Liste der Gerichte im Großherzogtum Hessen

Diese Liste nennt die Gerichte im Großherzogtum Hessen.

Informationen zur Entwicklung des Gerichtswesens im Großherzogtum finden sich in

Vor 1879

Die Gerichtsverfassung im Großherzogtum war bis 1879 dadurch geprägt, dass im linksrheinischen Teil, der Provinz Rheinhessen, französisches Recht maßgeblich war, während rechtsrheinisch (Provinzen Starkenburg und Oberhessen) die Gerichtsverfassung aus deutschen Traditionen weiter entwickelt wurde.

Herzogtum Westfalen (1802–1816)

1802 besetzten hessische-darmstädtische Truppen das Herzogtum Westfalen. Mit dem Reichsdeputationshauptschluss 1803 wurde der Anschluss an die Landgrafschaft Hessen-Darmstadt staatsrechtlich anerkannt. Als Gerichte erster Instanz wurden zunächst die bisherigen Gerichte in den bestehenden Verwaltungseinheiten beibehalten. Am 22. September 1807 trat ein Gesetz zur Neueinteilung des Herzogtums in 18 Ämter in Kraft. Diese hatten neben Verwaltungsaufgaben auch entsprechende Gerichte erster Instanz, die einheitlich für das jeweilige Amtsgebiet und damit ab jetzt auch für die zugeordneten Städte, Gemeinden und Unterherrschaften zuständig waren.

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Als zweite Instanz wurde das Hofgericht Arnsberg eingerichtet.

1816 musste Hessen-Darmstadt als Ergebnis des Wiener Kongresses das Herzogtum Westfalen an Preußen abtreten.

Oberhessen und Starkenburg

Obergerichte

Strafrechtspflege

Erstinstanzliche Gerichte

Bis 1821 erfolgte die erstinstanzliche Rechtsprechung durch die Ämter und Patrimonialgerichte.

1821 erfolgte die Trennung der Rechtsprechung von der Verwaltung, für die Rechtsprechung wurden Landgerichte eingerichtet und die Patrimonialgerichte im Laufe der 1820er Jahre vom Staat sukzessive übernommen.

GerichtHofgerichtSitzGründungAnmerkungen
Landgericht AltenschlirfGießenAltenschlirf18211854 in „Landgericht Herbststein“ umbenannt
Landgericht AlsfeldGießenAlsfeld1821
Landgericht AltenstadtGießenAltenstadt1853
Landgericht BattenbergGießenBattenberg18351866 an Preußen
Landgericht BeerfeldenDarmstadtBeerfelden18221822 bis etwa 1853 „Landgericht Freienstein“
Landgericht BiedenkopfGießenBiedenkopf18211866 an Preußen
Landgericht BüdingenGießenBüdingen1822
Landgericht ButzbachGießenButzbach1840
Stadtgericht DarmstadtDarmstadtDarmstadt1821
Landgericht DarmstadtDarmstadtDarmstadt1853
Landgericht FriedbergGießenFriedberg1821
Landgericht FürthDarmstadtFürth1821
Landgericht GernsheimDarmstadtGernsheim1839
Stadtgericht GießenGießenGießen1821
Landgericht GießenGießenGießen1821
Landgericht GladenbachGießenGladenbach18211866 an Preußen
Landgericht GroßgerauDarmstadtGroß-Gerau1821
Landgericht GroßkarbenGießenGroß-Karben18211853 aufgelöst
Landgericht GrünbergGießenGrünberg1821
Landgericht HirschhornDarmstadtHirschhorn1821
Landgericht HöchstDarmstadtHöchst im Odenwald1822
Landgericht Homberg an der OhmGießenHomberg (Ohm)1821
Landgericht HungenGießenHungen1822
Landgericht LangenDarmstadtLangen1821
Landgericht LaubachGießenLaubach1822
Landgericht LauterbachGießenLauterbach1821
Landgericht LichGießenLich1822
Landgericht LichtenbergDarmstadtSchloss Lichtenberg18211848 in „Landgericht Reinheim“ umbenannt
Landgericht LorschDarmstadtLorsch1821
Landgericht MichelstadtDarmstadtMichelstadt1822
Landgericht NauheimGießenBad Nauheim1867Gemäß Friedensvertrag vom 3. September 1866 mit Preußen vom Kurfürstentum Hessen
Landgericht NiddaGießenNidda1821
Landgericht OffenbachDarmstadtOffenbach am Main1823
Landgericht OrtenbergGießenOrtenberg1821
Landgericht RödelheimGießenRödelheim18231853 aufgelöst
Landgericht SchlitzGießenSchlitz1821
Landgericht SchönbergDarmstadtSchloss Schönberg18221826 aufgehoben und dem Landgericht Fürth zugeordnet
Landgericht SchottenGießenSchotten1821
Landgericht SteinheimDarmstadtSteinheim18211825 in „Landgericht Seligenstadt“ umbenannt
Landgericht UlrichsteinGießenUlrichstein1838
Landgericht UmstadtDarmstadtGroß-Umstadt1821
Landgericht VöhlGießenVöhl18211866 an Preußen
Landgericht VilbelGießenVilbel1853
Landgericht Wald-MichelbachDarmstadtWald-Michelbach1853
Landgericht WimpfenDarmstadtBad Wimpfen1821
Landgericht ZwingenbergDarmstadtZwingenberg1821

Weitere Gerichte

Bis 1832 waren die entsprechenden Polizei- und Forstbehörden zugleich die erstinstanzlichen Gerichte in diesen Bereichen. Erst dann fand auch hier die Trennung der Rechtsprechung von der Verwaltung statt und die Aufgaben wurden an die ordentliche Gerichtsbarkeit überwiesen. Bis dahin bestand[1]:

Rheinhessen

Obergerichte

Strafrechtspflege

Friedensgerichte

Friedensgerichte waren in dem Bereich des Großherzogtums, in dem französisches Recht galt, die Gerichte der ersten Instanz.

FriedensgerichtKreisgericht
ab 1836
SitzAnmerkungen
Friedensgericht AlzeyAlzeyAlzey
Friedensgericht BingenMainzBingen
Friedensgericht Mainz IMainzMainz
Friedensgericht Mainz IIMainzMainz
Friedensgericht Nieder-OlmMainzNieder-Olm
Friedensgericht Ober-IngelheimMainzOber-Ingelheim
Friedensgericht OppenheimAlzeyOppenheim
Friedensgericht OsthofenAlzeyOsthofen[Anm. 1](bis 1822: „Friedensgericht Bechtheim“)
Friedensgericht PfeddersheimAlzeyPfeddersheim
Friedensgericht WöllsteinAlzeyWöllstein
Friedensgericht WörrstadtMainzWörrstadt
Friedensgericht WormsAlzeyWorms

Handelsgericht

Ab 1879

Mit den Reichsjustizgesetzen wurde reichsweit eine einheitliche Gerichtsverfassung geschaffen. Im Großherzogtum Hessen wurden die Friedensgerichte und Landgerichte zum 1. Oktober 1879 mit wenigen Ausnahmen unverändert in Amtsgerichte umgewandelt.

Obergerichte

An der Spitze stand nun das Oberlandesgericht Darmstadt als Nachfolger des Oberappellationsgerichts Darmstadt. Darunter waren drei Landgerichte angesiedelt:

Amtsgerichte

GerichtLandgerichtSitzAnmerkungen
Amtsgericht BeerfeldenDarmstadtBeerfelden
Amtsgericht BensheimDarmstadtBensheimGebildet am 1. Mai 1902
Amtsgericht Darmstadt IDarmstadtDarmstadtVorher Stadtgericht Darmstadt.
Amtsgericht Darmstadt IIDarmstadtDarmstadtVorher Landgericht Darmstadt
Amtsgericht DieburgDarmstadtDieburgGebildet am 1. Juli 1905
Amtsgericht FürthDarmstadtFürthAm 1. April 1904 wurden 13 Gemeinden an das neue Amtsgericht Reichelsheim abgegeben.
Amtsgericht GernsheimDarmstadtGernsheim
Amtsgericht Groß-GerauDarmstadtGroß-Gerau
Amtsgericht Groß-UmstadtDarmstadtGroß-UmstadtAm 1. Juli 1905 wurden 6 Gemeinden an das neue Amtsgericht Dieburg abgegeben.
Amtsgericht HirschhornDarmstadtHirschhorn
Amtsgericht HöchstDarmstadtHöchst im OdenwaldAm 1. Juli 1904 wurden 3 Gemeinden an das neue Amtsgericht Reichelsheim abgegeben.
Amtsgericht LampertheimDarmstadtLampertheimGebildet am 1. Juni 1905
Amtsgericht LangenDarmstadtLangenAm 1. Juli 1905 wurden 4 Gemeinden an das neue Amtsgericht Dieburg abgegeben.
Amtsgericht LorschDarmstadtLorschAm 1. Mai 1902 wurden 2 Gemeinden an das neue Amtsgericht Bensheim abgegeben. Am 1. Juni 1905 wurden 5 Gemeinden an das neue Amtsgericht Lampertheim abgegeben.
Amtsgericht MichelstadtDarmstadtMichelstadtAm 1. April 1904 wurden 4 Gemeinden an das neue Amtsgericht Reichelsheim abgegeben.
Amtsgericht OffenbachDarmstadtOffenbach am Main
Amtsgericht Reichelsheim im OdenwaldDarmstadtReichelsheimGebildet am 1. April 1904
Amtsgericht ReinheimDarmstadtReinheimAm 1. April 1904 wurden 5 Gemeinden an das neue Amtsgericht Reichelsheim abgegeben. Am 1. Juli 1905 wurde 1 Gemeinde an das neue Amtsgericht Dieburg abgegeben.
Amtsgericht SeligenstadtDarmstadtSeligenstadt
Amtsgericht Wald-MichelbachDarmstadtWald-Michelbach
Amtsgericht WimpfenDarmstadtBad Wimpfen
Amtsgericht ZwingenbergDarmstadtZwingenbergAm 1. Mai 1902 wurden 10 Gemeinde an das neue Amtsgericht Bensheim abgegeben.
Amtsgericht AlsfeldGießenAlsfeld
Amtsgericht AltenstadtGießenAltenstadt
Amtsgericht BüdingenGießenBüdingen
Amtsgericht ButzbachGießenButzbach
Amtsgericht FriedbergGießenFriedberg
Amtsgericht GießenGießenGießenEntstand aus Stadt- und Landgericht Gießen
Amtsgericht GrünbergGießenGrünberg
Amtsgericht HerbsteinGießenHerbstein
Amtsgericht Homberg an der OhmGießenHomberg (Ohm)
Amtsgericht HungenGießenHungen
Amtsgericht LaubachGießenLaubach
Amtsgericht LauterbachGießenLauterbach
Amtsgericht LichGießenLich
Amtsgericht Bad NauheimGießenBad Nauheim
Amtsgericht NiddaGießenNidda
Amtsgericht OrtenbergGießenOrtenberg
Amtsgericht SchlitzGießenSchlitz
Amtsgericht SchottenGießenSchotten
Amtsgericht UlrichsteinGießenUlrichstein
Amtsgericht VilbelGießenVilbel
Amtsgericht AlzeyMainzAlzey
Amtsgericht BingenMainzBingen
Amtsgericht KirchheimbolandenMainzMainz
Amtsgericht MainzMainzMainz
Amtsgericht Nieder-OlmMainzNieder-Olm
Amtsgericht Ober-IngelheimMainzOber-Ingelheim
Amtsgericht OppenheimMainzOppenheim
Amtsgericht OsthofenMainzOsthofen
Amtsgericht PfeddersheimMainzPfeddersheim
Amtsgericht WöllsteinMainzWöllstein
Amtsgericht WörrstadtMainzWörrstadt
Amtsgericht WormsMainzWorms

Weitere Gerichte

Neben den genannten Gerichten bestanden bis in die 1820er Jahre Patrimonialgerichte.

Die Universitätsgerichte waren für die Jurisdiktion der Hochschulangehörigen zuständig. Mit dem Gerichtsverfassungsgesetz 1877 wurde die akademische Gerichtsbarkeit in Deutschland abgeschafft.

Die Hof- und Marschall-Justiz-Deputation beim Hofmarschallamt war für die Jurisdiktion der Hofbediensteten zuständig. Diese Funktion entfiel nach der Märzrevolution 1848.

Militärgerichtsbarkeit

Als Militärgerichte dienten die Militär-Untersuchungsgerichte und die Kriegsgerichte. Als Instanzengericht diente das Oberkriegsgericht in Darmstadt.

Forstgerichtsbarkeit

Das Oberforstgericht in Darmstadt war Forstgericht für die beiden rechtsrheinischen Provinzen. Es entschied als Instanzengericht über Entscheidungen der Forstverwaltung.

Ortsgerichte

Seit 1852 bestanden in den rechtsrheinischen Provinzen die Ortsgerichte als Hilfsorgane der Justiz. Sie blieben auch nach 1879 in Funktion.

Rheinschifffahrtsgerichtsbarkeit

Rheinschifffahrtsgericht für das Großherzogtum Hessen war das Friedensgericht Main I bzw. später Amtsgericht Mainz in erster und das Landgericht Mainz in zweiter Instanz.

Verwaltungsgerichtsbarkeit

Mit der Verwaltungsreform von 1832 wurde für die rechtsrheinischen Gebiete ein Administrativjustizhof in Darmstadt eingerichtet. Seine Zuständigkeit erstreckte sich spätestens nach der Angleichung der Verwaltungsstrukturen 1835 auch auf das linksrheinische Gebiet. Dem Administrativjustizhof war als oberstes Verwaltungsgericht der Staatsrat des Großherzogtums Hessen übergeordnet.[2] Dieser wurde 1875 durch den Verwaltungsgerichtshof Darmstadt als oberste Instanz der Verwaltungsgerichtsbarkeit abgelöst.[3]

Siehe auch

Literatur

  • Eckhart G. Franz, Hanns Hubert Hofmann, Meinhard Schaab: Gerichtsorganisation in Baden-Württemberg, Bayern und Hessen im 19. und 20. Jahrhundert (= Behördliche Raumorganisation seit 1800. Grundstudie 14 = Veröffentlichungen der Akademie für Raumforschung und Landesplanung. Beiträge 100). ARL, Hannover 1989, ISBN 3-88838-224-6, S. 187 ff.
  • Johann Friedrich Kratzsch: Tabellarische Übersicht des Justiz-Organismus der sämtlichen Deutschen Bundesstaaten, 1836, S. 55–60, online
  • Verordnung zur Ausführung des Deutschen Gerichtsverfassungsgesetzes und des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetze vom 14. Mai 1879. In: Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt Nr. 15 vom 30. Mai 1879, S. 197–203 (202), Digitalisat.

Anmerkungen

  1. Bis 1804 mit Sitz in Bechtheim, dann in Osthofen

Einzelnachweise

  1. Edict, die Uebertragung der Polizeigerichtsbarkeit, einschließlich der Forstgerichtsbarkeit, in den Provinzen Starkenburg und Oberhessen betreffend vom 6. Juni 1832. In: Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt Nr. 56 vom 5. Juli 1832, S. 377–381.
  2. Vgl.: Art. 23 Gesetz, die Einrichtung der Bezirksräthe betreffend vom 10. Februar 1853. In: Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt Nr. 6 vom 24. Februar 1853, S. 37–44 (41).
  3. Gesetz betreffend das oberste Verwaltungsgericht vom 11. Januar 1875. In: Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt Nr. 3 vom 21. Januar 1875, S. 45–50.