Sexualsystem der Pflanzen

Clavis Systematis Sexualis (Schlüssel zum Sexualsystem) in der ersten Auflage von Systema Naturae (1735).

Als Sexualsystem der Pflanzen wird Carl von Linnés wegweisende botanische Klassifikation des Pflanzenreiches bezeichnet, in der er die Pflanzen anhand von Merkmalen ihrer Fortpflanzungsorgane klassifizierte. Die Grundzüge dieses Systems veröffentlichte Linné zum ersten Mal Ende 1735 in der ersten Auflage seines Werkes Systema Naturae.[1][2]

Klassifizierungsmethode

In seinen Schriften verwendete Linné den Begriff Fructificatio, der sich von den lateinischen Begriffen fructus („Frucht“) und facere („hervorbringen“) ableitet und mit Fruchtbildungsorgane wiedergegeben werden kann. Linné verstand darunter die Gesamtheit der Bestandteile einer Blüte, die der Fortpflanzung dienen. Besondere Bedeutung maß er den Staubblättern und Stempeln, also den männlichen und weiblichen Geschlechtsorganen einer Pflanze, bei.

Linné definierte seine Klassen durch die Sichtbarkeit und Lage der Fruchtbildungsorgane sowie durch die Eigenschaften der Staubblätter. Die Ordnung ergab sich bei ihm aus der Zahl und den Lageverhältnissen von Staubblättern und Stempeln. Er war sich bewusst, dass er die Pflanzen nach einem künstlichen System ordnete, das die natürlichen Verwandtschaftsverhältnisse nicht berücksichtigte.

Linnés System

Clavis Systematis Sexualis in der 10. Auflage von Systema Naturae.
Die von Georg Dionysius Ehret gezeichnete Tafel Caroli Linnaei Classes Sive Literae in der 1. Auflage von Systema Naturale.
Spätere Fassung der Zeichnung Ehrets.

Linné erläuterte Georg Dionysius Ehret während seiner Arbeit am Hortus Cliffortianus sein neues Klassifizierungssystem für Pflanzen, woraufhin Ehret, zunächst für seinen privaten Gebrauch, eine Zeichnung mit den Unterscheidungsmerkmalen der 24 Klassen anfertigte. Die Tafel mit dem Titel Caroli Linnaei classes sive literae war schon 1735 Bestandteil der Erstausgabe von Linnés Systema Naturae und wurde später auch in anderen Werken von Linné verwendet.

Hier dienen die Zeichnungen Ehrets der Veranschaulichung von Linnés Sexualsystem der Pflanzen. Unter dem fettgeschriebenen Klassennamen sind die dazugehörigen Ordnungen aufgelistet. Danach folgen beispielhaft einige Pflanzengattungen die der jeweiligen Klasse angehören.

Fruchtbildungsorgane sind deutlich sichtbar
 Monoclinia[3]: Staubblätter und Stempel auf einer Blüte
  Staubblätter sind nicht verwachsen
   alle Staubblätter sind gleich lang, variieren aber in der Anzahl
     I. Monandria
Monogynia, Digynia
z. B. Canna
     II. Diandria
Monogynia, Digynia, Trigynia
z. B. Olea, Piper
     III. Triandria
Monogynia, Digynia, Trigynia
z. B. Crocus, Iris
     IV. Tetrandria
Monogynia, Digynia, Tetragynia
z. B. Protea, Hamamelis, Ilex
     V. Pentandria
Monogynia, Digynia, Trigynia, Tetragynia, Pentagynia, Polygynia
z. B. Primula, Stapelia
     VI. Hexandria
Monogynia, Digynia, Trigynia, Tetragynia, Polygynia
z. B. Bromelia, Oryza
     VII. Heptandria
Monogynia
z. B. Trientalis
     VIII. Octandria
Monogynia, Digynia, Trigynia, Tetragynia
z. B. Acer
     IX. Enneandria
Monogynia, Trigynia, Hexagynia
z. B. Laurus
     X. Decandria
Monogynia, Digynia, Trigynia, Pentagynia, Decagynia
z. B. Cassia, Dianthus, Silene, Oxalis
     XI. Dodecandria
Monogynia, Digynia, Trigynia, Pentagynia, Dodecagynia
z. B. Sempervivum
     XII. Icosandria
Monogynia, Digynia, Trigynia, Pentagynia, Polygynia
z. B. Prunus
     XIII. Polyandria
Monogynia, Digynia, Trigynia, Tetragynia, Pentagynia, Hexagynia, Polygynia
z. B. Papaver, Paeonia, Reseda
   die Staubblätter sind ungleich lang
     XIV. Didynamia
Gymnospermia, Angiospermia
z. B. Thymus
     XV. Tetradynamia
Siliculosa, Siliquosa
z. B. Iberis
  die Staubblätter sind verwachsen
     XVI. Monadelphia
Pentandria, Decandria, Polyandria
z. B. Geranium, Hibiscus
     XVII. Diadelphia
Hexandria, Octandria, Decandria
z. B. Lupinus
     XVIII. Polyadelphia
Pentandria, Icosandria, Polyandria
z. B. Citrus, Hypericum
     XIX. Syngenesia
Polygamia aequalis, Polygamia superflua, Polygamia frustranea, Polygamia necessaria, Monogamia
z. B. Gerbera, Senecio, Helianthus, Calendula, Lobelia
     XX. Gynandria
Diandria, Triandria, Tetrandia, Pentandria, Hexandria, Decandria, Polyandria
z. B. Orchis, Passiflora, Arum
 Diclinia[4]: Staubblätter und Stempel befinden sich auf verschiedenen Blüten
     XXI. Monoecia[5]
Monandria, Diandria, Triandria, Tetrandria, Pentandria, Hexandria, Heptandria, Polyandria, Monadelphia, Syngenesia, Gynandria
z. B. Najas, Sparganium, Buxus, Ambrosia, Zizania, Jatropha, Pinus, Ricinus
     XXII. Dioecia[6]
Monandria, Diandria, Triandria, Tetrandria, Hexandria, Octandria, Enneandria, Decandria, Polyandria, Monadelphia, Syngenesia, Gynandria
z. B. Salix, Cannabis, Taxus
     XXIII. Polygamia
Monoecia, Dioecia, Polyoecia
z. B. Musa
Fruchtbildungsorgane sind nicht deutlich sichtbar
     XXIV. Cryptogamia
Filices, Musci, Algae, Fungi
z. B. Ficus, Ophioglossum, Sphagnum, Jungermannia, Mucor, Spongia

Namensbildung

Die von Linné gebildeten Namen für seine Klassen und Ordnungen lassen sich in der Regel leicht erschließen. So leitet sich beispielsweise der Name der Klasse Triandria von den beiden Wortbestandteilen tri, also „drei“ und andria für „männlich“ her und steht für eine Pflanze mit drei Staubblättern. Die Klasse Didynamia, bestehend aus di für „zwei“ und dynamia für „mächtig“ erschließt sich so als „Zweimächtige“ (zwei Staubblätter sind länger als die übrigen).

Die Pfingstrosen, die viele Staubblätter und zwei Stempel aufweisen, gehören demnach zur Klasse Polyandria und in die Ordnung Digynia.

Die folgende Tabelle soll das Verständnis für die von Linné gebildeten Name erleichtern:

ZahlwörterAndere
VorsilbeBedeutungSilbeBedeutung
mono-ein-andr-Mann
di-zwei-gyn-Weib
tri-drei--oeciahäusig
tetra-vier-clin-liegen
penta-fünf-dynam-Macht
hex-sechs-delphy-brüdrig
hept-sieben-crypt-verborgen
oct-acht-syn-mit, zusammen
enne-neun-gam-Hochzeit, vereinigt
dec-zehn-gymn-nackt
dodec-zwölf-angi-Behälter
icos-zwanzig-
poly-viel-

Nachweise

Literatur

Einzelnachweise

  1. Linnés Einleitung Observationes in Regna III. Naturae ist auf den 23. Juli 1735 datiert.
  2. Das Vorwort der Druckauflage von Jan Frederik Gronovius und Isaac Lawson mit der Widmung an Hans Sloane ist auf den 19. Dezember 1735 datiert.
  3. monoklin = zwittrig
  4. diklin = eingeschlechtlich
  5. monözisch = einhäusig
  6. diözisch = zweihäusig