Kinderbibel

Eine Kinderbibel enthält eine Auswahl biblischer Texte, die in einer gegenüber dem Original vereinfachten Sprache abgefasst und in der Regel durch Abbildungen ergänzt sind.

Geschichte der Kinderbibel

Bereits im Mittelalter setzte sich die Meinung durch, dass die Bibel in ihrer Gesamtheit nicht für die Jugend geeignet war. Eine der ersten Kinderbibeln stammt von Josua Opitz, um 1570. In den folgenden Jahren wurden immer häufiger biblische Texte für Kinder altersgerecht bearbeitet. Im 16. bis 18. Jahrhundert standen bei der Bearbeitung von Bibeltexten besonders theologische und pädagogische Aspekte im Vordergrund. Bekanntes Beispiel dafür ist die Kinder-Bibel des reformierten Theologen Johannes Melchior. Die Verfasser gaben sich sprachlich und bei der Auswahl der Texte viel Freiraum. Dies wandelte sich im 19. Jahrhundert, als mehr Wert darauf gelegt wurde, sich strikter an die vorgegebenen Bibeltexte zu halten. Nun herrschte die Auffassung, dass das göttliche Wirken sich in einem bestimmten Wort offenbart habe, und darum die biblische Geschichte nur mit dem Bibelwort erzählt werden dürfe (Preußisches Regulativ, 1854). So wurden ausgewählte Geschichten durch lehrhafte Abschnitte ergänzt. Beispiele hierfür sind die Schulbibeln von Georg Thudichum (1870) und R. Hoffmann (1887). Ein Vorbild für viele nachfolgend erschienenen Kinderbibeln war das Werk „Zweymahl zwey und fünfzig auserlesene Biblische Historien“ (1714) von Johann Hübner, das vor allem im protestantischen Deutschland weite Verbreitung fand. Für Hübner kam die Bibel eher einem Geschichtsbuch gleich und dementsprechend wählte er Abschnitte aus, in denen viel geschah und die realitätsnah gestaltet waren. Eine spezielle Ikonographie zu biblischen Themen für Kinder entwickelte sich erst vergleichsweise spät. Vor allem zur Zeit der Romantik entstanden vermehrt biblische Bilder für Kinder.[1] Eine eigene „biblische Bildsprache für Kinder“ wurde erstmals von Kees de Kort entwickelt.[2]

Verbreitung

Von der Kinderbibel mit dem Namen Gott spricht zu seinen Kindern wurden seit 1979 mittlerweile 50 Millionen Exemplaren in 172 Sprachen in 140 Ländern verbreitet.[3]

Kinderbibel als eigene Gattung

Kriterien, nach denen sich Kinderbibeln unterscheiden und charakterisieren lassen, sind:

  • die Auswahl kann minimalistisch sein und sich auf wenige Kerntexte und zentrale biblische Erzählungen beschränken oder versuchen, die Vielfalt der biblischen Bücher wiederzugeben;
  • das gewählte Niveau der Sprache kann sich an bestimmten Altersgruppen orientieren (Kinder im Vorschul- oder Grundschul-Alter); die Kinderbibel kann zudem als Buch zum Vorlesen oder zum Selberlesen konzipiert sein;
  • die Texte in Kinderbibeln können entweder eng orientiert an der biblischen Vorlage oder in eine freie Nacherzählung eingebunden sein (z. B. Jörg Zink oder Winfried Pioch).
  • die Abbildungen können dominieren, so dass nahezu von einem Bilderbuch mit biblischen Texten gesprochen werden kann, oder sie treten in den Hintergrund und fungieren nur als Illustration oder Auflockerung.

Zwischen den verschiedenen Kinderbibeln bestehen teilweise erhebliche konzeptionelle Unterschiede. Eine objektive Qualitätsbeurteilung ist aufgrund unterschiedlicher pädagogischer wie theologischer Standpunkte schwer möglich. Daher ist es wissenschaftlich sachgemäßer von Einschätzungen statt von Beurteilungen zu sprechen.

Im deutschen Sprachraum tauchen speziell für Kinder konzipierte Bibelausgaben in nennenswerter Zahl zuerst in der Zeit der Aufklärung und des Pietismus auf. Die Gattung hat sich im Lauf der Zeit – beeinflusst durch sich wandelnde pädagogische und theologische Anschauungen – weiterentwickelt und verzweigt. Heute befinden sich mehrere Dutzend Kinderbibeln (ca. 220 aktuelle seit 1955!) gleichzeitig auf dem Markt, was den Überblick und die Auswahl nicht nur für Laien schwierig macht.

Seit über einem Jahrzehnt beschäftigt sich ein Kreis von Religionspädagogen aus Deutschland, Österreich, Schweden, Dänemark, Ungarn und der Schweiz mit der Erforschung der Gattung Kinderbibel. Auf ihre Arbeiten wird in den Literaturangaben hingewiesen. Daneben versuchen unter anderem der Borromäusverein oder die Deutsche Bibelgesellschaft durch Empfehlungen und Vergleiche Eltern und (religions-)pädagogischen Profis Auswahlkriterien für Kinderbibeln an die Hand zu geben. Dabei wird allerdings den Erziehenden mitunter die Entscheidung bereits abgenommen, anstatt sie selbst kompetent zu machen für eine gute Einschätzung.

Hier nicht berücksichtigt aber gattungsmäßig den Kinderbibeln verwandt sind die primär als Unterrichtsmaterial konzipierten Schulbibeln sowie Bibel-Comics, Bibeln in Jugendsprache (wie die Volxbibel) und Kinderbücher zu einzelnen biblischen Geschichten oder religiösen Themen. Außerdem unberücksichtigt sind Hörbücher zu Kinderbibeln, multimediale bzw. digitale Kinderbibeln und von Kindern selbst erstellte Kinderbibeln (z. B. Belmeroder Kinderbibel, Seißener Kinderbibel oder Wandsbecker Kinderbibel).

Im Segment Personalisiertes Buch sind individuelle Kinderbibeln, in Abwandlung auch als personalisierte Taufbibeln mit Gebeten, Taufsprüchen und Fotos zur Taufe, am Markt erhältlich.

Kinderbibeln in Auswahl

Wichtige Kinderbibeln aus jüngerer Zeit

Auf die hier aufgeführten Kinderbibeln wird in der Sekundärliteratur immer wieder Bezug genommen und sie sind in der Regel noch lieferbar. Bei den Namen der Verfasser werden zunächst die für den Text Verantwortlichen genannt, durch Schrägstrich getrennt folgen die Illustratoren. Da anerkannte Kinderbibeln relativ häufig neu aufgelegt werden, wird auf die Angabe von Auflage und Erscheinungsjahr verzichtet.

Weitere Titel

Einige der hier genannten Veröffentlichungen sind noch zu jung, um Aufnahme im „Kanon“ zu finden, andere sind im strengen Sinne keine Kinderbibeln.

Literatur

  • Reinmar Tschirch: Bibel für Kinder. Die Kinderbibel in Kirche, Gemeinde, Schule und Familie. Kohlhammer, Stuttgart [u. a.] 1995, ISBN 3-17-013093-5.
  • Gottfried Adam (Hrsg.): Kinder- und Schulbibeln. Probleme ihrer Erforschung. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1999, ISBN 3-525-61356-3.
  • Gottfried Adam, Rainer Lachmann, Regine Schindler (Hrsg.): Das Alte Testament in Kinderbibeln – eine didaktische Herausforderung in Vergangenheit und Gegenwart. Theologischer Verlag, Zürich 2003, ISBN 3-290-17253-8.
  • Ruth B. Bottigheimer, Martina Steinkühler: Eva biss mit Frevel an. Rezeptionskritisches Arbeiten mit Kinderbibeln in Schule und Gemeinde. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2003, ISBN 3-525-61551-5.
  • Ortkemper, Franz-Josef: Der Fremde aus Nazareth: Jesus Christus in Kinderbibeln (= Hans-Gerd Wirtz [Hrsg.]: Schriften zur internationalen Kultur- und Geisteswelt. Band 20). Bertuch-Verlag, Weimar 2004, ISBN 3-937601-06-6.
  • Gottfried Adam, Rainer Lachmann, Regine Schindler (Hg.): Illustrationen in Kinderbibeln. Von Luther bis zum Internet. IKS, Jena 2005, ISBN 3-938203-08-0.
  • Reiner Andreas Neuschäfer: Mit Kinderbibeln die Bibel ins Spiel bringen. Ideen, Informationen und Impulse für Gemeinde, Schule und Zuhause. IKS, Jena 2005, ISBN 3-938203-12-9.
  • Irene Renz: Kinderbibeln als theologisch-pädagogische Herausforderung. Unter Bezugnahme auf die Analytische Psychologie nach C.G. Jung (= Arbeiten zur Religionspädagogik. Band 28). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2006, ISBN 3-89971-278-1.
  • Herbert Stangl, Dorothee Hölscher: Mit der Bibel wachsen. Kinderbibeln im Vergleich. Borromäusverein, Bonn 2006, ISBN 3-920126-16-5.
  • Gabriele Kassenbrock / Mathias Jeschke (Bearb.): Empfehlenswerte Kinderbibeln, Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart 2006, ISBN 978-3-438-06613-8.
  • Gottfried Adam / Rainer Lachmann / Regine Schindler (Hg.): Die Inhalte von Kinderbibeln. Kriterien ihrer Auswahl. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2008, (Arbeiten zur Religionspädagogik, Band 37) ISBN 978-3-89971-489-0.
  • Michael Landgraf: Kinderbibel damals – heute – morgen. Neustadt 2009, ISBN 978-3-941920-00-2.
  • Thomas Nauerth: Fabelnd denken lernen. Konturen biblischer Didaktik am Beispiel Kinderbibel (= Arbeiten zur Religionspädagogik. Band 42). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2009, ISBN 978-3-89971-729-7.
  • Christine Reents / Christoph Melchior: Die Geschichte der Kinder- und Schulbibel, evangelisch – katholisch – jüdisch. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2011, (Arbeiten zur Religionspädagogik, Band 48) ISBN 978-3-89971-837-9.
  • Thomas Schlag, Robert Schelander, Gottfried Adam, Rainer Lachmann, Martin Rothgangel (Hrsg.): Moral und Ethik in Kinderbibeln. Kinderbibelforschung in historischer und religionspädagogischer Perspektive (= Arbeiten zur Religionspädagogik. Band 46). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2011, ISBN 978-3-89971-813-3.
  • Georg Langenhorst / Elisabeth Naurath (Hrsg.): Kindertora – Kinderbibel – Kinderkoran. Neue Chancen für (inter-)religiöses Lernen. Freiburg, Basel, Wien 2017, ISBN 978-3-451-37660-3.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Christine Reents: Kinderbibeln. Bilder vom Holzschnitt bis zum Comic. Evangelisch – katholisch – jüdisch. Isensee-Verlag, Oldenburg 2012, S. 107 bzw. 18.
  2. Christine Reents: Bibeln im Vergleich, in: JuLit 40 (2014), H. 3, S. 19.
  3. Rekord: Kinderbibel in 172 Sprachen. In: livenet.ch. 30. Juli 2012, abgerufen am 19. Februar 2020.