Edwin Kelm

Edwin Kelm (* 1929 in Friedenstal/Bessarabien, heute Mirnopolje/Ukraine) ist ein Bauunternehmer mit bessarabiendeutscher Herkunft. In vielen Funktionen trug er nach dem Zweiten Weltkrieg für den Zusammenhalt der bessarabiendeutschen Bevölkerungsgruppe in der Bundesrepublik bei. Er setzt sich für die Versöhnung mit den ehemals von Deutschen besiedelten und besetzten Gebieten im heutigen Polen, der Ukraine und Moldawien ein.

Leben

Edwin Kelm entstammt einer deutschstämmigen Bauernfamilie in Bessarabien. Der Geburtsort war die Siedlung Friedenstal mit etwa 2.100 Bewohnern, die deutsche Auswanderer 1834 gründet hatten. Nach der Umsiedlung der Bessarabiendeutschen 1940 infolge der sowjetischen Besetzung kam er mit seinen Eltern in ein Umsiedlungslager in Deutschland. Von dort wurde die Familie um 1942 in das von Deutschland eroberte Polen geschickt. Die früheren Bewohner von Friedenstal wurden in der Region von Kutno auf Bauernhöfen angesiedelt, von denen die deutsche Besatzungsmacht die polnischen Besitzer vertrieben hatte.

Flucht 1945

Als im Januar 1945 die Ostfront in Folge eines sowjetischen Großangriffs zusammenbrach, flüchtete die Familie nach Westen. Am Morgen des 20. Januar 1945 befand sich Edwin Kelm mit seiner Familie in einem kilometerlangen Flüchtlingstreck, der aus Bewohnern des bessarabischen Dorfes Friedenstal bestand. Auf der Landstraße zwischen Sompolno und Ślesin am Schlüsselsee im Landkreis Konin wurde der Treck von Panzertruppen der Roten Armee überrollt und beschossen. Die Truppe befand sich im Gefecht mit deutschen Einheiten, die auf dem Rückzug waren. Ein auf Nebenwege ausgewichener Treckteil stieß auf einen Trupp Partisanen, der in deutschen Uniformen nach flüchtenden SS- und Wehrmachtsangehörigen suchte. Kelms 44-jähriger Vater wurde wie viele andere männliche Flüchtlinge erschossen. Edwin Kelm konnte durch Flucht entkommen und kam in der schneebedeckten Landschaft im Haus einer polnischen Frau unter. Der 16-jährige Kelm sollte bei seiner weiteren Flucht nach Deutschland auf russischen Befehl hin erschossen werden. Der ausführende Soldat befolgte den Befehl seines Vorgesetzten nicht und ließ Kelm laufen.

Die auf der Landstraße und in den Wäldern bei Ślesin getöteten und erfrorenen Zivilisten sowie gefallene deutsche Soldaten wurden von der ortsansässigen Bevölkerung beerdigt. Die rund 300 Leichen kamen in ein Massengrab in einem riesigen Bombentrichter einer verirrten V2-Rakete. 1997 wurde an der Grabstelle in einem Waldstück auf Antrag von Edwin Kelm eine Gedenkstätte mit Steinkreuz errichtet.

Nach dem Krieg

Kelm kam als 17-jähriger nach Möglingen, wo er noch heute (2007) mit seiner Ehefrau lebt. 1962 legte er in Möglingen die Meisterprüfung im Baugewerbe ab und gründete ein Bauunternehmen, das er bis 1993 führte. Sein Unternehmen errichtete rund 400 Wohnhäuser, mehrere Gemeinde- und Bürgerhäuser, Schulen und 7 Kirchen.

In seinem Heimatort trat er als von 1971 – 1994 als Kommunalpolitiker für die CDU auf. Seit 1965 gehört er dem Kirchengemeinderat Möglingen an. Er wurde in die Bezirkssynode des Kirchenbezirks Ludwigsburg gewählt und gehörte ab 1977 der Landessynode der evangelischen Landeskirche Württemberg bis 1995 an.

Engagement für Bessarabien

Bereits 1966 unternahm Kelm die erste Reise in seine frühere Heimat Bessarabien, die seit Ende des Zweiten Weltkriegs Teil der Sowjetunion war. Seine Reisen wurden von staatlichen Stellen misstrauisch beäugt, da man ihn für einen westlichen Spion hielt.

Seit 1980 führt er Studienreisen in die Ukraine und nach Moldawien durch. Pro Reisesaison fahren rund 1.000 Reisende, meist Bessarabiendeutsche oder ihre Nachkommen, in die Länder des früheren Bessarabiens und suchen die früheren deutschen Siedlungen auf.

1982 wurde Kelm zum Bundesvorsitzenden der Landsmannschaft der Bessarabiendeutschen gewählt. Das Amt behielt er bis 2004 inne. In dieser Funktion war er gleichzeitig stellvertretender Vorsitzender des Hilfskomitee der Evangelisch-lutherischen Kirche aus Bessarabien. 36 Jahre war Kelm Beirats-, Bauausschuss- und Aufsichtsratsmitglied des Alexander-Stift in Großerlach-Neufürstenhütte, einer Heimstätte für bessarabiendeutsche Senioren.

Nach dem Niedergang der Sowjetunion Anfang der 1990er Jahre engagierte sich Kelm im Gebiet des früheren Bessarabien, in dem die Staaten Moldawien und Ukraine entstanden waren. Er ließ auf dem früheren Hof der Großeltern in Friedenstal ein bessarabiendeutsches Dorf- und Bauernmuseum einrichten. Die Hofanlage mit ihren ausgestellten landwirtschaftlichen Arbeitsgeräten repräsentiert eine typische Landwirtschaft der deutschstämmigen Bevölkerung, die das Land 1940 nach der Besetzung durch die Sowjetunion verließ.

Kelm plante und überwachte die Restaurierung der ältesten deutschen Kirche Bessarabiens in Sarata. Beteiligt war er auch am Bau einer neuen Kirche in Bilhorod-Dnistrowskyj und dem Wiederaufbau der deutschen Kirche in Albota (Moldawien). Er setzte sich dafür ein, dass in 50 Siedlungen (von 150) Gedenksteine zur Erinnerung an die frühere deutsche Vergangenheit der Orte aufgestellt wurden.

Kelm rief in Deutschland eine Bessarabienhilfe ins Leben, die für Zuschüsse von Heilbehandlungen der heutigen Bevölkerung in den ehemals deutschen Gemeinde gewährt, Schulen bei Lehr- und Lernmittel unterstützt. In diesem Rahmen sorgte er für eine verbesserte Ausstattung des Krankenhauses in Schabo in der Ukraine, eine einstige Weinbausiedlung Schweizer Auswanderer.

Auszeichnungen

Literatur

  • Leonide Baum: Edwin Kelm – Lebenserinnerungen