Verkehrsfluss

Unter Verkehrsfluss (englisch traffic flow) versteht man den Fluss oder Flux, d. h. die Anzahl der Verkehrselemente (z. B. Fahrzeuge), die eine bestimmte Verkehrsfläche oder -linie (als Grenzfall der Fläche) pro Zeitspanne durchquert.

Während in den meisten Fällen mit dem Begriff ausschließlich der Kraftfahrzeug-Verkehrsfluss gemeint ist, gilt er grundsätzlich auch für andere Verkehrsarten (vgl. z. B. die "Grüne Welle für Radfahrende"[1])

Die Änderung des Verkehrsflusses mit bestimmten RandbedingungenVerkehrs- bzw. Fahrzeugdichte, Durchschnittsgeschwindigkeit eines oder aller Fahrzeuge, die Geschwindigkeitsverteilung, Sicherheitsabstand, Straßenbreite[2] – ist ein komplexes Forschungsgebiet, da viele Phänomene nur nichtlinear beschreibbar sind. Verkehrssimulationen – im deutschsprachigen Raum zum Beispiel VISSIM – sind insofern ein wichtiges Werkzeug zur Unterstützung der analytischen Modelle. Insbesondere sind die Bedingungen für den Übergang von unbehindertem Fluss zu Stop-and-Go-Verkehr, bzw. Stau interessant. Anwendungen finden Forschungsergebnisse in der sogenannten Telematik.

Verkehrsflussanalyse

Verkehrsflussananalysen werden durch modellgetriebene und durch datengetriebene Methoden angestellt, wobei dieser Abschnitt sich auf ersteres beschränkt. Modelle können grundsätzlich in drei Gruppen klassifiziert werden. Sie sind Gegenstand aktueller Forschung, welche im Wesentlichen aus der Physik, der Mathematik und den Ingenieurswissenschaften heraus vorangetrieben werden.

Mikroskopische Modelle

Modelle auf mikroskopischer Ebene (eng. microscopic models) modellieren mithilfe gewöhnlicher Differentialgleichungen jedes Fahrzeug einzeln und untersuchen ihr individuelles Verhalten. Es wird hierbei eine kreisförmige Straße der Länge mit Fahrzeugen angenommen. Die Positionen der Fahrzeuge werden mit den abhängigen Variablen zum Zeitpunkt modelliert. Zentral ist hierbei die sogenannte optimal velocity function (OVF), gegeben als , die abhängig vom Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug (eng. headway) die optimale Geschwindigkeit des Fahrzeugs vorgibt. Die OVF muss folgende Eigenschaften erfüllen:

  • , die Funktion verläuft also durch den Ursprung
  • , die Funktion ist also monoton steigend
  • , die Funktion nähert sich also einer maximalen Geschwindigkeit (wächst also insbesondere nicht ins Unendliche)

Ein erstes einfache Modell ist durch gegeben. Hierbei wird die Geschwindigkeit der Fahrzeuge also lediglich durch die OVF determiniert. Ein verbessertes und gleichzeitig das wichtigste mikroskopische Modell ist das sogenannte Bando-Modell[3], welches durchgegeben ist. bezeichnet die Reaktionszeit der Fahrzeuge. Hierbei wird das Verhalten der Fahrzeuge also durch die Beschleunigung und nicht direkt durch die Geschwindigkeit definiert. Durch Skalierung der Variablen mit folgt das skalierte ModellFür die mathematische Analyse dieses Modells interessiert die Frage nach der Existenz und Stabilität von Lösungen. Stabilität heißt, dass sich das System bei einer kleinen Störung wieder der gegebenen Lösung annähert.

Eine unmittelbar einleuchtende Lösung ist die quasistationäre Lösung . Es zeigt sich durch Linearisierung um diese quasistationäre Lösung herum, dass die Stabilität in jedem Fall dann gegeben ist, wenn. Man beachte hierbei die Skalierung . Stabilität ist also eher gegeben, wenn die Reaktionszeit sinkt oder das Verhältnis von Fahrzeugen zu Straßenlänge (Fahrzeugdichte) sinkt, was beides aus Anwendungssicht einleuchtet. Instabilität hingegen (z.B. Bremswellen) tauchen bei höhere Fahrzeugdichte oder langsamerer Reaktion der Fahrer auf.

Es lassen sich weitere, ausführliche nichtlineare Analysen mithilfe der auftretenden Hopf-Bifurkation und des Hopf-Theorems anstellen, welches die lokale Existenz periodischer Lösungen sicherstellt. Darüber hinaus existieren zahlreiche Modellerweiterungen wie aggressive Fahrer, individuelle Rekationszeiten der Fahrer, individuelle Geschwindigkeitsfunktionen, Linienbusmodelle, Fahrbahnverengungen oder eine unendlich lange Straße.

Makroskopische Modelle

Durch geschickte mathematische Umformulierungen lassen sich die mikroskopischen Modelle in makroskopische Modelle überführen. Makroskopische Modelle beschreiben mithilfe partieller Differentialgleichungen, angelehnt an Modelle der Strömungsmechanik, nicht individuelle Fahrzeuge, sondern makroskopische Größen wie die Verkehrsdichte und Verkehrsflussgeschwindigkeit (nicht Fahrzeuggeschwindigkeit). Diese Größen hängen nicht mehr nur von der Zeit , sondern auch vom Ort ab. Es muss zwar ein Verlust von Informationen über einzelne Fahrzeuge akzeptiert werden, dieses Vorgehen erleichtert jedoch die Beschreibung und Berechnung des Systems durch die Beschränkung auf lediglich zwei Variablen (statt ) erheblich und ist insofern gerechtfertigt, als individuelle Informationen in der Praxis selten notwendig sind.

So lässt sich beispielsweise das o.g. einfache Modell in ein makroskopisches Modell der Artüberführen. Hierbei ist eine aus hergeleitete Geschwindigkeitsfunktion (equilibrium velocity function). Diese verläuft monoton fallend und schneidet die -Achse und die -Achse jeweils bei . Die partielle Differentialgleichung ist eine Kontinuitätsgleichung der Form mit dem Fluss . Aus Anwendungssicht macht es in der Regel Sinn, anzunehmen.

Mithilfe der Methode der Charakteristiken lassen sich viele Spezialfälle dieser Gleichung lösen. Ob eine Lösung eines Anfangswertproblems damit gefunden werden kann, hängt wesentlich von den Anfangsbedingungen ab, da die charakteristischen Grundlinien die Steigung aufweisen. Damit diese eine Lösung liefern, muss die Steigung mit steigendem auch selbst wachsen oder konstant bleiben. Da monoton fällt, muss folglich ebenfalls monoton fallen. In dem Fall verlaufen die Grundkurven derart, dass sie den Definitionsraum abdecken und sich nicht schneiden. Die dadurch gelieferte Lösung ist entweder die in der Zeit konstante Anfangsbedingung (falls konstant) oder die Grundkurven spreizen sich mit der Zeit und die Lösung ist ein "Auseinanderziehen" der Anfangsbedingung.

In Fällen monoton steigender oder sogar unstetiger Anfangsbedingungen treten mit dieser Methode Probleme auf. Aus Anwendungssicht sind diese beiden Fällen aber durchaus realistisch. Eine stetig steigende Dichte tritt beispielsweise am Ende eines Staus auf, bei dem die Fahrzeuge sich immer dichter dem Stau annähern. Eine Unstetigkeit ist im Fall eines Staubeginns oder an einer roten Ampel, an dem die Dichte abrupt fällt, ebenfalls denkbar. In diesen Fällen schneiden sich die charakteristischen Grundkurven bzw. decken die Grundfläche nicht vollständig ab, sodass Schock- oder Verdünnungswellen auftreten. Zur Lösung solcher Probleme wird auf das Konzept schwacher Lösungen zurückgegriffen.

Mesoskopische (kinetische) Modelle

Ein Mittelweg ist die Definition einer Funktion die die Auftrittswahrscheinlichkeit eines Fahrzeugs zur Zeit am Ort mit einer Geschwindigkeit angibt. Diese Funktion kann mit Methoden der statistischen Mechanik wie der Boltzmann-Gleichung berechnet werden.

Verkehrsfluss in unterschiedlichen Verkehrssystemen

Straßenverkehr

Im Straßenverkehr bezeichnet der Begriff die Ausnutzung der Verkehrswege durch den „fahrenden“ Verkehr. Das bedeutet, der Verkehrsfluss nimmt durch höhere Geschwindigkeit erst einmal zu, kann aber etwa durch die dabei überproportional zunehmenden Abstände oder durch größere Geschwindigkeitsunterschiede und damit verbundene gegenseitige Behinderungen auch wieder abnehmen.

Grundbegriffe des Verkehrsflusses im Straßenverkehr:[4]

  • Der Verkehrsfluss kann allgemein als Fahrzeugstrom beschrieben werden. Dabei handelt es sich um in gleicher Richtung verkehrende Fahrzeuge auf einer Fahrbahn.
  • Befinden sich zwei oder mehr Fahrzeuge auf einem Fahrstreifen hintereinander, bilden sie eine Fahrzeugreihe. Eine gegenseitige Beeinflussung der einzelnen Fahrzeuge in einer Fahrzeugreihe findet nicht statt.
  • Beeinflusst ein vorausfahrendes Fahrzeug einer Fahrzeugreihe die nachfolgenden Fahrzeuge in ihrem Geschwindigkeitsverhalten, entsteht zusammen eine Fahrzeugkolonne (auch Fahrzeugschlange genannt).

Einflussgrößen für die Optimierung des Verkehrsflusses sind:

Maßnahmen für die Optimierung des Verkehrsflusses sind:

Schienenverkehr

Im Schienenverkehr bezeichnet der Begriff die Ausnutzung der Verkehrswege durch den „fahrenden“ Verkehr. Das bedeutet, der Verkehrsfluss nimmt durch höhere Geschwindigkeit erst einmal zu, kann aber etwa durch die dabei überproportional zunehmenden Abstände oder durch größere Geschwindigkeitsunterschiede und damit verbundene gegenseitige Behinderungen wieder abnehmen.

Einflussgrößen für die Optimierung des Verkehrsflusses sind:

Schiffsverkehr

Im Schiffsverkehr bezeichnet der Begriff die Ausnutzung der Verkehrswege durch den fahrenden Verkehr. Das bedeutet, der Verkehrsfluss nimmt durch höhere Geschwindigkeit erst einmal zu, kann aber etwa durch die dabei überproportional zunehmenden Abstände oder durch größere Geschwindigkeitsunterschiede und damit verbundene gegenseitige Behinderungen auch wieder abnehmen.

Einflussgrößen für die Optimierung des Verkehrsflusses sind:

Luftverkehr

Im Luftverkehr gibt es den Begriff des Verkehrsflusses ebenfalls, obwohl ein Flugzeug während des Fluges zugewiesene Luftkorridore und andere Flughöhen benutzt. Dies bezieht sich somit nur auf den Bodenverkehr, beim Rollvorgang, bei Start und Landung, wobei genaue Zeitfenster eingehalten werden müssen.

Siehe auch

Literatur

  • Alex Erath, Philipp Fröhlich: Die Geschwindigkeiten im PW-Verkehr und die Leistungsfähigkeiten von Strassen über den Zeitraum 1950–2000. In: IVT, ETH Zürich (Hrsg.): COST 340: Entwicklung des Transitverkehrs-Systems und deren Auswirkung auf die Raumnutzung in der Schweiz. Arbeitsbericht 183 Verkehrs- und Raumplanung, Februar 2004 (ivt.ethz.ch [PDF]).

Einzelnachweise

  1. Nationaler Radverkehrsplan: Grüne Welle für Radfahrer. Abgerufen am 20. August 2021.
  2. Dezernat Hochschulkommunikation - Ruhr-Universität Bochum: Strassenbreite und Verkehrsfluss. RUB-Studie ueber Mindestbreiten von Fahrbahnen. In: Informationsdienst Wissenschaft. 9. August 1996, abgerufen am 5. Oktober 2023.
  3. M. Bando, K. Hasebe, A. Nakayama, A. Shibata and Y. Sugiyama: Structure Stability of Congestion in Traffic Dynamics. In: Japan Journal of Industrial and Applied Mathematics. Band 11, 1994, S. 202–223.
  4. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Begriffsbestimmungen – Teil: Verkehrsplanung, Straßenentwurf und Straßenbetrieb. FGSV Verlag, 2012, S. 55.