„Goralen“ – Versionsunterschied

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Die '''Goralen''' ({{plS|Górale|sk=Gorali}}; vom polnischen Wort „góra“ für „Berg“, vergleiche slowakisch „hora“) sind eine westslawische ethnische Gruppe an der [[Polen|polnisch]]-[[Slowakei|slowakischen]] und der polnisch-[[Tschechien|tschechischen]] Grenze. Sie sprechen [[Goralisch]]en Mundarten des [[Kleinpolnisch]]en mit slowakischen und tschechischen Einflüssen sowie [[Teschener Mundarten]] in [[Schlesien]]. Die slowakischen Linguisten klassifizieren dagegen die goralischen Mundarten in der Slowakei als ''gemischte slowakisch-polnische Sprache'', ähnlich wie die tschechischen Forscher die Teschener Mundarten als ''gemischte tschechisch-polnische Sprache'' einordnen.
Die '''Goralen''' ({{plS|Górale|sk=Gorali}}; vom polnischen Wort „góra“ für „Berg“, vergleiche slowakisch „hora“) sind eine westslawische ethnische Gruppe an der [[Polen|polnisch]]-[[Slowakei|slowakischen]] und der polnisch-[[Tschechien|tschechischen]] Grenze. Sie sprechen [[Goralisch]]en Mundarten des [[Kleinpolnisch]]en mit slowakischen und tschechischen Einflüssen sowie [[Teschener Mundarten]] in [[Schlesien]]. Die slowakischen Linguisten klassifizieren dagegen die goralischen Mundarten in der Slowakei als ''gemischte slowakisch-polnische Sprache'', ähnlich wie die tschechischen Forscher die Teschener Mundarten als ''gemischte tschechisch-polnische Sprache'' einordnen.


Vor allem vereinigt die Goralen der Lebensstil, der durch die sogenannte „Walachische Kolonisation“ in den [[Westkarpaten]] verbreitet wurde, bei dem jahreszeitliche, extensive [[Transhumanz|Bergweidewirtschaft durch Hirten]] mit unter den klimatischen Bedingungen des Gebirges weniger ertragreichem [[Agropastoralismus|Ackerbau in festen Dörfern verbunden wird]] und den die Orientierung, teilweise Übernahme des [[Walachisches Recht|walachischen Gewohnheitsrechtes]] auszeichnet, das sich (neben anderen Elementen) besonders mit gemeinschaftlichen Weiderechten und Eigentum der Viehherden beschäftigt, und mit der Rechtssprechung durch [[Knes]]en, einen Titel, der in vielen slawischen Sprachen und im [[Rumänische Sprache|Rumänischen]] allgemein einen adligen Fürsten, bei den walachischen oder walachisch beeinflussten Berggemeinschaften aber eher einen Dorfvorsteher bezeichnet. Trotz dieser Gemeinsamkeiten mit den rumänisch- und [[Balkanromanische Sprachen|balkanromanischsprachigen]] Gebirgsbewohnern der Ost- und Südkarpaten und einiger Balkangebirge ist die goralische Gemeinschaft ethnisch nur reliktisch mit den ursprünglichen [[Walachen]] verbunden, wie ihre allein westslawischen Mundarten und ihre römisch-katholische Konfession zeigen. Nur wenige Lehnwörter, z. B. der Gebirgsname [[Magura (Begriffsklärung)|Magura]], oder viele [[Karpatismus|Karpatismen]] wie ''koszar'' (siehe die Ortsnamen wie [[Koszarawa]], [[Košařiska]] usw.), sind wohl rumänisch-walachischer Herkunft.
Vor allem vereinigt die Goralen der Lebensstil, der durch die sogenannte „Walachische Kolonisation“ in den [[Westkarpaten]] verbreitet wurde, bei dem jahreszeitliche, extensive [[Transhumanz|Bergweidewirtschaft durch Hirten]] mit unter den klimatischen Bedingungen des Gebirges weniger ertragreichem [[Agropastoralismus|Ackerbau in festen Dörfern verbunden wird]] und den die Orientierung, teilweise Übernahme des [[Walachisches Recht|walachischen Gewohnheitsrechtes]] auszeichnet, das sich (neben anderen Elementen) besonders mit gemeinschaftlichen Weiderechten und Eigentum der Viehherden beschäftigt, und mit der Rechtsprechung durch [[Knes]]en, einen Titel, der in vielen slawischen Sprachen und im [[Rumänische Sprache|Rumänischen]] allgemein einen adligen Fürsten, bei den walachischen oder walachisch beeinflussten Berggemeinschaften aber eher einen Dorfvorsteher bezeichnet. Trotz dieser Gemeinsamkeiten mit den rumänisch- und [[Balkanromanische Sprachen|balkanromanischsprachigen]] Gebirgsbewohnern der Ost- und Südkarpaten und einiger Balkangebirge ist die goralische Gemeinschaft ethnisch nur reliktisch mit den ursprünglichen [[Walachen]] verbunden, wie ihre allein westslawischen Mundarten und ihre römisch-katholische Konfession zeigen. Nur wenige Lehnwörter, z. B. der Gebirgsname [[Magura (Begriffsklärung)|Magura]], oder viele [[Karpatismus|Karpatismen]] wie ''koszar'' (siehe die Ortsnamen wie [[Koszarawa]], [[Košařiska]] usw.), sind wohl rumänisch-walachischer Herkunft.


== Verbreitung ==
== Verbreitung ==
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Historisch sind Vorfahren der Hirten bzw. der Goralen im Zuge der „walachischen Kolonisation“ in den Karpaten eingewandert und wurden in den ältesten Quellen zwischen dem 15. und 17. Jahrhundert als ''Walachen'' bezeichnet, waren aber im Gegensatz zu den orthodoxen bzw. griechisch-katholischen [[Lemken (Volksgruppe)|Lemken]] bzw. [[Russinen]] im Osten, römisch-katholischer Religion. Die Kirche spielte eine Rolle in der Integration mit allen benachbarten Ethnien in der Grenzregion zu Ungarn und Böhmen. Der Lebensstil der Goralen verbreitete sich auch weiter westlich in der [[Mährische Walachei|Mährischen Walachei]], jedoch die dortigen „Walachen“ identifizierten sich später nicht als Goralen, sondern als Tschechen bzw. Mährer.
Historisch sind Vorfahren der Hirten bzw. der Goralen im Zuge der „walachischen Kolonisation“ in den Karpaten eingewandert und wurden in den ältesten Quellen zwischen dem 15. und 17. Jahrhundert als ''Walachen'' bezeichnet, waren aber im Gegensatz zu den orthodoxen bzw. griechisch-katholischen [[Lemken (Volksgruppe)|Lemken]] bzw. [[Russinen]] im Osten, römisch-katholischer Religion. Die Kirche spielte eine Rolle in der Integration mit allen benachbarten Ethnien in der Grenzregion zu Ungarn und Böhmen. Der Lebensstil der Goralen verbreitete sich auch weiter westlich in der [[Mährische Walachei|Mährischen Walachei]], jedoch die dortigen „Walachen“ identifizierten sich später nicht als Goralen, sondern als Tschechen bzw. Mährer.


Im 19. Jahrhundert begann der Tourismus in der Region. Nach dem [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] kam es zum [[Tschechoslowakisch-polnische Grenzkonflikte|tschechoslowakisch-polnische Grenzkonflikt]] über von Goralen bewohnte Teile von Arwa und Zips.
Im 19. Jahrhundert begann der Tourismus in der Region. Nach dem [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] kam es zum [[Tschechoslowakisch-polnische Grenzkonflikte|tschechoslowakisch-polnischen Grenzkonflikt]] über von Goralen bewohnte Teile von Arwa und Zips.


Im [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] wurden die Goralen in [[Podhale]] von den [[Deutsche Besetzung Polens 1939–1945|deutschen Besatzern]] als eigene ethnische Gruppe angesehen und „Goralenvolk“ genannt. Ein Teil der regionalen Elite unterzeichnete die [[Deutsche Volksliste]] und kam so in den Genuss von Privilegien. Die meisten Goralen verweigerten jedoch die Aufnahme auf die Volksliste, und viele schlossen sich dem [[Armia Krajowa|polnischen Widerstand]] an.<ref>Wojciech Szatkowski: ''Goralenvolk. Historia zdrady''. Kanon, Zakopane 2012, ISBN 978-83-62309-09-2 ({{plS}}; Übersetzung des Titels: ''Goralenvolk. Die Geschichte eines Verrats'')</ref>
Im [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] wurden die Goralen in [[Podhale]] von den [[Deutsche Besetzung Polens 1939–1945|deutschen Besatzern]] als eigene ethnische Gruppe angesehen und „Goralenvolk“ genannt. Ein Teil der regionalen Elite unterzeichnete die [[Deutsche Volksliste]] und kam so in den Genuss von Privilegien. Die meisten Goralen verweigerten jedoch die Aufnahme auf die Volksliste, und viele schlossen sich dem [[Armia Krajowa|polnischen Widerstand]] an.<ref>Wojciech Szatkowski: ''Goralenvolk. Historia zdrady''. Kanon, Zakopane 2012, ISBN 978-83-62309-09-2 ({{plS}}; Übersetzung des Titels: ''Goralenvolk. Die Geschichte eines Verrats'')</ref>

Version vom 16. April 2023, 23:19 Uhr

Karte des Siedlungsgebiets der Goralen
Podhale-Goralen, 1877
Typische Goralen-Tracht
Goralen-Tracht, Podhale
Saybuscher Goralen-Tracht

Die Goralen (polnisch Górale, slowakisch Gorali; vom polnischen Wort „góra“ für „Berg“, vergleiche slowakisch „hora“) sind eine westslawische ethnische Gruppe an der polnisch-slowakischen und der polnisch-tschechischen Grenze. Sie sprechen Goralischen Mundarten des Kleinpolnischen mit slowakischen und tschechischen Einflüssen sowie Teschener Mundarten in Schlesien. Die slowakischen Linguisten klassifizieren dagegen die goralischen Mundarten in der Slowakei als gemischte slowakisch-polnische Sprache, ähnlich wie die tschechischen Forscher die Teschener Mundarten als gemischte tschechisch-polnische Sprache einordnen.

Vor allem vereinigt die Goralen der Lebensstil, der durch die sogenannte „Walachische Kolonisation“ in den Westkarpaten verbreitet wurde, bei dem jahreszeitliche, extensive Bergweidewirtschaft durch Hirten mit unter den klimatischen Bedingungen des Gebirges weniger ertragreichem Ackerbau in festen Dörfern verbunden wird und den die Orientierung, teilweise Übernahme des walachischen Gewohnheitsrechtes auszeichnet, das sich (neben anderen Elementen) besonders mit gemeinschaftlichen Weiderechten und Eigentum der Viehherden beschäftigt, und mit der Rechtsprechung durch Knesen, einen Titel, der in vielen slawischen Sprachen und im Rumänischen allgemein einen adligen Fürsten, bei den walachischen oder walachisch beeinflussten Berggemeinschaften aber eher einen Dorfvorsteher bezeichnet. Trotz dieser Gemeinsamkeiten mit den rumänisch- und balkanromanischsprachigen Gebirgsbewohnern der Ost- und Südkarpaten und einiger Balkangebirge ist die goralische Gemeinschaft ethnisch nur reliktisch mit den ursprünglichen Walachen verbunden, wie ihre allein westslawischen Mundarten und ihre römisch-katholische Konfession zeigen. Nur wenige Lehnwörter, z. B. der Gebirgsname Magura, oder viele Karpatismen wie koszar (siehe die Ortsnamen wie Koszarawa, Košařiska usw.), sind wohl rumänisch-walachischer Herkunft.

Verbreitung

In Polen leben die Goralen in der Tatra und in Teilen der Westbeskiden und werden dort zu den Polen gezählt, obwohl eine Minderheit sich in den polnischen Teilen von Arwa und Zips für Slowaken hielt. In der Slowakei leben sie in den Landschaften Orava, Kysuce sowie der Oberzips und werden dort seit dem 18. Jahrhundert als Teil der Slowaken angesehen, im frühen 20. Jahrhundert entwickelte sich eine polnische Nationalbewegung deutlich nur im Teil von Arwa. In Tschechien leben sie im südlichen Teil Olsagebiets bzw. im tschechischen Teil des Teschener Schlesiens und machen den Kern der polnischen Minderheit Tschechiens aus, obwohl identifizieren sie sich auch stark als Schlesier, sowie als Tschechen und sogar Mährer.[1]

Auf der polnischen Seite der Tatra sind die Goralen insbesondere um das Touristenzentrum Zakopane in der Podhale herum wohnhaft. Weniger im polnischen Bewusstsein sind die Goralen vom Saybuscher Land etabliert bzw. von der Podhale-Goralen unterschieden. Dabei fallen vor allem die mit reichem Balkenschnitzwerk versehenen vielgiebligen Holzhäuser mit ebenso vielen Dachgauben auf. Häufig stehen Goralenfrauen in ihrer Landestracht mit ihrem Stand an einer Stelle, wo viele Passanten und Touristen entlangkommen, und verkaufen eines ihrer typischen Produkte. Hierzu zählt vor allem Oscypek, ein geräucherter Schafskäse, der äußerlich an wunderlich ausgeformte Fastnachtskrapfen oder kunstvoll gedrechselte Holzspindelteile erinnert.

Nach J. Jakubiec die Saybuscher Goralen unterschieden sich besonders von Nachbarn: Ślezioki (Schlesier), Słowioki (Slowaken), Ruśnioki (Russinen) und Lachen (die Bewohner der Täler/Flachländer, vergleiche die ostslawische Bezeichnung Lachen). Nach Linguisten sprechen viele Goralen die lachischen und nicht die goralischen Mundarten.[2]

Einteilung

Die Góralen lassen sich in verschiedene Untergruppen einteilen:

Geschichte

Das Wohngebiet der späteren Goralen war im frühen Mittelalter bis zum 12. Jahrhundert nur spärlich besiedelt und mit dichten Wäldern bewachsen. Im 13. Jahrhundert kam es zu der ersten, aber wenig erfolgreichen planmäßigen Besiedlung von Podhale, die wegen der ersten Mongolensturm aufgeben wurde. Im frühen 14. Jahrhundert (ab 1307) begann ein Wettbewerb zwischen dem Königreich Polen und dem Königreich Ungarn, das Neumarkter Becken zu erschließen. Besonders die Besiedlung auf ungarischer Seite hatte starke Beziehungen mit der oberzipserdeutschen Sprachinsel.[3]

Historisch sind Vorfahren der Hirten bzw. der Goralen im Zuge der „walachischen Kolonisation“ in den Karpaten eingewandert und wurden in den ältesten Quellen zwischen dem 15. und 17. Jahrhundert als Walachen bezeichnet, waren aber im Gegensatz zu den orthodoxen bzw. griechisch-katholischen Lemken bzw. Russinen im Osten, römisch-katholischer Religion. Die Kirche spielte eine Rolle in der Integration mit allen benachbarten Ethnien in der Grenzregion zu Ungarn und Böhmen. Der Lebensstil der Goralen verbreitete sich auch weiter westlich in der Mährischen Walachei, jedoch die dortigen „Walachen“ identifizierten sich später nicht als Goralen, sondern als Tschechen bzw. Mährer.

Im 19. Jahrhundert begann der Tourismus in der Region. Nach dem Ersten Weltkrieg kam es zum tschechoslowakisch-polnischen Grenzkonflikt über von Goralen bewohnte Teile von Arwa und Zips.

Im Zweiten Weltkrieg wurden die Goralen in Podhale von den deutschen Besatzern als eigene ethnische Gruppe angesehen und „Goralenvolk“ genannt. Ein Teil der regionalen Elite unterzeichnete die Deutsche Volksliste und kam so in den Genuss von Privilegien. Die meisten Goralen verweigerten jedoch die Aufnahme auf die Volksliste, und viele schlossen sich dem polnischen Widerstand an.[4]

Im Dialekt von Podhale eine gewisse Menge von Dialektliteratur veröffentlicht wurde. Einer der bekanntesten Autoren unter den polnischen Goralen war der Priester und Philosoph Józef Tischner. Er verfasste nicht nur Bücher wie die „Philosophiegeschichte auf Goralisch“, sondern engagierte sich auch für wirtschaftliche und kulturelle Programme zugunsten der Goralen.

Commons: Gorals – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Zbigniew Greń: Zależności między typami poczucia regionalnego i etnicznego. In: Śląsk Cieszyński. Dziedzictwo językowe. Warszawa: Towarzystwo Naukowe Warszawskie. Instytut Slawistyki Polskiej Akademii Nauk, 2000, ISBN 83-86619-09-0.
  2. Ludwika Wajda: Pogranicze gwarowe góralsko-lachowskie (polnisch)
  3. Józef Nyka: Pieniny. Przewodnik. 11. Auflage. Trawers, Latchorzew 2010, ISBN 83-915859-4-8, S. 9.
  4. Wojciech Szatkowski: Goralenvolk. Historia zdrady. Kanon, Zakopane 2012, ISBN 978-83-62309-09-2 (polnisch; Übersetzung des Titels: Goralenvolk. Die Geschichte eines Verrats)