Flöte von Divje babe

Flöte von Divje babe

Die Flöte von Divje babe (englisch Divje Babe flute) ist ein Bärenknochenfragment mit mehreren Löchern von vor etwa 50.000 Jahren. Es wurde 1995 in der Höhle Divje babe I in Slowenien gefunden. Einige Archäologen halten es für das älteste bekannte Musikinstrument.

Beschreibung

Löcher der Divje-Babe-Flöte

Das Fragment ist Teil eines Schienbeins eines ein bis zweijährigen jungen Bären. Es ist etwa 11,4 cm lang. Auf der Vorderseite sind zwei fast runde Löcher eingelassen, an den Außenseiten zwei weitere, von denen aber nur Teile erhalten sind. Alle Löcher liegen in regelmäßiger Anordnung in einer Reihe. Auf der Rückseite befindet sich ein weiteres Loch. Dies entspricht einer Einhandflöte für vier Finger und einen Daumen. Die beiden Außenränder des Knochens sind durch späteren Tierbiss verkürzt worden.

Forschungsgeschichte

1995 fanden Archäologen bei Untersuchungen in der Höhle Divje babe I im nördlichen Slowenien unter anderem einen fragmentierten Bärenknochen mit Löchern. Sie interpretierten ihn bald als eine Knochenflöte. Da die zeitliche Zuordnung in das Moustérien vor etwa 50.000 Jahren erfolgte, wäre diese das älteste bekannte Musikinstrument der Welt.

Dieses wurde von einigen westlichen Wissenschaftlern bestritten, die behaupteten, die Löcher seien durch Tierbisse entstanden.[1] Diese hatten allerdings das Original zu dieser Zeit nicht gesehen und konnten auch keine experimentellen Untersuchungen vornehmen. Der slowenische Entdecker Ivan Turk unternahm daraufhin mehrere Experimente, die die Möglichkeit von Tierbissen in dieser Form ausschließen sollten. Außerdem ließ er eine Rekonstruktion der Flöte anfertigen, diese zeigte einen erstaunlichen Tonumfang und Variationsbreiten. Auch nach der Veröffentlichung seiner Forschungsergebnisse 2001 erschienen weitere Kritiken bis etwa 2015.[2] 2020 veröffentlichten Ivan Turk und weitere Wissenschaftler noch einmal ihre neuesten Erkenntnisse.[3][4] Danach erschienen keine ausführlicheren wissenschaftlichen Gegendarstellungen mehr dazu.

2023 wurde eine Kopie des Fragments bei einer Ausstellung zur slowenischen Frühgeschichte im Archäologischen Museum in Frankfurt am Main gezeigt.[5]

Kontroverse Fragen

Die hauptsächliche Frage war, ob die Löcher in dem Knochen durch künstliche Bearbeitung oder durch Tierbisse entstanden waren. Ivan Turk und weitere Wissenschaftler stellten verschiedene Untersuchungen an, bei denen sie eine regelmäßige Anordnung der Löcher feststellen konnten, die nur durch künstliche Bearbeitung möglich ist.[6] Auch gab es in der Umgebung der Höhle in dieser Zeit keine Tiere, die Löcher von dieser Größe bewirken konnten.

Das eigentliche Problem war aber die zeitliche Zuordnung. Im Moustérien vor 50.000 Jahren lebten Neanderthaler, die nach heutigem Kenntnisstand zu solch differenzierten Tätigkeiten nicht in der Lage waren. Da die slowenischen Wissenschaftler bisher auf dieser zeitlichen Zuordnung beharrten, ist diese Frage nicht gelöst. Es geht dabei aber vor allem um die Frage, wo sich das älteste Musikinstrument der Welt befindet, in Slowenien oder in Baden-Württemberg (Schwanenknochenflöte).


Literatur

  • Matija Turk, Ivan Turk, Marcel Otte: The Neanderthal musical instrument from Divje Babe I Cave (Slovenia): a critical review of the discussion. In: Applied sciences, 2020, 10 (4) 1226, p. 1-11. Text
  • The Neanderthal Musical Instrument from Divje Babe Cave I (Slovenia). A Critical Review of the Discussion. Research Gate, 2021 (Text)

Weblinks

Commons: Flöte von Divje babe – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. G. Albrecht, C.-S. Holdermann, T. Kerig, J. Lechterbech, J. Serangeli: „Flöten“ aus Bärenknochen – die frühesten Musikinstrumente? In: Archäologisches Korrespondenzblatt. 28, 1998, S. 1–19; die meisten der Autoren waren an der Erforschung der Schwanenknochenflöte in Baden-Württemberg beteiligt, die sie für das älteste Musikinstrument der Welt halten
  2. F. d'Errico u. a.: Archaeological evidence for the emergence of language, symbolism, and music—an alternative multidisciplinary perspective. In: Journal of World Prehistory. Band 17, 2003, S. 1–70.
  3. M. Turk, I. Turk, L. Dimkaroski, B. A. B. Blackwell, F. Z. Horusitzky, M. Otte, G. Bastiani, L. Korat, The Mousterian musical instrument from the Divje babe I cave (Slovenia). Arguments on the material evidence for Neanderthal musical behaviour. In: L’anthropologie, 122, 2018, p. 679–706.
  4. M. Turk, Ivan Turk, Max Otte, The Neanderthal musical instrument from Divje Babe I Cave (Slovenia): a critical review of the discussion. In: Applied sciences, 10 (4). 1226, 2020, p. 1–11. Text
  5. Tilmann Spreckelsen, Maultrommeln aus dem Fluss, in Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 28. November 2023 Text
  6. Musical Instrument Divje Babe cave I Exarc, 2020