„Artur Streiter“ – Versionsunterschied

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'''Artur Streiter''' (geboren [[17. Januar]] [[1905]] in [[Neuruppin]]; gestorben [[25. Oktober]] [[1946]] in [[Schönow (Bernau bei Berlin)|Schönow]]) war ein deutscher [[Graphiker]], [[Schriftsteller]], Maler und [[Anarchismus|Anarchist]].
'''Artur Streiter''' (geboren [[17. Januar]] [[1905]] in [[Berlin-Lichtenberg|Lichtenberg]] bei Berlin; gestorben [[21. Oktober]] [[1946]] in [[Schönow (Bernau bei Berlin)|Schönow]]) war ein deutscher [[Schriftsteller]] und [[Malerei|Maler]].


== Leben ==
== Leben ==
Streiter wuchs in Berlin auf, lebte von circa 1930 bis 1940 in Berlin-Wittenau und nach 1940 in Schönow bei Berlin, wo er nach dem Zweiten Weltkrieg die noch erhaltene Gemeindebibliothek wieder einrichtete<ref>{{Litport|1983|hist}}, abgerufen am 9. April 2010</ref>. Er absolvierte eine Ausbildung zum technischen Zeichner und eine Handwerkerlehre. Als Jugendlicher verließ er sein Elternhaus und wurde in der Siedlungs- und Reformbewegung aktiv. Mit einer Puppenspielergruppe reiste er einige Monate durch Deutschland, bevor er sich mit 16 Jahren der „Goldberg-Kommune“ anschloss. Diese Kommune, von [[Filareto Kavernido|Heinrich Goldberg]] gegründet, zog später nach Frankreich, wobei Streiter in Deutschland verblieb. Zwischen 1926 und 1930 lebte er mit seiner Ehefrau Erna in einer Lebensgemeinschaft im [[Rotes Luch|Roten Luch]]<ref>{{WestfAutoren|2262}}, abgerufen am 16. März 2012 </ref>. An der Bahnlinie von Berlin nach Küstrin gelegen wurde dort eine Parzelle von etwa 2 Hektar für 180 [[Deutsche Mark|DM]] für drei Jahre gepachtet<ref>{{Webarchiv|url=https://filareto.info/blog/item/er-roteluch/ |wayback=20180621194321 |text=Santiago Tovar: Das Rote Luch und La Kaverno di Zaratustra |archiv-bot=2019-08-24 22:59:24 InternetArchiveBot }}. Vom 12. Januar 2011. Abgerufen am 21. Juni 2018. Nähere Beschreibung über das „Rote Luch“ in: Ulrich Linse, ''Die anarchistische und anarcho-syndikalistische Jugendbewegung 1919–1933''. Beitrag von Bruno Zimmermann. Abgerufen am 9. April 2010</ref>. Streiter sah sich zu dieser Zeit als Anarchist und [[Anarchosyndikalismus|Anarchosyndikalist]]. Seine Teilnahme bei den einzelnen [[Kommune (Lebensgemeinschaft)|Kommunen]] war beeinflusst von [[Gustav Landauer]], [[Leo Tolstoi]] und teilweise von [[Erich Mühsam]]. Als Autodidakt veröffentlichte Streiter seine zahlreichen Artikel in literarischen (Prosa), künstlerischen (Zeichnungen, Porträts) und publizistischen (Politik, Kultur) Beiträgen unter anderem in den Zeitschriften „[[Der Kunde]]“, [[Der Syndikalist]], „Contra“, „Der Vagabund“ und [[Besinnung und Aufbruch]]. Als Künstler malte er Porträts von [[Alfred Döblin]], [[Theodor Lessing]], Erich Mühsam, [[Ernst Toller]]. Zeitweise war er Mitglied der [[Freie Arbeiter-Union Deutschlands|Freien Arbeiter-Union Deutschlands]] (FAUD). In den 1920er Jahren galt sein Interesse der Bohème und den Vagabunden, über die er für den „Steinklopfer Verlag“ (früher: Werk-Tat Verlag) zusammen mit [[Paul Heinzelmann]] (Pseudonym: Heinz Elmann) und Rudolf Geist zahlreiche Texte und Gedichte schrieb. In der Zeit der [[Weimarer Republik]] hielt er enge Kontakte zur [[Bruderschaft der Vagabunden]] und arbeitete für die von [[Gregor Gog]] herausgegebenen Zeitschriften ''Der Kunde'' und ''Der Vagabund''. Neben seinem Interesse am Vagabundentum<ref>Vgl. hierzu: A. Streiter, ''Der Vagabund, Versuch einer Psychologie seines Seins''. In: W. Fähnders, H. Zimpel, ''Die Epoche der Vagabunden''. Seite 175</ref> vertrat er die anarchistische These: „Ich sage nicht: so wenig Staat wie möglich, sondern betone: gar keinen Staat“<ref>Vgl. hierzu: „Der Syndikalist“, Nr. 8, 1926. Beilage: „Der Frauenbund“, Seite 4</ref>. Die Arbeiter sah er als Sklaven, Streik war für ihn ein legitimes Mittel für die politische Revolution, die Institution der Kirche war seiner Meinung nach eng verbunden mit der Staatlichen Machtausübung. 1930 beendete er aus noch unbekannten Gründen seine zahlreichen Veröffentlichungen in „Der Syndikalist“. Möglicherweise weil einer der Redakteure, [[Helmut Rüdiger]], nicht alle seine eingesandten Manuskripte veröffentlichte, auch mit der FAUD kam es zu Unstimmigkeiten.
Streiter wuchs zusammen mit einem [[Pflegekind|Pflegebruder]] auf. Er absolvierte eine Handwerkerlehre und eine Ausbildung zum technischen Zeichner. Als Jugendlicher verließ er sein Elternhaus und und schloss sich mit 16 Jahren einer von [[Filareto Kavernido|Heinrich Goldberg]] gegründeten Kommune an. Nach deren Fortgang nach Frankreich und nachdem er 1925/26 mit einer Puppenspielertruppe einige Monate durch Deutschland gereist war, erwarb er das zuletzt von Goldberg genutzte Gelände im [[Rotes Luch|Roten Luch]]<ref>{{Webarchiv|url=https://filareto.info/blog/item/er-roteluch/ |wayback=20180621194321 |text=Santiago Tovar: Das Rote Luch und La Kaverno di Zaratustra |archiv-bot=2019-08-24 22:59:24 InternetArchiveBot }}. Vom 12. Januar 2011. Abgerufen am 21. Juni 2018. Nähere Beschreibung über das „Rote Luch“ in: Ulrich Linse, ''Die anarchistische und anarcho-syndikalistische Jugendbewegung 1919–1933''. Beitrag von Bruno Zimmermann. Abgerufen am 9. April 2010</ref> zwischen [[Rehfelde]] und [[Müncheberg]] und versuchte dort eine Lebenskulturgemeinschaft aufzubauen. Streiter sah sich zu dieser Zeit als [[Anarchismus|Anarchist]] und [[Anarchosyndikalismus|Anarchosyndikalist]], beeinflusst von [[Gustav Landauer]], [[Leo Tolstoi]] und teilweise von [[Erich Mühsam]]. Er vertrat die These: „Ich sage nicht: so wenig Staat wie möglich, sondern betone: gar keinen Staat“.<ref>Vgl. hierzu: „Der Syndikalist“, Nr. 8, 1926. Beilage: „Der Frauenbund“, Seite 4</ref> Arbeiter waren in seinen Augen Sklaven, Streik ein legitimes Mittel für die politische Revolution, die Institution Kirche eng verbunden mit staatlicher Machtausübung.


In den 1920er Jahren galt sein Interesse u.a. der [[Bohème]] und dem [[Vagabundentum]].<ref>Vgl. hierzu: A. Streiter, ''Der Vagabund, Versuch einer Psychologie seines Seins''. In: W. Fähnders, H. Zimpel, ''Die Epoche der Vagabunden''. Seite 175</ref> Er gehörte zum Kreis der [[Bruderschaft der Vagabunden]] um [[Gregor Gog]].
Streiter korrespondierte mit [[Hermann Hesse]], [[Thomas Mann]], [[Stefan Zweig]], [[Else Lasker-Schüler]] und anderen mehr.


Als Autodidakt veröffentlichte er in dieser Zeit zahlreiche Sachartikel, sozialkritische Prosatexte, Lyrik, künstlerische Beiträge und Buchrezensionen in diversen Zeitungen und Zeitschriften wie [[Besinnung und Aufbruch]], „Contra“, [[Der Kunde]], „Der Vagabund“, als Mitglied der anarcho-syndikalistischen Gewerkschaft [[Freie Arbeiter-Union Deutschlands|Freien Arbeiter-Union Deutschlands]] auch in deren Organ [[Der Syndikalist]].
1936 wurde er nach einer Denunziation von der [[Gestapo]] verhaftet.


Artur Streiter führte er eine umfangreiche Korrespondenz, u.a. mit [[Martin Buber]], [[Hermann Hesse]], [[Else Lasker-Schüler]], [[Thomas Mann]], [[Stefan Zweig]].
Artur Streiter war verheiratet und Vater von 2 Kindern. Er starb im Alter von 41 Jahren an Lungentuberkulose, die er sich nach Angaben seiner Tochter während der Haft bei der Gestapo zugezogen hatte.

1930 wurde ihm der Pachtvertrag im Roten Luch gekündigt. Daraufhin war er Mitinitiator der benachbarten Landkommune Grünhorst, der er neben Gertrud Gräser, der Tochter von [[Gusto Gräser]], dem Maler und Schriftsteller [[Max Schulze-Sölde]] und anderen noch kurzzeitig angehörte. Die Siedlung wurde zu einem Treffpunkt der Biosophischen Bewegung um [[Ernst Fuhrmann]] und undogmatischer Sozialisten um die Zeitschrift von [[Franz Jung|Franz Jungs]] 'Der Gegner'.
Von 1931 bis 1939 lebte Streiter wieder in Berlin.<ref>{{Litport|1983|hist}}, abgerufen am 9. April 2010</ref> 1936 wurde er nach einer Denunziation einige Wochen im [[KZ Columbia|Konzentrationslager Columbia]] am [[Tempelhofer Feld]] inhaftiert. 1939 ließ er sich in Schönow nieder.

Artur Streiter war verheiratet und Vater von zwei Kindern. Er starb im Alter von 41 Jahren an Lungentuberkulose, die er sich während der Haft zugezogen hatte.

== Werk ==
Das umfangreiche lyrische Schaffen blieb größtenteils unveröffentlicht, ein Roman über [[Vincent van Gogh]] unvollendet. Auch Streiters Begabung als Kunstmaler fand keine nachhaltige Beachtung. Er hinterließ eindrucksvolle Zeichnungen in verschiedenen Techniken, so auch Porträts von [[Alfred Döblin]], [[Theodor Lessing]], Erich Mühsam, [[Rudolf Rocker]], [[Ernst Toller]] und anderen bekannten Zeitgenossen. Dutzende Gemälde, die er auch auf Ausstellungen zeigen konnte, gelten als verschollen.

Sein Nachlass befindet sich im [[Fritz-Hüser-Institut]] in Dortmund.


== Literatur ==
== Literatur ==
* Walter Fähnders (Hrsg.): ''Nomadische Existenzen, Vagabondage und Boheme in Literatur und Kultur des 20. Jahrhunderts''. Tagungsband 11. Mai 2007. Reihe: Schriften des [[Fritz-Hüser-Institut]]s für deutsche und ausländische Arbeiterliteratur Bd. 16. [[Klartext Verlag]], Essen 2007. ISBN 978-3-8986-1814-4 (Zu Streiter und anderen siehe Walter Fähnders: Vagabondage und Vagabundenliteratur, Seite 33–54 sowie Artur Streiter-Bibliographie Seite 131–148)
* [[Ulrich Linse]]: ''Die anarchistische und anarcho-syndikalistische Jugendbewegung, zur Geschichte und Ideologie der anarchistischen, syndikalistischen und unionistischen Kinder- und Jugendorganisationen von 1919 - 1933''. Dipa, Frankfurt 1976. ISBN 3-7638-0218-5
* [[Ulrich Linse]]: ''Die anarchistische und anarcho-syndikalistische Jugendbewegung, zur Geschichte und Ideologie der anarchistischen, syndikalistischen und unionistischen Kinder- und Jugendorganisationen von 1919 - 1933''. Dipa, Frankfurt 1976. ISBN 3-7638-0218-5
* [[Hartmut Rübner]]: ''Freiheit und Brot. Die Freie Arbeiter-Union Deutschlands. Eine Studie zur Geschichte des Anarchosyndikalismus''. [[Libertad Verlag]], Potsdam 1994. ISBN 3-922226-21-3 (Zu A. Streiter: Seite 180, 213, 251, 294)
* Walter Fähnders & Henning Zimpel (Hrsg.): ''Die Epoche der Vagabunden. Texte und Bilder.'' Klartext, Essen 2009. ISBN 978-3-89861-655-3 (Von/zu Artur Streiter: Seite 27–29, 66, 119, 123, 136–137, 161, 165, 175–177, 273, 276, 278, 279, 280, 283, 286, 293–294, 305)
* Walter Fähnders (Hrsg.): ''Nomadische Existenzen, Vagabondage und Boheme in Literatur und Kultur des 20. Jahrhunderts''. Tagungsband 11. Mai 2007. Reihe: Schriften des [[Fritz-Hüser-Institut]]s für deutsche und ausländische Arbeiterliteratur Bd. 16. [[Klartext Verlag]], Essen 2007. ISBN 978-3-8986-1814-4 (Zu Streiter und anderen siehe Walter Fähnders: Vagabondage und Vagabundenliteratur, Seite 33–54 sowie Artur Streiter-Bibliographie Seite 131–148)
* Hartmut Rübner: ''Freiheit und Brot. Die Freie Arbeiter-Union Deutschlands. Eine Studie zur Geschichte des Anarchosyndikalismus''. [[Libertad Verlag]], Potsdam 1994. ISBN 3-922226-21-3 (Zu A. Streiter: Seite 180, 213, 251, 294)
* Walter Fähnders und Henning Zimpel (Hrsg.): ''Die Epoche der Vagabunden. Texte und Bilder.'' Klartext, Essen 2009. ISBN 978-3-89861-655-3 (Von/zu Artur Streiter: Seite 27–29, 66, 119, 123, 136–137, 161, 165, 175–177, 273, 276, 278, 279, 280, 283, 286, 293–294, 305)
* AG Ortsgeschichte Schönow (Hrsg.): ''Schönow im Wandel der Zeiten. Geschichte und Geschichten eines Barnimer Dorfes''. Schönow 2010 (zu Streiter: Seite 50-51)
* Otfried Schröck: Die Siedlung Grünhorst im Roten Luch. In: Märkisch-Oderland, Jahrbuch 2016, S. 36 ff.
* Hanneliese Palm und Christoph Steker (Hrsg.): Künstler, Kunden, Vagabunden. Texte, Bilder und Dokumente einer Alternativkultur der Zwanziger Jahre. Mit einem Beitrag von Walter Fähnders. C.W. Leske, Düsseldorf, 2020. ISBN 978-3-946595-08-3 (Von/zu Artur Streiter: Seite 122-180, 226-228)


== Selbstständige Veröffentlichungen ==
== Werke ==
* ''Der Kriegsverräter Heinz Elm-Mann. Zu den Versen eines Soldaten''. Werk–Tat–Presse, Berlin 1932
* ''Der Kriegsverräter [[Paul Heinzelmann|Heinz Elm-Mann]]. Zu den Versen eines Soldaten''. Werk–Tat Verlag, Berlin 1932
* ''Wanderungen im Lande des Chinesen Dschu ang dsi''. Steinklopfer, Berlin 1933
* ''Wanderungen im Lande des Chinesen Dschu ang dsi''. Steinklopfer Verlag, Berlin 1933


== Vorträge (Auswahl) ==
== Vorträge (Auswahl) ==
* ''Heimatlose Religionsgründer''. Am 15. Mai 1928 am Vagabundenabend im Jugendheim Berlin-Osten. Des Weiteren war er bei mindestens sechs weiteren Ausstellungen beteiligt.
* ''Heimatlose Religionsgründer''. Vagabundenabend im Jugendheim Berlin-Osten am 15. Mai 1928.

== Ausstellungen (Auswahl) ==
* Vagabunden-Kunstausstellung Stuttgart 1929, Kunsthaus Hirrlinger


== Weblinks ==
== Weblinks ==
* [https://www.literaturport.de/literaturlandschaft/autoren-berlinbrandenburg/autor/artur-streiter Artur Streiter] auf Literaturport.de
* {{Litport|1983|hist}}
* [http://www.dadaweb.de/wiki/Artur_Streiter Artur Streiter] von Henning Zimpel und Walter Fähnders im [[Lexikon der Anarchie]]
* [http://www.dadaweb.de/wiki/Artur_Streiter Artur Streiter] von Henning Zimpel und Walter Fähnders im [[Lexikon der Anarchie]]
* [https://www.dortmund.de/media/p/fritz_hueser_institut/fhi_pdf/Findbuch_Streiter_2007.pdf Findbuch Artur Streiter] im [[Fritz-Hüser-Institut]], Bearb. Walter Fähnders, 2007; mit Bio- und Bibliografie
* [https://www.dortmund.de/media/p/fritz_hueser_institut/fhi_pdf/Findbuch_Streiter_2007.pdf Findbuch Artur Streiter] im [[Fritz-Hüser-Institut]], Bearb. Walter Fähnders, 2007; mit Bio- und Bibliografie
* Im [https://search.socialhistory.org/Record/ARCH01001/ArchiveContentList IISG] Bestand Nettlau, ein Brief von 1931, Microfilm ([[Max Nettlau]] Papers No. 1163)
* Im [https://search.socialhistory.org/Record/ARCH01001/ArchiveContentList IISG] Bestand Nettlau, zwei Postkarten von 1931 ([[Max Nettlau]] Papers No. 1163)
* {{WestfAutoren}}


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==

Version vom 21. Oktober 2021, 18:43 Uhr

Artur Streiter Selbstporträt (1929)

Artur Streiter (geboren 17. Januar 1905 in Lichtenberg bei Berlin; gestorben 21. Oktober 1946 in Schönow) war ein deutscher Schriftsteller und Maler.

Leben

Streiter wuchs zusammen mit einem Pflegebruder auf. Er absolvierte eine Handwerkerlehre und eine Ausbildung zum technischen Zeichner. Als Jugendlicher verließ er sein Elternhaus und und schloss sich mit 16 Jahren einer von Heinrich Goldberg gegründeten Kommune an. Nach deren Fortgang nach Frankreich und nachdem er 1925/26 mit einer Puppenspielertruppe einige Monate durch Deutschland gereist war, erwarb er das zuletzt von Goldberg genutzte Gelände im Roten Luch[1] zwischen Rehfelde und Müncheberg und versuchte dort eine Lebenskulturgemeinschaft aufzubauen. Streiter sah sich zu dieser Zeit als Anarchist und Anarchosyndikalist, beeinflusst von Gustav Landauer, Leo Tolstoi und teilweise von Erich Mühsam. Er vertrat die These: „Ich sage nicht: so wenig Staat wie möglich, sondern betone: gar keinen Staat“.[2] Arbeiter waren in seinen Augen Sklaven, Streik ein legitimes Mittel für die politische Revolution, die Institution Kirche eng verbunden mit staatlicher Machtausübung.

In den 1920er Jahren galt sein Interesse u.a. der Bohème und dem Vagabundentum.[3] Er gehörte zum Kreis der Bruderschaft der Vagabunden um Gregor Gog.

Als Autodidakt veröffentlichte er in dieser Zeit zahlreiche Sachartikel, sozialkritische Prosatexte, Lyrik, künstlerische Beiträge und Buchrezensionen in diversen Zeitungen und Zeitschriften wie Besinnung und Aufbruch, „Contra“, Der Kunde, „Der Vagabund“, als Mitglied der anarcho-syndikalistischen Gewerkschaft Freien Arbeiter-Union Deutschlands auch in deren Organ Der Syndikalist.

Artur Streiter führte er eine umfangreiche Korrespondenz, u.a. mit Martin Buber, Hermann Hesse, Else Lasker-Schüler, Thomas Mann, Stefan Zweig.

1930 wurde ihm der Pachtvertrag im Roten Luch gekündigt. Daraufhin war er Mitinitiator der benachbarten Landkommune Grünhorst, der er neben Gertrud Gräser, der Tochter von Gusto Gräser, dem Maler und Schriftsteller Max Schulze-Sölde und anderen noch kurzzeitig angehörte. Die Siedlung wurde zu einem Treffpunkt der Biosophischen Bewegung um Ernst Fuhrmann und undogmatischer Sozialisten um die Zeitschrift von Franz Jungs 'Der Gegner'.

Von 1931 bis 1939 lebte Streiter wieder in Berlin.[4] 1936 wurde er nach einer Denunziation einige Wochen im Konzentrationslager Columbia am Tempelhofer Feld inhaftiert. 1939 ließ er sich in Schönow nieder.

Artur Streiter war verheiratet und Vater von zwei Kindern. Er starb im Alter von 41 Jahren an Lungentuberkulose, die er sich während der Haft zugezogen hatte.

Werk

Das umfangreiche lyrische Schaffen blieb größtenteils unveröffentlicht, ein Roman über Vincent van Gogh unvollendet. Auch Streiters Begabung als Kunstmaler fand keine nachhaltige Beachtung. Er hinterließ eindrucksvolle Zeichnungen in verschiedenen Techniken, so auch Porträts von Alfred Döblin, Theodor Lessing, Erich Mühsam, Rudolf Rocker, Ernst Toller und anderen bekannten Zeitgenossen. Dutzende Gemälde, die er auch auf Ausstellungen zeigen konnte, gelten als verschollen.

Sein Nachlass befindet sich im Fritz-Hüser-Institut in Dortmund.

Literatur

  • Ulrich Linse: Die anarchistische und anarcho-syndikalistische Jugendbewegung, zur Geschichte und Ideologie der anarchistischen, syndikalistischen und unionistischen Kinder- und Jugendorganisationen von 1919 - 1933. Dipa, Frankfurt 1976. ISBN 3-7638-0218-5
  • Hartmut Rübner: Freiheit und Brot. Die Freie Arbeiter-Union Deutschlands. Eine Studie zur Geschichte des Anarchosyndikalismus. Libertad Verlag, Potsdam 1994. ISBN 3-922226-21-3 (Zu A. Streiter: Seite 180, 213, 251, 294)
  • Walter Fähnders (Hrsg.): Nomadische Existenzen, Vagabondage und Boheme in Literatur und Kultur des 20. Jahrhunderts. Tagungsband 11. Mai 2007. Reihe: Schriften des Fritz-Hüser-Instituts für deutsche und ausländische Arbeiterliteratur Bd. 16. Klartext Verlag, Essen 2007. ISBN 978-3-8986-1814-4 (Zu Streiter und anderen siehe Walter Fähnders: Vagabondage und Vagabundenliteratur, Seite 33–54 sowie Artur Streiter-Bibliographie Seite 131–148)
  • Walter Fähnders und Henning Zimpel (Hrsg.): Die Epoche der Vagabunden. Texte und Bilder. Klartext, Essen 2009. ISBN 978-3-89861-655-3 (Von/zu Artur Streiter: Seite 27–29, 66, 119, 123, 136–137, 161, 165, 175–177, 273, 276, 278, 279, 280, 283, 286, 293–294, 305)
  • AG Ortsgeschichte Schönow (Hrsg.): Schönow im Wandel der Zeiten. Geschichte und Geschichten eines Barnimer Dorfes. Schönow 2010 (zu Streiter: Seite 50-51)
  • Otfried Schröck: Die Siedlung Grünhorst im Roten Luch. In: Märkisch-Oderland, Jahrbuch 2016, S. 36 ff.
  • Hanneliese Palm und Christoph Steker (Hrsg.): Künstler, Kunden, Vagabunden. Texte, Bilder und Dokumente einer Alternativkultur der Zwanziger Jahre. Mit einem Beitrag von Walter Fähnders. C.W. Leske, Düsseldorf, 2020. ISBN 978-3-946595-08-3 (Von/zu Artur Streiter: Seite 122-180, 226-228)

Selbstständige Veröffentlichungen

  • Der Kriegsverräter Heinz Elm-Mann. Zu den Versen eines Soldaten. Werk–Tat Verlag, Berlin 1932
  • Wanderungen im Lande des Chinesen Dschu ang dsi. Steinklopfer Verlag, Berlin 1933

Vorträge (Auswahl)

  • Heimatlose Religionsgründer. Vagabundenabend im Jugendheim Berlin-Osten am 15. Mai 1928.

Ausstellungen (Auswahl)

  • Vagabunden-Kunstausstellung Stuttgart 1929, Kunsthaus Hirrlinger

Einzelnachweise

  1. Santiago Tovar: Das Rote Luch und La Kaverno di Zaratustra (Memento des Originals vom 21. Juni 2018 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/filareto.info. Vom 12. Januar 2011. Abgerufen am 21. Juni 2018. Nähere Beschreibung über das „Rote Luch“ in: Ulrich Linse, Die anarchistische und anarcho-syndikalistische Jugendbewegung 1919–1933. Beitrag von Bruno Zimmermann. Abgerufen am 9. April 2010
  2. Vgl. hierzu: „Der Syndikalist“, Nr. 8, 1926. Beilage: „Der Frauenbund“, Seite 4
  3. Vgl. hierzu: A. Streiter, Der Vagabund, Versuch einer Psychologie seines Seins. In: W. Fähnders, H. Zimpel, Die Epoche der Vagabunden. Seite 175
  4. Kurzbiographie und Angaben zum Werk von Artur Streiter bei Literaturport, abgerufen am 9. April 2010