Kraftwerk Ensdorf

Kraftwerk Ensdorf
Kraftwerk Ensdorf
Kraftwerk Ensdorf
Kraftwerk Ensdorf
Lage
Kraftwerk Ensdorf (Saarland)
Kraftwerk Ensdorf (Saarland)
Koordinaten 49° 17′ 32″ N, 6° 46′ 15″ OKoordinaten: 49° 17′ 32″ N, 6° 46′ 15″ O
Land Deutschland Deutschland
Daten
Typ Dampfkraftwerk
Primärenergie Fossile Energie
Brennstoff Steinkohle, Ersatzbrennstoffe (Tiermehl, Klärschlamm u. a.)
Leistung 430 Megawatt
Eigentümer VSE AG
Betreiber VSE AG
Betriebsaufnahme 1961
Stilllegung 2017
Turbine Dampfturbinen
Feuerung Schmelzkammerfeuerung
Eingespeiste Energie pro Jahr ca. 2000 GWh

Das Kraftwerk Ensdorf ist ein stillgelegtes deutsches Kohlekraftwerk bei Ensdorf im Saarland. Es hatte eine Leistung von 430 Megawatt und wurde mit Steinkohle betrieben.

Das Kraftwerk hatte bei seiner Stilllegung zwei Blöcke, die jährlich ca. zwei Mrd. kWh Strom produzierten. Der Kamin von Block 1 ist 150 Meter, der von Block 3 180 Meter hoch; der Kamin von Block 2 wurde zurückgebaut.

Geschichte

Das erste Kraftwerk am Standort Ensdorf wurde 1961 von der VSE AG mit zwei Blöcken mit einer elektrischen Leistung von je 120 MW errichtet; Block 3 folgte 1972.

Die Blöcke 1 und 3 verfügten über eine Schmelzkammerfeuerung und wurden überwiegend aus dem benachbarten Bergwerk Ensdorf mit Ballastkohle beliefert. Weiterhin bestand eine Genehmigung zur Verbrennung von Tiermehl, Klärschlämmen und anderen Ersatzbrennstoffen. Das Bergwerk Saar als früherer Hauptlieferant wurde am 30. Juni 2012 als letztes saarländisches Bergwerk stillgelegt. Die Altkraftwerke wurden danach mit Importkohle betrieben.

Block 1 mit einer Leistung von 120 MW gehörte der VSE AG, Saarbrücken, an der wiederum RWE eine Mehrheitsbeteiligung gehörte. Block 3 (Leistung: 310 MW) gehörte bis 2011 der RWE und wurde in deren Auftrag durch VSE betrieben. 2011 übernahm VSE zusammen mit der Saarstahl AG diesen Block. Somit erzeugte Saarstahl Teile seines für die Stahlproduktion und -verarbeitung benötigten Stroms selbst.[1]

Block 2 wurde schon Mitte der 1990er Jahre stillgelegt. Am 14. Juni 2017 gab die VSE AG bekannt, das Kraftwerk zum 31. Dezember 2017 stillzulegen.[2] Die Gesellschaften Saarstahl AG (SAG) und Saarschmiede GmbH Freiformschmiede (SSF) hatten zuvor entschieden, die Pacht- und Betriebsführungsverträge für Block 3 des Kraftwerkes Ensdorf zum 31. Dezember 2017 zu kündigen und somit nur noch bis Ende 2017 selbst Strom im Kraftwerk Ensdorf zu erzeugen.[3] Mitte Dezember 2017 wurde das Kraftwerk endgültig stillgelegt.[4]

Seit 2018 plant VSE eine Nutzung der durch die Stilllegung freigewordenen Fläche als Industriepark unter der Bezeichnung „Energie- und Ressourcen-Zentrum Ensdorf (ERZ)“.[5]

Auf dem Gelände soll ein Halbleiterwerk für Halbleiter aus Siliciumcarbid der Hersteller Wolfspeed und ZF Friedrichshafen entstehen.[6]

Verworfene Neubauplanung

Steinkohlendoppelblock

Die RWE Power AG gab am 23. November 2006 ihre Absicht bekannt, am Standort Ensdorf einen Steinkohlendoppelblock mit einer elektrischen Leistung von 1600 Megawatt zu errichten. Für die Realisierung waren Investitionen von rund zwei Milliarden Euro vorgesehen, Die Inbetriebnahme sollte 2012 erfolgen.[7]

Gegen den geplanten Steinkohle-Doppelblock gründete sich am 23. März 2007 eine „Initiative Bürger für Klima- und Umweltschutz“, die massive Auswirkungen für die Umwelt der ganzen Region befürchtete. Der Widerstand wurde von BUND, NABU, Greenpeace, Sektion Saarland, der Energiewende Saar e. V. und den Grünen Saar unterstützt.

Auch das Saarländische Ärztesyndikat, ein Zusammenschluss von rund 1700 Medizinern, sprach sich auf seiner Delegiertenversammlung Anfang Juli 2007 einstimmig gegen das Vorhaben von RWE aus. In einer Resolution wurde darauf verwiesen, dass bei Vollbetrieb der beiden geplanten Blöcke eine genehmigte zusätzliche Jahresmenge von 700 t Feinstaub, je 7.000 t Schwefeldioxid, Stickoxid und Kohlenmonoxid, 1 t Quecksilber, weitere giftige Metalle sowie andere organische Verbindungen in die Atmosphäre und damit in die Umwelt gelangten. Die Belastung am Standort und entlang des Saartals sei aus medizinischer Sicht heute schon zu hoch. Man habe im Saarland die Situation, dass es nicht darum gehen könne, eine noch höhere Schadstoffbelastung zu verhindern, sondern es müsse darum gehen, die bestehende Belastung zu verringern.[8] Der von mehreren Medizinern aus dem Umfeld des Kraftwerksstandortes initiierten Ärzteinitiative traten mehr als 500 Berufskollegen bei.

Mit zunehmendem Informationsstand über das Vorhaben und dessen Auswirkungen kam es in der Bevölkerung um den Standort herum zu einer Akzeptanz-Trendwende. Das belegt eine Telefonabstimmung vom 21. Juli 2007 durch die Saarbrücker Zeitung, Lokalausgabe Saarlouis. Von über 2400 Anrufern lehnten 42 Prozent den geplanten Doppelblock ab, 36 Prozent sprachen sich für einen kleineren Neubau aus und lediglich 22 Prozent votierten für das Vorhaben von RWE. Infratest dimap führte im Auftrag des Saarländischen Rundfunks Ende September 2007 eine landesweite Befragung zum Thema „Kraftwerksneubau Ensdorf“ durch. 52 Prozent lehnten darin einen Neubau ab, 42 Prozent befürworteten ihn, 6 Prozent machten keine Angaben. Mehrere Gemeinden um den Kraftwerksstandort, darunter die benachbarte Kreisstadt Saarlouis, fassten in ihren Räten ablehnende Beschlüsse. Saarlouis kündigte an, gegen eine eventuelle Änderung des Flächennutzungsplans der Standortgemeinde Ensdorf gerichtlich vorgehen zu wollen.

Bürgerbefragung

Zur Realisierung des Projekts im genehmigungsrechtlichen Verfahren war zwingend eine Änderung des bestehenden Flächennutzungsplans (FNP) erforderlich, da Anlagenteile außerhalb des Geltungsbereichs des vorhandenen FNP errichtet werden sollten. Das betraf vor allem eine Wendestelle für Kohlefrachter auf der Saar mit den zugehörigen Entladevorrichtungen. Der Ensdorfer Gemeinderat beschloss mit 26 Ja-Stimmen und einer Gegenstimme die Änderung des Flächennutzungsplans (FNP) der Gemeinde in die Wege zu leiten, damit die notwendigen bauplanungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt werden. Zu einer Änderung des FNP kam es allerdings nicht. Die SPD im Gemeinderat beantragte eine Bürgerbefragung gemäß § 20 b des Saarländischen Kommunalselbstverwaltungsgesetzes (KSVG). Der Rat stimmte zu, legte in seiner Sitzung am 11. Oktober 2007 aber ein Quorum von zwei Dritteln aller wahlberechtigten Ensdorfer fest. Die das Projekt befürwortende CDU hätte mit ihrer absoluten Mehrheit von 14 Stimmen die Bürgerbefragung ablehnen und die FNP-Änderung allein beschließen können. Sie erklärte jedoch, bei Überschreitung des Quorums und einem eindeutigen Votum gegen die FNP-Änderung, sich an den Entscheid der Bürger zu halten.

Im November 2007 wurde die Bürgerbefragung durchgeführt. Mit einer Wahlbeteiligung von 70,19 Prozent wurde die Hürde des Quorums genommen, und mit 70,03 Prozent der gültigen Stimmen ergab sich eine deutliche Mehrheit gegen den Kraftwerksbau. Gemeinderat und RWE hatten angekündigt, sich an dieses Votum zu halten.[9] Am 13. Dezember 2007 lehnte der Ensdorfer Gemeinderat eine Änderung des Flächennutzungsplans ab, was das endgültige Aus für den geplanten Neubau bedeutete[10], RWE zog den bereits am 24. August gestellten Genehmigungsantrag unmittelbar nach der Entscheidung des Gemeinderats zurück.[11][12]

Der Vorgang fand bundesweite Beachtung. Erstmals scheiterte in Deutschland der Bau eines Steinkohlekraftwerkes durch einen Bürgerentscheid. In seiner Bedeutung für die deutschlandweit geplanten neuen Kohlekraftwerke wurde der Vorgang in Ensdorf mit dem Scheitern des Kernkraftwerks Wyhl am Oberrhein in den 1980er Jahren verglichen.[13][14]

Siehe auch

Weblinks

Commons: Kraftwerk Ensdorf – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Fußnoten

  1. @1@2Vorlage:Toter Link/www.saarbruecker-zeitung.de (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im April 2019. Suche in Webarchiven)
  2. Kraftwerk Ensdorf wird geschlossen (Memento vom 14. Juni 2017 im Internet Archive) SR-Online, 14. Juni 2017
  3. Saarstahl und Saarschmiede beenden Eigenstrom-Erzeugung im Kraftwerk Ensdorf - VSE beschließt die Stilllegung des Kraftwerkes zum 1. Januar 2018. In: Völklingen im Wandel. 14. Juni 2017 (voelklingen-im-wandel.de [abgerufen am 14. Juni 2017]).
  4. Im Kraftwerk Ensdorf stehen die Turbinen still. In: Saarbrücker Zeitung, 20. Dezember 2017. Abgerufen am 13. Februar 2018.
  5. Energie- und Ressourcen-Zentrum Industriepark (ERZ), abgerufen am 9. Oktober 2018.
  6. US-Konzern plant Chip-Werk in Ensdorf mit 1000 neuen Jobs. In: volksfreund.de. 21. Januar 2023, abgerufen am 22. Januar 2023.
  7. RWE Power plant neue Kraftwerke in Lingen und Ensdorf. Pressemitteilung von RWE Power AG, 23. November 2006. Abgerufen am 15. Oktober 2014.
  8. http://www.aerztesyndikat-saarland.de/index.php?option=com_content&task=view&id=149&Itemid=2
  9. Saarbrücker Zeitung: @1@2Vorlage:Toter Link/www.saarbruecker-zeitung.de70 Prozent dagegen: Kein Kraftwerk in Ensdorf (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im März 2022. Suche in Webarchiven), 26. November 2007
  10. Saarbrücker Zeitung: Endgültig: Nein zum Kraftwerk (Memento vom 18. September 2012 im Webarchiv archive.today)
  11. Telepolis special 01/2008, S. 26
  12. RWE Power zieht Genehmigungsantrag für Kraftwerksprojekt in Ensdorf zurück. Pressemitteilung von RWE Power AG, 13. Dezember 2007. Abgerufen am 15. Oktober 2014.
  13. Ensdorf ist überall! In: Pressemitteilung. Deutsche Umwelthilfe e. V., 26. November 2007, abgerufen am 28. Oktober 2011.
  14. Peter Kleinert: Anfang einer Bürgerbewegung wie in Wyhl? (PDF (691 kB)) Interview mit Karl Heinz Winkler zum Erfolg gegen RWE in Ensdorf. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 4. März 2016; abgerufen am 28. Oktober 2011.