Dieter Forte

Dieter Forte (* 14. Juni 1935 in Düsseldorf; † 22. April 2019 in Basel[1]) war ein deutscher Schriftsteller.[2]

Leben und Werk

Dieter Forte (1935–2019) Schriftsteller. Marianne Forte (1938–2016) Grab, Friedhof am Hörnli
Grab, Friedhof am Hörnli

Dieter Forte absolvierte nach der Schule eine kaufmännische Ausbildung. 1960/61 hospitierte er am Düsseldorfer Schauspielhaus unter Karl-Heinz Stroux, 1962/63 erhielt er ein Autorenstipendium und arbeitete unter Egon Monk (auch als Regieassistent und Lektor) in der Fernsehspielabteilung des Norddeutschen Rundfunks in Hamburg. Danach lebte er als freier Schriftsteller in Düsseldorf. 1970 ging Forte in der Nachfolge von Friedrich Dürrenmatt als Hausautor an das Basler Theater, wo er mit Werner Düggelin und Hermann Beil zusammenarbeitete. Bekannt geworden ist er als Dramatiker, zahlreiche Hörspiele und Fernsehfilme machten ihn auch einem breiteren Publikum bekannt als Seismograph der bundesdeutschen Wirklichkeit.

Als Dramatiker debütierte Forte mit seinem 1970 in Basel uraufgeführten Theaterstück Martin Luther & Thomas Münzer oder Die Einführung der Buchhaltung, das zu einem Welterfolg wurde. Das Stück durfte vorher vom Düsseldorfer Schauspielhaus nicht uraufgeführt werden, indem die Stadt Düsseldorf dem Generalintendanten Karl-Heinz Stroux die Aufführung verbot.[3][4] Das Schauspiel wurde von mehr als fünfzig Bühnen gespielt und in neun Sprachen übersetzt und war der Auftakt einer Theatertrilogie über die europäische Zivilisation und den Beginn der Globalisierung. Sie wurde 1978 mit Jean Henry Dunant oder Die Einführung der Zivilisation und 1983 mit Das Labyrinth der Träume oder Wie man den Kopf vom Körper trennt fortgesetzt.

Seit Ende der 1980er Jahre arbeitete Forte ausschließlich an einer Romantetralogie. Den ersten Teil des Epos veröffentlichte er 1992 unter dem Titel Das Muster. Er erzählt darin die Geschichte einer italienisch-französischen Seidenweberfamilie und einer polnischen Bergarbeiterfamilie, die beide aus politischen, religiösen und wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland fliehen. Im zweiten Teil, Der Junge mit den blutigen Schuhen (1995), schreibt Forte über eine dem Nazi-Terror und dem Bombenhagel ausgesetzte Kindheit im Zweiten Weltkrieg. Im dritten Teil, In der Erinnerung (1998), schildert er das Kriegsende und die ersten Jahre des Wiederaufbaus aus der Sicht eines zehnjährigen Jungen. Zusammengefasst erschienen die drei Bände 1999 unter dem Titel Das Haus auf meinen Schultern.

2004 erschien der Roman Auf der anderen Seite der Welt, mit der Forte seine Tetralogie, die später unter dem Obertitel "Tetralogie der Erinnerung" zusammengefasst erschien, abschloss. Er reflektiert in diesem letzten Teil die 1950er Jahre in einem Lungensanatorium auf einer Nordseeinsel. Die Abgeschiedenheit kontrastiert dabei mit den Veränderungen, die die Wirtschaftswunderzeit mit sich bringt – eine Dantesche Reise in den Tod. Dieser letzte Band fand wie die gesamte Tetralogie große Anerkennung.

Dieter Forte war mit Marianne (1938–2016) verheiratet und lebte als freier Schriftsteller in Basel, wo er im April 2019 im Alter von 83 Jahren starb. Seine letzte Ruhestätte fand er auf dem Friedhof am Hörnli.

Er war Mitglied im PEN-Zentrum Deutschland und im Deutschschweizer PEN Zentrum.

Auszeichnungen (Auswahl)

  • Seit dem 26. September 2005 trägt die ehemalige Düsseldorfer Gesamtschule Kikweg den Namen Städtische Dieter-Forte-Gesamtschule.[5]

Werke

Prosa

  • Rate mit im Rätselzoo. Freiburg i. Br. 1970, ein Kinderbuch (zusammen mit Ingrid Mizsenko).
  • Die Wand. Porträt eines Nachmittags. Stuttgart 1973.
  • Fluchtversuche. 4 Fernsehfilme, Frankfurt am Main 1980.
  • Das Muster. Frankfurt am Main 1992. ISBN 3-10-022113-3.
  • Der Junge mit den blutigen Schuhen. Frankfurt am Main 1995. ISBN 3-10-022115-X (später auch unter dem Titel Tagundnachtgleiche).
  • In der Erinnerung. Frankfurt am Main 1998. ISBN 3-10-022114-1.
  • Das Haus auf meinen Schultern. Frankfurt am Main 1999. ISBN 3-10-022117-6 (enthält die Romane Das Muster, Tagundnachtgleiche = Der Junge mit den blutigen Schuhen und In der Erinnerung).
  • Schweigen oder sprechen. Essays von Dieter Forte und Gespräche, Frankfurt am Main 2002.
  • Auf der anderen Seite der Welt. Frankfurt am Main 2004. ISBN 3-10-022116-8.
  • Ein Tag beginnt. Frankfurt am Main 2004.
  • Das Labyrinth der Welt. Ein Buch. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main, 2013, ISBN 978-3-10-022118-6.
  • Als der Himmel noch nicht benannt war. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2019

Theaterstücke

Fernsehfilme

  • Nachbarn (ZDF 1970)
  • Sonntag (ARD 1975)
  • Achsensprung (ARD 1977)
  • Gesundheit! (ARD 1979)
  • Der Aufstieg oder Ein Mann geht verloren (ARD 1980)

Hörspiele

  • Die Wand (WDR 1965)
  • Bergerstraße 8 (RIAS 1967)
  • Porträt eines Nachmittags (Radio Bremen 1967)
  • Sprachspiel (WDR 1980)
  • Martin Luther & Thomas Münzer … (Coproduktion SWR, SFB, Radio Basel 1983)
  • Schalltoter Raum (WDR 1984)
  • Die eingebildet Gesunden oder Vor den Wäldern sterben die Menschen (Coproduktion Radio Basel, WDR 1985)
  • Reise-Gesellschaft oder Die Fahrt nach Jerusalem (Coproduktion WDR, SWR 1987)
  • Die Erinnerung. Das Vergessen. (WDR 1994)

Hörbücher

Literatur

  • Dörthe Binkert-Hensel: Publikumslenkung und Publikumsreaktion am Beispiel von Dieter Fortes „Martin Luther und Thomas Münzer oder Die Einführung der Buchhaltung“. Frankfurt am Main 1979
  • Guy Stern: Dieter Fortes Play „Luther, Münzer, and the Bookkeepers of the Reformation“. In: Gerhard Dünnhaupt (Hrsg.): The Martin Luther Quincentennial. Detroit 1985, S. 205–220
  • Manfred Durzak: Literatur auf dem Bildschirm. Analysen und Gespräche mit Leopold Ahlsen, Rainer Erler, Dieter Forte, Walter Kempowski, Heinar Kipphardt, Wolfdietrich Schnurre, Dieter Wellershoff. In: Medien in Forschung und Unterricht. Serie A. Band 28. Niemeyer, Tübingen 1989, ISBN 3-484-34028-2, Kapitel „Der Dramatiker und das Fernsehen: Gespräch mit Dieter Forte“ und „Erfolg ist ein Aberglaube. Über die Fernsehspiele von Dieter Forte“, S. 29–68.
  • Holger Hof (Hrsg.): Vom Verdichten der Welt. Frankfurt am Main 1998
  • Jürgen Hosemann (Hrsg.): Es ist schon ein eigenartiges Schreiben … Zum Werk von Dieter Forte. Frankfurt am Main 2007
  • Brigitte Marschall: Dieter Forte. In: Andreas Kotte (Hrsg.): Theaterlexikon der Schweiz. Band 1, Chronos, Zürich 2005, ISBN 3-0340-0715-9, S. 616 f.
  • Jürgen Ritte: Endspiele. Geschichte und Erinnerung bei Dieter Forte, Walter Kempowski und W.G. Sebald. Berlin 2009
  • Leopoldo Domínguez: La presencia del flâneur en Tetralogie der Erinnerung de Dieter Forte, in: Revista de Filologia Alemana. 2016. Vol. 24. S. 141–160.
  • Leopoldo Domínguez: "Erzählen ist überleben." Der Erinnerungsdiskurs im Prosawerk von Dieter Forte. In: Maldonado-Alemán, Manuel / Gansel, Carsten: Literarische Inszenierungen von Geschichte. Formen der Erinnerung in der deutschsprachigen Literatur nach 1945 und 1989. Wiesbaden: Metzler. 2018 (ISBN 978-3-658-21670-2), S. 93–106.
  • Leopoldo Domínguez: Fotografía y flânerie en Auf der anderen Seite der Welt, de Dieter Forte. In: Manuel Maldonado Alemán (coord.): Historia, espacio y memoria en la narrativa actual en lengua alemana. Madrid: Síntesis. 2020 (ISBN 978-84-1357-046-4), S. 107–119.

Quellen

Einzelnachweise

  1. Autor Dieter Forte gestorben. In: Deutschlandfunk Kultur, Kulturnachrichten. 23. April 2019, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 23. April 2019; abgerufen am 23. April 2019.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.deutschlandfunkkultur.de
  2. Dieter Forte. In: Kürschners Deutscher Literatur-Kalender 2018/2019. Band II: P–Z. Walter de Gruyter, 2018, ISBN 978-3-11-057616-0, S. 245–246.
  3. Lothar Schröder: Die Ewigkeit der Bibliothek: Neues von Dieter Forte. In: RP Online. 5. März 2019, abgerufen am 25. April 2019.
  4. Jens Prüss: Der Fall Dieter Forte – ein Skandal. In: RP Online. 6. Mai 2019, abgerufen am 7. Mai 2019.
  5. Dieter Forte. Städtische Dieter-Forte-Gesamtschule, abgerufen am 23. April 2019.