Kirchberg (Niedenstein)

Kirchberg
Koordinaten: 51° 12′ N, 9° 18′ OKoordinaten: 51° 11′ 43″ N, 9° 17′ 48″ O
Höhe: 188 m ü. NHN
Fläche: 8,93 km²[1]
Einwohner: 700 (2020) ca.[2]
Bevölkerungsdichte: 78 Einwohner/km²
Eingemeindung: 31. Dezember 1971
Postleitzahl: 34305
Vorwahl: 05603

Kirchberg ist ein Stadtteil von Niedenstein im nordhessischen Schwalm-Eder-Kreis.

Geographische Lage

Der Wartberg

Kirchberg liegt rund 4 km südsüdwestlich der Kernstadt Niedenstein am Südrand des Naturparks Habichtswald. Es befindet sich direkt westlich und nördlich des Wartberges, dem Hauptfundort der Wartberg-Kultur. Im Dorf münden die von Ostnordosten kommende Matzoff und der von Westen kommende Sombach in die Ems.

Die Gemarkung des Dorfs umfasst 893 Hektar, wovon 140 Hektar Wald sind.

Die Kreisstraßen K79 von Wichdorf im Norden nach Wehren im Süden, K82 von Riede im Nordwesten, K 83 von Gleichen im Ostsüdosten und K84 von Metze im Nordosten treffen im Dorf aufeinander.

Geschichte

Ortsgeschichte

In der Nähe des heutigen Dorfs befand sich offensichtlich bereits lange vor seiner schriftlichen Ersterwähnung eine Siedlung. Unter dem ältesten Kirchenbau am Ostrand des Dorfs fand man ein frühmittelalterliches Gräberfeld, wohl aus der Zeit um 700, mit teilweise sehr reicher Grabausstattung. Etwa 1 km nordwestlich wurde auf dem linken Ufer der Ems Siedlungskeramik aus der Karolingerzeit gefunden. Und rund 0,5 km nordwestlich von Kirchberg stieß man auf Keramikfunde, die von der römischen Kaiserzeit bis in die Karolingerzeit reichen.

Im Jahr 1019 wurde der Ort dann als „villa“ mit einer „capella“ erstmals in einem Jahrbuch des Klosters Corvey erwähnt, als der Wanderprediger Heimerad nach dem Verdacht eines Kirchenraubes von den Bauern aus Kirchberg verjagt wurde.[2][Anm. 1] Der Ort war Besitz der Abtei Hersfeld. 1064 übertrug König Heinrich IV. Kirchberg an den niederhessischen Gaugrafen Werner III. von Maden (von Grüningen), worin die Abtei Hersfeld allerdings eine Entfremdung ihres Besitzes sah. Nach der Erschlagung Werners im Jahre 1065 kam der Ort mit der gesamten Grafschaft an seinen Sohn Werner IV., der 1066 das Dorf wieder an das Kloster zurückgab. In der Folgezeit hatten das Petristift in Fritzlar (1209, 1275, 1310), der Deutsche Orden (1290) und das von Werner IV. gestiftete Kloster Breitenau (1339, 1368) im Ort Einkünfte oder Grundbesitz. Im Jahre 1313 erhielt der Ritter Otto Hund den Ort als Lehen vom Kloster Hersfeld. Neben den Hund waren weitere adelige Grundbesitzer im Ort deren enge Verwandte, die von Holzhausen, aber auch die von Heyne (1428 belegt) und die von Falkenberg (1477–1554 belegt). 1354 und 1402 verkauften die von Holzhausen Einkünfte aus dem Dorf. Nach Streitigkeiten im Jahr 1430 zwischen den Familien Hund, Dalwigk und Holzhausen wurden die Hund bis 1618 vom Stift Hersfeld mit dem Dorf belehnt. Ab 1497 hatten sie auch die Hohe und Niedere Gerichtsbarkeit im Ort inne. 1522 wurde Kirchberg Eigendorf der Familie Hund.

Mit der Einführung der Reformation in der Landgrafschaft Hessen 1526 wurde auch Kirchberg evangelisch. Spätestens ab 1569 erhielt der Landgraf aus dem Dorf Rauchhühner und Hofschilling. Die Hohe Gerichtsbarkeit wechselte 1575 an das landgräfliche Amt Gudensberg, und 1585 ging auch die Niedere Gerichtsbarkeit von den Hund wieder an den Landgrafen. Nach dem Aussterben der Hund 1660 mit Caspar Hund belehnte Landgraf Wilhelm V. dessen Schwiegersohn Carl von Buttlar zu Elberberg (1623–1688), der 1646 Clara Anna Hund geheiratet hatte, mit den Hersfelder Lehnsgütern in Kirchberg;[3] diese Belehnungen wurden bis 1822 erneuert. 1631 zogen Truppen des kaiserlichen Heerführers Tilly, geschlagen aus der Schlacht bei Breitenfeld kommend, durch Kirchberg und zerstörten es nahezu vollständig. 1682 erhielten die Herren von Buttlar die niedere Gerichtsbarkeit im Dorf. 1832 erfolgte die endgültige Ablösung des Zehnten.[4] Über die Allodialgüter zu Elben, Elberberg mit Waldhof, Kirchberg und Riede errichteten die Buttlar 1826 ein Familienfideikommiss. 1852 wurden ihre ehemaligen Lehensgüter zu Elberberg, Kirchberg und Ziegenhagen dem Familienfideikommiss zugeteilt, der 1926 durch eine Familienstiftung ersetzt wurde. Nach Auflösung der Stiftung 1955 wurden die land- und forstwirtschaftlichen Besitzungen zu Elberberg, Waldhof, Riede und Glashütte Ziegenhagen unter die Genußberechtigten real geteilt; das Gut in Kirchberg war bereits 1941 an die Stadt Kassel verkauft worden.

Ab 1814 gehörte der Ort zum Kreis Fritzlar, ab 1932 zum Kreis Fritzlar-Homberg, ab 1939 zum Landkreis Fritzlar-Homberg und ab 1974 zum heutigen Schwalm-Eder-Kreis.

Hessische Gebietsreform (1970–1977)

Im Zuge der Gebietsreform in Hessen wurde die bis dahin selbständige Gemeinde Kirchberg zum 31. Dezember 1971 auf freiwilliger Basis in die Stadt Niedenstein eingemeindet.[5][6] Für alle durch die Gebietsreform eingegliederten Gemeinden sowie die Kernstadt wurde je ein Ortsbezirk mit Ortsbeirat und Ortsvorsteher nach der Hessischen Gemeindeordnung eingerichtet.[7]

Bevölkerung

Einwohnerstruktur 2011

Nach den Erhebungen des Zensus 2011 lebten am Stichtag, dem 9. Mai 2011, in Kirchberg 774 Einwohner. Darunter waren 6 (0,8 %) Ausländer. Nach dem Lebensalter waren 114 Einwohner unter 18 Jahren, 315 zwischen 18 und 49, 171 zwischen 50 und 64 und 174 Einwohner waren 65 und älter.[8] Die Einwohner lebten in 318 Haushalten. Davon waren 57 Singlehaushalte, 111 Paare ohne Kinder und 114 Paare mit Kindern, sowie 33 Alleinerziehende und 6 Wohngemeinschaften. In 69 Haushalten lebten ausschließlich Senioren und in 201 Haushaltungen lebten keine Senioren.[8]

Einwohnerentwicklung

Quelle: Historisches Ortslexikon[1]
• 1575/85: 66 Hausgesesse
• 1631: 62 Familien
• 1682: 66 Hausgesesse
• 1735: 70 Mannschaften
• 1742/47: 74 Häuser bzw. Hausgesesse
Kirchberg: Einwohnerzahlen von 1834 bis 2020
Jahr  Einwohner
1834
  
671
1840
  
705
1846
  
764
1852
  
762
1858
  
703
1864
  
742
1871
  
710
1875
  
734
1885
  
722
1895
  
684
1905
  
676
1910
  
683
1925
  
620
1939
  
630
1946
  
962
1950
  
893
1956
  
753
1961
  
711
1967
  
751
1980
  
?
1990
  
?
2000
  
?
2011
  
774
2020
  
700
Datenquelle: Histo­risches Ge­mein­de­ver­zeich­nis für Hessen: Die Be­völ­ke­rung der Ge­mei­nden 1834 bis 1967. Wies­baden: Hes­sisches Statis­tisches Lan­des­amt, 1968.
Weitere Quellen: LAGIS[1]; Stadt Gudensberg[2]; Zensus 2011[8]

Historische Religionszugehörigkeit

Quelle: Historisches Ortslexikon[1]
• 1861: 714 evangelisch-reformiert, 12 jüdische Einwohner
• 1885: 702 evangelische (= 97,23 %), 12 jüdische (= 2,77 %) Einwohner
• 1961: 634 evangelische (= 89,17 %), 70 katholische (= 9,85 %) Einwohner

Historische Erwerbstätigkeit

• 1961 Erwerbspersonen: 1162 Land- und Forstwirtschaft, 143 Produzierendes Gewerbe, 44 Handel und Verkehr, 23 Dienstleistungen und Sonstiges[1]

Politik

Der Ortsbezirk Kirchberg umfasst das Gebiet der ehemaligen Gemarkung Kirchberg. Der Ortsbeirat besteht aus neun Mitgliedern.[7] Bei der Kommunalwahl 2021 betrug die Wahlbeteiligung zur Wahl des Ortsbeirats 67,38 %. Dabei wurden gewählt: drei Mitglieder der SPD, zwei Mitglieder der CDU, ein Mitglied des Bündnis 90/Die Grünen und drei Mitglieder der „Freien Wählergemeinschaft Niedenstein“.[9] Der Ortsbeirat wählte Manuela Pötschke zur Ortsvorsteherin.[2]

Kirche

Die evangelische Kirche

Bereits 1019 wird eine Kapelle erwähnt, 1326 ein Vizepleban und 1339 ein Pleban.

Die heutige Kirche, neben dem alten Herrenhaus auf einer steilen Anhöhe über dem Dorf, geht in ihrem Bestand etwa auf das Jahr 1344 zurück, als von einer Kirche und einem befestigten Kirchhof berichtet wurde. Ältester Teil ist der Chorraum, der vom Kirchenschiff aus dem 15. Jahrhundert deutlich abgesetzt ist. Schiff und Chor sind von einer stuckierten Holzbalkendecke überzogen, an der sich unter anderem auch die Wappen der Familien von Buttlar und von Riedesel befinden.[10] Der Renaissancebildhauer Andreas Herber gestaltete Grabplatten für die Kirche.

Bei Grabungen 1979 wurden im Kircheninnern Mauerreste eines frühmittelalterlichen Vorgängerbaus gefunden, die möglicherweise bereits auf das 8. Jahrhundert zu datieren sind. Dieser Vorgängerbau scheint auf einem frühmittelalterlichen Gräberfeld errichtet worden zu sein.[11]

Heimatmuseum

Im Bergtor des ehemaligen Guts unterhält der Geschichts- und Heimatverein Kirchberg ein kleines Heimatmuseum.[12] Zu sehen sind zahlreiche Ausstellungsstücke aus Haus und Werkstatt, Stall und Scheune, Feld und Garten, dazu Schrift- und Bilddokumente, darunter auch Dokumente der Ausgrabungen aus den Jahren 1979/1980. Wertvolle frühmittelalterliche Ringe, Keramikscherben und Münzen aus der Kirche sind hingegen im Hessischen Landesmuseum in Kassel ausgestellt.

Vereine

Das kulturelle Leben gestalten die Ortsvereine und Interessengemeinschaften:

  • Geschichts- und Heimatverein Kirchberg e. V.[12]
  • Freiwillige Feuerwehr Kirchberg 1934 e. V.
  • Angelfreunde Ems Kirchberg e. V.
  • Angelsportverein Kirchberg e. V.
  • FC Rot-Weiß 1902 Kirchberg e. V.
  • Freizeit und Sport mit Pferden e. V.
  • Falkensteiner Bund e.V. - Freunde historischer Darstellung des 14. Jahrhunderts
  • Jugendclub „Treffpunkt Kirchberg“ 1975 e. V.
  • Kirchberger Musikanten
  • Landfrauenverein Kirchberg
  • Seniorenkreis

Naturdenkmale

Persönlichkeiten

Literatur

Weblinks

Anmerkungen und Einzelnachweise

Anmerkungen

  1. Das historische Ortslexikon (LAGIS) nennt als Ersterwähnung „um 1090“.

Einzelnachweise

  1. a b c d e Kirchberg,, Schwalm-Eder-Kreis. Historisches Ortslexikon für Hessen. (Stand: 25. März 2022). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
  2. a b c d Ortsvorsteher der Stadt Gudensberg. In: Webauftritt. Stadt Gudensberg, abgerufen im Juli 2023.
  3. Ebenso mit den ehemals Hundschen Gütern in Wichdorf, Naumburg, Wallenstein, Wehrda und Neuenstein.
  4. „Kirchberg, Schwalm-Eder-Kreis“. Historisches Ortslexikon für Hessen. In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
  5. Gemeindegebietsreform in Hessen: Zusammenschlüsse und Eingliederungen in Hessen vom 14. Dezember 1971. In: Der Hessische Minister des Inneren (Hrsg.): Staatsanzeiger für das Land Hessen. 1972 Nr. 01, S. 5, Punkt 8; Abs. 60. (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 4,9 MB]).
  6. Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Historisches Gemeindeverzeichnis für die Bundesrepublik Deutschland. Namens-, Grenz- und Schlüsselnummernänderungen bei Gemeinden, Kreisen und Regierungsbezirken vom 27.5.1970 bis 31.12.1982. W. Kohlhammer, Stuttgart / Mainz 1983, ISBN 3-17-003263-1, S. 392.
  7. a b Hauptsatzung. (PDF; 129 kB) § 5. In: Webauftritt. Stadt Fritzlar, abgerufen im August 2023.
  8. a b c Ausgewählte Daten über Bevölkerung und Haushalte am 9. Mai 2011 in den hessischen Gemeinden und Gemeindeteilen. (PDF; 1,0 MB) In: Zensus 2011. Hessisches Statistisches Landesamt, S. 40 und 94, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 27. Oktober 2020;.
  9. Ortsbeiratswahl Kirchberg. In: Votemanager. Stadt Gudensberg, abgerufen im Juli 2023.
  10. https://dekanat-fritzlar-homberg.de/start/kirchberg-und/3974-kirchberg
  11. Holger Göldner & Klaus Sippel: Kirchberg, Gemeinde Niedenstein, Schwalm-Ederkreis – Grabfunde des 8. – 17. Jahrhunderts; Erste Ergebnisse einer Kirchengrabung in Nordhessen 1979/80. Herausgegeben von der Abteilung für Vor- und Frühgeschichte im Landesamt für Denkmalpflege Hessen, „Archäologische Denkmäler in Hessen“; Heft 12, Wiesbaden 1980, ISBN 3-89822-012-5
  12. a b Hamtmuseum Kirchberg. In: Webauftritt des Geschichts- und Heimatverein Kirchberg. Abgerufen im August 2023.