St. Stephan (Karlsruhe)

„Weinbrenners Pantheon“ St. Stephan (Ostseite)
Vorderseite mit Säulenhalle (Südseite)

Die Pfarrkirche St. Stephan ist ein klassizistischer römisch-katholischer Kirchenbau in Karlsruhe von Friedrich Weinbrenner.

Baugeschichte

Bereits 1807 schenkte der Großherzog Karl Friedrich der katholischen Gemeinde das Grundstück der späteren Kirche und überließ der Gemeinde einen Teil aus dem Nachlass der Markgräfin Maria Viktoria Pauline von Arenberg, der Frau des Markgrafen August Georg Simpert von Baden. Deren Ehe blieb kinderlos; daher vereinten sich die Linien der Markgrafschaft Baden, Baden-Durlach und die katholische Linie Baden-Baden, wieder.

Die Kirche wurde nach Vorgaben von Großherzog Karl Friedrich von Baden und den Plänen des Architekten Friedrich Weinbrenner in den Jahren 1808 bis 1814 erbaut.

Ein Jahr nach der Grundsteinlegung der Evangelischen Stadtkirche begonnen, stellt St. Stephan das katholische Pendant der innenstädtischen Kirchen zu Karlsruhe dar. Errichtet wurde der eigenwillige Bau nach dem Vorbild des römischen Pantheons, weshalb auch zunächst auf den 43 m hohen Kirchturm verzichtet werden sollte, um den Zentralcharakter des Kirchenbaus nicht zu konterkarieren. Zu dem massigen Klassizismus der Kirche hatte sich Weinbrenner auf einer Italienreise inspirieren lassen. Lange wehrte sich Weinbrenner gegen die Vorgabe des Großherzogs einen Turm an die Kirche zu bauen, doch schließlich legte er seine stilistischen Bedenken beiseite und so kam es, dass der Großherzog bereits 1808 im hohen Alter den Grundstein zur Kirche legte. Die Kirche wurde daraufhin 1814 eingeweiht.

Ursprünglich gehörten zum Zentralbau von St. Stephan noch vier Gebäude an den Ecken. Zwei Gebäude wurden bis 1850 erstellt, diese waren das Schul- und das Pfarrhaus, sie wurden bei den Luftangriffen im Zweiten Weltkrieg zerstört.

Der markante, das Stadtbild prägende Kuppelbau erhebt sich über dem Grundriss eines griechischen Kreuzes und birgt in seinem Innern das von Hans Morinck (1555–1616) geschaffene Dreifaltigkeitsrelief, ein von Emil Wachter gefertigtes Gobelin-Triptychon, welches u. a. das Stephanusmartyrium veranschaulicht, sowie ein von Marie Ellenrieder (1791–1863) stammendes Hochaltargemälde. Das Gehäuse für den Hochaltar basierte bis 1882 auf einem Entwurf des Architekten Karl Joseph Berckmüller.[1] Die Wahl für das Stephanuspatronat durch die Kirchengemeinde erfolgte noch vor Abschluss des Zentralbaus und stellt eine Hommage an die katholische Großherzogin Stéphanie de Beauharnais (1789–1860) dar, die sich nachhaltig für den Katholizismus in Baden einsetzte.

Seit 1882 prägt die unverputzte Außenfassade den klassizistischen Sakralbau, der zu Weinbrenners Hauptwerken zählt und zu den bedeutendsten klassizistischen Kuppelkirchen in Südwestdeutschland zu rechnen ist. Im Innern des Turmes befindet sich eine Glocke mit Weihnachtsmotiv, die im Zweiten Weltkrieg durch den Abtransport zum Einschmelzen vor der Zerstörung gerettet wurde. Die 1966 gegossene „Stephansglocke“ war die größte Kirchenglocke Baden-Württembergs, bis 2004 die nahegelegene Christuskirche eine noch größere erhielt.

Im Zweiten Weltkrieg wurde die Kirche 1944 bei Luftangriffen[2] zum Teil zerstört. 1946 leitete das erzbischöfliche Bauamt Heidelberg den Wiederaufbau ein. In den Jahren 1951 bis 1955 wurde das Gotteshaus wiederaufgebaut. Die beim Wiederaufbau erstellte neue Kuppel ist aus Fertigteilen aus Beton. Das Hochaltargemälde von Marie Ellenrieder wurde gespart und hängt jetzt an einer anderen Stelle in der Kirche. Am 27. März 1954 nahm Weihbischof Eugen Seiterich aus Freiburg die Weihe des neuen Hochaltars vor, am darauf folgenden Sonntag war der feierliche Einzug in die Kirche.

Städtebaulichen Einfluss nahm der Kirchenbau auf die zwischen 1984 und 1991 gegenüber erbaute Badische Landesbibliothek, die durch Säulenelemente und Kuppeldach über dem Hauptlesesaal auf Weinbrenners Kirche rekurriert.

2011 fand eine umfassende Innenrenovierung statt, dabei wurden auch der Altar und Ambo auf einer Altarinsel in das Zentrum der Kirche verlegt, die Bänke wurden kreisförmig um die Altarinsel herum angeordnet. Am 2. Weihnachtsfeiertag 2011 wurde der Altar durch Erzbischof Robert Zollitsch geweiht.

Orgel

Orgel

Die erste bedeutsame Orgel war ein Instrument aus der im Zuge der Säkularisation aufgegebenen Abtei St. Blasien, das von dem Orgelbauer Johann Andreas Silbermann 1775 vollendet worden war. Das Instrument wurde 1813 durch Johann Ferdinand Balthasar Stieffell nach Karlsruhe versetzt. Hier wurde es 1944 bei einem Bombenangriff zerstört.

Die heutige große Orgel geht zurück auf ein Instrument, das 1959 von der Orgelbaufirma Johannes Klais (Bonn) erbaut worden war. Aus Kostengründen wurde zunächst nicht das Gesamtkonzept der Orgel realisiert, so dass das Schleifladeninstrument im Laufe der Zeit mehrfach erweitert und tiefgreifend umgebaut wurde. Einige hinzugebaute Register des Hauptwerks und des Pedals wurden elektrisch angespielt, während die Trakturen im Übrigen mechanisch waren.[3]

Im Zuge der Renovierung der Kirche wurde die Orgel im Jahre 2012 durch die Erbauerfirma umfassend reorganisiert. Der Grundbestand wurde überarbeitet, die nachträglich hinzugefügten Register wurden aus den einzelnen Werken ausgegliedert und in einem neuen Auxiliarwerk untergebracht. Die Orgel hat heute 63 Register verteilt auf vier Manualwerke und Pedal, und 27 weitere Register im Auxiliarwerk. Die Spieltrakturen sind mechanisch-elektrisch, die Registertrakturen sind elektrisch.[4]

I Oberwerk C–g3

01. Principal 08′
02. Rohrgedackt 08′
03. Quintade 08′
04. Oktave 04′
05. Venezianerflöte 04′
06. Nasard 0223
07. Prinzipal 02′
08. Terz 0135
09. Larigot 0113
10. Scharff IV 01′
11. Dulcian 16′
12. Cromorne 08′
Tremulant
II Hauptwerk C–g3
13. Principal 16′
14. Principal 08′
15. Viola da Gamba 08′
16. Gedackt 08′
17. Oktave 04′
18. Koppelflöte 04′
19. Quinte 0223
20. Superoktave 02′
21. Kornet V 08′
22. Mixtur IV-V 02′
23. Acuta IV 023
24. Trompete 08′
25. Spanische Trompette 08′
Zimbelstern
III Schwellwerk C–g3
26. Gedacktpommer 16′
27. Principal amabile 08′
28. Holzflöte 08′
29. Gemshorn 08′
30. Viola 08′
31. Aeoline 08′
32. Vox coelestis 08′
33. Octave 04′
34. Flute octaviante 04′
35. Salicional 04′
36. Quinte 0223
37. Octavin 02′
38. Terz 0135
39. Mixtur V 02′
40. Fagott 16′
41. Trompette harmonique 08′
42. Hautbois 08′
Tremulant
IV Brustwerk C–g3
43. Holzgedackt 8′
44. Rohrflöte 4′
45. Waldflöte 2′
46. Septime 117
47. Sifflet 1′
48. None 89
49. Terzcymbel III 13
50. Vox humana 8′
Tremulant
Pedal C–f1
51. Gedacktpommer 0 32′
52. Principal 16′
53. Subbass 16′
54. Gedacktpommer 16′
55. Oktavbass 08′
56. Pommer 08′
57. Choralbass 04′
58. Nachthorn 02′
59. Pedalmixtur IV 0223
60. Kontrafagott 32′
61. Posaune 16′
62. Trompete 08′
63. Clarine 04′

Die nachträglich hinzugefügten Register wurden in einem neuen Auxiliarwerk auf Einzeltonladen aufgestellt und können damit nun auf den unterschiedlichen Manualwerken bzw. dem Pedal registriert werden. Das Auxiliarwerk wurde zudem mit neuen Registern ausgestattet, die in einem eigenen Schwellwerk stehen. Das Auxiliarwerk umfasst 27 Register.

I, II Auxiliarwerk C–g3
Bordun 32′
Bordun 16′
Hornprincipal 08′
Flöte 08′
Bordun 08′
Weitoctave 04′
Flöte 04′
Terz 0315
Quinte 0223
Flöte 02′
Terz 0135
Weitoctave 01′
(Fortsetzung)
Trompete 16′
Klarinette 16′
Tuba 08′
Klarinette 08′
Tuba 04′
Trompete 04′
schwellbar
Stentorgambe 08′
Stentorflöte 08′
Stentorgambe 04′
Stentorflöte 04′
III Auxiliarwerk C–g3
Klarinette 16′
Tuba 08′
Klarinette 08′
Tuba 04′
schwellbar
Stentorgambe 08′
Stentorflöte 08′
Stentorgambe 04′
Stentorflöte 04′
IV Auxiliarwerk C–g3

Bordun 16′
Flöte 08′
Bordun 08′
Flöte 04′
Trompete 16′
Klarinette 16′
Tuba 08′
Klarinette 08′
Tuba 04′
Trompete 04′
Glockenspiel
schwellbar
Stentorgambe 08′
Stentorflöte 08′
Stentorgambe 04′
Stentorflöte 04′
Pedal Auxiliarwerk
Kontrabass 32′
Bordun 32′
Kontrabass 16′
Bordun 16′
Hornprincipal 08′
Flöte 08′
Bordun 08′
Quinte 0513
Weitoctave 04′
Flöte 04′
Terz 0315
Basszink IV 0513
Trompete 16′
Klarinette 16′
Tuba 08′
Klarinette 08′
Tuba 04′
schwellbar
Stentorgambe 08′
Stentorflöte 08′
Ludwigsglocke (Weihnachtsglocke)

Glocken

Die große Stephansglocke ist nach der Karlsruher Friedensglocke in der Christuskirche die zweitgrößte Kirchenglocke Baden-Württembergs. Das Geläut hat eine typische Disposition der Nachkriegszeit mit einer Mischung aus harmonischer und melodischer Tonfolge. Die Ludwigsglocke von 1866 – wegen ihrer Glockenzier mit Weihnachtsdarstellung auch Weihnachtsglocke genannt – verleiht dem Gesamtgeläut sein charakteristisches Klangbild. 1987 erweiterte die Karlsruher Glocken- und Kunstgießerei das Geläut um vier Zimbelglocken. Die verschiedenen klanglichen Kombinationen der Glocken (Motive) und deren Verteilung auf die verschiedenen liturgischen Anlässe sind in der Läuteordnung festgelegt.

Die Glockenzier der Stephans- und der Marienglocke stammt von dem Heidelberger Künstler Harry MacLean.

Glocke Name Gussjahr Gießer, Gussort Durchmesser Masse Schlagton
(HT-116)
1 Stephanus 1966 Friedrich Wilhelm Schilling, Heidelberg 2290 mm 8510 kg fis0–4
2 Ludwig 1866 Carl Rosenlaecher, Konstanz 1790 mm ≈ 3250 kg ais0–5
3 Ave Maria 1951 Friedrich Wilhelm Schilling, Heidelberg 1410 mm 1675 kg cis1–4
4 Joseph 1966 1250 mm 1150 kg dis1–4
5 Elisabeth 1951 1100 mm 780 kg eis1–4
6 Bernhard 1953 1030 mm 603 kg fis1–4
7 Michael 1951 980 mm 572 kg gis1–4
8 Johannes der Täufer 870 mm 405 kg ais1–4
9 Albertus Magnus 1987 Karlsruher Glocken- und Kunstgießerei 760 mm 310 kg cis2–2
10 Teresa von Avila 670 mm 216 kg dis2–2
11 Katharina von Siena 600 mm 155 kg eis2–2
12 Schutzengel 560 mm 135 kg gis2±0

Literatur

  • Annette Ludwig, Hansgeorg Schmidt-Bergmann, Bernhard Schmitt: Karlsruhe – Architektur im Blick. Ein Querschnitt. Röser, Karlsruhe 2005, ISBN 3-9805361-2-2.
  • Johann Michael Fritz: Die Restaurierung des spätgotischen Altarkreuzes von St. Stefan in Karlsruhe. In: Denkmalpflege in Baden-Württemberg, 5. Jg. 1976, Heft 1, S. 23–26. (PDF) [nicht ausgewertet]
  • Gottfried Leiber: Friedrich Weinbrenner und die Kirche St. Stephan in Karlsruhe. In: Badische Heimat. (ISSN 0930-7001), Heft 2/2008, S. 204–216.

Weblinks

Commons: St. Stephan (Karlsruhe) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Elisabeth Spitzbart: Karl Joseph Berckmüller. Braun, Karlsruhe 1999, ISBN 3-7650-9052-2, S. 123.
  2. Rupert Hustede: Vor 75 Jahren: Bombenangriff auf Karlsruhe bnn.de, 30. November 2019, abgerufen am 3. November 2021.
  3. Näheres zur Klais-Orgel (Memento vom 22. Januar 2012 im Internet Archive)
  4. Informationen zur heutigen Konzeption und Disposition auf der Website der Orgelbaufirma

Koordinaten: 49° 0′ 31″ N, 8° 23′ 58″ O