„Warschauer Aufstand“ – Versionsunterschied

[ungesichtete Version][ungesichtete Version]
Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
Keine Bearbeitungszusammenfassung
→‎Agonie und Hoffnung: Folgen eingefügt ; Q : siehe Refs
Zeile 115: Zeile 115:


Am gleichen Tag eroberten die Deutschen Zoliborz. Nachdem die letzten dortigen AK-Einheiten kapituliert hatten, kam es zu einem Massaker an der Zivilbevölkerung. Vier Tage später kapitulierten die AK-Truppen in Mokotow. Bis zum Oktober hatten die Deutschen den Widerstand im Stadtzentrum nicht brechen können. Doch angesichts der aussichtslosen Lage des Militärs wie der Zivilbevöökerung entschied sich Bor-Komorowski zur Kapitulation. Am 1. Oktober wurde ein Waffenstillstand vereinbart. Wenige Tage später erfolgte die Evakuierung der Soldaten und Zivilisten aus Warschau.<ref>Borodziej: S. 180ff</Ref>
Am gleichen Tag eroberten die Deutschen Zoliborz. Nachdem die letzten dortigen AK-Einheiten kapituliert hatten, kam es zu einem Massaker an der Zivilbevölkerung. Vier Tage später kapitulierten die AK-Truppen in Mokotow. Bis zum Oktober hatten die Deutschen den Widerstand im Stadtzentrum nicht brechen können. Doch angesichts der aussichtslosen Lage des Militärs wie der Zivilbevöökerung entschied sich Bor-Komorowski zur Kapitulation. Am 1. Oktober wurde ein Waffenstillstand vereinbart. Wenige Tage später erfolgte die Evakuierung der Soldaten und Zivilisten aus Warschau.<ref>Borodziej: S. 180ff</Ref>

==Folgen==

Im militärischen und politischen Sinne konnte die Aufstandssführung ihre Ziele nicht durchsetzen. Der Versuch die Besatzer aus der eigenen Hauptstadt zu vertreiben scheiterte. Durch die Aussichtslosigkeit der militärischen Lage stärkte der Aufstand die Position der Exilregierung gegenüber der Sowjetunion nicht, sondern schwächte sie, da man auf die Hilfe der Roten Armee hoffen musste. Auf polnischer Seite starben rund 15.000 Soldaten und 185.000 Zivilisten<ref>Borodziej : S. 190</ref>. Dieses massenhafte Leiden der Zivilbevölkerung machte die Exilregierung und die Aufstandsführung zum Ziel von Kritik aus dem eigenen Lager, wie von ihren kommunistischen Konkurrenten.
Auch die deutsche Seite konnte ihre anfänglichen Ziele nicht durchsetzen, da eine schnelle Niederschlagung des Aufstands fehlschlug und die Widerstandskämpfer den deutschen Truppen bis zuletzt empfindliche Verluste zufügten. Die Befürchtungen des Oberkommandos der 9. Armee, nämlich einer gleichzeitigen sowjetischen Offensive bewahrheiteten sich aber nicht. Ausserdem konnten nach dem Fall der Altstadt die Nachschublinien über Warschau an die Ostfront relativ schnell wiederhergstellt werden.<ref>Davies : S.502, S. 626, S. 640</ref>

Die AK-Führung unter Bor-Komorowski stellte die Behandlung der polnischen Widerstandskämpfer als Kombattanten gemäß der [[Haager Landkriegsordung]] als Bedingung zur Kapitulation. Außerdem sollten Transport und Bewachung von Kämpfern und Zivilisten nur durch reguläre Wehrmachtseinheiten, nicht aber durch die SS durchgeführt werden. Ebenso rangen die Widerständler dem deutschen Befehlshaber von dem Bach die Zusage ab, Repressalien gegen die Zivilbevölkerung zu unterlassen. Gegenüber den AK-Kämpfern wurden diese Versprechen weitgehend eingehalten. Gegenüber den Zivilisten nur teilweise. 100.000 Warschauer wurden nach dem Ende der Kämpfe als Zwangsarbeiter in das deutsche Reich verschleppt. Weitere 60.000 wurden in Konzentrationslager [[KZ Auschwitz]], [[KZ Mauthausen]] und [[KZ Ravensbrück]] verbracht. Nach dem Sieg über die polnischen Kräfte verfügte Heinrich Himmler den Befehl zur völligen Zerstörung der polnischen Hauptstadt. Bis zur Eroberung durch die Rote Armee beschäftigten sich deutsche Truppen mit Sprengungen und Brandstiftungen ind er Stadt. Sie konzentrierten sich hierbei vor allem auf kulturell bedeutsame Einrichtungen, wie Schlößer, Bibliotheken und Denkmäler<ref> Borodziej : S. 206, Davies : Rising '44 : S.436-439</ref>

Am 31. Dezember 1944 erkannte die UdSSR das Lubliner Komitee [[Unilateralismus|unilateral]] als einzige rechtmäßige Regierung Polens an. Zuvor war der polnische Premier Mikolajczik zur erfolgreich von den Westalliierten und den Sowjets zur Anerkennung der [[Westverschiebung Polens]] gedrängt worden. Die sowjetische Seite hatte dessen Zustimmung sowieso nicht abgewartet. Der NKWD hatte schon während des Aufstands mit der ethnischen Säuberung [[Ostpolen]]s von polnischen Einwohnern begonnen. <ref>Davies : ''Rising '44'' : S. 443ff</ref> Als einer der ersten westlichen Beobachter sah [[George Orwell]] den Weg Polens in einen von den Sowjets abhängigen [[Satellitenstaat]]:

''"Nein, daß "Regime von Lublin" ist kein Sieg des Sozialismus. Es ist die Herabsetzung Polens zu einem Vasallenstaat. (...) Not werden diejenigen leiden, die ihre unabhängigen Ziele und Politik behalten wollen."''<ref>Orwells Artikel in der Tageszeitung "Time and Tide" wird zitiert in Davies, Norman : Rising '44 auf S. 442 Originalzitat in englischer Sprache: No, the 'Lublin Regime' is no victory for socialism. It is the reduction of Poland to a vassal state ... Woe to those who want to maintain their independent views and policies..."</ref>

Dieses Bestreben die nicht von Moskau abhängigen Kräfte zu unterdrücke richtete sich auch stark gegen die ehemaligen Widerstandskämpfer. Als die Rote Armee am 17. Januar 1945 die Stadt eroberte ergign der Befehl an die nachrückenden NKWD-Truppen noch eventuell vorhandene AK-Elemente einzusperren. Das Lubliner Komitee hatte sich schon während des Aufstandes in seinen Schriften die AK als Verrätzer und als von [[Volksdeutsche]]n unterwandert, bezeichnet. Die Führung der Heimatarmee wurden als [[Kollaborateur]]e mit Hitler verunglimft.<ref>Davies : ''Rising '44'' : S. 440, S. 457</ref>

Im Polen der Nachkriegszeit wurden diese Tendenzen auch schnell mithilfe der sowjetischen Sicherheitsdienste forangetrieben. Im Juni 1945 wurde in Moskau ein Schauprozess gegen den letzten AK-Befehlshaber nach Bor-Komorowski [[Leopold Okulicki]] und mehrere Führer polnischer Parteien veranstaltet. Es wurden Freiheitsstrafe von 4 Monaten bis 10 Jahren verhängt. Mehrere Verurteilte starben unter ungeklärten Umständen in den sowjetischen Straflagern.<ref>Davies : ''Rising '44'' S. 462f, 466ff</ref> Nach diesem Beispiel richtete sich auch die Behandlung der einfachen Soldaten in Polen selbst. Teile von ihnen wurden in die Sowjetunion deportiert oder in ihrem Heimatland ins Gefängnis geworfen. In Polen selbst folgten Schauprozesse gegen AK-Soldaten bis in die 50er Jahre. Desweiteren war man als ehemaliger Widerständler vom Studium und einer beruflichen Karriere in der sozialistischen Planwirtschaft ausgeschlossen. Ebenso wurde versucht die Erinnerung an den Aufstand durch die Politik des Einparteienstaates zu vereinnahmen. In den ersten Nachkriegsjahren, als der [[Stalinismus]] in Polen durchgesetzt wurde der Aufstand von staatlichen Stellen komplett übergangen. Im Zuge der [[Tauwetter-Periode]] nach dem Tod Stalins wurden diese Restriktionen gelockert. Am 1. August 1957 wurde das erste Mal im Nachkriegspolen von offizieller Seite dem Aufstand gedacht. Die Kriminalisierung der Aufstandsführung wurde aber in der Propaganda weiter aufrecht erhalten. Allerdings versuchte die Regierung durch die Würdigung der Leistung der Bevölkerung und einfachen Soldaten den Aufstand für die Legitimation der eigenen Ideologie zu nutzen. In den 60er-Jahren wurden diese Tendenzen noch verstärkt als man in begrenztem Ausmaß nationalistische Töne dem Andenken des Aufstands beimischte. Die erste nicht staatlich kontrollierte Diskussion über den Aufstand fand allerdings erst im [[Samisdat]] in der Ära der [[Solidarnosc]]bewegung der 80er-Jahre. Nach der Wende wurden die politischen Aspekte in der polnischen Öffentlichkeit heiß debattiert. Generell wurde der Aufstand in der neuen Demokratie positiv bewertet. Laut einer Umfrage von 1994 sah eine Mehrheit der Polen den Aufstand als ein wichtiges historisches Ereignis. Im selben Jahr sorgte das Gedenken an den Aufstand für zwei außenpolitische Kontroversen. Die Absage des russischen Präsidenten [[Boris Jelzin]] an den Gedenkfeiern sorgte für Unmut in Polen. Desweiteren sorgte der deutsche Budnespräsident [[Roman Herzog]] für Irritationen, als er in einer Rede vor den Feiern den Warschauer Aufstand mit dem Aufstand im Warschauer Ghetto verwechselte.<ref>Borodziej : S.210ff; Davies : ''Rising '44'' S. 521 ff</ref>


==Weiterer Verlauf==
==Weiterer Verlauf==

Version vom 14. April 2007, 02:39 Uhr

Als Warschauer Aufstand „Burza“ (Gewitter) bezeichnet man die militärische Erhebung durch die Polnische Heimatarmee (Armia Krajowa oder AK) gegen die deutschen Besatzungstruppen im besetzten Warschau am 1. August 1944. Er stellte die größte einzelne bewaffnete Erhebung im besetzten Europa während des Zweiten Weltkrieges dar. Dieser Aufstand sollte nicht mit dem vorausgegangenen Aufstand im Warschauer Ghetto des Jahres 1943 verwechselt werden.

Vorgeschichte

Vorlage:Schlacht

Lage in Polen

Nachdem die polnische Armee durch den deutschen Überfall im September 1939 geschlagen worden war, besetzten deutsche und sowjetische Truppen gemäß dem Hitler-Stalin-Pakt das Land. Der westliche Teil fiel dabei an Hitlerdeutschland, der östliche Teil an den Sowjetstaat.

Der deutsche Umgang mit den Besiegten stand von Beginn an im Zeichen der nationalsozialistischen Rassenpolitik. Westpreußen, Oberschlesien, das Wartheland und Ciechanów wurden annektiert.[1] Der restliche Teil Polens unter deutscher Besatzung unterstand als Generalgouvernment deutscher Verwaltung. Hauptziel war die wirtschaftliche Ausbeutung und Unterdrückung der polnischen Bevölkerung. Zu Beginn trafen die deutschen Repressionen vorwiegend Intellektuelle und Polen jüdischer Abstammung. So kam es zu Massenerschießungen und Massenverhaftungen unter der gebildeten Elite des Landes. Die Juden wurden ghettoisiert und damit von der restlichen Bevölkerung abgetrennt. Das Erziehungswesen und Pressewesen wurde auf ein Minimum zurückgestutzt um die Unterdrückung der slawischen Bevölkerung zu zementieren. In einer Notiz des SS-Chefs Himmler heißt es dazu: "Eine grundsätzliche Frage bei der Lösung all dieser Probleme ist die Schulfrage, und damit die Sichtung und Siebung der Jugend. Für die nicht-deutsche Bevölkerung des Ostens darf es keine höhere Schule geben, als die vierklassige Volksschule. Das Ziel dieser Volksschule hat lediglich zu sein: Einfaches Rechnen bis höchstens 500, Schreiben des Namens, eine Lehre, dass es ein göttliches Gebot ist den Deutschen gehorsam zu sein, und ehrlich, fleißig und brav zu sein. Lesen halte ich nicht für erforderlich. Außer dieser Schule darf es im Osten überhaupt keine Schule geben [...]. Die Bevölkerung des Generalgouvernements setzt sich dann zwangsläufig, nach einer konsequenten Durchführung dieser Maßnahmen, im Laufe der nächsten zehn Jahre aus einer verbleibenden minderwertigen Bevölkerung [...] zusammen. Diese Bevölkerung wird als führerloses Arbeitsvolk zur Verfügung stehen und Deutschland jährlich Wanderarbeiter und Arbeiter für besondere Arbeitsvorkommen (Straßen, Steinbrüche, Bauten) stellen."[2] Ebenso wurde die Industrie enteignet und rund 900.000 Polen als Zwangsarbeiter ins Reich deportiert. Durch die Einführung von Sondergerichten der Besatzungsmacht wurden die Polen, in ihrem eigenen Land zu vollkommen rechtlosen Subjekten degradiert. [3] Im Laufe des Krieges wurde das Generalgouvernement auch ein Hauptschauplatz des Holocausts. Insgesamt kamen 2,7 Millionen polnische Staatsbürger jüdischer Abstammung im industrialisierten Massenmord zu Tode.[4] Der Oberbefehlshaber im Generalgouvernement Hans Frank sagte im Februar 1940 zu einem Journalisten; In Prag waren z. B. große rote Plakate angeschlagen, auf denen zu lesen war, dass heute 7 Tschechen erschossen worden sind. Da sagte ich mir; wenn ich für je 7 erschossene Polen ein Plakat aushängen lassen wollte, dann würden die Wälder Polens nicht ausreichen das Papier herzustellen für solche Plakate.[5]

Auch in der sowjetischen Besatzungszone, in der große ukrainische und weißrussische Minderheiten lebten, war die Bevölkerung Repressionen ausgesetzt. Diese folgten der marxistischen Doktrin des Klassenkampfs. So wurden bis 1941 mehr als 700.000 polnische Staatsangehörige zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion verschleppt.[6]

Polnische Exilregierung, Widerstand und Untergrundstaat

Nachdem Polen von Hitlerdeutschland und der Sowjetunion im 2. Weltkrieg militärisch besiegt und geteilt worden war, gelang es etwa 85.000 polnischen Soldaten und Offizieren, sowie einer großen Zahl polnischer Politiker, nach Frankreich zu fliehen. Andere Teile des polnischen Militärs flohen zusammen mit dem polnischen Präsidenten Ignacy Mościcki und dem militärischen Oberbefehlshaber nach Rumänien, wo beide Politiker interniert und die Soldaten entwaffnet wurden. Für den somit eingetretenen Fall, dass der Präsident sein Amt nicht mehr ausüben könne, sah die polnische Verfassung die Übergabe der Regierungsgewalt vor; aus diesem Grund ernannte Ignacy Mościcki, den in Frankreich verweilenden Władysław Raczkiewicz zu seinem Nachfolger. Dieser bildete aus den Mitgliedern der größten politischen Parteien, die nach Frankreich geflohen waren, eine neue Regierung mit General Władysław Sikorski an der Spitze und General Kazimierz Sosnkowski als dessen Stellvertreter. Damit war am 30. September 1939 die polnische Exilregierung in Frankreich entstanden, die sofort von der Regierung Frankreichs, und kurz darauf von den Regierungen Großbritanniens und der USA als einzige rechtmäßige polnische Regierung anerkannt wurde. Nach der Niederlage Frankreichs 1940 flüchtete diese Regierung und ein Teil des Militärs nach London.

Im Zuge der deutschen Unterdrückung bildete sich rasch ein polnischer Untergrundstaat, der an die lange Tradition des polnischen Widerstand gegen fremde Besatzer im Rahmen der Polnischen Teilungen anschloss. Ein geheimes Presse- und Sozialfürsorgewesen wurde ebenso organisiert wie „illegale“ Hochschulen. Die Geldmittel hierfür stammten aus der Bevölkerung selbst, oder aus Mitteln, die aus London eingeschleust worden waren.[7] Dieser zivile Arm des Widerstandes ging nahtlos in den Aufbau bewaffneter Verbände über. Die polnischen Militärs hatten bereits am 27. September 1939, also kurz vor der Kapitulation, und noch vor der Entstehung der Exilregierung, die Untergrundorganisation Sluzba Zwyciestwu Polsce (Dienst für den Sieg Polens, SZP) gegründet.[8] Des Weiteren bildeten sich bereits Wochen nach der Niederlage der Feldarmee spontan weitere Widerstandsgruppen. Sie speisten sich vorwiegend aus dem Reservoir ehemaliger Offiziere und Beamter, sowie aus den Jugendorganisationen der Parteien, oder auch aus Pfadfindergruppen.

Der polnische Widerstand ordnete sich der Exilregierung unter, da er seinem Selbstverständnis nach von Beginn an eine Fortsetzung der zweiten Republik war. Die Exilregierung bemühte sich all diese Widerstandgruppen zusammenzuschließen, sodass bis zum Jahreswechsel 1943/44 der ZWZ (Polnisch: Zwaizek Walki Zbrojnej; dt.: Verband für den bewaffneten Kampf) entstand, der den größten Teil des polnischen Widerstandes in sich vereinte. Der vereinigte Widerstand wurde im Weiteren als Armia Krajowa (dt.: Heimatarmee, Abkürzung: AK) bezeichnet. Sie umfasste 1944 insgesamt rund 300.000-350.000 Mitglieder. Diesem Bündnis blieben nur die Kräfte der extremen Rechten und der extremen Linken fern. Auf der einen Seite, die rechtsextreme NSZ-Miliz, welche in einigen Fällen sogar mit den deutschen Besatzern zusammenarbeitete aber nur rund 35.000[9] Anhänger besaß. Auf der anderen Seite versuchte die kommunistische Armia Ludowa (dt.: Volksarmee ; Abkürzung: AL) sich als Gegenpol zur nationalistischen AK nach dem Angriff Hitlers auf die Sowjetunion aufzubauen. Sie erreichte rund 100.000[10]Mitglieder.[11]

London und die Exilregierung waren sich einig, dass die Hauptaufgaben des Widerstandes darin bestehen sollten, Spionagearbeit für die Alliierten zu leisten, die deutsche Rüstung und das Transportwesen durch Sabotageakte zu schädigen, und besonders brutale Aktionen des Besatzers zu vergelten. Man wollte zunächst keine offenen kriegerischen Aktionen durchführen. Zum einen wegen der zu Beginn noch geringen militärischen Stärke des ZWZ, zum anderen um keine Repressionen gegenüber der Zivilbevölkerung seitens der deutschen Besatzer zu provozieren. Der Befehlshaber des ZWZ im Untergrund, Oberst Stefan Rowecki schrieb im November 1939: Der Widerstand kann erst dann offen auftreten, wenn Deutschland zusammenbricht, oder zumindest ein Bein einknickt. Dann sollten wir fähig sein im zweiten Bein Adern und Sehnen durchzuschneiden, damit der deutsche Koloss umfällt.[12]

Der Widerstand radikalisierte sich erst, als man erkannte, dass sein „gemäßigtes“ Auftreten keinen Einfluss auf die radikale Unterdrückung und Vernichtung der Polen und Juden durch die Deutschen hatte. 1943 wurde die Kedyw als Organisation für Sabotage und Diversionsakte gegründet. Unter ihrer Ägide wurden Brandanschläge, Diversionsakte, Gefangenenbefreiungen und sogar Anschläge auf SS-Führer geplant und durchgeführt. Der Widerstand stand über Kuriere in Verbindung mit der polnischen Exilregierung und wurde von ihr finanziell und zu einem geringen Ausmaß mit Waffen unterstützt.[13] Ebenso betrieb der Widerstand großangelegte Spionageoperationen im Dienste der Alliierten. So wurde im Juli 1944 eine zerlegte V2-Rakete, die von polnischen Widerstandskämpfern erbeutet worden war, von der RAF nach England ausgeflogen. Während des Aufstands im Warschauer Ghetto im Sommer 1943 versuchten Kämpfer der Heimatarmee Hilfe zu organisieren.[14]

Diplomatie und Politik

Die Regierung befand sich in einem schweren Spannungsfeld innerhalb der Allianz. Ihr einziges Kapital nach der Niederlage waren die polnischen Truppen, die an der Westfront kämpften. Schon vor dem Beginn des Krieges machte die britische Regierung den Polen klar, daß sich ihre Garantien als Bündnispartner nur gegen das Deutsche Reich erstreckten, nicht gegen die Sowjetunion. Mit diesem Schritt wollte Chamberlain sich Stalins Neutralität im Krieg sichern.[15] 1941 erreichte der Einfluß Polens, durch den Kriegseintritt der USA und den Überfall auf die Sowjetunion, innerhalb der Allianz einen Tiefpunkt. Im polnisch-sowjetischen Vertrag vom 30. Juli 1941 erklärte die Sowjetregierung den Hiler-Stalin Pakt zwar für null und nichtig, eine Zusicherung der Rückgabe annektierter Gebiete gab sie allerdings nicht. Der britische Geheimdienst SOE schloß auf Drängen der Regierung mit der sowjetischen Geheimpolizei NKWD ein Abkommen, das die Zahl der Waffenlieferungen an den polnischen Widerstand beschnitt. Die AK erhielt somit zwischen 1941 und 1944 etwa 600 Tonnen Material, während der griechische Widerstand etwa 6.000 Tonnen, der französische Widerstand etwa 10.500 Tonnen erhielt.[16] Einziger wirklicher Lichtblick war der Aufbau einer polnischen Armee in Russland aus den vormals deportierten polnischen Staatsangehörigen (Anders-Armee). Bereits im Oktober folgte allerdings ein Skandal, als der britische Botschafter in Moskau eine Denkschrift vorlegte, die den Sowjets die Hoheitsrechte über das Baltikum und den annektierten Teil Polens zusicherte.[17] Das angespannte polnisch-sowjetische Verhältnis wurde durch Probleme bei der Aufstellung der Anders-Armee noch mehr belastet. Die Soldaten klagten über mangelnde Nahrungsversorgung und Bewaffnung. Des Weiteren wurden Rekruten aus dem ehemals sowjetisch besetzten Ostpolen nicht zugelassen, sofern sie Weißrussen, Ukrainer oder jüdischer Abstammung waren. 1942 wurde die Armee dann über Persien in britische Hoheitsgebiete überführt.[18] Im Januar 1941 stellte die Sowjetunion mit dem Verband polnischer Patrioten (polnisch Zwiazek Patriotow Polskich; Abkürzung: ZPP) eine kommunistische Gegenorganisation zur Exilregierung zusammen. Den endgültigen Schlag für das Klima zwischen Stalin und Sikorski bildete die Publizierung des Massakers von Katyn durch deutsche Propagandastellen 1943. 1941 waren 14.552 polnische Kriegsgefangene, v. a. Offiziere, Soldaten, Reservisten, Polizisten und Intellektuelle, durch den sowjetischen NKWD ermordet worden. Die polnische Regierung schenkte den deutschen Berichten Glauben und forderte das Rote Kreuz auf, Nachforschungen anzustellen. Unter diesem Vorwand brach der sowjetische Außenminister Molotow die diplomatischen Beziehungen zur Exilregierung im April 1943 ab. Des Weiteren verstärkte sie ihre Bemühungen, die ZPP als Gegenregierung aufzubauen und hob unter General Zygmunt Berling eine polnische Infanteriedivision unter sowjetischem Kommando aus. Während dieser Krisenzeit kam der polnische Staatschef Sikorski unter ungeklärten Umständen bei einem Flugzeugunglück auf Gibraltar ums Leben, und der Exilregierung damit eine Integrationsfigur abhanden. Die britische Regierung bezeichnete das Massaker an den verbündeten Offizieren wider besseres Wissen als deutsches Verbrechen.[19]

Aufstandsplanungen

Am 20. November 1943 formulierte die AK-Führung unter Bor-Komorowski einen ersten Plan, militärisch gegen die deutschen Besatzer vorzugehen. Der erste Entwurf der Operation Burza sah die Aktivierung größerer Partisanenverbände auf dem Lande vor, die nach dem Zurückdrängen der Deutschen eine unabhängige polnische Verwaltung bilden sollten. In Wolhynien sollte diese Methode als erstes umgesetzt werden. Allerdings schafften es die dortigen drei Divisionen der AK nicht, die Provinz von den Besatzern zu befreien. Sie wurden unter großen Verlusten nach Polesien oder Lublin abgedrängt. [20] Daraufhin überdachte die AK-Führung ihre Vorgehensweise. Entlang des Vorstoßes der Roten Armee durch Polen sollten von nun an die umliegenden AK-Einheiten versuchen, die großen Städte gegen die zurückweichenden Deutschen zu erobern und somit diese vor den anrückenden Sowjets in Besitz nehmen. Die Methode, die Städte mit einem Angriff aus den ruralen Gebieten zu allein erobern, erwies sich allerdings als Fehlschlag. Die lokalen AK-Truppen waren auf eine Zusammenarbeit mit den Sowjets angewiesen, um die Städte zu nehmen. Bei der Befreiung von Wilna am 13. Juli kämpften 6.000 Soldaten der AK Seite an Seite mit den sowjetischen Truppen der 3. Belorussischen Front. Sie wurden allerdings bereits einen Tag später unter Zwang von den sowjetischen Truppen entwaffnet.[21]

Ein weiterer Prüfstein für die AK-Führung war die Zusammenarbeit mit den Sowjets im Raum Lublin. Dort kämpften drei Divisonen der Heimatarmee in Zusammenarbeit mit der 2. Sowjetischen Panzerarmee gegen die Deutschen. Lublin lag westlich der Curzon-Linie, war also von den Sowjets, im Gegensatz zu Wilna nicht 1939 annektiert worden. Deshalb erhofften die AK-Kommandeure auf eine freundlichere Haltung der Roten Armee. Nach den zehntägigen Kämpfen und der Befreiung Lublins wurden allerdings wieder sämtliche AK-Truppen zwangsweise von sowjetischen Stellen entwaffnet. [22] Dasselbe Bild ergab sich bei Lemberg und Tarnopol.

Diese Erfahrungen gaben für die AK-Führung ein zwiespältiges Bild ab. Sie konnten aus dem Land nur mit Hilfe der Roten Armee in die Städte eindringen. Ihre Hilfe wurde auch angenommen, sobald der Feind aber in einer Region besiegt war, wurden sie entwaffnet. Bemerkenswert hierbei war das Schweigen der Westmächte, die bei Stalin niemals Einspruch gegen die Entwaffnung der Soldaten ihres polnischen Verbündeten erhoben. Infolgedessen kam das AK-Kommando zum Entschluss, Warschau selbst zum Ort des Aufstands zu machen. Hier operierten die Guerillas selbst aus der Stadt heraus. Des Weiteren sollte der Aufstand als medienwirksame Demonstration der polnischen Unabhängigkeit gegenüber der Sowjetunion dienen.[23] Die sowjetische Seite erweckte trotz der Entwaffnungen den Eindruck, sie stünde einem Aufstand freundlich gegenüber. Radio Moskau sendete am 29. Juli einen Aufruf an die Bürger der Stadt, sich dem Kampf gegen die Deutschen anzuschließen.[24]

Personell war die Heimatarmee mit 30.000-40.000 Soldaten in und um Warschau gut ausgestattet. Es fehlte allerdings an Waffen, Ausrüstung und Munition. Nur jeder vierte Kämpfer der AK verfügte zu Aufstandsbeginn über eine Schusswaffe.[25] Nach den Berechnungen des Chefs der Warschauer AK-Zelle Antoni Chrusciel würden die Ressourcen nur für drei bis 4 Tage offensives Gefacht oder zwei Wochen defensive Operationen genügen.[26]

Der Aufstand

Erhebung und Massenmord

Im Juli 1944 fanden mehrere geheime Sitzungen der AK-Führung in Warschau statt, in denen über verschiedene Varianten des Aufstandes debattiert wurde. Der Chef der AK in Polen, General Bor-Komorowski äußerte bereits in der dritten Juli-Woche - auch gegenüber der Exilregierung - die Überzeugung, dass ein bewaffneter Aufstand in kürzester Zeit stattfinden müsse. Doch man war noch unentschlossen, vor allem aufgrund des Mangels an Munition und Waffen. In den nächsten Tagen kam es zu einer Reihe von Ereignissen, die die AK-Führung und die Exilregierung immer mehr davon überzeugten, dass die Zeit für einen bewaffneten Aufstand gekommen sei; Die Bildung des Lubliner Komitees - einer polnischen kommunistischen Marionettenregierung - durch die Sowjetunion zeigte, dass die Sowjetunion ungeachtet aller Proteste ihre eigenen politischen Ziele durchsetzen wollte; die teilweise Evakuierung deutscher Lagerräume und des administrativen Apparates der Deutschen aus Warschau begründete die Vermutung eines bevorstehenden Rückzugs der Wehrmacht aus Warschau; am 29. Juli verbreitete die kommunistische AL die Falschmeldung, dass die AK-Einheiten Warschau verlassen hätten; Am gleichen Tag sendete Radio Moskau einen Aufruf in polnischer Sprache, der die Bevölkerung zur bewaffneten Erhebung aufrief; „Für Warschau, das sich nie ergeben, sondern immer gekämpft hat, hat die Stunde des Kampfes geschlagen!”. Am 31. Juli 1944 fand daraufhin eine weitere Versammlung der AK-Führung in Warschau statt, die jedoch zunächst ergebnislos endete. Als jedoch am gleichen Tag um 17:30 Uhr der AK-Nachrichtendienst meldete, sowjetische Panzer hätten bereits die Vorstadt Praga östlich der Weichsel erreicht, gab der Chef der AK in Polen General Bor-Komorowski, im Einvernehmen mit der Delegation der Exilregierung aus London, den Befehl, den Aufstand in Warschau durchzuführen. Alle AK-Verbände sollten am 1. August um 17:00 Uhr zeitgleich gegen die deutschen Besatzer losschlagen.[27][28]

Es kam allerdings bereits vor der festgesetzten Stunde zu vereinzelten Feuergefechten zwischen AK-Einheiten und deutschen Truppen, da manche der Zellen zufällig von den Deutschen entdeckt wurden. Damit war das Überraschungsmoment nur in wenigen Fällen gegeben. Des Weiteren erhielten manche Einheiten den Befehl auch zu spät oder konnten sich bis 17:00 Uhr nicht mehr vollständig sammeln. Die AK-Zellen im Stadtzentrum litten aufgrund der kürzeren Wege in ihren Distrikten weniger unter diesem Manko. Dafür waren sie aber im Gegensatz zu den Kräften im Umland und den Vororten der Stadt schlechter bewaffnet.[29]

Trotz dieser Faktoren gelangen den Aufständischen einige Erfolge. So konnten sie im Laufe der ersten Kampftage das 68 Meter hohe Gebäude der Versicherungsgesellschaft Prudential als weithin sichtbare Landmarke erobern. Des Weiteren brachten sie das zentrale Postgebäude der Stadt sowie das Elektrizitätswerk unter ihre Kontrolle. Einige wichtige Gebäude, wie die Telefonzentrale wurden von ihnen belagert. Im Großen und Ganzen konnten sie rund die Hälfte Warschaus links der Weichsel unter ihre Kontrolle bringen.[30]

Viele strategisch wichtige Ziele blieben aber in der Hand der deutschen Besatzungstruppen. So gelang es den AK-Kämpfern nicht, die Weichselbrücken von deutschen Truppen freizukämpfen. Damit blieb die Ost-West-Verbindung durch die Stadt für deutsche Truppenbewegungen offen, auch wenn sie von den Soldaten der Heimatarmee ständig bedroht wurde. Ebenso konnten die Deutschen die Angriffe auf die beiden Flughäfen der Stadt, die Universitätsgebäude und das Polizeihauptquartier abschlagen.[31]

Beide Seiten hatten damit ihre Ziele verfehlt. Die Deutschen konnten den Aufstand nicht niederschlagen und die AK hatte die Schlüsselpositionen der Stadt nicht in ihrer Gewalt. Warschau glich nach den ersten Kampftagen einem Puzzle aus deutsch oder polnisch kontrollierten Sektoren und Gruppen beider Seiten waren oftmals isoliert und eingekesselt. Die polnischen Widerstandskämpfer hatten allein am ersten Tag rund 2.500[32] Soldaten verloren. Die Deutschen hatten 500[33] Tote zu beklagen. Am 3. August versuchten Panzereinheiten der Division Hermann Göring die Straßenverbindung Richtung Osten wieder für den Nachschub an die Ostfront durchgängig zu machen. Sie scheiterten aber am Feuer der Aufständischen. Ein zweiter Versuch durch ein Grenadierregiment der Wehrmacht scheiterte ebenso. Bei diesen Einsätzen wurden planmäßig polnische Zivilisten von den Deutschen als sogenannte menschliche Schutzschilde missbraucht.[34]

Währenddessen war dem deutschen Oberkommando klargeworden, daß die 20.000 Mann starke Warschauer Garnison nicht in der Lage war, den Aufstand zu unterdrücken. Deshalb wurde eine Angriffgruppe aus Waffen-SS, Wehrmacht und Einheiten der Luftwaffe zusammengestellt. Diese Kampfgruppe umfasste auch die russische SS-Brigade RONA unter Bronislaw Kaminski und die aus Kriminellen bestehende Brigade Dirlewanger. Der Verband stand insgesamt unter dem Kommando von SS-Gruppenführer Heinz Reinefarth.[35]

Himmler hatte bereits Tage zuvor den Befehl gegeben, sämtliche nicht-deutschen Einwohner Warschaus ohne Ansehens von Alter, Geschlechts oder Beteiligung am Aufstand zu töten und die Stadt dem Erdboden gleichzumachen. Durch diese Anordnung wollte er den Widerstand des polnischen Volkes gegen die Nazi-Herrschaft ein für allemal brechen.[36] Infolgedessen endete der Angriff der Kampfgruppe Reinefarth gegen den westlichen Stadtteil Wola mit einem Massaker an der Zivilbevölkerung. Schätzungen zufolge töteten die deutschen Einheiten zwischen 20.000 und 50.000 polnische Zivilisten.[37] Die Einheiten vermieden es sogar, den Kampf gegen die Heimatarmee aufzunehmen. Der Kommandeur der in Wola liegenden AK-Einheiten bezeichnete seine Verluste an Soldaten mit 20 Toten und 40 Verwundeten. Reinefarth beschwerte sich unterdessen bei seinen Vorgesetzten, dass die ihm zugeteilte Munition nicht ausreiche, um alle gefangenen Zivilisten zu erschießen.[38] Die Wirkung des Massakers auf die Zivilbevölkerung ließ nicht auf sich warten. Wer konnte, versuchte sich in einen von Widerstandskämpfern kontrollierten Bereich der Stadt zu retten. Dadurch wurde der Kampfgeist der polnischen Soldaten gestärkt, aber es wurde damit auch der Grundstein gelegt für die Versorgungsprobleme und Überfüllung hinter den Stellungen des Widerstands.[39]

Am 6. August beschränkte der neu eingetroffene Oberbefehlshaber Erich von dem Bach den Massenmord aus taktischen Gründen. Frauen, Alte und Kinder wurden vom Erschießungsbefehl ausgeschlossen und die Durchführung des Massenmords wurde von den eigentlichen Kampfeinheiten an speziell gebildete Einsatzgruppen hinter der Front verlagert. Damit sollte der Fortgang der Morde auch vor der Zivilbevölkerung verschleiert werden.[40]

Während den ersten Aufstandstagen hatte sich auch die Lage der Roten Armee verändert. Im Rahmen ihrer Westoffensive wurden sie von der Wehrmacht schon am 1. August kurz vor Warschau zurückgestoßen. Der Oberbefehlshaber der 1. Belorussischen Front Konstantin Rokossowski sah dies allerdings nur als einen kurzzeitigen Misserfolg. Er legte bereits wenige Tage später einen Operationsplan vor, bei dem er die Einnahme Warschaus zum 10. August avisierte. Dieser Plan wurde allerdings von höheren Stellen abgelehnt und die Rote Armee vor Warschau angewiesen, in defensiver Position zu verweilen. Aufgrund mangelnder Quellenlage ist nicht klar, ob die Ablehnung aus der politischen oder militärischen Führung der Sowjetunion herrührte. [41] Am 4. August starteten allerdings die ersten Flüge der britischen Luftwaffe in Richtung Warschau. Dabei warfen polnische, britische und australische Besatzungen Waffen, Munition und Versorgungsgüter ab. Wegen der langen Flugstrecke von Italien und zurück konnten aber keine Jäger mitfliegen, sodass die Verluste hoch waren und die Zahl der Flüge gering blieb.[42]

Internationale Situation

Schon kurz vor dem Aufstandsbeginn befand sich der Nachfolger Sikorskis als Premier Stanisław Mikołajczyk in Moskau um die diplomatischen Spannungen mit dem sowjetischen Verbündeten auszuräumen. Am 3. August traf er mit Josef Stalin zusammen. Dieser sagte allerdings keinerlei Unterstützung für den Aufstand zu. Er forderte, die Anerkennung des kommunistischen Lubliner Komitees und äußerte sich in einigen Bemerkungen sehr abschätzig gegenüber den militärischen Fähigkeiten der Aufständischen.[43]

Daraufhin traf sich Mikołajczyk mit Vertretern der kommunistischen Gegenregierung und machte diesen bezüglich der Verfassung und territorialer Fragen weitgehende Zugeständnisse. Wenige Tage später, am 9. August sicherte Stalin ihm jegliche Unterstützung für die Heimatarmee in Warschau zu. Daraufhin verließ der polnische Premier Moskau Richtung London in dem Glauben, einen maßgeblichen außenpolitischen Erfolg erzielt zu haben.[44] Am 16. August erfolgte aber eine weitere Kehrtwende in der Politik der Sowjetunion. In einem Schreiben an Churchill lehnte Stalin jede Hilfeleistung an den polnischen Widerstand in Warschau ab[45] Des Weiteren lehnte er ein Gesuch Roosevelts ab, US-Flugzeuge auf sowjetischen Flugplätzen zwischenlanden zu lassen, um Warschau zu unterstützen. Dies war bereits mehrmals im Rahmen der Operation Frantic vorexerziert worden. Hierbei waren US-Bomber und Jäger in der Ukraine zwischengelandet und hatten jeweils auf dem Hin- und Rückflug industrielle Ziele in Ungarn, Rumänien und Polen bombardiert. Die Erfolgsaussichten dieser Missionen waren aufgrund der Jagdeskorte und der schieren Anzahl der US-Bomber weitaus erfolgversprechender als die bisherigen Flüge der Royal Air Force von Italien aus.[46]

Kampf um die Altstadt

Am 13. August 1944 begannen die Deutschen mit 39.000 Soldaten die Offensive gegen die Aufständischen in der Altstadt. Von dem Bach hatte dieses Ziel gewählt, um die Eisenbahnbrücken und somit die Nachschubverbindung zur 9. Armee, die an der Ostfront kämpfte, wiederherzustellen. Ihnen gegenüber standen 6.000 Kämpfer des Widerstands, die sich in dem wenige Quadratkilometer großen Stadtviertel mit rund 100.000 Zivilisten befanden. Die deutschen Truppen gingen dabei im Schutz von Panzern und unterstützt durch Artillerie und Luftwaffe entlang der Straßen vor. Diese Vorgehensweise scheiterte an der Guerillataktik der Aufständischen. Insbesondere der Einsatz polnischer Scharfschützen wurde von deutschen Stellen als besonders wirksam beschrieben. Es dauerte mehrere Tage, bis die Deutschen von den Aufständischen lernten und anstatt der Bewegung unter freiem Himmel Mauerdurchbrüche und Kellergänge zur Fortbewegung nutzten. Dadurch konnten sie ihre zahlenmäßige Überlegenheit an Menschen und den Einsatz schwerer Waffen kaum mehr zum Tragen bringen. Der Kampf um die Altstadt wurde somit zu einer Schlacht um jeden Raum und jedes Gebäude.[47]

Bis zum 21. August hatten die deutschen Truppen die AK auf einen Quadratkilometer zurückgedrängt. Sie hatten bis zu diesem Datum rund 2.000 Soldaten durch Tod oder Verwundung verloren. Die deutschen Verluste beliefen sich bis zum 26. August auf rund 4.000 Mann.[48] Am 31. August entschloss sich das AK-Kommando der Altstadt, die restlichen Kämpfer und Zivilisten zu evakuieren. Sie zogen sich unbemerkt von den Deutschen über die Kanalisation in das von der AK kontrollierte Stadtzentrum zurück. Da sich die deutschen Truppen auf die Altstadt konzentriert hatten, waren die restlichen Enklaven des Widerstandes noch relativ unberührt. Der Anblick der evakuierten Zivilpersonen aus der Altstadt erwies sich für die dortige Bevölkerung oftmals als Schock. Wasser war im umkämpften Viertel knapp gewesen, da die Deutschen die Wassserversorgung der ganzen Stadt unterbrochen hatten. Die Benutzung von Brunnen bedeutete unter Artilleriebeschuss und Bombardement Lebensgefahr. Die Bemühungen der Verwaltung der Aufständischen, die medizinische Versorgung aufrechtzuerhalten, scheiterten. Ab dem 20. August waren keine Anästhetika mehr verfügbar und Operationen wurden bei vollem Bewusstsein durchgeführt. Am 22. August wurden die letzten Brotrationen ausgegeben. Rund 25.000 bis 30.000 Zivilisten fanden in der Altstadt den Tod. Deutsche Stellen sprachen von rund 35.000 internierten Zivilisten nach der Eroberung des Viertels. Diese Menschen erwartete die Deportation zur Zwangsarbeit in das Deutsche Reich.[49] Nach der vollständigen Eroberung der Altstadt am 1. September 1944 begannen deutsche Truppen verwundete Zivilisten und verwundete Ak-Soldaten zu erschießen. Nur in einem Fall verhinderten deutsche Kriegsgefangene, die von ihren polnischen Gegnern im selben Lazarett wie Widerstandskämpfer und Zivilpersonen versorgt worden waren, den Massenmord. Des Weiteren sind Erschießungen gefangener AK-Soldaten durch deutsche Einheiten auch während der Kämpfe belegt.[50]

Den Aufständischen der anderen Bezirke gelang es während des Kampfs um die Altstadt einige lokale Erfolge zu erzielen. Sie eroberten einige Enklaven, in denen sich die Besatzungstruppen gehalten hatten. Darunter das Gebäude der Telefongesellschaft PAST. Als höchstes Gebäude der Stadt bedeutete seine Erstürmung am 22. August 1944 einen großen moralischen Erfolg.[51] Des Weiteren versuchten die Aufständischen, durch Angriffe auf strategisch wichtige Gebäude Verbindung untereinander herzustellen. Dort wo die Deutschen aber nicht selbst abgeschnitten waren, schlugen diese fehl, sodass die AK immer noch einen Flickenteppich isolierter Gebiete hielt, die untereinander nicht zusammenwirken und auch kaum kommunizieren konnten. Ebenso scheiterte der Versuch, größere Reserven über die umliegenden Waldgebiete in die Stadt einzuschleusen.[52]

Agonie und Hoffnung

Nach dem Fall der Altstadt verteidigte der Widerstand noch drei große Gebiete innerhalb der Stadt. Das Stadtzentrum war von deutschen Truppen in zwei Teile gespalten, doch umfasste den stärksten Bezirk der AK. Hier befanden sich 23.000 Soldaten und die Verwaltung der Aufständischen war hier am weitesten fortgeschritten. Es gab Zeitungen, einen Postdienst, einen Radiosender sowie eine eigene Waffenproduktion in der vor allem Handgranaten gefertigt wurden.

Im Süden des Zentrums lag Mokotow. Seit den ersten Aufstanstagen, an denen es zu Kämpfen und Erschiessungen durch deutsche Truppen gekommen war, war es hier relativ ruhig geblieben. Ein Versuch die Verbindung zum Zentrum freizukämpfen scheiterte allerdings Ende August, so daß Mokotow isoliert blieb. Im Norden des Zentrums hielten die Aufständischen mit dem Bezirk Zoliborz eine kleinere Insel des Widerstands. Auch hier war die Lage bis zum August vergleichweise ruhig geblieben. [53]

Das Zentrum wurde aus zwei Gründen zum nächsten Angriffsziel der Deutschen. In ihm verliefen die Straßenverbindungen Richtung Osten und es war aufgrund seiner Größe die Hauptstütze der AK. Von dem Bach begann den Angriff am 2. September 1944. Die Besatzer gingen dabei entlang des westlichen Weichselufers vor, um die Aufstädnischen von den eventuell anrückenden Sowjets abzuschneiden. Wie in den Kämpfen um die Altstadt ergaben sich durch die zähe polnische Verteidigung hohe Verluste unter den deutschen Truppen, doch konnten die Stellungen gegen die materielle Übermacht nicht gehalten werden. Am 6. September besetzten deutsche Truppen das Elektrizitätswerk und zogen den Ring um die Aufständischen immer enger. Bor-Komorowski war von der Aussichtslosigkeit der Lage überzeugt und erbat am 8. September per Funk die Ermächtigung zur Kapitulation von der Exilregierung. Sie wurde ihm gewährt, doch änderte sich die Lage einen Tag später drastisch. Am 9. September griff zum ersten Mal die sowjetische Luftwaffe ein, bombardierte deutsche Stellungen und brach die deutsche Luftherrschaft binnen eines Tages. Tags darauf begann Rokossowskijs Angriff auf die östliche Vorstadt Praga. Daraufhin brach der polnische Oberbefehlshaber die Kapitulationsverhandlungen mit den Deutschen ab. Am 14. hatte die Rote Armee das östliche Weichselufer vollständig im Griff. Polen und Russen waren nun nur noch wenige hundert Meter voneinander getrennt. [54]

Die Moral der AK wurde am 18. September nochmals gestärkt. Die Sowjets hatten nun doch einen FRANTIC-Flug der US-Luftwaffe genehmigt. Insgesamt starteten 110 B-17 Flying Fortress um Versorgungsgüter über der Stadt abzuwerfen. 105 Flugzeuge erreichten ihr Ziel und landeten dann auf dem sowjetischen Stützpunkt Poltawa. Aufgrund der unübersichtlichen Verhältnisse erreichten aber nur rund 20 % der Container den polnischen Widerstand. Die US-Luftwaffe beantragte weitere FRANTIC-Missionen bei ihren sowjetischen Verbündeten, diese gaben jedoch bis zum Ende des Aufstand keine Erlaubnis mehr. Dies blieb somit die einzige Unterstützung des amerikanischen Militärs des Aufstandes.[55]

Bereits mehrere Tage zuvor, am 15. September starteten drei polnische Divisionen Berlings nördlich und südlich der Stadt den Versuch die Weichsel zu überqueren. Sie wurden dabei von sowjetischer Artillerie und der Roten Luftwaffe unterstützt. Die Kampftruppen der Roten Armee blieben aber immer noch in passiv und Berling selbst beschwerte sich über den Mangel an zur Verfügung gestellter Pionierausrüstung für den Übergang. So konnten nur wenige Soldaten und ein geringer Teil an schweren Waffen übergesetzt werden. Nach einer deutschen Gegenoffensive brach Berling den Angriff am 23. September ab und befahl den Rückzug von den Brückenköpfen westlich der Weichsel.[56]

Am gleichen Tag eroberten die Deutschen Zoliborz. Nachdem die letzten dortigen AK-Einheiten kapituliert hatten, kam es zu einem Massaker an der Zivilbevölkerung. Vier Tage später kapitulierten die AK-Truppen in Mokotow. Bis zum Oktober hatten die Deutschen den Widerstand im Stadtzentrum nicht brechen können. Doch angesichts der aussichtslosen Lage des Militärs wie der Zivilbevöökerung entschied sich Bor-Komorowski zur Kapitulation. Am 1. Oktober wurde ein Waffenstillstand vereinbart. Wenige Tage später erfolgte die Evakuierung der Soldaten und Zivilisten aus Warschau.[57]

Folgen

Im militärischen und politischen Sinne konnte die Aufstandssführung ihre Ziele nicht durchsetzen. Der Versuch die Besatzer aus der eigenen Hauptstadt zu vertreiben scheiterte. Durch die Aussichtslosigkeit der militärischen Lage stärkte der Aufstand die Position der Exilregierung gegenüber der Sowjetunion nicht, sondern schwächte sie, da man auf die Hilfe der Roten Armee hoffen musste. Auf polnischer Seite starben rund 15.000 Soldaten und 185.000 Zivilisten[58]. Dieses massenhafte Leiden der Zivilbevölkerung machte die Exilregierung und die Aufstandsführung zum Ziel von Kritik aus dem eigenen Lager, wie von ihren kommunistischen Konkurrenten. Auch die deutsche Seite konnte ihre anfänglichen Ziele nicht durchsetzen, da eine schnelle Niederschlagung des Aufstands fehlschlug und die Widerstandskämpfer den deutschen Truppen bis zuletzt empfindliche Verluste zufügten. Die Befürchtungen des Oberkommandos der 9. Armee, nämlich einer gleichzeitigen sowjetischen Offensive bewahrheiteten sich aber nicht. Ausserdem konnten nach dem Fall der Altstadt die Nachschublinien über Warschau an die Ostfront relativ schnell wiederhergstellt werden.[59]

Die AK-Führung unter Bor-Komorowski stellte die Behandlung der polnischen Widerstandskämpfer als Kombattanten gemäß der Haager Landkriegsordung als Bedingung zur Kapitulation. Außerdem sollten Transport und Bewachung von Kämpfern und Zivilisten nur durch reguläre Wehrmachtseinheiten, nicht aber durch die SS durchgeführt werden. Ebenso rangen die Widerständler dem deutschen Befehlshaber von dem Bach die Zusage ab, Repressalien gegen die Zivilbevölkerung zu unterlassen. Gegenüber den AK-Kämpfern wurden diese Versprechen weitgehend eingehalten. Gegenüber den Zivilisten nur teilweise. 100.000 Warschauer wurden nach dem Ende der Kämpfe als Zwangsarbeiter in das deutsche Reich verschleppt. Weitere 60.000 wurden in Konzentrationslager KZ Auschwitz, KZ Mauthausen und KZ Ravensbrück verbracht. Nach dem Sieg über die polnischen Kräfte verfügte Heinrich Himmler den Befehl zur völligen Zerstörung der polnischen Hauptstadt. Bis zur Eroberung durch die Rote Armee beschäftigten sich deutsche Truppen mit Sprengungen und Brandstiftungen ind er Stadt. Sie konzentrierten sich hierbei vor allem auf kulturell bedeutsame Einrichtungen, wie Schlößer, Bibliotheken und Denkmäler[60]

Am 31. Dezember 1944 erkannte die UdSSR das Lubliner Komitee unilateral als einzige rechtmäßige Regierung Polens an. Zuvor war der polnische Premier Mikolajczik zur erfolgreich von den Westalliierten und den Sowjets zur Anerkennung der Westverschiebung Polens gedrängt worden. Die sowjetische Seite hatte dessen Zustimmung sowieso nicht abgewartet. Der NKWD hatte schon während des Aufstands mit der ethnischen Säuberung Ostpolens von polnischen Einwohnern begonnen. [61] Als einer der ersten westlichen Beobachter sah George Orwell den Weg Polens in einen von den Sowjets abhängigen Satellitenstaat:

"Nein, daß "Regime von Lublin" ist kein Sieg des Sozialismus. Es ist die Herabsetzung Polens zu einem Vasallenstaat. (...) Not werden diejenigen leiden, die ihre unabhängigen Ziele und Politik behalten wollen."[62]

Dieses Bestreben die nicht von Moskau abhängigen Kräfte zu unterdrücke richtete sich auch stark gegen die ehemaligen Widerstandskämpfer. Als die Rote Armee am 17. Januar 1945 die Stadt eroberte ergign der Befehl an die nachrückenden NKWD-Truppen noch eventuell vorhandene AK-Elemente einzusperren. Das Lubliner Komitee hatte sich schon während des Aufstandes in seinen Schriften die AK als Verrätzer und als von Volksdeutschen unterwandert, bezeichnet. Die Führung der Heimatarmee wurden als Kollaborateure mit Hitler verunglimft.[63]

Im Polen der Nachkriegszeit wurden diese Tendenzen auch schnell mithilfe der sowjetischen Sicherheitsdienste forangetrieben. Im Juni 1945 wurde in Moskau ein Schauprozess gegen den letzten AK-Befehlshaber nach Bor-Komorowski Leopold Okulicki und mehrere Führer polnischer Parteien veranstaltet. Es wurden Freiheitsstrafe von 4 Monaten bis 10 Jahren verhängt. Mehrere Verurteilte starben unter ungeklärten Umständen in den sowjetischen Straflagern.[64] Nach diesem Beispiel richtete sich auch die Behandlung der einfachen Soldaten in Polen selbst. Teile von ihnen wurden in die Sowjetunion deportiert oder in ihrem Heimatland ins Gefängnis geworfen. In Polen selbst folgten Schauprozesse gegen AK-Soldaten bis in die 50er Jahre. Desweiteren war man als ehemaliger Widerständler vom Studium und einer beruflichen Karriere in der sozialistischen Planwirtschaft ausgeschlossen. Ebenso wurde versucht die Erinnerung an den Aufstand durch die Politik des Einparteienstaates zu vereinnahmen. In den ersten Nachkriegsjahren, als der Stalinismus in Polen durchgesetzt wurde der Aufstand von staatlichen Stellen komplett übergangen. Im Zuge der Tauwetter-Periode nach dem Tod Stalins wurden diese Restriktionen gelockert. Am 1. August 1957 wurde das erste Mal im Nachkriegspolen von offizieller Seite dem Aufstand gedacht. Die Kriminalisierung der Aufstandsführung wurde aber in der Propaganda weiter aufrecht erhalten. Allerdings versuchte die Regierung durch die Würdigung der Leistung der Bevölkerung und einfachen Soldaten den Aufstand für die Legitimation der eigenen Ideologie zu nutzen. In den 60er-Jahren wurden diese Tendenzen noch verstärkt als man in begrenztem Ausmaß nationalistische Töne dem Andenken des Aufstands beimischte. Die erste nicht staatlich kontrollierte Diskussion über den Aufstand fand allerdings erst im Samisdat in der Ära der Solidarnoscbewegung der 80er-Jahre. Nach der Wende wurden die politischen Aspekte in der polnischen Öffentlichkeit heiß debattiert. Generell wurde der Aufstand in der neuen Demokratie positiv bewertet. Laut einer Umfrage von 1994 sah eine Mehrheit der Polen den Aufstand als ein wichtiges historisches Ereignis. Im selben Jahr sorgte das Gedenken an den Aufstand für zwei außenpolitische Kontroversen. Die Absage des russischen Präsidenten Boris Jelzin an den Gedenkfeiern sorgte für Unmut in Polen. Desweiteren sorgte der deutsche Budnespräsident Roman Herzog für Irritationen, als er in einer Rede vor den Feiern den Warschauer Aufstand mit dem Aufstand im Warschauer Ghetto verwechselte.[65]

Weiterer Verlauf

Die ersten Einheiten der Roten Armee befanden sich vor Beginn des Aufstandes am östlichen Weichselufer, während der Großteil der Armee nach großen Landgewinnen während der Operation Bagration noch im Nachziehen war und den Nachschub zu organisieren hatte. Die sowjetische Armee griff während des 64 Tage dauernden Aufstandes nicht in das Kampfgeschehen ein. Es gab lediglich kleinere Versuche, mit Hilfe der polnischen Armee (AL) einen Brückenkopf zu bilden. Aufgrund der schwachen eigenen Kräfte und der Konzentration starker deutscher Panzerverbände am westlichen Weichselufer mussten diese Versuche jedoch wieder abgebrochen werden. Westalliierten Luftwaffeneinheiten, die mit Nachschub und Waffen die Aufständischen unterstützen sollten, verweigerte die sowjetische Führung bis Mitte September die benötigte Landeerlaubnis auf ihren eigenen Flugplätzen (Poltova). Da diese alliierten Flugverbände von England bzw. Brindisi (Italien) einen langen Anflugmarsch hatten, war es hilfreich, diese vor dem Rückflug auf russischen Territorium aufzutanken bzw. zu warten. Dies geschah erst ab Mitte September 1944.

Die Stärke der AK belief sich unmittelbar vor Ausbruch des Aufstandes auf ca. 50.000 Mann im Raum Warschau. Nur ein sehr kleiner Teil davon war bewaffnet, fast nur mit Handfeuerwaffen. Hinzu kamen noch die Kämpfer anderer Widerstandsorganistionen wie der Armia Ludowa (dt.: Volksarmee, Abk. AL), des militärischen Armes der polnischen KP, die sich bald nach Ausbruch des Aufstandes den Kämpfenden anschlossen und die Narodowe Siły Zbrojne und einige Überlebende des Aufstandes im Warschauer Ghetto von 1943. Zusammen umfassten diese kleineren Organisationen noch einmal ca. 2.500 Mann, die ebenfalls schlecht bewaffnet waren. Die deutsche Garnison verfügte zur selben Zeit über etwa 20.000 Mann, allesamt schwer bewaffnet. Die Deutschen führten schnell große Verstärkungen heran, wobei massiv Artillerie, Panzer und Kampfflugzeuge zum Einsatz kamen. Mitte September waren auf deutscher Seite bereits 50.000 Mann im Einsatz.

Am 2. Oktober 1944, 64 Tage nach Ausbruch des Aufstandes, kapitulierte das Oberkommando der AK vor den Deutschen.

Die Rote Armee, welche Anfang/Mitte September erst die rechte Weichselseite Warschaus besetzen konnte, unternahm nur wenige Aktionen zur Unterstützung der Aufständischen. Die Ursachen dafür sind unter Historikern umstritten. Es werden die Thesen vertreten, dass

  • ein Eingreifen militärtechnisch und stärkemäßig nicht möglich gewesen sei,
  • ein Eingreifen militärstrategisch aus sowjetischer Sicht nicht sinnvoll gewesen sei,
  • es seitens der sowjetischen Führung wünschenswert war, große Teile der gegenüber Moskau kritisch eingestellten polnischen Intelligenz durch deutsche Einheiten im Vorfeld des russischen Einmarsches in Warschau liquidieren respektive deportieren zu lassen, um problemloser eine moskaufreundliche Regierung installieren zu können.

Zu bedenken ist allerdings auch, dass der Roten Armee die Einnahme der Stadt erst Monate nach der Niederschlagung der Aufstandsbewegung gelang. Insofern erscheint auch die reine 'Abwarten'-These etwas zweifelhaft.

Verluste

Denkmal des Warschauer Aufstandes

(Alle Zahlen ungefähre Angaben)

Polnische Kräfte:

  • 10.000 Tote
  • 7.000 Vermisste
  • 25.000 Verwundete
  • 16.000 Gefangene

Deutsche Wehrmacht, einschl. Polizei und SS:

  • 10.000 Tote
  • 9.000 verwundete
  • 332 zerstörte Panzer, Panzerwagen und Sturmgeschütze.

Insgesamt kamen zwischen 170.000 und 250.000 Zivilisten während und unmittelbar nach dem Aufstand ums Leben (allein im Stadtteil Wola wurden 40.000 Zivilisten erschossen). Ca. 85 % der städtischen Bausubstanz Warschaus wurden durch die Kämpfe und die anschließende systematische Zerstörung vernichtet. Hinzu kommen die Zerstörungen aus dem Jahr 1939, entstanden bei deutschen Luftangriffen und den Bodenkämpfen um Warschau. Nachdem die Kapitulation am 2. Oktober unterschrieben wurde, begann am 3. Oktober die Evakuierung. Die gehfähigen Mitglieder der AK verließen Warschau in geschlossenen Reihen am 4. bzw. 5. Oktober und wurden in deutsche Gefangenschaft überführt. Ein Teil der Armia Krajowa blieb in Warschau zurück und sollte in den nächsten Monaten das konspirative Netz wieder aufbauen.

Als sowjetische und polnische Truppen im Januar 1945 Warschau besetzten, fanden sie eine völlig zerstörte und menschenleere Geisterstadt vor.

Quellenangaben

  1. Davies, Norman: Rising '44. Pan Books, London 2004 S. 649
  2. Klaus J. Bade: Zitat aus "Migration in Geschichte und Gegenwart. S. 378
  3. Wlodzimierz Borodziej: Der Warschauer Aufstand 1944. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt/M. 2004 S. 23ff
  4. Wolfgang Benz (Hrsg.): Dimension des Völkermords. Die Zahl der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus. Dtv, München 1996
  5. Wlodzimierz Borodziej: Der Warschauer Aufstand 1944. S. Fischer Verlag 2001, ISBN 3100078063, S. 27
  6. Borodziej: S. 43
  7. Borodziej: S. 33f, Davies: S. 184-188
  8. Wlodzimierz Borodziej: Der Warschauer Aufstand 1944. S. Fischer Verlag 2001, ISBN 3100078063, S. 56
  9. S. Korboński: Fighting Warsaw: the Story of the Polish Underground State 1939-1945. London 1956
  10. Norman Davies: God's Playground. A History of Poland. Bd 1. The Origins to 1795; Bd 2. 1795 to the Present. Oxford University Press, Oxford 2005
  11. Borodziej: S. 30-37
  12. Wlodzimierz Borodziej: Der Warschauer Aufstand 1944. S. Fischer Verlag 2001, ISBN 3100078063, S. 57-59
  13. Davies: S. 196ff
  14. Davies: S. 102
  15. Borodziej: S. 3ff
  16. SOE-NKWD-Abkommen und Zahlen: Borodziej: S. 53
  17. ebd.: S. 42 ff
  18. ebd.: S. 49f
  19. Borodziej: S. 49ff, Davies: S. 44f
  20. Borodziej: S. 80f
  21. Borodziej: S. 85ff
  22. Borodziej: S. 89ff
  23. Borodziej: S. 97f
  24. Borodziej: S. 107
  25. Davies: S. 256f
  26. Bordziej: S. 103
  27. Borodziej: S. 110f
  28. Norman Davies; God's Playground. A History of Poland. Bd 1. The Origins to 1795; Bd 2. 1795 to the Present. Oxford University Press, Oxford 2005
  29. Borodziej: S. 113ff
  30. Borodziej: S. 116ff, Davies: S. 245f
  31. Borodziej: S. 114f
  32. Davies: S. 245
  33. Borodziej: S. 118
  34. Borodziej: S. 116ff
  35. Davies: S. 252
  36. Davies: S. 249
  37. Davies: S. 253
  38. Hans von Krannhals: Der Warschauer Aufstand 1944. Frankfurt am Main, 1962 S. 312
  39. Borodziej: S. 123
  40. Davies: S. 252f
  41. Borodziej: S. 127ff
  42. Borodziej: S. 128
  43. Borodziej: S. 126f
  44. Borodziej: S. 130
  45. Borodziej: S. 133
  46. Borodziej: S. 137, Davies: S. 311
  47. Bordoziej: S. 144ff
  48. Borodziej: S. 151
  49. Borodziej: S. 154ff
  50. Borodziej: S. 154ff
  51. Davies: S. 326
  52. Borodziej: S. 152f
  53. Borodziej: S. 157-161
  54. Borodziej: S. 167ff
  55. Norman Davies: Rising '44, S. 377, 381
  56. Davies: Rising '44, S. 383
  57. Borodziej: S. 180ff
  58. Borodziej : S. 190
  59. Davies : S.502, S. 626, S. 640
  60. Borodziej : S. 206, Davies : Rising '44 : S.436-439
  61. Davies : Rising '44 : S. 443ff
  62. Orwells Artikel in der Tageszeitung "Time and Tide" wird zitiert in Davies, Norman : Rising '44 auf S. 442 Originalzitat in englischer Sprache: No, the 'Lublin Regime' is no victory for socialism. It is the reduction of Poland to a vassal state ... Woe to those who want to maintain their independent views and policies..."
  63. Davies : Rising '44 : S. 440, S. 457
  64. Davies : Rising '44 S. 462f, 466ff
  65. Borodziej : S.210ff; Davies : Rising '44 S. 521 ff

Literatur

Film

Bekannt sind heute zwei verfilmte Dramatisierungen:

  • Andrzej Wajda: Der Kanal (1956. Der Film wirkt dokumentarisch, hat aber gar nicht diesen Anspruch und beschreibt, ausgehend von autobiographischen Aufzeichnungen eines Überlebenden (Jerzy Stefan Stawiński), das Schicksal einer Widerstandgruppe, die sich in die Kanalisation unter Warschau zurückziehen muss)
  • Roman Polański: Der Pianist (2002. Nach dem Drama von Władysław Szpilman. Der mit 3 Oscars ausgezeichnete Film behandelt auch den Aufstand im Warschauer Ghetto und den Warschauer Aufstand)

Siehe auch

Commons: Warschauer Aufstand – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Vorlage:Link FA Vorlage:Link FA