], der ehemalige Direktor der Pfälzischen Eisenbahnen, hörte. Dieser war über das Talent Boslets so begeistert, dass er innerhalb von 14 Tagen mit Hilfe wohlhabender Freunde genug Geld sammeln konnte, damit dieser sein Studium bei Faißt für vier Semester fortsetzen und danach noch drei Semester bei Josef Gabriel Rheinberger in München vollenden konnte. Dort legte er 1885 sein Staatsexamen ab und wirkte anschließend vierzehn Jahre in Ludwigshafen als Konzertorganist, Chorleiter und Lehrer, wo er sich eine gute Reputation erwerben konnte. Ein Angebot aus Paris von dem Orgelvirtuosen Alexandre Guilmant, der von seiner 1895 veröffentlichten 3. Orgelsonate begeistert war lehnte er genau so ab wie Angebote aus Luzern, London und den USA, weil er sich seiner Heimat zu sehr verbunden fühlte und sein Auskommen hatte. Doch wechselt Boslet 1899 entgegen seiner ursprünglichen Absicht an die pfälzische Westgrenze nach St. Ingbert an die Kirche St. Josef. In seinen Erinnerungen steht zu lesen: „Wenn ich dort mehr Entgegenkommen gefunden hätte“[5], wäre er in Ludwigshafen geblieben.

In St. Ingbert war der zuvor 40 Jahre lang wirkende Franz Woll, Bruder des Dichters Karl August Woll, verstorben, der zuvor die Organistenstelle an St. Josef innehatte. Bereits am 17. Oktober 1897 hatte Boslet in der Stadt ein Orgelkonzert gegeben. In St. Josef dürfte ihn die klangvolle, romantische Orgel von H. Voit & Söhne beeindruckt haben, die mit damals 36 Registern größte Orgel auf dem Gebiet des heutigen Saarpfalz-Kreises. Die Stelle, die die gleichen Aufgaben umfasste wie die in Ludwigshafen, war seinen Worten nach „gut dotiert“[5] und entgegen seiner ursprünglichen Absicht keine Durchgangsstation; er blieb dort zehn Jahre. In dieser Zeit vergrößerte sich der Kirchenchor beträchtlich.[3]

1909 ging Boslet an den Trierer Dom, um zwei Jahre später, am 1. September 1911, Nachfolger von Jodocus Kehrer (1855–1937) zu werden, der aus Altersgründen in den Ruhestand ging. Dort war eine 1908 fertiggestellte[6] Weigle-Orgel sein Arbeitsgerät, über die er sich schon 1909 begeistert geäußert hatte. Neben seiner Organistentätigkeit unterrichtete er an der von Gustav Erlemann 1903 gegründeten[7] Gustav-Erlemann-Kirchenmusikschule die Fächer Orgel, Klavier, Gesang und Musiktheorie. Diese Tätigkeiten führte er bis zu seinem eigenen Ruhestand 1937 aus.

Seine Werke werden zu Lebzeiten wenig hoch gehandelt. So heißt es 1931 bei Otto Burkert zur Sonate No. 6 ironisch: „Minderwertig, wie alle Vorgangerinnen. Das 1. Thema des 2. Satzes ist sogar melodisch seicht“[8].

Werke

Opus[9]NameTonartJahrVerlagCDBemerkungen, weitere Informationen
1Thema mit Variationeng-Moll1890Berlin: Verlag Hymnophon, vorher Eisoldt & Rohkrämerja
2Fest-Fantasie und Elegische FugeC-DurTrier: Musikverlag Hans Kesslerja
3Orgelsonate Nr. 1g-Moll1890Bremen: SchweersStudienwerk aus der Zeit Rheinbergers
4Motette f. gem. Chor „Wie lieblich sind deine Wohnungen, o Herr“Berlin: Verlag M. Leuckart, später Eisoldt & Rohkrämer
5Naturfreiheit (Ludwig Uhland) für gem. ChorBerlin: Verlag M. Leuckart, später Eisoldt & Rohkrämer
6Orgelsonate Nr. 2d-Moll1892Berlin: Eisoldt & Rohkrämerja
7Große Fantasie für OrgelE-DurBerlin: Verlag Julius Schneider, ab 1912: Trier wie op. 2ja
8Festliches Nachspiel zum „Ite, missa est“ und Thema mit Variationen „Caro mio ben“ nach Tomaso GiordanoVerlag Julius Schneider, Berlin
9Religiöses StimmungsbildAs-DurHildesheimer, Speyer
10Orgelsonate Nr. 3c-Moll1895Leipzig: Otto Junneja
11Charakterstück für Klavier1898Berlin: Verlag Hymnophon
12Introduktion und Tripelfugec-Moll1900Regensburg: Feuchtinger & Gleichaufzusammen mit einer Orgelbegleitung zum Choral-Te-Deum veröffentlicht in der Zeitschrift „Die Orgel“. Später in Op. 22 als Nr. 9 aufgenommen
13Große Festfantasie für OrgelC-Dur1893Zittau-Zürich: Verlag Loebelja„Am 13. Mai 1894 auf der großen Orgel im Dom zu Speyer öffentlich gespielt“ (Ludwig Boslet). Domkapellmeister Joseph Niedhammer gewidmet. Fugenthema: Sanctus a. d. 3. Choralmesse In festis duplicibus (Medicaea). Komponiert in Ludwigshafen (Angaben Boslets).
14Ariosa und FugatoAs-Dur1898Leipzig: Verlag Robert Forberg
15Orgelsonate Nr. 4b-Molljadem Genfer Domorganisten Otto Barblan gewidmet
16Vor- und Nachspiel zum Gebrauch bei dem katholischen Gottesdienstevor 1898Leipzig: Verlag Robert Forberg
17Präludium und Ciaconaa-MollBerlin: Eisoldt & Rohkrämer
18aVorspiel Moderato con motoD-DurRegensburg: Feuchtinger & Gleichaufin: „100 größere und kleinere Originalkompositionen für die Orgel zum kirchlichen Gebrauch und zum Studium gesammelt und herausgegeben von Joh. Diebold“
18bNachspiel MaestosoC-DurRegensburg: Feuchtinger & Gleichaufin: „100 größere und kleinere Originalkompositionen für die Orgel zum kirchlichen Gebrauch und zum Studium gesammelt und herausgegeben von Joh. Diebold“
18cFantasie und Doppelfuge in, Moderatoes-Moll/Es-DurRegensburg: Feuchtinger & Gleichaufin: „100 größere und kleinere Originalkompositionen für die Orgel zum kirchlichen Gebrauch und zum Studium gesammelt und herausgegeben von Joh. Diebold“
19Veni creator“ und „Pange lingua“ für vierstimmigen gemischten Chor a cappella
2212 Große Orgelstücke I-IIvor 1925Regensburg: GleichaufI Präludium und Doppelfuge D-Dur, Fantasie zu einem alten Kirchenlied G-Dur, Festpräludium B-Dur, Fantasie as-Moll/As-Dur, Einleitung und Doppelfuge h-Moll, Festpräludium D-Dur; II Einleitung und Fuge a-Moll, Nachspiel (Kanon) F-Dur, Introduktion und Tripelfuge a-Moll (Nacdhspiel), Präludium G-Dur, Festpräludium F-Dur, Adagio (freier Kanon) g-Moll
23Praeludium (Quasi Fantaisie) et Fugae-Moll1903J. Rieter-Biedermann, LeipzigjaWilhelm Carl Julius Hoyerman gewidmet.
24Praeludium und Fugee-MollLeipzig: Otto Junne
25Drei Tonstücke für Orgel Nr. 5F-Dur1903J. Rieter-Biedermann, LeipzigjaFestpräludium, Recitativ, Finale; Manuskript: University of Rochester
26Interludium und Postludium1906Leipzig: Otto Junneim ersten Band der dreibändigen Werkes „Orgelstücke moderner Meister“
27Phantasie für die Orgel1906Verlag Schwann, Düsseldorfin: „routinierter Konzertorganist“
30Orgelsonate Nr. 5D-Dur1908Schweers & Haake, Bremenja
31Fantasie „Ecce sacerdos“ für sechsstimmigen gemischten Chor und Orgel1912Verlag Schwann, Düsseldorferschienen in Alphonse Moortgat: „Orgelmuziek“
32Missa solemnis für siebenstimmigen gemischten Chor und Orgel1912Verlag A. Böhm, Augsburg„Sr. Kgl. Hoheit Dem Prinzregenten Luitpold v. Bayern unterthänigst gew.“
33Toccata, Introduction und Fuge1913Verlag A. Böhm, Augsburgjadem Straßburger Universitätsdozenten und Organisten Marie-François-Xavier Mathias gewidmet
34Fünf Festpräludienvor 1927Verlag A. Böhm, Augsburg
35Orgelsonate Nr. 6c-Moll1914J. Rieter-Biedermann, Leipzigjadem Dozenten der Münchener Akademie Ludwig Felix Maier gewidmet
36Sieben neue Festpräludienvor 1927Verlag A. Böhm, Augsburg
37Einleitung und FugeB-Durvor 1927Verlag A. Böhm, Augsburg
38Zwei WeihnachtsstückeC-DurVerlag A. Böhm, AugsburgjaWeihnachtsidyll G-Dur, Pastorale G-Dur
41Fünf Hymnen für das Fronleichnamsfest für vierstimmigen gemischten Chor mit Orchesterbegleitung
45Introduction und Fuge zu „Maria zu lieben“ für Orgel1932M. Hoffmann, Kronach
46Zwei Fantasien über Choralmelodien und ein Thema von PalestrinaHerausgegeben von der Bibliothek des Trierer Domchors. Domorganist Dr. Paul Schuh gewidmet
47Fantasie über ein Thema von Palestrina a. d. „Missa brevisHerausgegeben von der Bibl. des Trierer Domchors. Aus dem Nachlass Paul Schuh

Von den insgesamt 47 Opusnummern gibt es bisher nur die oben aufgeführten Musikeinspielungen.

Literatur

  • Gustav Bereths: Beiträge zur Geschichte der Trierer Dommusik, B. Schott’s Söhne, Mainz 1974, S 51ff. u. 114–118
  • Ludwig Boslet: Autobiographie, Manuskript im Bistumsarchiv Trier, Abt. 91, Akte Nr. 114
  • Wilhelm Jakob Jung: Musikgeschichte der Stadt Ludwigshafen am Rhein vom Jahre 1850–1918, herausg. von Siegfried Fauck, Ludwigshafen 1968
  • Wilhelm Rau: Die pfälzischen Tonkünstler der Gegenwart – Ludwig Boselt, in: Pfälzisches Museum, Jg. 17 (1900), S. 170ff

Einzelnachweise

  1. Ludwig Boslet auf FamilySearch.org nach dem Zivilstandsregister 1818–1875, Landratsamt Biedershausen, Bayern
  2. Deutschlandfunk: Die Neue Platte vom 25. April 2011
  3. a b Christoph Jakobi: Saarpfälzisches Präludienbuch, Bd. 1: St. Ingberter Spätromantik, Musikverlag Robert Car, Mandelbachtal, 2006
  4. Valentin Schmitt: Ein Wegbereiter der Musik im jungen Ludwigshafen. Vor 75 Jahren starb Albert von Jäger – Jurist, Musiker und Mäzen, in: Die Rheinpfalz, Ludwigshafen, Schifferstadt Jg. 15, Nr. 41 vom 19. Februar 1959
  5. a b Ludwig Boslet: Autobiographie, Manuskript im Bistumsarchiv Trier, Abt. 91, Akte Nr. 114
  6. Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 14. April 2009 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.trierer-orgelpunkt.de Josef Still: Hochdruckorgel, Elektrizität und ein Konkurs Die schwäbische Firma Weigle baut von 1899 bis 1908 an einer Doppelorgel
  7. Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Verlag Traugott Bautz (Memento vom 13. Juni 2007 im Internet Archive)
  8. Otto Burkert: Handbuch der Orgelliteratur, hrsgg. von F. E. C. Leuckart, Leipzig 1931
  9. Trierer Orgelpunkt (Memento desOriginals vom 29. September 2011 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.trierer-orgelpunkt.de