Kirche Nusse

Kirche in Nusse

Die Kirche Nusse ist ein Kirchengebäude in Nusse. Es steht unter Denkmalschutz.[1]

Geschichte

In der Dotationsurkunde des Bistums Ratzeburg 1158 wurde erstmals eine Kirche in Nusse urkundlich erwähnt. Wohl Anfang des 13. Jahrhunderts entstand ein großer romanischer Kirchenbau auf den bis heute erhaltenen Grundmauern. 1230 war das Kirchspiel Nusse, zu dem die Dörfer Nusse, Walksfelde, Poggensee, Hagen, Stenborg, Kühsen, Duvensee, Ritzerau, Manau, Bergrade, Koberg, Klinkrade, Sirksfelde, Lüchow, Sandesneben, Schiphorst, Linau und Helle gehörten, im Ratzeburger Zehntregister aufgeführt. Von 1370 bis zum Groß-Hamburg-Gesetz 1937 gehörte das Kirchdorf Nusse als Exklave zur Freien und Hansestadt Lübeck. 1531 erhielt das Landgebiet eine eigene reformatorische Kirchenordnung durch Johannes Bugenhagen.

1774 baute der Lübecker Ratsbaumeister Johann Adam Soherr einen Westturm an die Kirche. Ein Großfeuer beschädigte 1821 die Kirche und zerstörte 51 Häuser des Dorfes. Die Kirche stürzte in der Folge teilweise ein und wurde dann 1836 gesprengt.

In den folgenden Jahren entstand ein Neubau, entworfen vom Lübecker Stadtbaumeister Anton Spetzler. Er schuf einen dreischiffigen Bau in spätklassizistischen und romanisierenden Formen, mit breitem Mittelschiff, das von einem hölzernen Tonnengewölbe überspannt ist, und stark eingezogener Apsis. Die Wände sind durch Stützpfeiler und Rundbogenfenster gegliedert. Die Seitenschiffe sind durch eine Empore quergeteilt und haben gesonderte Neben- und Treppenräume an beiden Enden. Die Einweihung erfolgte am 8. September 1839. Der Neubau erhielt zunächst nur einen Dachreiter.

Innenraum (1916)

Der mächtige, in das Kirchendach eingezogene neue Turm mit Walmsatteldach im Heimatschutzstil entstand erst aus Anlass einer Sanierung 1914/15 nach einem Entwurf des Lübecker Baurates Carl Mühlenpfordt. Der Ortsgeistliche, Pastor Harder, und seine verstorbene Frau stifteten das große Kruzifix über den Altaraufbau.

Zum Einweihungsgottesdienst am 19. Dezember 1915, er wurde von lübeckischen Senior Johannes Becker gehalten, wies der Altarraum wie auch die Emporwände eine reiche Ausmalung, die nach den Entwürfen des Berliner Professors Max Kutschmann des kgl. Kunstgewerbemuseums in Berlin ausgeführt worden war, auf. Als Ehrengäste des Senates waren die Senatoren Johann Georg Eschenburg, Cay Diedrich Lienau, Johann Heinrich Evers, Johann Martin Andreas Neumann und Eugen Emil Arthur Kulenkamp sowie von der Bürgerschaft der Wortführer Heinrich Görtz erschienen.[2]

Ausstattung

Innenraum

Aus dem Vorgängerbau haben sich ein Taufstein aus dem 13. Jahrhundert, ein spätgotisches Kruzifix, Füllungsbretter der ehemaligen Kanzel, ein Gemälde der Verkündigung aus dem frühen 16. Jahrhundert sowie ein Abendmahlsbild aus dem 17. Jahrhundert erhalten. Das Altar-Lesepult stammt aus dem Jahr 1647, die Vasa sacra überwiegend aus dem 17. und 18. Jahrhundert.

Der Neubau erhielt 1839 einen klassizistischen Kanzelaltar, dem 1915 ein Kruzifix und die Seitenteile mit Kopien nach Carlo Dolci hinzugefügt wurden.

Orgel

Orgel

Die Orgel stammt aus der Werkstatt des Lübecker Orgelbauers Theodor Vogt von 1839 und ist neben einem Positiv in der Lübecker Jakobikirche das einzige erhaltene Werk Vogts.[3] Bereits 1888 mussten jedoch schon einige geplatzte Pfeifen ersetzt werden. 1957 und 1964 baute Klaus Becker die Orgel in zwei Phasen um und veränderte ihre Disposition. 1989 wurde die Orgel restauriert durch G. Christian Lobback, Neuendeich.

Sie hat heute 19 Register und 1.179 Pfeifen[4] und besitzt folgende Disposition:[5]

I Hauptwerk C–d3
1.Prinzipal8′
2.Gedackt8′
3.Oktave4′
4.Spitzflöte4′
5.Quinte223
6.Oktave2′
7.Mixtur IV
8.Trompete8′
II Oberwerk C–d3
9.Rohrpfeife8′
10.Salicional8′
11.Prinzipal4′
12.Rohrflöte4′
13.Hohlflöte2′
14.Scharf III1′
15.Sesquialtera II
Tremulant
Pedal C–d1
16.Subbaß16′
17.Prinzipal8′
18.Choralbaß4′
19.Posaune16′

Glocken

Die Kirche hatte zwei vom Lübecker Ratsgießmeister Friedrich Wilhelm Hirt gegossene Glocken sowie eine Uhrschlagglocke. Nach dem Zweiten Weltkrieg erhielt die Kirche zwei ältere Glocken[6], so dass das Geläut seitdem aus drei Glocken besteht:

GlockeNameGussjahrGießerDurchmesserMasseSchlagton
(HT 116)
Anmerkungen
1Paulusglocke1507Gerhard van Wou, Kampen1372 mm1600 kgd'+10hing bis zum 2. Weltkrieg in der Lübecker St.-Petri-Kirche
21827Friedrich Wilhelm Hirt1091 mm740 kgf'+3ursprünglich Glocke 2[7]
31702Johann Gottfried Wittwerck, Danzig914 mm450 kga'+ist eine Paten-/(Leih-)Glocke aus Bohnsack bei Danzig, heute Sobieszewo

Pfarrhof und Pfarrgarten

Pfarrhof, Blick zum Pastorat
Ehrengäste auf dem Weg zum Einweihungsgottesdienst (1915)

Die Kirche bildet mit dem Pastorat, der zum Gemeindehaus umgebauten Pfarrscheune und dem Pfarrwitwenhaus (alle von 1821) ein Ensemble von bedeutender ortsbaulicher Wirksamkeit.[8] Zum Ensemble gehört auch der nach französischen Vorbildern Anfang des 19. Jahrhunderts angelegte Pfarrgarten. Der Tradition nach soll ihn ein verwundeter französischer Oberst angelegt haben. Sein zum Ritzerauer See führender Laubengang aus Weißbuchen und seine Kastanienhecke stehen ebenfalls unter Denkmalschutz.

Gemeinde

Auch nach der Eingliederung Nusses in den Kreis Herzogtum Lauenburg 1937 gehörte die Kirchengemeinde weiterhin zur Evangelisch-Lutherischen Kirche in Lübeck bzw. zum Kirchenkreis Lübeck der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche. 1978 schlossen sich die Kirchengemeinde der beiden ehemaligen Exklaven Nusse und Behlendorf zusammen. Im Zusammenhang der Neugliederung der Kirchenkreise kam die Gemeinde 2009 zum Bezirk Lauenburg des vereinigten Kirchenkreises Lübeck-Lauenburg, seit 2012 der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland.

Pastoren

Fragment der ersten Kanzel mit dem Wappen des Pastors Magister Johann Hagedorn

Nach Jacob von Melle[9] und Dietrich Uter[10]:

NameLebensdatenAmtszeitBemerkungen
Nikolaus Dickelmann1504?
Johannes Hasenfeldt+1569?-1569stammte aus Flandern, hatte in Gent und Löwen studiert und ist vom Bischof von Cambrai ordiniert, dann Pastor in Dithmarschen und auf Eiderstedt, dann in Kuddewörde, danach Pastor in Nusse
Joachim Kuhlmann+15971570–1577wurde 1577 Diakonus in Mölln, 1579 Pastor in Mölln
Ludolphus Brunsvicenis?1578-?erwählt 1578?
Johann(es) Hagedorn, M.1559–16181596–1618
Georgius Koch, M.

(Magirus)

1618–1625aus Lübeck
Jacob Köster, M.1595–16561625–1656schreibt in den Kirchenbüchern über Pest, Seuchen und Krieg während seiner Amtszeit
Gerhard Reuter1625–17021656–17021699 wurde ihm sein Schwiegersohn Christian Andreas Lamprecht zu Seite gesetzt, da er sein Amt aufgrund seines Alters nicht mehr verrichten konnte.
Christian Andreas Lamprecht1671–1718(1699)1702–1710vorher Pastor in Basthorst, 1699 Gerhard Reuter zur Seite gesetzt, 1710 Pastor an St. Petri und Pauli in Bergedorf. Er war Vater des Lübecker Ratsherrn Philipp Caspar Lamprecht.
Johann Gotthard Michaelis1670–17121710–1712Sohn des Lübecker Syndicus Heinrich Michaelis
Christian Andreas Lamprecht1671–17181712–1718kam aus Bergedorf zurück
Dominicus Gerhard Andreas Lamprecht1692–17541718–1754Nachfolger seines Vaters im Amt
Georg Heinrich Lamprecht1724–17881754–1788Nachfolger seines Vaters im Amt
Franz Jacob Theodor Meyer, M.1756–18281788–1828Vater von Johann Friedrich Albrecht August Meyer
Gottfried Andreas Sartori1797–18731828–1873vorher Pastor an St. Andreas in Schlutup;

denkmalgeschützter Grabstein auf dem Kirchhof

Heinrich Lindenberg1842–19241874–1889dann nach St. Jakobi in Lübeck berufen
Friedrich Hermann Eduard Harder1858–19211890–1921vorher Pastor in Hemelingen
Axel Werner Kühl1893–19441921–1928dann nach St. Jakobi in Lübeck berufen
Hans Julius Theodor Borkenhagen1892–19351928–1935
Vakanz1936–1938
Martin Ohm1908-?1938–1946dann nach Dom-St. Jürgen in Lübeck berufen
Adolf Riege1906–19941946–1955dann in St. Gertrud in Lübeck gewählt
Dietrich Uter1924–19981955–1979
1978 Fusion der Kirchengemeinden Nusse und Behlendorf
Hans-Joachim König*19471979–2012vorher Pastor in Behlendorf
Tobias Pfeifer*1977seit 2013

Literatur

  • Dietrich Uter, Horst Weimann (Hrsg.): Nusser Kirchspielbuch 1958. Matthiesen Verlag, Lübeck 1958.
  • Hartwig Beseler (Bearb.): Kunsttopographie Schleswig-Holstein. 5. Auflage. Wachholtz, Neumünster 1982, ISBN 3-529-02627-1, S. 369.
  • Hermann Augustin (Hrsg.): Land, höre des Herren Wort: Ev.-luth. Kirche und Kirchen im Kreis Herzogtum Lauenburg. Schmidt-Römhild, Lübeck 1984, ISBN 3-7950-0700-3, S. 239–246.
Commons: Kirche Nusse – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. schleswig-holstein.de: Verzeichnis der eingetragenen Kulturdenkmale des Landes Schleswig-Holstein. (PDF) In: schleswig-holstein.de. S. 115, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 25. Februar 2015; abgerufen am 5. November 2014.
  2. Die Neue Kirche in Nusse. In: Vaterstädtische Blätter, Jahrgang 1915/16, Nr. 14, Ausgabe vom 1. Januar 1916, S. 61–62.
  3. Beschreibung (Memento desOriginals vom 5. November 2014 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/kk-ll.de der Orgeln von St. Jakobi in Lübeck. Abgerufen am 5. November 2014.
  4. Ein Wegweiser durch die Kirche zu Nusse (Memento desOriginals vom 4. November 2014 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/nusse-behlendorf.de
  5. Eintrag in der Orgeldatenbank orgbase.nl. Dort ist auch die ursprüngliche Disposition Vogts aufgeführt. Abgerufen am 5. November 2014.
  6. Belegt durch die Glockenakte im Archiv der Ev.-Luth. Kirchengemeinde Nusse-Behlendorf.
  7. Theodor Hach: Lübecker Glockenkunde (= Veröffentlichungen zur Geschichte der Freien und Hansestadt Lübeck. Band 2). Max Schmidt, 1913, ZDB-ID 520795-2, S. 99 f.
  8. Zitiert bei Land, Land... (Lit.), S. 244
  9. Gründliche Nachricht von der Kaiserl. freyen und des H. R. Reichs Stadt Lübeck, Lübeck 1787, S. 417 ff.
  10. Dietrich Uter, Horst Weimann (Hrsg.): Nusser Kirchspielbuch 1958. Matthiesen Verlag, Lübeck 1958, S. 130.

Koordinaten: 53° 39′ 31,2″ N, 10° 34′ 33,6″ O