Neustart (Verein)

Neustart ist ein in Österreich seit 1957 aktiver Verein für Bewährungshilfe, Konfliktregelung und soziale Arbeit.

Verein und Mitarbeiter

Die Organisation besteht seit ihrer Gründung im Jahr 1957 als Verein. Sie firmierte bis 2001 unter dem Namen „Verein für Bewährungshilfe und Soziale Arbeit“. Im Jahr 2001 wurde der Vereinsname auf „Neustart – Bewährungshilfe, Konfliktregelung, Soziale Arbeit“ geändert.[1] Der Verein Neustart erbringt seine Leistungen im Auftrag des Bundesministeriums für Justiz. Der Verein hat Beratungs- und Betreuungseinrichtungen in allen österreichischen Bundesländern.[2] Die Leistungen des Vereins umfassen Bewährungshilfe im engeren Sinne, aber auch Maßnahmen wie Schulsozialarbeit, elektronisch überwachter Hausarrest oder Opferhilfe. Bewährungshilfe kann anstatt einer Haftstrafe oder bei einer bedingten Entlassung aus einer Haft angeordnet werden.[3] Mitarbeiter von Neustart helfen im Falle von haftentlassenen Delinquenten bei der Wiedereingliederung in die Gesellschaft, zum Beispiel bei der Wohnungs- und Arbeitssuche sowie beim Kontakt mit Behörden.[4] Es ist die Aufgabe der Bewährungshilfe, sich mit Rat und Tat darum zu bemühen, Verurteilten zu einer Lebensführung und Einstellung zu verhelfen, die sie in Zukunft von der Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen abhalten können.[5]

Rund 1.500 haupt- und ehrenamtliche Vereinsmitarbeiter sind bei Neustart tätig (Stand 2015). Diese betreuen mehr als 37.100 Klienten (Stand 2020). Damit ist Neustart eine der größten Non-Profit-Organisationen der Sozialwirtschaft Österreichs. Der Verein Neustart hat hohe fachliche Standards etabliert, die einheitlich in allen Einrichtungen im gesamten österreichischen Bundesgebiet ihre Anwendung finden.[6][7]

Arbeitsweise

In Österreich gibt es keine eigene staatliche Bewährungshilfe. Gerichte ordnen Bewährungshilfe an, entweder im Rahmen eines Urteils mit einer bedingt nachgesehenen Strafe oder im Rahmen einer vorzeitigen Haftentlassung. Sie kann auch "vorläufig" als Ersatz für eine Untersuchungshaft von der Staatsanwaltschaft angeboten werden. Die Justiz informiert den Verein umgehend darüber, und dieser setzt sich dann innerhalb von 3 bis 14 Tagen mit den Betroffenen in Verbindung. Nach einem ausführlichen Erstgespräch mit Datenaufnahme wird ihnen ein passender Betreuer zugeteilt. Bei Haftentlassungen wird schon vorzeitig Kontakt hergestellt, um das Leben außerhalb des Gefängnisses vorzubereiten.[8] Bei angeordneter Bewährungshilfe meldet der Verein nur Verstöße gegen die Auflagen dem zuständigen Gericht. Sonst erfolgen Berichte nach sechs Monaten und zum Ende der Betreuung. Über die genauen Gespräche besteht Verschwiegenheitspflicht. Neustart erhält für seine Arbeit Zuschüsse aus dem Justizministerium – 2019 waren es 40 Mio. Euro.[9]

Bewährungshilfe wird vor allem von Ehrenamtlichen durchgeführt, die oft über eine Ausbildung als Sozialarbeiter verfügen. Sie sind also nicht beim Verein angestellt, erhalten aber eine pauschalierte Aufwandsentschädigung. Sie dürfen maximal fünf Klienten zugleich betreuen und müssen bereit sein, eine Betreuung über mindestens drei Jahre zu gewährleisten, da ein Betreuerwechsel vermieden werden soll. Die Kontakte zu diesen finden meist außerhalb der Büroräumlichenkeiten von Neustart, in Kaffeehäusern oder auch bei Spaziergängen statt. Die Frequenz hängt vom Betreuungsbedarf ab und verringert sich in der Regel im Laufe der Zeit. Monatlich treffen die Mitarbeiter zu Teamgesprächen untereinander zusammen.[10]

Auch die im September 2021 eingeführte verpflichtende Beratung bei Wegweisungen und Betretungsverboten wird vom Verein durchgeführt.

Geschichte

  • 1957: Gründung der Arbeitsgemeinschaft Bewährungshilfe unter Dr. Sepp Schindler.
  • 1961: Aufnahme des Bewährungshelfers ins Jugendgerichtsgesetz.
  • 1964: Durchführung der Bewährungshilfe in ganz Österreich durch den Verein für Bewährungshilfe und Soziale Jugendarbeit (später VBSA) und den Verein Rettet das Kind in der Steiermark.
  • 1969: Das Bewährungshilfegesetz tritt in Kraft.
  • 1975: Große österreichische Strafrechtsreform, das Strafgesetzbuch (StGB) 1974 tritt in Kraft. Bewährungshilfe für Erwachsene wird stufenweise bis 1983 ermöglicht.
  • 1980: Novelle des Bewährungshilfegesetzes 1969. Dieses Gesetz schreibt den bis dahin provisorischen Zustand der Übertragung der Bewährungshilfe an private Vereinigungen fest.
  • 1984: Erwin Ringel wird Obmann des VBSA.
  • 2000: Diversionsgesetz, Beginn des Prozesses „Organisation Neu“.
  • 1999–2001: Verbrechensopferhilfe „danach“ nimmt ihre Arbeit auf.
  • 2001: Beginn der Online-Beratung via www.neustart.at.
  • 2002: Ab 1. Jänner 2002 Namensänderung des Vereins für Bewährungshilfe und Soziale Arbeit auf Neustart.
  • 2006: Projekt „elektronische Aufsicht“ für bedingt Entlassene.
  • 2010: Ab September Auftrag zur Durchführung des elektronisch überwachten Hausarrests (eüH).
  • 2014: Das Neustart Kuratorium wird gegründet.
  • 2016: Abschluss des Pilotprojekts „Sozialnetzkonferenz im Maßnahmenvollzug“, das von April 2015 bis Juli 2016 im Auftrag des Bundesministeriums für Justiz von Neustart erprobt wurde.
  • 2019: Das zuvor von Neustart im Modellversuch erprobte Interventionsprogramm „Dialog statt Hass“, das eine Strategie für den Umgang mit Verhetzung im Internet bietet, findet österreichweit Anwendung. Dabei lernen verurteilte Hass-Poster, wie sie im Internet ihre Meinung äußern können, ohne andere dabei abzuwerten oder sich strafbar zu machen.[11][12]

Namensgleiche Vereine

In Baden-Württemberg war ein gleichnamiger Verein von 2007 bis 2016 Alleingesellschafter der Neustart gemeinnützige GmbH. Zum 31. Dezember 2016 wurde von der Landesregierung Baden-Württemberg der Vertrag mit der Firma Neustart gekündigt und die Bewährungs- und Gerichtshilfe in eine Körperschaft des Öffentlichen Rechts überführt (BGBW).[13]

In Basel besteht seit 1975 ein gleichnamiger Verein, der sich für die gesellschaftliche Integration straffälliger Menschen in der Region Basel einsetzt.[14]

Einzelnachweise

  1. Unser Verein auf neustart.at
  2. Bewährungshilfe und Haftentlassenenhilfe auf oesterreich.gv.at
  3. Tätigkeitsmerkmale auf berufslexikon.at
  4. Bewährungshilfe und Haftentlassenenhilfe auf oesterreich.gv.at
  5. Bewährungshilfe auf help.gv.at
  6. Unser Verein auf neustart.at
  7. facts auf neustart.at
  8. Neustart - BEWÄHRUNGSHILFE: Auftraggeber
  9. 3.2 Wirtschaftliche Kennzahlen zum Straf- und Maßnahmenvollzug Strafvollzugsbroschüre 2020
  10. Neustart - Unsere Ehrenamtlichen
  11. Die Geschichte von Neustart auf neustart.at
  12. Dialog statt Hass auf neustart.at
  13. Informationen des Justizministeriums Baden-Württemberg
  14. Über uns Verein Neustart (Basel) auf neustart.ch