Hermann Otto Hoyer

Hermann Otto Hoyer (* 1893 in Bremen, Deutsches Reich; † 1968 in Oberstdorf, Bundesrepublik Deutschland) war ein deutscher Maler.

Leben

Hoyer absolvierte eine Lehre als Glasmaler und schrieb sich 1914 in der Kunstgewerbeschule Dresden ein. Er war Teilnehmer des Ersten Weltkriegs und ging mit dem ersten hanseatischen Infanterieregiment Nr. 75 ins Feld. In der ersten Marneschlacht 1914 wurde Hoyer verwundet und geriet in eine drei Jahre dauernde französische Gefangenschaft. Er unternahm vier Fluchtversuche, darunter auch aus einem Straflager in Tunesien, in das er zwischenzeitlich verlegt wurde. Bei der letzten Flucht im Oktober 2017 verlor er den rechten Arm und wurde nach Deutschland ausgetauscht. Noch in seiner letzten Station der Kriegsgefangenschaft erhielt er „durch das Entgegenkommen eines französischen Unterarztes“ Malutensilien, was ihm das Malen ermöglichte.[1]

Aufgrund seiner Kriegsversehrung trainierte er das Malen mit der linken Hand.[2] Von dem Berliner Chirurgen Ferdinand Sauerbruch wurde Hoyer mit einer Sauerbruch-Prothese ausgestattet.[3] An der Münchner Akademie, wo er sich Ende Mai 1919 im Fach Zeichnen immatrikulierte,[4] war er Schüler von Hermann Groeber, Carl von Marr und Franz von Stuck. Er war ab 1925 bis zu seinem Tod in Oberstdorf im Allgäu ansässig und trat zur Zeit der Weimarer Republik der NSDAP bei.[2] Er agierte zwischenzeitlich als stellvertretender Ortsgruppenleiter und war Ende April 1933 als „über die Grenzen Oberstdorfs bekannte(r) Kunstmaler“ eines von zehn neuen Gemeinderatsmitgliedern der NSDAP.[5] Er eckte jedoch mehrfach an, so mit der Äußerung, „daß es auch anständige Juden“ gebe, und mit dem Stellen der Vertrauensfrage während einer Parteiversammlung, was als demokratisches Instrument gegen das Führerprinzip verstieß und letztlich auch zu seinem Rückzug von dem Posten als stellvertretender Ortsgruppenleiter führte.[6] Auf seine Tätigkeit und Reputation als Maler blieb das ohne Auswirkungen. So schuf Hoyer zahlreiche politisch geprägte Gemälde und ab 1940 vorwiegend Bauernmalerei. Im Jahr 1943 wurde ihm der Professorentitel verliehen.[2] Ebenso erhielt er die Goethe-Medaille für Kunst und Wissenschaft.[7] Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde er im Dezember 1948 aufgrund des Gesetzes zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus von der Berufungskammer Kempten als Mitläufer im Sinne Kontrollratsdirektive Nr. 38 eingestuft. Ihm wurde zugute gehalten, dass er niemandem geschadet habe, sich 1934 von jedem öffentlichen politischen Wirken zurückzog und sich 1936 kirchlich trauen ließ.[8]

Werk

Das Ölbild Der SA-Mann wurde 1932 im Braunen Haus, der Parteizentrale der NSDAP in München, aufgestellt. Sein 1933 gemaltes Bild Fuchstobel im Schnee wurde vom bayerischen Ministerpräsidenten Ludwig Siebert für die Weihnachtsausstellung „Kunst für alle“ (München, 1935) angekauft. Es befindet sich im Bestand der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen in der Pinakothek der Moderne, wird aber mit Stand Mai 2020 nicht ausgestellt.[9]

Später folgte im Rahmen der Großen Deutschen Kunstausstellung 1937 im Haus der Deutschen Kunst in München das Bild Am Anfang war das Wort,[10][11] das zu den „bekanntesten Darstellungen Hitlers als Redner“ gehört.[7] Gemeinsam mit rund 400 weiteren Kunstwerken aus der NS-Zeit, die als „politisch aufgeladen“ gelten, befindet es sich weiterhin im Besitz der U.S. Army.[12] Zum grundsätzlichen Hintergrund und zur dargestellten Szene des Bildes, das die Maße 191,8 cm x 270,5 cm aufweist[2], schrieb Marlies Schmidt:

„Hermann Otto Hoyer rückte die Formierung der NS-Bewegung unter Hitler mit einer Titelgebung, die den Anfangssatz des Johannes-Evangeliums zitierte […], in eine metaphysische Ebene. Hitler erscheint vor einer Gruppe von Zuhörern in der Pose des Orators, des Sehers und Wegweisers, die in den Zwanzigerjahren auch verbindlich für den Typus der Lenindarstellungen in Sowjetrussland entwickelt worden war.“

Marlies Schmidt: Die „Große Deutsche Kunstausstellung 1937 im Haus der Deutschen Kunst zu München“. Rekonstruktion und Analyse.[13]

Bei der Ausstellung Deutsche Künstler und die SS 1944 in Breslau war Hoyer mit einem Porträt von Theodor Eicke vertreten.[14]

Für die gut zehn Monate dauernde Ausstellung „Auf Messers Schneide“ der Charité über Ferdinand Sauerbruch von Ende März 2019 bis Anfang Februar 2020 wurde Hoyers 1922 gemaltes Bild „Ferdinand Sauerbruch bei einer Brustwand-Operation“ als Motiv für die Vorderseite des sechsseitigen Flyers ausgewählt.[15][16]

Rezeption

Im Rahmen der 2016 durchgeführten Ausstellung „Artige Kunst“, bei der „erwünschte Kunst im Nationalsozialismus“ mit entarteter Kunst kontrastiert wurde,[17] urteilte Sabine Oelze für die Deutsche Welle, dass die „Kunst des Nazi-Regimes“ stilistisch „weit hinter den Strömungen der Zeit“ zurückliege und „Künstler wie Hermann Otto Hoyer auf einen plumpen und verfälschenden Realismus“ zurückgriffen. Zudem würden Bilder wie das Bauernmahl die „verlogene Bildsprache der Nationalsozialisten“ zeigen, die „nichts mit der Realität der Zeit zu tun“ habe.[18] Bei der taz hieß es, dass ländliche Idyllen wie von Hoyer „gar nicht offen propagandistisch“ seien.[17] Michael Meyer (Märkische Allgemeine Zeitung) nannte das Bild eine „bürgerlich naiv inszenierte Dorfidylle“.[19]

Gut zwei Jahre später diente Hoyers Bauernmahl im Rahmen der Ausstellung „Konstruktion der Welt – Kunst und Ökonomie – 1919 bis 1939 und 2008 bis 2018“ in der Kunsthalle Mannheim selbst als Kontrast: Das „Drittes-Reich-taugliche Bauernmahl“ wurde der „kleinbürgerliche(n) Familienidylle eines stalinistischen Kommandanten“ von Wladimir Wassiljew „spielverderberisch zugesellt“.[20]

Ausstellungen (Auswahl)

Bilder (Auswahl)

  • Ferdinand Sauerbruch bei einer Brustwand-Operation, 1922
  • Der SA-Mann
  • Fuchstobel im Schnee, 1933[9]
  • Braunhemd im Straßenkampf, 1934[22]
  • Bauernmahl, 1935
  • Am Anfang war das Wort, ca. 1937, United States Holocaust Memorial Museum[12]

Literatur

  • Hermann Otto Hoyer: Feldgrau auf Flucht, o.J., Selbstverlag

Einzelnachweise

  1. Hermann Otto Hoyer: Feldgrau auf Flucht, o.J., Selbstverlag.
  2. a b c d Marlies Schmidt: Die „Große Deutsche Kunstausstellung 1937 im Haus der Deutschen Kunst zu München“. Rekonstruktion und Analyse. Dissertation, Lutherstadt Wittenberg 2010 (PDF), S. 468.
  3. Thomas Schnalke: Schutzkleidung III. In: dmm-ingolstadt.de. 5. April 2020, abgerufen am 24. Dezember 2020.
  4. Matrikeldatenbank – Akademie der Bildenden Künste München. In: matrikel.adbk.de. Abgerufen am 24. Dezember 2020.
  5. Angelika Patel: Ein Dorf im Spiegel seiner Zeit: Oberstdorf 1918–1952; Markt Oberstdorf (Hrsg.): Oberstdorf: Geschichte des Marktes Oberstdorf. Band 5. Oberstdorf 2010, ISBN 978-3-00-032558-8, S. 169.
  6. Angelika Patel: a.a.O., Seite 179.
  7. a b Tobias Ronge: Das Bild des Herrschers in Malerei und Grafik des Nationalsozialismus: Eine Untersuchung zur Ikonografie von Führer- und Funktionärsbildern im Dritten Reich. Lit, Münster 2011, ISBN 978-3-643-10856-2 (Volltext/Vorschau in der Google-Buchsuche).
  8. Urteil der Berufungskammer Kempten vom 14. Dezember 1948
  9. a b Fuchstobel im Schnee. In: sammlung.pinakothek.de. Abgerufen am 23. Dezember 2020.
  10. Ansicht (Exponat; Gemälde „Am Anfang war d.Wort“) – Bildarchiv. In: bildarchiv.bsb-muenchen.de. Abgerufen am 23. Dezember 2020.
  11. Große Deutsche Kunstausstellung (1937–1944) – Historisches Lexikon Bayerns. In: historisches-lexikon-bayerns.de. Abgerufen am 23. Dezember 2020.
  12. a b "In the Beginning Was the Word" – Hermann Otto Hoyer. In: artsandculture.google.com. Abgerufen am 23. Dezember 2020 (englisch).
  13. Marlies Schmidt 2010, a.a.O., Seite 75.
  14. Deutsche Künstler und die SS (Katalog zur Ausstellung in Breslau 1944). Limpert, Berlin 1944 (Bibliotheksnachweise bei BVB)
  15. Katja Barnikow: Eine Ausstellung des Berliner Medizinhistorischen Museums der Charité. In: gedenkort.charite.de. 21. März 2019, abgerufen am 23. Dezember 2020.
  16. Berliner Medizinhistorisches Museum: „Auf Messers Schneide – Der Chirurg Ferdinand Sauerbruch zwischen Medizin und Mythos“, Flyer zur Ausstellung vom 22. März 2019 bis 2. Februar 2020 (PDF)
  17. a b Max Florian Kühlem: Ausstellung über „artige“ Kunst: Was dem Führer gefiel. In: taz.de. 9. Januar 2017, abgerufen am 24. Dezember 2020.
  18. Sabine Oelze: Nazi-Werke im Museum: Ausstellung „Artige Kunst“. In: dw.com. 11. August 2016, abgerufen am 24. Dezember 2020.
  19. a b Michael Meyer: Rostocker Schau beschäftigt sich mit Kunst im Nationalsozialismus. In: maz-online.de. 2. Mai 2017, abgerufen am 24. Dezember 2020.
  20. Siegrid Feeser: Das Unsichtbare sichtbar machen. In: rheinpfalz.de. 12. Oktober 2018, abgerufen am 24. Dezember 2020.
  21. Hans-Jörg Czech, Nikola Doll (Hrsg.): Kunst und Propaganda im Streit der Nationen 1930–1945, Sandstein Verlag, Dresden 2007, ISBN 978-3-86102-143-8, Seite 324.
  22. Hannes Lewalter: „Der Kampf ist hart. Wir sind härter!“ – Die Darstellung deutscher Soldaten im Spiegel der Bildpropaganda beider Weltkriege und die Konstruktion des „Neuen Helden“. Dissertation, Tübingen 2010 (PDF), S. 103.


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