Wackersdorf (2018)

Film
TitelWackersdorf
ProduktionslandDeutschland
OriginalspracheDeutsch
Erscheinungsjahr2018
Länge122 Minuten
Altersfreigabe
Stab
RegieOliver Haffner
DrehbuchGernot Krää,
Oliver Haffner
ProduktionIngo Fliess
KameraKaspar Kaven
SchnittAnja Pohl
Besetzung

Wackersdorf (Arbeitstitel: Sturschädel) ist ein deutscher Spielfilm von Oliver Haffner aus dem Jahr 2018 mit Johannes Zeiler in der Rolle des Schwandorfer Landrats Hans Schuierer, der gegen die Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf kämpft.

Handlung

In den 1980er-Jahren plant die bayerische Staatsregierung die Errichtung einer nuklearen Wiederaufarbeitungsanlage (WAA) in der Gemeinde Wackersdorf in der Oberpfalz. Dem Landkreis Schwandorf, mit steigenden Arbeitslosenzahlen, soll dadurch ein wirtschaftlicher Aufschwung beschert werden. SPD-Landrat Hans Schuierer steht politisch unter Druck, er soll Perspektiven für die Bevölkerung schaffen. Daher ist er zunächst von der Idee vom Bau der Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf (WAW) begeistert. Vereinzelte Proteste gegen das Vorhaben ignoriert er zunächst.

Erst als der Freistaat Bayern ohne rechtliche Grundlage mit Gewalt gegen Proteste einer Bürgerinitiative vorgeht, die sich für den Schutz der Natur in ihrer Heimat einsetzt, beginnt Schuierer langsam zu zweifeln und fängt an, Nachforschungen anzustellen, ob die Anlage wirklich so harmlos ist wie von der Strauß-Regierung behauptet wird.[22][23]

Er liest Bücher zum Thema und diskutiert mit der Bürgerinitiative gegen die WAA. Da die Entscheidung über die Genehmigung der Bauanträge bei ihm als Landrat liegt, sieht er sich in einer starken Position. Die bayerische Staatsregierung bringt jedoch ein Gesetz durch, das die Landräte entmachtet („Lex Schuierer“). Die örtliche SPD und der Bürgermeister von Wackersdorf wenden sich von ihm ab.

In einer Rede am WAA-Bauzaun sagt Schuierer, Franz Josef Strauß habe wohl bei seinen Besuchen bei autoritären Herrschern gelernt und er betreibe eine „Demokratur“. Die bayerische Landesregierung fordert daraufhin eine Entschuldigung von Schuierer und als er diese verweigert, strengt die Regierung ein Disziplinarverfahren gegen ihn an.

Es werden Originalfilmszenen von den Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei gezeigt.

Am 26. April 1986 ereignet sich die Nuklearkatastrophe von Tschernobyl. 1989 wird der Bau der WAA eingestellt.

Produktion und Hintergrund

Die Dreharbeiten fanden vom 5. Oktober bis zum 14. November 2017 an Originalschauplätzen im Landkreis Schwandorf, in der Stadtbücherei Regensburg und in München statt. Produziert wurde der Film von der Münchner if... Productions, beteiligt waren der Bayerische Rundfunk und Arte, unterstützt wurde die Produktion vom Deutschen Filmförderfonds, dem FilmFernsehFonds Bayern und der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.[24]

Für das Kostümbild zeichnete Christian Röhrs verantwortlich, für den Ton Marc Parisotto, für das Casting Stephanie Maile, für das Szenenbild Renate Schmaderer und für die Maske Dana Bieler.[24] Die Mutter von Darstellerin Anna Maria Sturm, die Politikerin Irene Maria Sturm aus Schwandorf, war eine namhafte Anti-WAA-Aktivistin.[25][26]

Verwendetes Archivmaterial

Wackersdorf verquickt gedrehte Spielfilmszenen und Archivmaterial miteinander und versucht die Zeit der 1980er in der Bildsprache wiederaufleben zu lassen. Der Film bindet den Super-GAU von Tschernobyl 1986 mithilfe von Archiv-Einblendungen der „Tagesschau“ ins fiktive Geschehen ein.[27][28] Daneben ist der legendäre Wahlkampfauftritt des Bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß in Schwandorf 1986 in zwei Einblendungen zu sehen.[29][30][31] Auch der damalige Bundesinnenminister Friedrich Zimmermann wurde mit einem kurzen Statement eingebunden.

Veröffentlichung

Die Premiere erfolgte am 29. Juni 2018 im Rahmen des Filmfests München, wo die Produktion die Reihe Neues Deutsches Kino eröffnete und mit dem Bayern 2 und SZ Publikumspreis ausgezeichnet wurde.[32][25][33] Der Film kam am 20. September 2018 in die deutschen und am 21. September 2018 in die österreichischen Kinos.[24]

Auf Arte wurde der Film am 5. Juni 2020 erstmals ausgestrahlt.[34]

Rezeption

Jana Wolf befand in der Mittelbayerischen Zeitung, dass die Schwäche des ansonsten packenden Filmes sei, dass er keine klare Entscheidung zwischen historischer Dokumentation und fiktiver Überformung treffen würde. „Es scheint, die Macher wollten beides vereinen: sich sowohl die Schlagkraft des Widerstands vor 30 Jahren filmisch zu eigen machen, als auch die künstlerische Freiheit der Fiktion beibehalten. Diese Rechnung geht am Ende nicht ganz auf.“[35]

Sascha Westphal schrieb in der Wochenzeitung der Freitag von einer „äußerst kenntnisreichen und bewundernswert detailgetreuen Rekonstruktion eines gesellschaftlichen Konflikts“.[36]

Andreas Fischer bezeichnete den Film im Weser Kurier als „klugen Film von Willkür und Widerstand, von Gehorsam und Zivilcourage“, der differenziert, facettenreich und äußerst spannend von den Atomprotesten erzählen würde. Die historischen Szenen am Bauzaun der WAA aus der Tagesschau zeigten, wie wichtig es sei, „zu zweifeln, mutig zu sein und für demokratische Werte aufzustehen. Damals wie heute.“[34]

Auszeichnungen und Nominierungen

Theateradaption

Am 12. März 2022 hatte eine Theateradaption des Films am Stadttheater Amberg Premiere.[46] Das Landestheater Schwaben hat den Film von Oliver Haffner für die Bühne angepasst und auch Schulmaterial dazu erstellt.[47]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Freigabebescheinigung für Wackersdorf. Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (PDF; Prüf­nummer: 180657/K).Vorlage:FSK/Wartung/typ nicht gesetzt und Par. 1 länger als 4 Zeichen
  2. Alterskennzeichnung für Wackersdorf. Jugendmedien­kommission.
  3. Schuierer war damals Landrat des Landkreises Schwandorf.
  4. Die Schauspielerin verkörpert im Film mitunter ihre Mutter Irene Maria Sturm, die damals in der Schwandorfer Bürgerinitiative gegen die WAA kämpfte.
    Mutter und Tochter sprechen über den Film "Wackersdorf", in dem die Tochter in die Rolle ihrer Mutter als Widerstandskämpferin schlüpft. Mittelbayerische Zeitung vom 11. Dezember 2018 auf YouTube.
  5. Claus Bößenecker: Baujurist im Landratsamt Schwandorf
    Ein Nürnberger ist die eigentliche Hauptfigur im Film "Wackersdorf" In: Nordbayern.de (Nürnberger Nachrichten) vom 29. März 2021
  6. Billinger vertritt im Film die Deutsche Gesellschaft für Wiederaufarbeitung von Kernbrennstoffen (DWK).
  7. Alfred Dick war damals bayerischer Umweltminister.
  8. Bayerische Innenminister während der WAA-Zeit: Karl Hillermeier (1982–1986) / August Lang (1986–1988) / Edmund Stoiber (1988–1993)
  9. Peter Gauweiler war damals bayerischer Staatssekretär des Innenministeriums.
  10. Bürgermeister von Wackersdorf: Der damalige Bürgermeister von Wackersdorf Josef Ebner (SPD) war ein klarer WAA-Befürworter.
  11. Anti-WAA-Aktivistin
  12. Sekretärin des Landrats
  13. Polizei-Einsatzleiter; Bruder von Monika Gegenfurtner
  14. Ehemann von Monika Gegenfurtner
  15. Büroleiter des Landrats
  16. Physiklehrer
  17. Ehefrau des Landrats
  18. Tochter des Landrats
  19. Sohn des Landrats: Hahnbacher spielt Nebenrolle bei Wackersdorf-Film: Max, der Sohn des Landrats - (Onetz vom 20. Oktober 2017)
  20. Die Pfarrer Leo Feichtmeier, Richard Salzl, Andreas Schlagenhaufer u. a. engagierten sich trotz Repressalien gegen die WAA und hielten die sonntäglichen Andachten am Franziskus-Marterl.
  21. Reporter
  22. Alamode Filmverleih: Wackersdorf (Memento vom 6. Juni 2018 im Internet Archive). Abgerufen am 6. Juni 2018.
  23. filmstarts.de: Wackersdorf. Abgerufen am 6. Juni 2018.
  24. a b c Wackersdorf. In: filmportal.de. Deutsches Filminstitut, abgerufen am 6. Juni 2018.
  25. a b BR.de: Wackersdorf-Film feiert Premiere beim Filmfest München. Artikel vom 6. Juni 2018, abgerufen am 17. September 2019.
  26. Die Kämpferinnen von Wackersdorf. Artikel vom 10. September 2018, abgerufen am 11. September 2018.
  27. Tagesschau vom 29. April 1986 - Tagesschau (ARD)
  28. „Wackersdorf“ zeigt ein inneres Dilemma. Der neue WAA-Film erzählt von den Anfängen der Proteste. Er will Fiktion sein – und kann doch von der Realität nicht lassen. in Mittelbayerische Zeitung vom 13. Juni 2018
  29. Strauß in Schwandorf: Grüne Gefahr (NDR-Panorama (Magazin) 1986, 7 Min.)
  30. 1:45: "Wir können für eine vorausschaubare Zukunft auf die Kernenergie nicht verzichten, weil es für sie keinen Ersatz gibt. Wer Ihnen was anderes sagt, der lügt Sie an oder er versteht nichts von den Dingen. Natürlich, man kann auf alles verzichten. Man kann in einem Zelt wohnen und sagen, wir brauchen kein Haus mehr. Man kann mit dem Rad fahren und sagen, wir brauchen kein Auto mehr. Man kann mit dem Segelschiff fahren und sagen, wir brauchen keinen Flugverkehr mehr, aber das ist doch keine Zukunftsgestaltung. Das ist doch der Marsch in die Vergangenheit."
  31. 1:46: "Wenn Sie einen Funken demokratischer Disziplin, einen Funken von menschlichem Anstand, einen Funken von normalen Verhaltensweisen hätten, dann würden Sie jetzt ihr Maul halten, statt versuchen uns dauernd zu stören."
  32. a b Filmfest München: Der BAYERN 2 und SZ Publikumspreis (Memento vom 8. Februar 2023 im Internet Archive). Abgerufen am 8. Juli 2018.
  33. Filmfest München: Wackersdorf. Abgerufen am 7. Juni 2018.
  34. a b Andreas Fischer: Unsere Heimat. In: Weser Kurier. 26. Mai 2020, abgerufen am 28. Mai 2020.
  35. „Wackersdorf“ zeigt ein inneres Dilemma. Artikel vom 13. Juni 2018, abgerufen am 11. September 2018.
  36. Sascha Westphal: Ein Funke Anstand. In: der Freitag vom 20. September 2018, S. 19
  37. Die Nominierungen für den Förderpreis Neues Deutsches Kino (Memento vom 24. Juni 2018 im Internet Archive). Artikel vom 18. Juni 2018, abgerufen am 18. Juni 2018.
  38. Nominierungen für den Preis der deutschen Filmkritik 2018 stehen fest. Artikel vom 23. Januar 2019, abgerufen am 23. Januar 2019.
  39. Bayerischer Filmpreis in München: Gewinner bekanntgegeben. Artikel vom 25. Januar 2019, abgerufen am 25. Januar 2019.
  40. Fajr International Film Festival 2019 Winners. Abgerufen am 7. Februar 2020.
  41. Deutscher Filmpreis: Wackersdorf. Abgerufen am 20. März 2019.
  42. Deutscher Filmpreis für Musik in BR-Koproduktion „Wackersdorf“. Artikel vom 3. Mai 2019, abgerufen am 4. Mai 2019.
  43. Deutscher Schauspielpreis 2019: Das sind die Nominierten. Abgerufen am 21. Juni 2019.
  44. „Wackersdorf“-Regisseur erhält Kulturpreis des Bezirks Oberpfalz. 4. Juli 2019, abgerufen am 4. Juli 2019.
  45. Film Wackersdorf: Deutsche Filmbewertung und Medienbewertung FBW. Abgerufen am 10. September 2019.
  46. Stadttheater zeigt „Wackersdorf“. mittelbayerische.de, 10. März 2022, abgerufen am 11. März 2022.
  47. Theaterpädagogische Materialmappe - Wackersdorf (PDF; 15 MB) - Junges Landestheater Schwaben