Verdampfungsenthalpie
Die Verdampfungswärme ΔQv ist die Wärmemenge, die benötigt wird, um eine bestimmte Menge einer Flüssigkeit vom flüssigen in den gasförmigen Aggregatzustand zu bringen.
Abtrennarbeit
Für den Übergang vom flüssigen in den gasförmigen Zustand muß - auch falls sich die Flüssigkeit schon am Siedepunkt befindet - Energie zugeführt werden. Diese Abtrennarbeit dient zur Überwindung der Anziehungskräfte zwischen den Flüssigkeitsteilchen. Dabei geht die aufgewandte Energie aufgrund des Energieerhaltungssatzes nicht verloren, sondern wird zu einem Teil der im Gas enthaltenen inneren Energie U.
Bei verflüssigten Edelgasen ist die Abtrennarbeit am kleinsten, da nur Van-der-Waals-Kräfte überwunden werden müssen, bei anderen Flüssigkeiten kommen Dipolmoment oder Wasserstoffbrückenbindung hinzu. Noch höher ist die Verdampfungswärme bei den Metallen (starke metallische Bindung) und am höchsten bei den Salzen wegen der vergleichsweise extrem starken Ionenbindung.
Beispiel: Um ein Kilogramm Wasser bei 100 °C und 1013 mbar zu verdampfen, ist die Abtrennarbeit ΔU = 2088 kJ aufzuwenden. Die Abtrennarbeit ist für Wasser wegen der Wasserstoffbrückenbindungen zwischen den Wassermolekülen relativ hoch.
Verschiebungsarbeit im isobaren Fall
Außerdem hängt der Betrag der zuzuführenden Verdampfungswärme von den Prozessbedingungen ab. Geschieht die Verdampfung oder Verdunstung isobar bei konstantem Druck p, wie es oft der Fall ist, so muß das entstehende Gas, um sich vom Flüssigkeitsvolumen VF auf das Gasvolumen VG auszudehnen, gegen den äußeren Druck p die Verschiebungsarbeit p·(VG-VF) = p ΔV leisten. Die zugeführte Energie wird also sowohl für Abtrennarbeit als auch für Verschiebungsarbeit verbraucht: ΔQv = ΔU + p·ΔV.
Beispiel: Bei 100 °C und 1013 mbar hat ein Kilogramm Wasser im flüssigen Zustand ein Volumen von 1,04 dm3 und im gasförmigen Zustand ein Volumen von 1,673 m3. Die Volumenszunahme beim Verdampfen beträgt also 1,672 m3 und die bei der Ausdehnung gegen den äußeren Luftdruck geleistete Verschiebungsarbeit 169 kJ. Die unter isobaren Verhältnissen bei 100°C und 1013 mbar pro kg Wasser zuzuführende Verdampfungswärme beträgt daher ΔQv = ΔU + p·ΔV = 2088 kJ + 169 kJ = 2257 kJ.
Unter anderen Bedingungen, wie z.B. Verdampfen ins Vakuum, Verdampfen bei konstantem Volumen usw. gelten andere Gesetzmäßigkeiten.
Die aus den Zustandsgrößen U, p und V gebildete Zustandsgröße H = U + p·V heißt Enthalpie. Ändern sich U, p und V um die Beträge ΔU, Δp und ΔV, so ändert sich H um den Betrag ΔH = ΔU + Δp·V + p·ΔV + Δp·ΔV. Bleibt der Druck, wie im hier betrachteten Fall, konstant, so ist ΔH = ΔU + p·ΔV.
Im isobaren Fall ist die zugeführte und auf Abtrenn- sowie Verschiebungsarbeit verteilte Energie ΔQv = ΔU + p·ΔV also gleich der Enthalpieänderung des Systems
und wird dann auch Verdampfungsenthalpie ΔHv genannt.
Beispiel: die Verdampfungsenthalpie von 1 kg Wasser beträgt 2257 kJ.
Verwendung des Formelzeichens ΔQv betont, dass die Energiezufuhr in Form von Wärme geschieht, Verwendung des Formelzeichens ΔHv betont, dass die Zustandsgröße Enthalpie des Systems verändert wird.
Zahlreiche alltägliche Verdampfungs- und Verdunstungsvorgänge finden unter isobaren Verhältnissen statt, weil die betreffenden Systeme dem atmosphärischen Luftdruck ausgesetzt sind. Die aufzuwendende Verdampfungswärme ist dann insbesondere eine Verdampfungsenthalpie und ist unter dieser Bezeichnung für viele Stoffe tabelliert.
Die stoffspezifische Verdampfungsenthalpie hängt von der Temperatur, nicht dagegen vom äußeren Luftdruck ab. Tabellenwerte finden sich meist für die Siedetemperatur des Stoffes (Dampfdruck des Stoffs ist dann 1013 mbar). Für beliebige Temperaturen kann die molare Verdampfungsenthalpie über den gemessenen Dampfdruck mit der Beziehung von Clausius-Clapeyron berechnet werden.
Temp. ber. Verd.enthalpie für WASSER
0°C 45,054 kJ/mol
25°C 43,990 kJ/mol
40°C 43,350 kJ/mol
60°C 42,482 kJ/mol
80°C 41,585 kJ/mol
100°C 40,657 kJ/mol (am Siedepkt. bei 1013 mbar)
120°C 39,684 kJ/mol (alle Messungen >100°C mit komprimiertem Wasserdampf)
140°C 38,643 kJ/mol
160°C 37,518 kJ/mol
180°C 36,304 kJ/mol (Anm.: ca. 10 bar Wasserdampf)
200°C 34,962 kJ/mol
220°C 33,468 kJ/mol
240°C 31,809 kJ/mol
260°C 29,930 kJ/mol
280°C 27,795 kJ/mol
300°C 25,300 kJ/mol
320°C 22,297 kJ/mol
340°C 18,502 kJ/mol
360°C 12,966 kJ/mol
374°C 2,067 kJ/mol
Die molare Verdampfungsenthalpie (in kJ/mol) kann durch Dividieren mit der molaren Masse (hier: 18,02 g/mol für Wasser) in die spezifische Verdampfungsenthalpie (in kJ/g) umgerechnet werden.
Bei Substanzen, die sublimieren (Phasenumwandlung von fest nach gasförmig, Beispiel: Iod), spricht man von einer Sublimationswärme, welche zusätzlich zur Verdampfungswärme auch die Schmelzwärme des Stoffes berücksichtigt.
Kondensiert das Gas unter den selben Bedingungen wieder, so wird die zum Verdampfen aufgewandte Verdampfungswärme in Form der betragsmäßig identischen Kondensationswärme auch wieder frei. Man spricht dann anschaulich davon, dass diese Energie in Form nicht fühlbarer Latentwärme im Gas gespeichert gewesen sei. Diese Ausdrucksweise ist jedoch irreführend, da die Verdampfungswärme beim Verdampfen zum Teil in innere Energie überführt und zum Teil als mechanische Arbeit an die Umgebung abgegeben wird. Bei keiner dieser Energieformen handelt es sich um Wärme.
Verdunstungskälte
Verdampft eine Flüssigkeit in die Gasphase eines anderen Stoffes infolge der Unterschreitung ihres Sättigungsdampfdruckes in dieser Gasphase, so spricht man von Verdunstung statt Verdampfung, z. B. bei Wasser im Gasgemisch der Luft. Eine Verdunstung findet auch statt, wenn keine Verdunstungswärme von aussen zugeführt wird, da sie von der mit dem Verdunsten der Moleküle verbundenen Entropieerhöhung angetrieben wird. Die Verdampfungswärme wird dann der Flüssigkeit entzogen, weshalb man sie auch Verdunstungskälte und den Vorgang selbst Verdunstungskühlung nennt. Die Flüssigkeitskühlung durch Verdunstung ist z. B. die Funktionsgrundlage eines Kühlturms.
Tabelle
Verdampfungsenthalpie ΔHv der reinen chemischen Elemente für die Siedetemperatur des Elements und einen Druck von 1013.25 hPa.
Molare Verdampfungsenthalpie:
Übersetzung aus der englischen Wikipedia. Die Stoffmengen beziehen sich hier stets auf die Anzahl der Atome; auch bei Elementen, die üblicherweise als Gase mit zweiatomigen Molekülen auftreten.
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Spezifische Verdampfungsenthalpie:
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