„Ökologismus“ – Versionsunterschied

[gesichtete Version][gesichtete Version]
Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
Polentario (Diskussion | Beiträge)
(32 dazwischenliegende Versionen von 6 Benutzern werden nicht angezeigt)
Zeile 1:Zeile 1:
Der Begriff '''Ökologismus''' bezeichnet als abwertend gemeinte Fremdbezeichnung eine [[politische Ideologie]]<ref>http://www.politik.uni-mainz.de/kai.arzheimer/Ideologie-Ideologien-Politische-Soziologie.pdf</ref><ref>Klaus von Beyme: ''Politische Theorien im Zeitalter der Ideologien'' S.33</ref>, deren Anhänger die [[Ökologie|Umwelt]] gegenüber menschlichen Belangen angeblich zentral setzen und weit reichende Umwälzungen zu einer ökologisch [[Nachhaltigkeit|nachhaltigen]] Gesellschaft anstreben. Der aus dem englischen Sprachraum stammende Begriff hat bei der Übernahme ins Deutsche einen Bedeutungswandel erfahren, bezeichnete er doch ursprünglich ein auf umweltethischer Orientierung basierendes Umweltschutzengagement.
Der Begriff '''Ökologismus''' bezeichnet als abwertend gemeinte Fremdbezeichnung eine [[politische Ideologie]]<ref>Klaus von Beyme: ''Politische Theorien im Zeitalter der Ideologien'' S.33</ref>. Anhänger des Ökologismus setzten demnach vorrangig die Belange der [[Ökologie|Umwelt]] und einer normativen [[Politische Ökologie|Politischen Ökologie]] über anderen menschlichen Belangen.

Im englischen Sprachraum wird der Begriff auch im Sinne von Ökoaktivismus, im Sinne eines bloßen [[Umweltschutz]] (''environmentalism'') deutlich übersteigenden Engagements gebraucht.

{{Neutralität|Neutralität und Theoriefindung}}
== Autoritative Tendenzen beim Ökologismus ==

[[George Monbiot]] beschrieb den Ökologismus wie folgt "It is a campaign not for abundance but for austerity. It is a campaign not for more freedom but less. Strangest of all, it is a campaign not just against other people, but also against ourselves." (Es handelt sich um eine Kampagne nicht für Überfluss, sondern für Kargheit. Es geht nicht um mehr Freiheit, sondern weniger. Das Eigentümlichste - es geht nicht um eine Kampagne gegen andere Leute, sondern insbesondere gegen uns selbst)<ref name ="Last Hours">[[George Monbiot]], Heat, 2007, zitiert bei ''Modern Ecologism and its Prospects''
August 26th, 2008, abgerufen bei dem Punk Fanzine ''Last Hours'' am 24.8.2008 [http://www.lasthours.org.uk/archive/articles/two-three-many-apocalypses-modern-ecologism-and-its-prospects/]</ref>. Nicht nur an Monbiot Ökologismus, der im [[Guardian]] die die Luftfahrt aufgrund ihrer CO2 Produktion als "[[Killing Fields]]" bezeichnete, gegenüber dem frühere [[Völkermord]]e wie Nebenspielschauplätze ausschauten<ref name ="Monbiot">Global warming means that flying across the Atlantic is now as unacceptable as child abuse By George Monbiot. Published in the Guardian 29th July 1999.</ref> und Flüge über den Atlantik für so moralisch unhaltbar hält wie [[Kindesmißbrauch]] <ref name ="Monbiot"/> werden autoritäre Tendenzen konstatiert
<ref>[http://www.spiked-online.com/index.php?/site/article/1628/] Brendan O’Neill "Cheap flights should be a cause of national rejoicing" (Billigflüge sollten Grund für landesweiten Jubel sein)</ref>. An manchen Ökologisten wird deshalb auch ihre Bereitschaft kritisiert, für ihr Ideal einer ökologisch [[Nachhaltigkeit|nachhaltigen]] Gesellschaft auch weit reichende Umwälzungen und undemokratische Maßnahmen in Kauf zu nehmen.

So hatte sich auch 1995 der Biochemiker und Kandidat von Bündnis90/Die Grünen für das Bundespräsidentenamt, [[Jens Reich]] in einem Spiegel-Interview für die Einrichtung eines sogenannten Ökologischen Rates ausgesprochen: "Ich bin vehement dafür, daß man ein Instrument schafft, das so laut befehlen kann, daß die Politik endlich aufwacht. ... Wir brauchen neben dem Deutschen Bundestag einen Ökologischen Rat .... Dieser Rat müßte Gesetzesinitiativen im Bundestag starten und der Regierung Beschlußinitiativen vorlegen dürfen, er müßte ein Vetorecht besitzen und auch in der Lage sein, Gebote und Verbote auszusprechen." Dieser Rat soll nach Reichs Ansicht zwar ebenfalls von der Bevölkerung gewählt werden, allerdings nur alle zehn bis fünfzehn Jahre<ref>Obwohl sich Reich damit noch im demokratisch-parlamentarischen Rahmen bewegt, antwortet er auf den Einwurf des Interviewers "Ihr Motto lautet offenbar ,Mehr Diktatur wagen?`" mit einem offensiven "Ja. Es gibt Dinge, die muß man mit einem Klaps auf den Hinterkopf durchsetzen."</ref>


== Ideologie, Ökologismus und Umweltschutz ==
== Ideologie, Ökologismus und Umweltschutz ==
Zeile 7:Zeile 18:
Ökologismus erachtet nach Dobson weit reichende Umwälzungen im Verhältnis des Menschen zur Natur für notwendig und sieht die gegenwärtige soziale und politische Ordnung als in sich nicht fähig zur Nachhaltigkeit. Ein Teil dieser Überzeugung wird in den Positionen der [[Tiefenökologie]] widergespiegelt. Dem gegenüber setzt [[Umweltschutz]] darauf, durch Anwendung effizienterer oder sauberer Technologien zu einer nachhaltigen Wirtschaft gelangen zu können. Der Definition nach ist [[Umweltschutz]] die Gesamtheit der Maßnahmen, die zum Schutz der Umwelt getroffen werden. In der Gegenüberstellung von "Ökologismus" und "Umweltschutz als Ideologie" (engl. "environmentalism") können beide Positionen der Tendenz nach definitorisch getrennt werden, wenn diese Trennung auch nicht in allen Fällen eindeutig ist. Eine ''hellgrüne'' Ideologie des Umweltschutzes behauptet als im Gegensatz zum ''dunkel-'' oder ''tiefgrünem'' Ökologismus, dass grundsätzlich [[systemkonform]]e Maßnahmen (etwa [[marktkonform]] durch "[[Internalisierung]] der Kosten des Umweltverbrauchs", z.B. duch eine C02-Steuer) zur Erreichung einer nachhaltigen Entwicklung möglich und ausreichend sind.
Ökologismus erachtet nach Dobson weit reichende Umwälzungen im Verhältnis des Menschen zur Natur für notwendig und sieht die gegenwärtige soziale und politische Ordnung als in sich nicht fähig zur Nachhaltigkeit. Ein Teil dieser Überzeugung wird in den Positionen der [[Tiefenökologie]] widergespiegelt. Dem gegenüber setzt [[Umweltschutz]] darauf, durch Anwendung effizienterer oder sauberer Technologien zu einer nachhaltigen Wirtschaft gelangen zu können. Der Definition nach ist [[Umweltschutz]] die Gesamtheit der Maßnahmen, die zum Schutz der Umwelt getroffen werden. In der Gegenüberstellung von "Ökologismus" und "Umweltschutz als Ideologie" (engl. "environmentalism") können beide Positionen der Tendenz nach definitorisch getrennt werden, wenn diese Trennung auch nicht in allen Fällen eindeutig ist. Eine ''hellgrüne'' Ideologie des Umweltschutzes behauptet als im Gegensatz zum ''dunkel-'' oder ''tiefgrünem'' Ökologismus, dass grundsätzlich [[systemkonform]]e Maßnahmen (etwa [[marktkonform]] durch "[[Internalisierung]] der Kosten des Umweltverbrauchs", z.B. duch eine C02-Steuer) zur Erreichung einer nachhaltigen Entwicklung möglich und ausreichend sind.


== Ökologismus als Umwelt- und Verantwortungsethik ==
== Anthropozentrismus, Umweltethik und Emanzipation ==


[[Eugen Drewermann]] sieht in der christlich jüdischen Schöpfungsüberlieferung bereits einen
Ökologismus sieht einen starken [[Anthropozentrismus]] als Ursache globaler Umweltzerstörung, der sich in menschlicher [[Herrschaft]] über die Natur niederschlägt. Während manche Ökologisten deshalb anthropozentrisches Denken prinzipiell kritisieren, betonen andere dass jedes Denken notwendigerweise anthropozentrisch sein muss und differenzieren folglich zwischen unterschiedlichen Ausprägungen solchen Denkens. Kritisiert wird in jedem Fall, dass in der [[Moderne]] der Mensch zunehmend als atomistisches Wesen wahrgenommen wurde, das losgelöst von ökologischen und teilweise sogar sozialen Zusammenhängen existiere. Dieses Bild, gemeinsam mit der besonderen Betonung der [[Rationalität]] unter anderem in der Wissenschaft, habe zu einer Geringschätzung der Natur und zu menschlicher Herrschaft über sie geführt. Die Folge sei, dass Natur fortan nur noch als instrumentell zur Erfüllung menschlicher Bedürfnisse wahrgenommen wurde, nicht jedoch als Wert an sich.
[[Anthropozentrismus]] der zwangsläufig zu Umweltzerstörung und Gewalt führe<ref>Drewermann, E. (1981): Der tödliche Fortschritt - von der Zerstörung der Erde und des Menschen im Erbe des Christentums. Regensburg: F.Pustel, 187 S.</ref>. Ähnlich kritisieren manche Ökologisten [[Anthropozentrismus]] prinzipiell. Hingegen betonen andere dass jedes Denken notwendigerweise vom Menschen ausgehe, anthropozentrisch sein muss und differenzieren folglich zwischen unterschiedlichen Ausprägungen solchen Denkens. Kritisiert wird in jedem Fall, dass in der [[Moderne]] der Mensch zunehmend als atomistisches Wesen wahrgenommen wurde, das losgelöst von ökologischen und teilweise sogar sozialen Zusammenhängen existiere. Dieses Bild, gemeinsam mit der besonderen Betonung der [[Rationalität]] unter anderem in der Wissenschaft, habe zu einer Geringschätzung der Natur und zu menschlicher Herrschaft über sie geführt. Die Folge sei, dass Natur fortan nur noch als instrumentell zur Erfüllung menschlicher Bedürfnisse wahrgenommen wurde, nicht jedoch als Wert an sich.


In Teilen des ökologistischen Diskurses wurde zur Überwindung des starken Anthropozentrismus' eine eigene [[Umweltethik]] entwickelt. Um die Umweltkrise zu überwinden, bedürfe es eines neuen Wertesystems und eines neuen Verständnisses von der Eingebundenheit des Menschen in die Ökologie. Dieser Ansatz setzt darauf, dass eine Veränderung gesellschaftlicher Grundwerte mit verändertem Verhalten einhergehe. Der Philosoph [[Hans Jonas]] prägte in diesem Zusammenhang den Begriff des [[Ökologischer Imperativ|ökologischen Imperativs]] (in Anlehnung an [[Immanuel Kant]]s [[Kategorischer Imperativ|kategorischen Imperativ]]), dessen Wortlaut heißt:
In Teilen des ökologistischen Diskurses wurde zur Überwindung des starken Anthropozentrismus' eine eigene [[Umweltethik]] entwickelt. Um die Umweltkrise zu überwinden, bedürfe es eines neuen Wertesystems und eines neuen Verständnisses von der Eingebundenheit des Menschen in die Ökologie. Dieser Ansatz setzt darauf, dass eine Veränderung gesellschaftlicher Grundwerte mit verändertem Verhalten einhergehe.
Der Philosoph [[Hans Jonas]], der sich intensiv mit der christlichen [[Gnosis]] und deren Endzeitglauben beschäftigt hatte, prägte in diesem Zusammenhang Anfang der 80er Jahre den Begriff des [[Ökologischer Imperativ|ökologischen Imperativs]] (in Anlehnung an [[Immanuel Kant]]s [[Kategorischer Imperativ|kategorischen Imperativ]]), dessen Wortlaut heißt:


:''„Handle so, daß<!--sic!--> die Wirkungen deiner Handlungen verträglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden.“''<ref>Hans Jonas: ''[[Das Prinzip Verantwortung]] - Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation.'' Suhrkamp Verlag 1984, ISBN 3-518-375857</ref>
:''„Handle so, daß<!--sic!--> die Wirkungen deiner Handlungen verträglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden.“''<ref>Hans Jonas: ''[[Das Prinzip Verantwortung]] - Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation.'' Suhrkamp Verlag 1984, ISBN 3-518-375857</ref>


Die Zivilisation, so die Botschaft Jonas, steuert auf ihre Selbstvernichtung zu. Alle seien aufgerufen, Verantwortung zu übernehmen und sich der drohenden Zerstörung entgegenzustellen. Auch nachdem sich einige der Unheilsgewissheiten der achtziger Jahre wie [[Waldsterben]], [[Ozonloch]] und [[Atomkrieg]] nicht bewahrheitet hatten, wandelte sich auch das Verständnis des Verantwortungsbegriffs.
[[Jonathon Porritt]] greift diesen Imperativ in seiner Argumentation auf und schreibt, dass er die Abhängigkeit allen menschlichen Lebens von den Ökosystemen der Erde verdeutliche und klar mache, dass das Überleben der Menschheit des Überlebens der Ökosphäre bedürfe.<ref>Jonathon Porritt: ''Seeing Green''. Blackwell Publishers, 1984, ISBN 978-0631138921</ref> [[Murray Bookchin]] vertrat seit den 1970er Jahren das Konzept der "Sozialen Ökologie" (s. [[Öko-Anarchismus]], nicht zu verwechseln mit anderen Begriffen von [[Sozialökologie]]). Dieses war einem [[Biozentrismus]] manch anderer Ökologisten entgegen gestellt war und die Ursache für Umweltzerstörung nicht in der Existenz von Menschen an sich, sondern in bestimmten sozialen und ökonomischen Strukturen sah. Unter diesen hielt er den [[Kapitalismus]] für eine der bedeutendsten. Außerdem trug Bookchin mit seinen Schriften zur Entwicklung des [[Öko-Anarchismus]] bei.


[[Ludger Heidbrink]] <ref>''Kritik der Verantwortung'' von Ludger Heidbrink, Verlag Velbrück; Dezember 2003 ISBN-10: 3934730698 </ref> hält die Rede vom Prinzip Verantwortung für ein Symptom "normativer Ratlosigkeit" hochkomplexer Gesellschaften. Verantwortung müsse sich ihrer Bedingungen und Grenzen bewußt sein. Statt einer religiös aufgeladenen Rhetorik vom nahen Ende, wie bei Jonas, müssen die Zuschreibung von Verantwortung gesellschaftlichen Regeln folgt, die Risiken verantwortbar, das heisst einschätzbar und versicherbar machen müüse<ref>[http://www.dradio.de/dlf/sendungen/wib/696173/] Interview mit Ludger Heidbrink in "Gesellschaft mit beschränkter Haftung" Warum der Mensch den Klimawandel nicht aufhalten wird. Von Martin Hubert, Deutschlandradio WISSENSCHAFT IM BRENNPUNKT 09.12.2007</ref>.
Schließlich weist der Ökologismus Parallelen zum [[Ökofeminismus]] auf, sichtbar beispielsweise in den Schriften von [[Maria Mies]].<ref>Maria Mies und Vandana Shiva: ''Ökofeminismus. Beiträge zur Praxis und Theorie''. Rotpunktverlag, 1995, ISBN 978-3858691224</ref> [[Matthew Paterson]] verknüpft viele dieser Stränge und stellt vier Machtstrukturen vor, die er als Ursache für immer wiederkehrende globale Umweltzerstörung ansieht. Hierzu zählt er das Staatensystem, den Kapitalismus, das [[Patriarchat]] und die Wissenschaft. Eine ökologisch nachhaltige Gesellschaft kann diesem Ansatz folgend nur dann verwirklicht werden, wenn in [[Emanzipation|emanzipatorischer]] Weise diese Machtstrukturen überwunden oder so umgestaltet werden, dass sie nicht länger gegen Menschen und Umwelt gerichtet funktionieren können.<ref>Matthew Paterson: ''Understanding Global Environmental Politics. Domination, Accumulation, Resistance''. Palgrave MacMillan, 2002, ISBN 978-0333968550</ref>

In dem Sinne reihen sich ehemals allesumfassende ökologistische Ansätze unter die alltäglich notwendige Konflikt- und Zielabwägungen in Verwaltung und Politik ein.


== Ökologismus als Kritik an gesellschaftlichen Machtstrukturen ==

In den Schriften von [[Maria Mies]]<ref>Maria Mies und Vandana Shiva: ''Ökofeminismus. Beiträge zur Praxis und Theorie''. Rotpunktverlag, 1995, ISBN 978-3858691224</ref> wird ein radikaler [[Ökofeminismus]] gefordert.

[[Matthew Paterson]] verknüpft viele dieser Stränge und stellt vier Machtstrukturen vor, die er als Ursache für immer wiederkehrende globale Umweltzerstörung ansieht. Hierzu zählt er das Staatensystem, den Kapitalismus, das [[Patriarchat]] und die Wissenschaft. Eine ökologisch nachhaltige Gesellschaft kann diesem Ansatz folgend nur dann verwirklicht werden, wenn in [[Emanzipation|emanzipatorischer]] Weise diese Machtstrukturen überwunden oder so umgestaltet werden, dass sie nicht länger gegen Menschen und Umwelt gerichtet funktionieren können.<ref>Matthew Paterson: ''Understanding Global Environmental Politics. Domination, Accumulation, Resistance''. Palgrave MacMillan, 2002, ISBN 978-0333968550</ref>

Camille Paglia hält dagegen mit "It is nature, not society, that is our greatest oppressor." (Die Natur, nicht die Gesellschaft ist unser größter Unterdrücker" <ref>Sex, Art, and American Culture, Essays. Von Camille Paglia. Verlag Vintage Books; September 1992, ISBN-10: 0679741011</ref>. Paglia spricht sich demgegenüber für einen anderen Naturbegriff aus. Es sei ebenso grundsätzlich falsch, den Menschen (und aufgrund [[Romantik|romatischer]] Ideale Natur) im Rückgriff auf [[Jean-Jacques Rousseau]] bzw [[William Wordsworth]] für grundsätzlich gut zu halten und dämonische Aspekte beider - wie etwa von [[Samuel Taylor Coleridge]] beschrieben - zu verheimlichen. Dies ignoriere, wie sehr der Mensch der Natur ausgeliefert sei, einer wörtlich [[chthonisch]]en Realität. Die Realität der Natur drücke sich einer "unmenschlichen Grausamkeit der Biologie und Geologie" "<ref name= "CP Masken 17"/>und "Darwinscher Verschwendung und Blutrünstigkeit"<ref name= "CP Masken 17"> in Camille Paglia. Die Masken der Sexualität. Seite 17. Aus dem Amerikanischen von Margit Bergner, Ulrich Enderwitz und Monika Noll. Berlin: Byblos Verlag. ISBN 3-929029-06-5</ref> aus, denen die menschliche ([[apollinisch]]e) Kultur entgegenstünde und entgegenwirken müsse.

== Wirtschaftliche Ansätze beim Ökologismus ==

Nach [[Jonathon Porritt]] mache die Abhängigkeit allen menschlichen Lebens von den Ökosystemen der Erde klar wie seh das Überleben der Menschheit des Überlebens der Ökosphäre bedürfe.<ref>Jonathon Porritt: ''Seeing Green''. Blackwell Publishers, 1984, ISBN 978-0631138921</ref> [[Murray Bookchin]] vertrat seit den 1970er Jahren das Konzept der "Sozialen Ökologie" (s. [[Öko-Anarchismus]], nicht zu verwechseln mit anderen Begriffen von [[Sozialökologie]]). Dieses war einem [[Biozentrismus]] manch anderer Ökologisten entgegen gestellt war und die Ursache für Umweltzerstörung nicht in der Existenz von Menschen an sich, sondern in bestimmten sozialen und ökonomischen Strukturen sah. Unter diesen hielt er den [[Kapitalismus]] für eine der bedeutendsten. Außerdem trug Bookchin mit seinen Schriften zur Entwicklung des [[Öko-Anarchismus]] bei.

Dem in die Ökosphäre eingebetteten System menschlicher Gesellschaften wiederum untergeordnet sei das Subsystem der Wirtschaft, eine Reihenfolge, aus der sich die Kritik des Ökologismus an der Inwertsetzung der Natur durch den Kapitalismus erkennen lässt.

Einer der prägendsten Denker des Ökologismus war [[Murray Bookchin]], der seit den 1970er Jahren das Konzept der "Sozialen Ökologie" vertrat (nicht zu verwechseln mit anderen Begriffen von [[Sozialökologie]]). Dieses war dem [[Biozentrismus]] manch anderer Ökologisten entgegen gestellt und sah die Ursache für Umweltzerstörung nicht in der Existenz von Menschen an sich, sondern in bestimmten sozialen und ökonomischen Strukturen. Unter diesen hielt er den [[Kapitalismus]] für eine der bedeutendsten. Bookchin trug mit seinen Schriften maßgeblich zur Entwicklung des [[Öko-Anarchismus]] bei.

Dennoch kann nicht grundsätzlich von einem strikten Gegensatz zwischen Ökologismus und Kapitalismus ausgegangen werden. Porritt beispielsweise betont die Möglichkeit, eine [[grüne Marktwirtschaft]] realisieren zu können, womit er sich wieder mehr der Vorstellungswelt des ''Umweltschutzes'' annähert.<ref>Jonathon Porritt: ''Capitalism: As if the World Matters''. Earthscan, 2. Auflage 2007, ISBN 978-1844071937</ref> Gleichzeitig ist im ökologistischen Denken eine Skepsis gegenüber der Rücksichtslosigkeit ehemals kommunistischer Staaten gegenüber der Umwelt präsent. Dies führte dazu, dass teilweise anstelle der scheinbar gegensätzlichen Systeme Kapitalismus/Kommunismus der mutmaßlich beide untermauernde [[Industrialismus]] als eigentliches Übel ausgemacht wurde.<ref name="Dobson 2007"/>

In Wirtschaftsunternehmen selbst erlauben Intrumente wie die [[Balanced Scorecard]] eine Einbeziehung und Quantifizierung auch ökologischer Ziele und übergeordneter Strategien in die Unternehmensplanung.


== Kritik am Ökologismus ==
== Kritik am Ökologismus ==


Kritik am Ökologismus richtet sich vor allem gegen seine als [[Romantizismus|romantizistisch]] oder [[Religion|religiös]] wahrgenommenen Elemente. [[Heinrich Eilingsfeld]] bezeichnet den Ökologismus als eine „mit romantischer Irrationalität aufgeladene Ideologie des Umweltschutzes, die mit neomarxistischen gesellschaftspolitischen Konzepten für den politischen Kampf präpariert wurde“.<ref name="Eilingsfeld 1989">Heinrich Eilingsfeld, ''Der sanfte Wahn - Ökologismus total'', Mannheim, 1989.</ref> Er führt dessen Entwicklung auf die Verbindung von [[Neomarxismus]] und [[Anthroposophie]] zurück.<ref name="Strawe 1986">Siehe zum Verhältnis von Anthroposophie und Marxismus: Christian Strawe, ''Anthroposophie und Marxismus'', Stuttgart, 1986</ref> Der Evolutionsbiologe und Ökologe [[Josef H. Reichholf]], der im Präsidium des Naturschutzverbandes [[WWF]] sitzt, hält die manchmal mit dem Ökologismus verbundene (aber von vielen Ökologisten nicht geteilte) Vorstellung von einem „Gleichgewicht der Natur“ für den grundlegenden Irrtum eines „religiösen Ökologismus“, da Ökosysteme immer im Fluss seien. Alles im Gleichgewicht befindliche sei leblos, tot.<ref>Josef H. Reichholf: ''Die falschen Propheten - Unsere Lust an Katastrophen.''</ref>
Kritik am Ökologismus richtet sich vor allem gegen seine als [[Romantik|romantizistisch]] oder [[Religion|quaisreligiös]] wahrgenommenen Elemente. [[Heinrich Eilingsfeld]] bezeichnet den Ökologismus als eine „mit romantischer Irrationalität aufgeladene Ideologie des Umweltschutzes, die mit neomarxistischen gesellschaftspolitischen Konzepten für den politischen Kampf präpariert wurde“.<ref name="Eilingsfeld 1989">Heinrich Eilingsfeld, ''Der sanfte Wahn - Ökologismus total'', Mannheim, 1989.</ref> Er führt dessen Entwicklung auf die Verbindung von [[Neomarxismus]] und [[Anthroposophie]] zurück.<ref name="Strawe 1986">Siehe zum Verhältnis von Anthroposophie und Marxismus: Christian Strawe, ''Anthroposophie und Marxismus'', Stuttgart, 1986</ref> Der Evolutionsbiologe und Ökologe [[Josef H. Reichholf]], der im Präsidium des Naturschutzverbandes [[WWF]] sitzt, hält die manchmal mit dem Ökologismus verbundene (aber von vielen Ökologisten nicht geteilte) Vorstellung von einem „Gleichgewicht der Natur“ für den grundlegenden Irrtum eines „religiösen Ökologismus“, da Ökosysteme immer im Fluss seien. Alles im Gleichgewicht befindliche sei leblos, tot.<ref>Josef H. Reichholf: ''Die falschen Propheten - Unsere Lust an Katastrophen.''</ref>


[[Matthias Horx]] vertrat 1998 die These, der Ökologismus werde zur „Zentralreligion der Jahrtausendwende“<ref>http://www.konservativ.de/buch/max_oeko.htm</ref><ref>http://www.sonntagsblatt.de/artikel/2000/3/3-s7.htm</ref>.
[[Matthias Horx]] vertrat 1998 die These, der Ökologismus werde zur „Zentralreligion der Jahrtausendwende“<ref>http://www.konservativ.de/buch/max_oeko.htm</ref><ref>http://www.sonntagsblatt.de/artikel/2000/3/3-s7.htm</ref>. [[Josef Joffe]]


Die Publizisten [[Dirk Maxeiner]] und [[Michael Miersch]] bezeichnen ökologisches Verhalten als ökologistisch, wenn [[Radikal]]ität oder Ideologie im Sinne eines Öko-[[Fundamentalismus]] im Vordergrund stünden sowie die Belange des Umwelt- und Tierschutzes generell Vorrang vor menschlichen Bedürfnissen und Interessen beanspruchen würden. Sie bezeichnen Ökologismus ebenfalls als Glauben, der es „in Deutschland beinahe schon zur neuen Staatsreligion gebracht“ habe<ref name="Maxeiner/Miersch 2005">Dirk Maxeiner, Michael Miersch: [http://www.maxeiner-miersch.de/oekologismus.htm ''Lasset uns Mülltrennen. Der Ökologismus als neue Religion der Wohlstands-Eliten''].</ref> und schreiben ihm eine konservative Orientierung zu, der sich prinzipiell gegen Wandel wende.<ref name="Meixner Miersch 2002"> D. Maxeiner, M. Miersch: ''Lexikon der Öko-Irrtümer. Fakten statt Umweltmythen.'' Piper Verlag, 2002.</ref>
Die Publizisten [[Dirk Maxeiner]] und [[Michael Miersch]] bezeichnen ökologisches Verhalten als ökologistisch, wenn [[Radikal]]ität oder Ideologie im Sinne eines Öko-[[Fundamentalismus]] im Vordergrund stünden sowie die Belange des Umwelt- und Tierschutzes generell Vorrang vor menschlichen Bedürfnissen und Interessen beanspruchen würden. Sie bezeichnen Ökologismus ebenfalls als Glauben, der es „in Deutschland beinahe schon zur neuen Staatsreligion gebracht“ habe<ref name="Maxeiner/Miersch 2005">Dirk Maxeiner, Michael Miersch: [http://www.maxeiner-miersch.de/oekologismus.htm ''Lasset uns Mülltrennen. Der Ökologismus als neue Religion der Wohlstands-Eliten''].</ref> und schreiben ihm eine konservative Orientierung zu, der sich prinzipiell gegen Wandel wende.<ref name="Meixner Miersch 2002"> D. Maxeiner, M. Miersch: ''Lexikon der Öko-Irrtümer. Fakten statt Umweltmythen.'' Piper Verlag, 2002.</ref>


[[Camille Paglia]] hält kulturelle Errungenschaft grundsätzlich nur in der Auseinandersetzung mit und gegen auch die menschliche Natur für möglich<ref>Kurz und bündig: "Jede Form der Sexualität beinhaltet Macht"</ref>. Machtstrukturen in der Gesellschaft seien kein Verbrechen, sondern die Kraft die Verbrechen im Zaum hielte<ref name= "CP Masken 13"/>. Wenn der auch (Öko-)[[Feminismus]] über das ursprünglich angestrebte Ziel der Gleichberechtigung hinausgehe, verleugne er die Kontingenz des Lebens und die Abhängigkeit des Menschen von der schicksalhaften Macht der Natur<ref name= "CP Masken 13" > in Camille Paglia. Die Masken der Sexualität. Seite 13. Aus dem Amerikanischen von Margit Bergner, Ulrich Enderwitz und Monika Noll. Berlin: Byblos Verlag. ISBN 3-929029-06-5</ref>.
== Literatur ==

== Literatur==


* Brian Baxter: ''Ecologism: An Introduction''. Edinburgh University Press, 2000, ISBN 978-0748611775
* Brian Baxter: ''Ecologism: An Introduction''. Edinburgh University Press, 2000, ISBN 978-0748611775
* Andrew Dobson: ''Green Political Thought''. Routledge, Vierte Ausgabe 2007, ISBN 978-0415403528
* Andrew Dobson: ''Green Political Thought''. Routledge, Vierte Ausgabe 2007, ISBN 978-0415403528
* Michael Kenny: ''Ecologism'', in: Robert Eccleshall et al.: ''Political Ideologies: An Introduction''. Routledge, Dritte Ausgabe 2003, S. 151-180. ISBN 978-0415236782
* Michael Kenny: ''Ecologism'', in: Robert Eccleshall et al.: ''Political Ideologies: An Introduction''. Routledge, Dritte Ausgabe 2003, S. 151-180. ISBN 978-0415236782
* Mark J. Smith: ''Ecologism: Towards Ecological Citizenship''. Open University Press, 1998, ISBN 978-0816633012
* Mark J. Smith: ''Ecologism: Towards Ecological Citizenship''. Open University Press, 1998, ISBN 978-0816633012



Version vom 28. August 2008, 14:23 Uhr

Der Begriff Ökologismus bezeichnet als abwertend gemeinte Fremdbezeichnung eine politische Ideologie[1]. Anhänger des Ökologismus setzten demnach vorrangig die Belange der Umwelt und einer normativen Politischen Ökologie über anderen menschlichen Belangen.

Im englischen Sprachraum wird der Begriff auch im Sinne von Ökoaktivismus, im Sinne eines bloßen Umweltschutz (environmentalism) deutlich übersteigenden Engagements gebraucht.

Autoritative Tendenzen beim Ökologismus

George Monbiot beschrieb den Ökologismus wie folgt "It is a campaign not for abundance but for austerity. It is a campaign not for more freedom but less. Strangest of all, it is a campaign not just against other people, but also against ourselves." (Es handelt sich um eine Kampagne nicht für Überfluss, sondern für Kargheit. Es geht nicht um mehr Freiheit, sondern weniger. Das Eigentümlichste - es geht nicht um eine Kampagne gegen andere Leute, sondern insbesondere gegen uns selbst)[2]. Nicht nur an Monbiot Ökologismus, der im Guardian die die Luftfahrt aufgrund ihrer CO2 Produktion als "Killing Fields" bezeichnete, gegenüber dem frühere Völkermorde wie Nebenspielschauplätze ausschauten[3] und Flüge über den Atlantik für so moralisch unhaltbar hält wie Kindesmißbrauch [3] werden autoritäre Tendenzen konstatiert [4]. An manchen Ökologisten wird deshalb auch ihre Bereitschaft kritisiert, für ihr Ideal einer ökologisch nachhaltigen Gesellschaft auch weit reichende Umwälzungen und undemokratische Maßnahmen in Kauf zu nehmen.

So hatte sich auch 1995 der Biochemiker und Kandidat von Bündnis90/Die Grünen für das Bundespräsidentenamt, Jens Reich in einem Spiegel-Interview für die Einrichtung eines sogenannten Ökologischen Rates ausgesprochen: "Ich bin vehement dafür, daß man ein Instrument schafft, das so laut befehlen kann, daß die Politik endlich aufwacht. ... Wir brauchen neben dem Deutschen Bundestag einen Ökologischen Rat .... Dieser Rat müßte Gesetzesinitiativen im Bundestag starten und der Regierung Beschlußinitiativen vorlegen dürfen, er müßte ein Vetorecht besitzen und auch in der Lage sein, Gebote und Verbote auszusprechen." Dieser Rat soll nach Reichs Ansicht zwar ebenfalls von der Bevölkerung gewählt werden, allerdings nur alle zehn bis fünfzehn Jahre[5]

Ideologie, Ökologismus und Umweltschutz

Laut dem Historiker Joachim Radkau ist nach dem Niedergang des Sozialismus „der Ökologismus weltweit als einzige ideologische Alternative zur absoluten Hegemonie des privaten Gewinn- und Konsumstrebens übrig geblieben“.[6] Auch nach dem Politikwissenschaftler Andrew Dobson erfüllt der Ökologismus alle Charakteristika einer politischen Ideologie und sollte daher in einer Reihe mit anderen etablierten Ideologien wie Konservatismus, Liberalismus oder Sozialismus gesehen werden. Wie diese anderen Ideologien biete auch Ökologismus eine analytische Beschreibung der Gesellschaft, setze eine bestimmte wünschenswerte Form von Gesellschaft voraus, und enthalte drittens eine Programmatik für politisches Handeln.[7] Michael Kenny bezeichnet Ökologismus ebenfalls als Ideologie und betont dazu, dass gerade Grüne nur sehr ungern auf diesen Begriff zurückgreifen, da Ideologiekritik zu einer der Wurzeln ihrer Bewegung zählt.[8]

Ökologismus erachtet nach Dobson weit reichende Umwälzungen im Verhältnis des Menschen zur Natur für notwendig und sieht die gegenwärtige soziale und politische Ordnung als in sich nicht fähig zur Nachhaltigkeit. Ein Teil dieser Überzeugung wird in den Positionen der Tiefenökologie widergespiegelt. Dem gegenüber setzt Umweltschutz darauf, durch Anwendung effizienterer oder sauberer Technologien zu einer nachhaltigen Wirtschaft gelangen zu können. Der Definition nach ist Umweltschutz die Gesamtheit der Maßnahmen, die zum Schutz der Umwelt getroffen werden. In der Gegenüberstellung von "Ökologismus" und "Umweltschutz als Ideologie" (engl. "environmentalism") können beide Positionen der Tendenz nach definitorisch getrennt werden, wenn diese Trennung auch nicht in allen Fällen eindeutig ist. Eine hellgrüne Ideologie des Umweltschutzes behauptet als im Gegensatz zum dunkel- oder tiefgrünem Ökologismus, dass grundsätzlich systemkonforme Maßnahmen (etwa marktkonform durch "Internalisierung der Kosten des Umweltverbrauchs", z.B. duch eine C02-Steuer) zur Erreichung einer nachhaltigen Entwicklung möglich und ausreichend sind.

Ökologismus als Umwelt- und Verantwortungsethik

Eugen Drewermann sieht in der christlich jüdischen Schöpfungsüberlieferung bereits einen Anthropozentrismus der zwangsläufig zu Umweltzerstörung und Gewalt führe[9]. Ähnlich kritisieren manche Ökologisten Anthropozentrismus prinzipiell. Hingegen betonen andere dass jedes Denken notwendigerweise vom Menschen ausgehe, anthropozentrisch sein muss und differenzieren folglich zwischen unterschiedlichen Ausprägungen solchen Denkens. Kritisiert wird in jedem Fall, dass in der Moderne der Mensch zunehmend als atomistisches Wesen wahrgenommen wurde, das losgelöst von ökologischen und teilweise sogar sozialen Zusammenhängen existiere. Dieses Bild, gemeinsam mit der besonderen Betonung der Rationalität unter anderem in der Wissenschaft, habe zu einer Geringschätzung der Natur und zu menschlicher Herrschaft über sie geführt. Die Folge sei, dass Natur fortan nur noch als instrumentell zur Erfüllung menschlicher Bedürfnisse wahrgenommen wurde, nicht jedoch als Wert an sich.

In Teilen des ökologistischen Diskurses wurde zur Überwindung des starken Anthropozentrismus' eine eigene Umweltethik entwickelt. Um die Umweltkrise zu überwinden, bedürfe es eines neuen Wertesystems und eines neuen Verständnisses von der Eingebundenheit des Menschen in die Ökologie. Dieser Ansatz setzt darauf, dass eine Veränderung gesellschaftlicher Grundwerte mit verändertem Verhalten einhergehe.

Der Philosoph Hans Jonas, der sich intensiv mit der christlichen Gnosis und deren Endzeitglauben beschäftigt hatte, prägte in diesem Zusammenhang Anfang der 80er Jahre den Begriff des ökologischen Imperativs (in Anlehnung an Immanuel Kants kategorischen Imperativ), dessen Wortlaut heißt:

„Handle so, daß die Wirkungen deiner Handlungen verträglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden.“[10]

Die Zivilisation, so die Botschaft Jonas, steuert auf ihre Selbstvernichtung zu. Alle seien aufgerufen, Verantwortung zu übernehmen und sich der drohenden Zerstörung entgegenzustellen. Auch nachdem sich einige der Unheilsgewissheiten der achtziger Jahre wie Waldsterben, Ozonloch und Atomkrieg nicht bewahrheitet hatten, wandelte sich auch das Verständnis des Verantwortungsbegriffs.

Ludger Heidbrink [11] hält die Rede vom Prinzip Verantwortung für ein Symptom "normativer Ratlosigkeit" hochkomplexer Gesellschaften. Verantwortung müsse sich ihrer Bedingungen und Grenzen bewußt sein. Statt einer religiös aufgeladenen Rhetorik vom nahen Ende, wie bei Jonas, müssen die Zuschreibung von Verantwortung gesellschaftlichen Regeln folgt, die Risiken verantwortbar, das heisst einschätzbar und versicherbar machen müüse[12].

In dem Sinne reihen sich ehemals allesumfassende ökologistische Ansätze unter die alltäglich notwendige Konflikt- und Zielabwägungen in Verwaltung und Politik ein.


Ökologismus als Kritik an gesellschaftlichen Machtstrukturen

In den Schriften von Maria Mies[13] wird ein radikaler Ökofeminismus gefordert.

Matthew Paterson verknüpft viele dieser Stränge und stellt vier Machtstrukturen vor, die er als Ursache für immer wiederkehrende globale Umweltzerstörung ansieht. Hierzu zählt er das Staatensystem, den Kapitalismus, das Patriarchat und die Wissenschaft. Eine ökologisch nachhaltige Gesellschaft kann diesem Ansatz folgend nur dann verwirklicht werden, wenn in emanzipatorischer Weise diese Machtstrukturen überwunden oder so umgestaltet werden, dass sie nicht länger gegen Menschen und Umwelt gerichtet funktionieren können.[14]

Camille Paglia hält dagegen mit "It is nature, not society, that is our greatest oppressor." (Die Natur, nicht die Gesellschaft ist unser größter Unterdrücker" [15]. Paglia spricht sich demgegenüber für einen anderen Naturbegriff aus. Es sei ebenso grundsätzlich falsch, den Menschen (und aufgrund romatischer Ideale Natur) im Rückgriff auf Jean-Jacques Rousseau bzw William Wordsworth für grundsätzlich gut zu halten und dämonische Aspekte beider - wie etwa von Samuel Taylor Coleridge beschrieben - zu verheimlichen. Dies ignoriere, wie sehr der Mensch der Natur ausgeliefert sei, einer wörtlich chthonischen Realität. Die Realität der Natur drücke sich einer "unmenschlichen Grausamkeit der Biologie und Geologie" "[16]und "Darwinscher Verschwendung und Blutrünstigkeit"[16] aus, denen die menschliche (apollinische) Kultur entgegenstünde und entgegenwirken müsse.

Wirtschaftliche Ansätze beim Ökologismus

Nach Jonathon Porritt mache die Abhängigkeit allen menschlichen Lebens von den Ökosystemen der Erde klar wie seh das Überleben der Menschheit des Überlebens der Ökosphäre bedürfe.[17] Murray Bookchin vertrat seit den 1970er Jahren das Konzept der "Sozialen Ökologie" (s. Öko-Anarchismus, nicht zu verwechseln mit anderen Begriffen von Sozialökologie). Dieses war einem Biozentrismus manch anderer Ökologisten entgegen gestellt war und die Ursache für Umweltzerstörung nicht in der Existenz von Menschen an sich, sondern in bestimmten sozialen und ökonomischen Strukturen sah. Unter diesen hielt er den Kapitalismus für eine der bedeutendsten. Außerdem trug Bookchin mit seinen Schriften zur Entwicklung des Öko-Anarchismus bei.

Dem in die Ökosphäre eingebetteten System menschlicher Gesellschaften wiederum untergeordnet sei das Subsystem der Wirtschaft, eine Reihenfolge, aus der sich die Kritik des Ökologismus an der Inwertsetzung der Natur durch den Kapitalismus erkennen lässt.

Einer der prägendsten Denker des Ökologismus war Murray Bookchin, der seit den 1970er Jahren das Konzept der "Sozialen Ökologie" vertrat (nicht zu verwechseln mit anderen Begriffen von Sozialökologie). Dieses war dem Biozentrismus manch anderer Ökologisten entgegen gestellt und sah die Ursache für Umweltzerstörung nicht in der Existenz von Menschen an sich, sondern in bestimmten sozialen und ökonomischen Strukturen. Unter diesen hielt er den Kapitalismus für eine der bedeutendsten. Bookchin trug mit seinen Schriften maßgeblich zur Entwicklung des Öko-Anarchismus bei.

Dennoch kann nicht grundsätzlich von einem strikten Gegensatz zwischen Ökologismus und Kapitalismus ausgegangen werden. Porritt beispielsweise betont die Möglichkeit, eine grüne Marktwirtschaft realisieren zu können, womit er sich wieder mehr der Vorstellungswelt des Umweltschutzes annähert.[18] Gleichzeitig ist im ökologistischen Denken eine Skepsis gegenüber der Rücksichtslosigkeit ehemals kommunistischer Staaten gegenüber der Umwelt präsent. Dies führte dazu, dass teilweise anstelle der scheinbar gegensätzlichen Systeme Kapitalismus/Kommunismus der mutmaßlich beide untermauernde Industrialismus als eigentliches Übel ausgemacht wurde.[7]

In Wirtschaftsunternehmen selbst erlauben Intrumente wie die Balanced Scorecard eine Einbeziehung und Quantifizierung auch ökologischer Ziele und übergeordneter Strategien in die Unternehmensplanung.

Kritik am Ökologismus

Kritik am Ökologismus richtet sich vor allem gegen seine als romantizistisch oder quaisreligiös wahrgenommenen Elemente. Heinrich Eilingsfeld bezeichnet den Ökologismus als eine „mit romantischer Irrationalität aufgeladene Ideologie des Umweltschutzes, die mit neomarxistischen gesellschaftspolitischen Konzepten für den politischen Kampf präpariert wurde“.[19] Er führt dessen Entwicklung auf die Verbindung von Neomarxismus und Anthroposophie zurück.[20] Der Evolutionsbiologe und Ökologe Josef H. Reichholf, der im Präsidium des Naturschutzverbandes WWF sitzt, hält die manchmal mit dem Ökologismus verbundene (aber von vielen Ökologisten nicht geteilte) Vorstellung von einem „Gleichgewicht der Natur“ für den grundlegenden Irrtum eines „religiösen Ökologismus“, da Ökosysteme immer im Fluss seien. Alles im Gleichgewicht befindliche sei leblos, tot.[21]

Matthias Horx vertrat 1998 die These, der Ökologismus werde zur „Zentralreligion der Jahrtausendwende“[22][23]. Josef Joffe

Die Publizisten Dirk Maxeiner und Michael Miersch bezeichnen ökologisches Verhalten als ökologistisch, wenn Radikalität oder Ideologie im Sinne eines Öko-Fundamentalismus im Vordergrund stünden sowie die Belange des Umwelt- und Tierschutzes generell Vorrang vor menschlichen Bedürfnissen und Interessen beanspruchen würden. Sie bezeichnen Ökologismus ebenfalls als Glauben, der es „in Deutschland beinahe schon zur neuen Staatsreligion gebracht“ habe[24] und schreiben ihm eine konservative Orientierung zu, der sich prinzipiell gegen Wandel wende.[25]

Camille Paglia hält kulturelle Errungenschaft grundsätzlich nur in der Auseinandersetzung mit und gegen auch die menschliche Natur für möglich[26]. Machtstrukturen in der Gesellschaft seien kein Verbrechen, sondern die Kraft die Verbrechen im Zaum hielte[27]. Wenn der auch (Öko-)Feminismus über das ursprünglich angestrebte Ziel der Gleichberechtigung hinausgehe, verleugne er die Kontingenz des Lebens und die Abhängigkeit des Menschen von der schicksalhaften Macht der Natur[27].

Literatur

  • Brian Baxter: Ecologism: An Introduction. Edinburgh University Press, 2000, ISBN 978-0748611775
  • Andrew Dobson: Green Political Thought. Routledge, Vierte Ausgabe 2007, ISBN 978-0415403528
  • Michael Kenny: Ecologism, in: Robert Eccleshall et al.: Political Ideologies: An Introduction. Routledge, Dritte Ausgabe 2003, S. 151-180. ISBN 978-0415236782
  • Mark J. Smith: Ecologism: Towards Ecological Citizenship. Open University Press, 1998, ISBN 978-0816633012

Einzelnachweise

  1. Klaus von Beyme: Politische Theorien im Zeitalter der Ideologien S.33
  2. George Monbiot, Heat, 2007, zitiert bei Modern Ecologism and its Prospects August 26th, 2008, abgerufen bei dem Punk Fanzine Last Hours am 24.8.2008 [1]
  3. a b Global warming means that flying across the Atlantic is now as unacceptable as child abuse By George Monbiot. Published in the Guardian 29th July 1999.
  4. [2] Brendan O’Neill "Cheap flights should be a cause of national rejoicing" (Billigflüge sollten Grund für landesweiten Jubel sein)
  5. Obwohl sich Reich damit noch im demokratisch-parlamentarischen Rahmen bewegt, antwortet er auf den Einwurf des Interviewers "Ihr Motto lautet offenbar ,Mehr Diktatur wagen?`" mit einem offensiven "Ja. Es gibt Dinge, die muß man mit einem Klaps auf den Hinterkopf durchsetzen."
  6. Joachim Radkau: Natur und Macht. Weltgeschichte der Umwelt., C.H.Beck Verlag, 2002 ISBN 978-3406486555, zitiert nach http://www.woz.ch/artikel/inhalt/2000/nr44/Wissen/13515.html
  7. a b Andrew Dobson: Green Political Thought. Routledge, Vierte Ausgabe 2007, ISBN 978-0415403528
  8. Michael Kenny: Ecologism, in: Robert Eccleshall et al.: Political Ideologies: An Introduction. Routledge, Dritte Ausgabe 2003, S. 151-180. ISBN 978-0415236782
  9. Drewermann, E. (1981): Der tödliche Fortschritt - von der Zerstörung der Erde und des Menschen im Erbe des Christentums. Regensburg: F.Pustel, 187 S.
  10. Hans Jonas: Das Prinzip Verantwortung - Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation. Suhrkamp Verlag 1984, ISBN 3-518-375857
  11. Kritik der Verantwortung von Ludger Heidbrink, Verlag Velbrück; Dezember 2003 ISBN-10: 3934730698
  12. [3] Interview mit Ludger Heidbrink in "Gesellschaft mit beschränkter Haftung" Warum der Mensch den Klimawandel nicht aufhalten wird. Von Martin Hubert, Deutschlandradio WISSENSCHAFT IM BRENNPUNKT 09.12.2007
  13. Maria Mies und Vandana Shiva: Ökofeminismus. Beiträge zur Praxis und Theorie. Rotpunktverlag, 1995, ISBN 978-3858691224
  14. Matthew Paterson: Understanding Global Environmental Politics. Domination, Accumulation, Resistance. Palgrave MacMillan, 2002, ISBN 978-0333968550
  15. Sex, Art, and American Culture, Essays. Von Camille Paglia. Verlag Vintage Books; September 1992, ISBN-10: 0679741011
  16. a b in Camille Paglia. Die Masken der Sexualität. Seite 17. Aus dem Amerikanischen von Margit Bergner, Ulrich Enderwitz und Monika Noll. Berlin: Byblos Verlag. ISBN 3-929029-06-5
  17. Jonathon Porritt: Seeing Green. Blackwell Publishers, 1984, ISBN 978-0631138921
  18. Jonathon Porritt: Capitalism: As if the World Matters. Earthscan, 2. Auflage 2007, ISBN 978-1844071937
  19. Heinrich Eilingsfeld, Der sanfte Wahn - Ökologismus total, Mannheim, 1989.
  20. Siehe zum Verhältnis von Anthroposophie und Marxismus: Christian Strawe, Anthroposophie und Marxismus, Stuttgart, 1986
  21. Josef H. Reichholf: Die falschen Propheten - Unsere Lust an Katastrophen.
  22. http://www.konservativ.de/buch/max_oeko.htm
  23. http://www.sonntagsblatt.de/artikel/2000/3/3-s7.htm
  24. Dirk Maxeiner, Michael Miersch: Lasset uns Mülltrennen. Der Ökologismus als neue Religion der Wohlstands-Eliten.
  25. D. Maxeiner, M. Miersch: Lexikon der Öko-Irrtümer. Fakten statt Umweltmythen. Piper Verlag, 2002.
  26. Kurz und bündig: "Jede Form der Sexualität beinhaltet Macht"
  27. a b in Camille Paglia. Die Masken der Sexualität. Seite 13. Aus dem Amerikanischen von Margit Bergner, Ulrich Enderwitz und Monika Noll. Berlin: Byblos Verlag. ISBN 3-929029-06-5