„Reim“ – Versionsunterschied

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Die heidnische und christliche [[Dichtung]] der [[Spätantike]] im germanischen Sprachraum ist geprägt durch den [[Stabreim]]. Der Endreim wurde vermutlich über die christlich-lateinische Hymnendichtung eingeführt. Das [[Altes Testament|alte Testament]] kennt den Reim aber ebenso wenig wie die [[Dichter]] der griechischen und römischen Antike, die den Gleichklang der Laute als unschön ablehnten.
Die heidnische und christliche [[Dichtung]] der [[Spätantike]] im germanischen Sprachraum ist geprägt durch den [[Stabreim]]. Der Endreim wurde vermutlich über die christlich-lateinische Hymnendichtung eingeführt. Das [[Altes Testament|alte Testament]] kennt den Reim aber ebenso wenig wie die [[Dichter]] der griechischen und römischen Antike, die den Gleichklang der Laute als unschön ablehnten.


Der [[Koran]], der im 7. Jahrhundert entstand, ist in [[Reimprosa]] abgefasst. Diese literarische Form, die durch Endreime am Satzende oder an [[Syntax|syntaktischen]] Einschnitten ohne Bindung an ein Versmaß getragen wird, war damals auf der arabischen Halbinsel sehr verbreitet.
Der [[Koran]], der im 7. Jahrhundert entstand, ist in [[Reimprosa]] abgefasst. Diese literarische Form, die durch Endreime am Satzende oder an [[Syntax|syntaktischen]] Einschnitten ohne Bindung an ein Versmaß getragen wird, war damals auf der arabischen Halbinsel sehr verbreitet.


Die geistliche und weltliche lateinische Dichtung des europäischen Mittelalters ist entweder akzentuierend und reimend, oder sie erscheint reimlos und quantitierend, d. h. es werden die antiken [[Verslehre|Metren]] verwendet, vor allem der [[Hexameter]]. Eine Ausnahme bildet der [[Leoninischer Vers|leoninische Vers]], der die Quantitäten mit dem Reim verband.
Die geistliche und weltliche lateinische Dichtung des europäischen Mittelalters ist entweder akzentuierend und reimend, oder sie erscheint reimlos und quantitierend, d. h. es werden die antiken [[Verslehre|Metren]] verwendet, vor allem der [[Hexameter]]. Eine Ausnahme bildet der [[Leoninischer Vers|leoninische Vers]], der die Quantitäten mit dem Reim verband.
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Eine Funktion des Reims im Gedicht ist es, zusätzlich zu der [[Verslehre|metrischen]] Struktur der Silben, eine Struktur der Reime zu eröffnen, und damit diese beiden Perzeptionsebenen zu einer übergeordneten komplexeren Ebene in Beziehung zu setzen. Reim dient also nicht bloß der 'Gliederung', sondern die Reimstruktur bildet eine eigene ästhetische Dimension der Lyrik.
Eine Funktion des Reims im Gedicht ist es, zusätzlich zu der [[Verslehre|metrischen]] Struktur der Silben, eine Struktur der Reime zu eröffnen, und damit diese beiden Perzeptionsebenen zu einer übergeordneten komplexeren Ebene in Beziehung zu setzen. Reim dient also nicht bloß der 'Gliederung', sondern die Reimstruktur bildet eine eigene ästhetische Dimension der Lyrik.


Lyrik hat eine musikalische Dimension. Der Gleichlaut ist vergleichbar mit einem phonetischen Idiom, das die Rückkehr zu bzw. das Ausgehen von einem Referenzpunkt (s. [[Kadenz (Verslehre)|Kadenz]]) ermöglicht. Er schmeichelt dem Ohr und wirkt nach dem ästhetischen Prinzip der Einheit in der Vielfalt vor allem dann überzeugend, wenn die Reimwörter in ihrer Bedeutung und ihren [[Konnotation]]en weit auseinander liegen. Als Echo des Gedankens haben reimende Wörter oft für die Sinngebung der Dichtung ein besonderes Gewicht. Karl Kraus vertrat die Ansicht, dass ein Reim umso höher zu bewerten sei, je mehr Widerstand er zu überwinden hätte, sei es, dass ein einsilbiges Wort auf ein mehrsilbiges reimt oder die beiden Reimwörter aus verschiedenen sprachlichen Sphären stammen<ref>http://www.lyrikmond.de/gedichte-schreiben/reimwiderstand.php Die Lehre vom Reimwiderstand nach Karl Kraus</ref>.
Lyrik hat eine musikalische Dimension. Der Gleichlaut ist vergleichbar mit einem phonetischen Idiom, das die Rückkehr zu bzw. das Ausgehen von einem Referenzpunkt (s. [[Kadenz (Verslehre)|Kadenz]]) ermöglicht. Er schmeichelt dem Ohr und wirkt nach dem ästhetischen Prinzip der Einheit in der Vielfalt vor allem dann überzeugend, wenn die Reimwörter in ihrer Bedeutung und ihren [[Konnotation]]en weit auseinander liegen. Als Echo des Gedankens haben reimende Wörter oft für die Sinngebung der Dichtung ein besonderes Gewicht. Karl Kraus vertrat die Ansicht, dass ein Reim umso höher zu bewerten sei, je mehr Widerstand er zu überwinden hätte, sei es, dass ein einsilbiges Wort auf ein mehrsilbiges reimt oder die beiden Reimwörter aus verschiedenen sprachlichen Sphären stammen<ref>[http://www.lyrikmond.de/gedichte-schreiben/reimwiderstand.php lyrikmond.de] Die Lehre vom Reimwiderstand nach Karl Kraus</ref>.


Gereimtes bleibt zudem besser im Gedächtnis haften, daher haben [[Sprichwort|Sprichwörter]], [[Wetterregel]]n, [[Merkspruch|Merkverse]], [[Werbespruch|Werbesprüche]] und dergleichen oft die Form des Reims. So hat das Reimen von Botschaften auch einen pragmatischen Nutzen, z. B. bei den [[Wandersänger]]n des Mittelalters und der Renaissance zur Übermittlung von Nachrichten.
Gereimtes bleibt zudem besser im Gedächtnis haften, daher haben [[Sprichwort|Sprichwörter]], [[Wetterregel]]n, [[Merkspruch|Merkverse]], [[Werbespruch|Werbesprüche]] und dergleichen oft die Form des Reims. So hat das Reimen von Botschaften auch einen pragmatischen Nutzen, z. B. bei den [[Wandersänger]]n des Mittelalters und der Renaissance zur Übermittlung von Nachrichten.
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== Reimformen ==
== Reimformen ==
Reime können nach ihrer Silbenzahl, der Stellung im Vers, ihrer phonologischen und morphologisch-lexikalischen Struktur und ihrem Reimschema beschrieben werden. Regelmäßige Reimschemata deuten in Zusammenhang mit bestimmten [[Versform]]en auf festgelegte lyrische [[Strophenform]]en hin. Bertolt Brechts Gedicht ''Erinnerung an die Marie A.'' mag als Beispiel dienen:
Reime können nach ihrer Silbenzahl, der Stellung im Vers, ihrer phonologischen und morphologisch-lexikalischen Struktur und ihrem Reimschema beschrieben werden. Regelmäßige Reimschemata deuten in Zusammenhang mit bestimmten [[Versdichtung|Versformen]] auf festgelegte lyrische [[Strophenform]]en hin. Bertolt Brechts Gedicht ''Erinnerung an die Marie A.'' mag als Beispiel dienen:
<poem>{{Zitat|vor=|nach=|Und über uns im schönen Sommerhimmel
<poem>{{Zitat|vor=|nach=|Und über uns im schönen Sommerhimmel
War eine Wolke, die ich lange '''sah'''
War eine Wolke, die ich lange '''sah'''
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=== Reime nach der Silbenzahl ===
=== Reime nach der Silbenzahl ===
{{Hauptartikel|Kadenz (Verslehre)|Katalexe}}
{{Hauptartikel|Kadenz (Verslehre)|Katalexe}}
{{Anker|Männlicher Reim}}{{Anker|Stumpfer Reim}}{{Anker|Einsilbiger Reim}}
==== {{Anker|Männlicher Reim|Stumpfer Reim|Einsilbiger Reim}} Männlich oder stumpf, einsilbig ====
==== Männlich oder stumpf, einsilbig ====
Die Zeile endet auf einer betonten Silbe.
Die Zeile endet auf einer betonten Silbe.
<poem>{{Zitat|vor=|nach=|Es stand vor eines Hauses '''Tor'''
<poem>{{Zitat|vor=|nach=|Es stand vor eines Hauses '''Tor'''
Ein Esel mit gespitztem '''Ohr'''.|[[Wilhelm Busch]]}}</poem>
Ein Esel mit gespitztem '''Ohr'''.|[[Wilhelm Busch]]}}</poem>


{{Anker|Weiblicher Reim}}{{Anker|Klingender Reim}}{{Anker|Zweisilbiger Reim}}
==== {{Anker|Weiblicher Reim|Klingender Reim|Zweisilbiger Reim}} Weiblich oder klingend, zweisilbig ====
==== Weiblich oder klingend, zweisilbig ====
Beide Zeilen enden auf reimenden Silben, die erste ist betont, die zweite unbetont.
Beide Zeilen enden auf reimenden Silben, die erste ist betont, die zweite unbetont.
<poem>{{Zitat|vor=|nach=|Womit man denn bezwecken '''wollte''',
<poem>{{Zitat|vor=|nach=|Womit man denn bezwecken '''wollte''',
dass sich der Esel ärgern '''sollte'''.|Wilhelm Busch}}</poem>
dass sich der Esel ärgern '''sollte'''.|Wilhelm Busch}}</poem>


{{Anker|Gleitender Reim}}{{Anker|Reicher Reim}}{{Anker|Dreisilbiger Reim}}
==== {{Anker|Gleitender Reim|Reicher Reim|Dreisilbiger Reim}} Gleitend oder reich, dreisilbig ====
Beide Zeilen reimen auf drei Silben, deren erste betont ist.
==== Gleitend oder reich, dreisilbig ====
Beide Zeilen reimen auf drei Silben, deren erste betont ist.
<poem>{{Zitat|vor=|nach=|Wunderschön '''Prächtige''',
<poem>{{Zitat|vor=|nach=|Wunderschön '''Prächtige''',
Große und '''Mächtige'''|[[Maria, Gnadenmutter zu Freyberg]] in [[Des Knaben Wunderhorn]]}}</poem>
Große und '''Mächtige'''|[[Maria, Gnadenmutter zu Freyberg]] in [[Des Knaben Wunderhorn]]}}</poem>


{{Anker|Erweiterter Reim}}{{Anker|Vielsilbiger Reim}}
==== {{Anker|Erweiterter Reim|Vielsilbiger Reim}} Erweitert, vielsilbig ====

==== Erweitert, vielsilbig ====
Der '''erweiterte Reim''' (auch: Doppel-, Mehrfach- oder Combo-Reim) reimt mehr als drei Silben.
Der '''erweiterte Reim''' (auch: Doppel-, Mehrfach- oder Combo-Reim) reimt mehr als drei Silben.
<poem>{{Zitat|vor=|nach=|Den Straßenf'''eger''' mit Ges'''elle''' pl'''agt''' die Szener'''ie'''<br /> jedoch ein N'''eger''' mit Gaz'''elle''' z'''agt''' im Regen n'''ie'''|[[Georg Kreisler]]}}</poem>
<poem>{{Zitat|vor=|nach=|Den Straßenf'''eger''' mit Ges'''elle''' pl'''agt''' die Szener'''ie'''<br /> jedoch ein N'''eger''' mit Gaz'''elle''' z'''agt''' im Regen n'''ie'''|[[Georg Kreisler]]}}</poem>


{{Anker|Reimgeschlecht}}
In Strophenformen, bei denen sich [[Alternation (Verslehre)|alternierend]] männliche und weibliche Reime abwechseln, spricht man auch vom '''Reimgeschlecht''' des jeweiligen Verses.
In Strophenformen, bei denen sich [[Alternation (Verslehre)|alternierend]] männliche und weibliche Reime abwechseln, spricht man auch vom '''Reimgeschlecht''' des jeweiligen Verses.


=== Reime nach der Stellung im Vers ===
=== Reime nach der Stellung im Vers ===
==== {{Anker|Ausgangsreim}} Endreim ====

{{Anker|Endreim}}
==== Endreim ====
Beim Endreim oder auch '''Ausgangsreim''' stehen die Reimworte am Ende des Verses. Dies ist die im Deutschen und zahlreichen anderen Sprachen häufigste Reimform.
Beim Endreim oder auch '''Ausgangsreim''' stehen die Reimworte am Ende des Verses. Dies ist die im Deutschen und zahlreichen anderen Sprachen häufigste Reimform.


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Mich soll der Teufel '''holen'''.}}</poem>
Mich soll der Teufel '''holen'''.}}</poem>


{{Anker|Anfangsreim}}
==== Binnenreim ====
==== Binnenreim ====
{{Hauptartikel|Binnenreim}}
{{Hauptartikel|Binnenreim}}
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Kennt man eine andre Form?|Michael Schönen}}</poem>
Kennt man eine andre Form?|Michael Schönen}}</poem>


{{Anker|Pausenreim}}
==== Pausenreim ====
==== Pausenreim ====
Beim '''Pausenreim''' steht das Reimwort nach einem reimlosen Vers am Anfang des nächsten Verses. Der reimtragende Vers erscheint deshalb reimlos und erweckt den Eindruck der Pause.
Beim '''Pausenreim''' steht das Reimwort nach einem reimlosen Vers am Anfang des nächsten Verses. Der reimtragende Vers erscheint deshalb reimlos und erweckt den Eindruck der Pause.
<poem>{{Zitat|vor=|nach=|Sieh jene Kraniche in großem '''Bogen'''!
<poem>{{Zitat|vor=|nach=|Sieh jene Kraniche in großem '''Bogen'''!
Die Wolken, welche ihnen beigegeben
Die Wolken, welche ihnen beigegeben
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=== Reime nach phonologischer Struktur ===
=== Reime nach phonologischer Struktur ===
{{anker|Unterscheidung nach der klanglichen Genauigkeit des Reims}}

Die Begriffe rührender, äquivoker (gleichlautender), erweiterter (Mehrfachreim) und Vorreim werden in der [[Fachliteratur]] unterschiedlich geführt und überschneiden sich zum Teil erheblich in ihren Bedeutungen. Der Vorreim (3.3.4) wird hier als Reim geführt, bei dem reimende oder assonierende [[Vorsilbe]]n oder [[Satzpartikel]] mitklingen, während der rührende Reim (3.3.6) den Anlaut der Reimsilbe mitreimt. Der rührende Reim ist dem Vorreim damit untergeordnet. Beide können ein-, zwei- oder mehrsilbig sein. Äquivoke (gleichlautende) Reime klingen [[homophon]] (3.3.7). Der Begriff erweiterter Reim (3.1.4) wird hier nur silbenzählend verwendet (für Verse, in denen mehr als drei Silben reimen).
Die Begriffe rührender, äquivoker (gleichlautender), erweiterter (Mehrfachreim) und Vorreim werden in der [[Fachliteratur]] unterschiedlich geführt und überschneiden sich zum Teil erheblich in ihren Bedeutungen. Der Vorreim (3.3.4) wird hier als Reim geführt, bei dem reimende oder assonierende [[Vorsilbe]]n oder [[Satzpartikel]] mitklingen, während der rührende Reim (3.3.6) den Anlaut der Reimsilbe mitreimt. Der rührende Reim ist dem Vorreim damit untergeordnet. Beide können ein-, zwei- oder mehrsilbig sein. Äquivoke (gleichlautende) Reime klingen [[homophon]] (3.3.7). Der Begriff erweiterter Reim (3.1.4) wird hier nur silbenzählend verwendet (für Verse, in denen mehr als drei Silben reimen).


==== Erweiterter Reim ====
==== Erweiterter Reim ====
Der 'erweiterte Reim' ist ein Überbegriff für alle Formen des Reims, bei denen die Übereinstimmung der Reimwörter über den, für den Endreim maßgeblichen Teil ab der letzten betonten Silbe, hinausgeht. (Vgl. reicher Reim, rührender Reim, identischer Reim, grammatischer Reim, Schüttelreim)
Der „erweiterte Reim“ ist ein Überbegriff für alle Formen des Reims, bei denen die Übereinstimmung der Reimwörter über den, für den Endreim maßgeblichen Teil ab der letzten betonten Silbe, hinausgeht. (Vgl. reicher Reim, rührender Reim, identischer Reim, grammatischer Reim, Schüttelreim)


==== Reicher Reim ====
==== Reicher Reim ====
Die sich reimenden Wörter stimmen schon ab dem vorletzten <u>betonten</u> Vokal überein. Zum Beispiel: '<u>ü</u>berleben - dr<u>ü</u>ber heben'.
Die sich reimenden Wörter stimmen schon ab dem vorletzten <u>betonten</u> Vokal überein. Zum Beispiel: <u>ü</u>berleben dr<u>ü</u>ber heben“.


==== Reiner Reim ====
==== Reiner Reim ====
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==== Unreiner Reim ====
==== Unreiner Reim ====


Beim '''unreinen Reim''' stimmt die hörbare Lautfolge der Reimsilben annähernd überein, Abweichungen treten in Klangfärbung und Betonung auf. Unreine Reime werden oft durch ähnliche klingende Konsonanten (''d'' auf ''t'') oder mit Umlauten gebildet (''ä'' oder ''ö'' wird mit dem Selbstlaut ''e'' gereimt, auch der Umlaut ''ü'' mit dem Vokal ''i'') ebenso wie mit ähnlich klingenden Vokalverbindungen (wie ''ei'' mit ''eu/äu'').
Beim '''unreinen Reim''' stimmt die hörbare Lautfolge der Reimsilben annähernd überein, Abweichungen treten in Klangfärbung und Betonung auf. Unreine Reime werden oft durch ähnliche klingende Konsonanten (''d'' auf ''t'') oder mit Umlauten gebildet (''ä'' oder ''ö'' wird mit dem Selbstlaut ''e'' gereimt, auch der Umlaut ''ü'' mit dem Vokal ''i'') ebenso wie mit ähnlich klingenden Vokalverbindungen (wie ''ei'' mit ''eu/äu'').
<poem>{{Zitat|vor=|nach=|Wie ein Gebild aus Himmels'''höh’n''',
<poem>{{Zitat|vor=|nach=|Wie ein Gebild aus Himmels'''höh’n''',
mit züchtigen, verschämten Wangen
mit züchtigen, verschämten Wangen
sieht er die Jungfrau vor sich '''steh’n.'''|[[Friedrich Schiller]]}}</poem>
sieht er die Jungfrau vor sich '''steh’n.'''|[[Friedrich Schiller]]}}</poem>
Mitunter sind Reime vielleicht nur nach heutigen (hochdeutschen) Aussprachestandards als unrein anzusehen, nicht jedoch, wenn die mundartlichen Einflüsse berücksichtigt werden, unter denen ein Dichter früherer Jahrhunderte gestanden hat. Dies betrifft im Konkreten etwa die [[Auslautverhärtung]], die [[Binnendeutsche Konsonantenschwächung|Konsonantenschwächung]] und die in ober- und mitteldeutschen Mundarten weit verbreitete [[Entlabialisierung|Entrundung]]. Ein Beispiel ist Goethes Verspaar „Ach neige / du schmerzensreiche“. Der Frankfurter Goethe sprach ''neiche''. Und der Schwabe Schiller reimte ''Eile'' auf ''Keule'' (er sprach ''Keile'') und ''süß'' auf ''Paradies''<ref>Erwin Arndt: Deutsche Verslehre. Berlin 1985, S.110</ref>.
Mitunter sind Reime vielleicht nur nach heutigen (hochdeutschen) Aussprachestandards als unrein anzusehen, nicht jedoch, wenn die mundartlichen Einflüsse berücksichtigt werden, unter denen ein Dichter früherer Jahrhunderte gestanden hat. Dies betrifft im Konkreten etwa die [[Auslautverhärtung]], die [[Binnendeutsche Konsonantenschwächung|Konsonantenschwächung]] und die in ober- und mitteldeutschen Mundarten weit verbreitete [[Entlabialisierung|Entrundung]]. Ein Beispiel ist Goethes Verspaar „Ach neige / du schmerzensreiche“. Der Frankfurter Goethe sprach ''neiche''. Und der Schwabe Schiller reimte ''Eile'' auf ''Keule'' (er sprach ''Keile'') und ''süß'' auf ''Paradies''.<ref>Erwin Arndt: Deutsche Verslehre. Berlin 1985, S.110</ref>


Ebenso können Reime nur aus strenger hoch- bzw. schriftsprachlicher Sicht unrein sein, in anderen Varietäten/Registern (dialektal geprägte Akzente; Umgangssprache; Jugendsprache usw.) aber reine Reime darstellen. Beim Rap z.B. wird Umgangssprache zur Reimbildung genutzt (''Hammer'' wird auf ''Mama'' gereimt; allerdings sind auch standardsprachlich unbetontes [ɐ] und unbetontes [a] phonetisch-auditiv sehr ähnlich).<ref>Beispiele für [http://www.reimix.de/reimschule/unreine-reime/ unreine Reime] mit ähnlich klingenden Vokalen, Konsonanten, Doppelvokalen und Dialekten finden sich in der Reimschule.</ref>
Ebenso können Reime nur aus strenger hoch- bzw. schriftsprachlicher Sicht unrein sein, in anderen Varietäten/Registern (dialektal geprägte Akzente; Umgangssprache; Jugendsprache usw.) aber reine Reime darstellen. Beim Rap z.B. wird Umgangssprache zur Reimbildung genutzt (''Hammer'' wird auf ''Mama'' gereimt; allerdings sind auch standardsprachlich unbetontes [ɐ] und unbetontes [a] phonetisch-auditiv sehr ähnlich).<ref>Beispiele für [http://www.reimix.de/reimschule/unreine-reime/ unreine Reime] mit ähnlich klingenden Vokalen, Konsonanten, Doppelvokalen und Dialekten finden sich in der Reimschule.</ref>
{{anker|Beispiele für unreine Reime}}


==== Assonanz ====
==== Assonanz ====
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==== Historischer Reim ====
==== Historischer Reim ====
Der '''historische Reim''' war zur Zeit seiner Entstehung rein, ist es aber heute aufgrund anderer Sprechgewohnheiten nicht mehr.
Der '''historische Reim''' war zur Zeit seiner Entstehung rein, ist es aber heute aufgrund anderer Sprechgewohnheiten nicht mehr.
{{Zitat|vor=|nach=|'''prove'''/'''love'''}}
{{Zitat|vor=|nach=|'''prove'''/'''love'''}}
{{Zitat|vor=|nach=|'''slay'''/'''shey'''}}
{{Zitat|vor=|nach=|'''slay'''/'''shey'''}}


{{Anker|Doppelreim}}
==== Doppelreim ====
==== Doppelreim ====
Ein Doppelreim ist ein drei- oder viersilbiger Endreim mit der folgenden Zeile, der zwei Hebungen bzw. zwei sich selbständig reimende Wörter enthält:
Ein Doppelreim ist ein drei- oder viersilbiger Endreim mit der folgenden Zeile, der zwei Hebungen bzw. zwei sich selbständig reimende Wörter enthält:
:K'''lang'''g'''eister''' – S'''ang'''m'''eister'''
:K'''lang'''g'''eister''' – S'''ang'''m'''eister'''


Enthält der Reim nur eine Hebung, so wird er als vokalischer Halbreim bezeichnet:
Enthält der Reim nur eine Hebung, so wird er als vokalischer Halbreim bezeichnet:
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=== Reime nach morphologisch-lexikalischen Besonderheiten ===
=== Reime nach morphologisch-lexikalischen Besonderheiten ===
==== Gespaltener Reim ====
==== Gespaltener Reim ====
Der '''gespaltene Reim''' ist ein mehrsilbiger Reim, bei dem sich mindestens eines der Reimglieder auf zwei oder mehrere, meist kurze Worte erstreckt.
Der '''gespaltene Reim''' ist ein mehrsilbiger Reim, bei dem sich mindestens eines der Reimglieder auf zwei oder mehrere, meist kurze Worte erstreckt.
<poem>{{Zitat|vor=|nach=|Es gibt nichts '''Gu<u>tes</u>'''
<poem>{{Zitat|vor=|nach=|Es gibt nichts '''Gu<u>tes</u>'''
außer: Man '''tu<u>t es</u>'''.|[[Erich Kästner]]}}</poem>
außer: Man '''tu<u>t es</u>'''.|[[Erich Kästner]]}}</poem>
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}}</poem>
}}</poem>


{{Anker|Umarmender Reim}}{{Anker|Blockreim}}{{Anker|Umschließender Reim}}{{Anker|Eingebetteter Reim}}
==== {{Anker|Umarmender Reim|Blockreim|Umschließender Reim|Eingebetteter Reim}} Umarmender Reim, Blockreim ====
==== Umarmender Reim, Blockreim ====
<small>(auch: Umfassender Reim, umschließender Reim oder eingebetteter Reim genannt)</small>
<small>(auch: Umfassender Reim, umschließender Reim oder eingebetteter Reim genannt)</small>
Form: abba cddc (usw.)
Form: abba cddc (usw.)
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'''(b)''' die edelste von allen Gaben,
'''(b)''' die edelste von allen Gaben,
'''(a)''' das ist mir alle Reime wert.|-Goethe}}</poem>
'''(a)''' das ist mir alle Reime wert.|-Goethe}}</poem>

Das heißt, ein Reimpaar fasst ein anderes ein, „umarmt“ es bildlich gesehen also.
Das heißt, ein Reimpaar fasst ein anderes ein, „umarmt“ es bildlich gesehen also.


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Eine spezielle Form des Haufenreims ist der '''Dreireim''' mit drei aufeinanderfolgenden Reimen, der in der [[Stollenstrophe]] das Strophenende markiert (Form: ababccc). Sonst ist der Dreireim selten.
Eine spezielle Form des Haufenreims ist der '''Dreireim''' mit drei aufeinanderfolgenden Reimen, der in der [[Stollenstrophe]] das Strophenende markiert (Form: ababccc). Sonst ist der Dreireim selten.


{{Anker|Einreim}}{{Anker|Reihenreim}}{{Anker|Tiradenreim}}
{{Anker|Einreim|Reihenreim|Tiradenreim}}
Wird der Reim viermal oder öfter wiederholt und verknüpft alle Verse einer Strophe oder eines Gedichtabschnitts, so spricht man von '''Einreim''', '''Reihenreim''' oder '''Tiradenreim'''.
Wird der Reim viermal oder öfter wiederholt und verknüpft alle Verse einer Strophe oder eines Gedichtabschnitts, so spricht man von '''Einreim''', '''Reihenreim''' oder '''Tiradenreim'''.
<poem>{{Zitat|vor=|nach=|'''(a)''' Ich bin ein Bote und nichts mehr,
<poem>{{Zitat|vor=|nach=|'''(a)''' Ich bin ein Bote und nichts mehr,
'''(a)''' Was man mir gibt, das bring’ ich her,
'''(a)''' Was man mir gibt, das bring’ ich her,
'''(a)''' Gelehrte und polit’sche Mär;
'''(a)''' Gelehrte und polit’sche Mär;
'''(a)''' Von Ali Bei und seinem Heer,
'''(a)''' Von Ali Bei und seinem Heer,
'''(a)''' Vom Tartar-Khan, der wie ein Bär
'''(a)''' Vom Tartar-Khan, der wie ein Bär
'''(a)''' Die Menschen frisst am schwarzen Meer
'''(a)''' Die Menschen frisst am schwarzen Meer
'''(a)''' (Der ist kein angenehmer Herr),
'''(a)''' (Der ist kein angenehmer Herr),
'''(a)''' Von Persien, wo mit seinem Speer
'''(a)''' Von Persien, wo mit seinem Speer
'''(a)''' Der Prinz Heraklius wütet sehr.
'''(a)''' Der Prinz Heraklius wütet sehr.
'''(a)''' Vom roten Gold, vom Sternenheer,
'''(a)''' Vom roten Gold, vom Sternenheer,
'''(a)''' Von Unschuld, Tugend, die noch mehr
'''(a)''' Von Unschuld, Tugend, die noch mehr
'''(a)''' Als Gold und Sterne sind ... |[[Matthias Claudius]] aus der Ankündigung des Wandsbecker Boten }}</poem>
'''(a)''' Als Gold und Sterne sind |[[Matthias Claudius]] aus der Ankündigung des Wandsbecker Boten }}</poem>


{{Anker|Schweifreim}}{{Anker|Zwischenreim}}
==== {{Anker|Schweifreim|Zwischenreim}} Schweifreim, auch Zwischenreim ====

==== Schweifreim, auch Zwischenreim ====
Form: aa b cc b (usw.)
Form: aa b cc b (usw.)
<poem>{{Zitat|vor=|nach=|'''(a)''' Ja, ich weiß, woher ich stamme,
<poem>{{Zitat|vor=|nach=|'''(a)''' Ja, ich weiß, woher ich stamme,
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'''(b)''' Flamme bin ich sicherlich|[[Friedrich Nietzsche]] in [[Ecce_homo_(Nietzsche)|Ecce homo]]}}</poem>
'''(b)''' Flamme bin ich sicherlich|[[Friedrich Nietzsche]] in [[Ecce_homo_(Nietzsche)|Ecce homo]]}}</poem>



{{Anker|Kettenreim}}{{Anker|Terzinenreim}}
==== Kettenreim (auch: Terzinenreim) ====
==== {{Anker|Kettenreim|Terzinenreim}} Kettenreim (auch: Terzinenreim) ====
{{Hauptartikel|Terzine}}
{{Hauptartikel|Terzine}}
Die einzelnen Reimgruppen sind beim Kettenreim dadurch miteinander verknüpft, dass ein Wort der vorhergehenden Reimgruppe in der darauf folgenden Reimgruppe als Reimwort aufgenommen wird.
Die einzelnen Reimgruppen sind beim Kettenreim dadurch miteinander verknüpft, dass ein Wort der vorhergehenden Reimgruppe in der darauf folgenden Reimgruppe als Reimwort aufgenommen wird.
Form: aba bcb cdc ded (usw.)
Form: aba bcb cdc ded (usw.)
<poem>{{Zitat|vor=|nach=|'''(a)''' Auf halbem Weg des Menschenlebens fand
<poem>{{Zitat|vor=|nach=|'''(a)''' Auf halbem Weg des Menschenlebens fand
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==== Kehrreim ====
==== Kehrreim ====
{{Hauptartikel|Kehrreim}}
{{Hauptartikel|Refrain}}
Wiederholung einer Zahl (Kurzvers von nicht mehr als 8 Silben) oder sogar einer Kette an Zahlen (Koppelung zweier Reihen) am Schluss der Strophe, tritt in verschiedenen Formen als '''Endkehrreim''' (jeweils am Ende der Strophe), '''Anfangskehrreim''' (jeweils am Anfang der Strophe), '''Binnenkehrreim''' (innerhalb verschiedener Strophen), '''periodischer Kehrreim''' (kehrt nicht in jeder Strophe, sondern nur in jeder 2., 3., 4. wieder) oder '''binnenstrophiger Kehrreim''' (ist auf eine einzige Strophe beschränkt) auf.
Wiederholung einer Zahl (Kurzvers von nicht mehr als 8 Silben) oder sogar einer Kette an Zahlen (Koppelung zweier Reihen) am Schluss der Strophe, tritt in verschiedenen Formen als '''Endkehrreim''' (jeweils am Ende der Strophe), '''Anfangskehrreim''' (jeweils am Anfang der Strophe), '''Binnenkehrreim''' (innerhalb verschiedener Strophen), '''periodischer Kehrreim''' (kehrt nicht in jeder Strophe, sondern nur in jeder 2., 3., 4. wieder) oder '''binnenstrophiger Kehrreim''' (ist auf eine einzige Strophe beschränkt) auf.


{{Anker|Körnerreim}}
==== {{Anker|Körnerreim}} Körner ====
==== Körner ====
'''Körner''' (auch: ''Körnerreime'') sind Verszeilen, deren Reim nicht in der eigenen Strophe, sondern erst in der (den) folgenden seine Entsprechung hat und die einzelnen Strophen und deren Aussagen miteinander durch Reimklang umschlingt. Körner spielen im [[Meistersang]] eine Rolle.
'''Körner''' (auch: ''Körnerreime'') sind Verszeilen, deren Reim nicht in der eigenen Strophe, sondern erst in der (den) folgenden seine Entsprechung hat und die einzelnen Strophen und deren Aussagen miteinander durch Reimklang umschlingt. Körner spielen im [[Meistersang]] eine Rolle.


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== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
<references/>
<references />


== Weblinks ==
== Weblinks ==
{{Commonscat|Rhymes}}
{{Commonscat|Rhymes}}
{{Wiktionary}}
{{Wiktionary}}
* [http://de.wiktionary.org/wiki/Hilfe:Reime Reimwörterbuch im Wiktionary]


[[Kategorie:Reim| ]]
[[Kategorie:Reim| ]]

Version vom 17. Januar 2016, 14:13 Uhr

Der Reim ist im weiteren Sinne eine Verbindung von Wörtern mit ähnlichem Klang. Im engeren Sinne ist der Reim der Gleichklang eines betonten Vokals und der ihm folgenden Laute. Dieser Laut kann je nach Dichtungstradition am Anfang des Wortes (Anlaut), in der Mitte oder am Ende stehen. Beispiel: lauf – sauf; laufen – saufen; Laufender – Saufender. In der linguistisch orientierten Lyriktheorie werden Reime als phonologische Überstrukturierung aufgefasst.

Das mittelhochdeutsche Wort rim ist entlehnt aus dem Französischen: Das Substantiv rime für Reim stellt eine Rückbildung des Verbs rimer für „in Reihen ordnen, reimen“ dar (fränkisch und althochdeutsch rim „Reihe“). Die englische Schreibweise rhyme beruht darauf, dass zu Zeiten der Einführung des Modernen Englisch fälschlicherweise eine Verbindung zum griechischen rhythmos angenommen wurde.

Geschichte

Der Begriff „Reim“ bezeichnete bis ins 17. Jahrhundert den ganzen gereimten Vers. Martin Opitz (1597–1639), Dichter des Barock und Verfasser der ersten deutschsprachigen Poetik, begründete die heutige Definition: „Ein reim ist eine vber einstimmung des lautes der syllaben vnd wörter zue ende zweyer oder mehrer verse /welche wir nach der art die wir vns fürgeschrieben haben zusammen setzen.“[1] Die ursprüngliche Bedeutung hat sich aber noch in Ausdrücken wie Kinderreim und Kehrreim erhalten.

In China wurde der Reim bereits zwischen dem 10. und dem 7. Jahrhundert v. Chr. verwendet, was durch das Buch der Lieder, die älteste Sammlung von Gedichten und die größte aus vorchristlicher Zeit, bezeugt ist.

Die heidnische und christliche Dichtung der Spätantike im germanischen Sprachraum ist geprägt durch den Stabreim. Der Endreim wurde vermutlich über die christlich-lateinische Hymnendichtung eingeführt. Das alte Testament kennt den Reim aber ebenso wenig wie die Dichter der griechischen und römischen Antike, die den Gleichklang der Laute als unschön ablehnten.

Der Koran, der im 7. Jahrhundert entstand, ist in Reimprosa abgefasst. Diese literarische Form, die durch Endreime am Satzende oder an syntaktischen Einschnitten ohne Bindung an ein Versmaß getragen wird, war damals auf der arabischen Halbinsel sehr verbreitet.

Die geistliche und weltliche lateinische Dichtung des europäischen Mittelalters ist entweder akzentuierend und reimend, oder sie erscheint reimlos und quantitierend, d. h. es werden die antiken Metren verwendet, vor allem der Hexameter. Eine Ausnahme bildet der leoninische Vers, der die Quantitäten mit dem Reim verband.

Als erste in Endreimen abgefasste deutsche (althochdeutsche) Schriftdichtung gilt das Evangelienbuch Otfrids von Weißenburg (um 870). Seit dem 12. Jahrhundert tritt der Reim den Siegeszug in der Dichtung aller europäischen Volkssprachen an, und er behält seine vorherrschende Stellung, bis diese sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts stark abschwächt. Die moderne Lyrik verzichtet häufig auf die klassischen poetischen Mittel von Reim und Versmaß und verwendet den freien Vers, der im 19. Jahrhundert in Frankreich als vers libre entwickelt wurde. Durch den völligen Verzicht auf die Regeln der Metrik nähert sich der freie Vers der Prosa an.

Versuche deutscher Dichter im 18. Jahrhundert, den Reim durch den Blankvers und antike Metren zu ersetzen (Klopstock, Voss, Goethe, Schiller, Hölderlin), bleiben eine – wenn auch sehr bedeutsame – Episode.

Sehr lebendig ist der Reim auch noch im 21. Jahrhundert innerhalb der Rap-Poetry und beim Spoken Word, wo er auf vielfältigste Weise und bei weitem nicht nur auf den Endreim beschränkt als Stilmittel verwandt wird.

Funktion

Eine Funktion des Reims im Gedicht ist es, zusätzlich zu der metrischen Struktur der Silben, eine Struktur der Reime zu eröffnen, und damit diese beiden Perzeptionsebenen zu einer übergeordneten komplexeren Ebene in Beziehung zu setzen. Reim dient also nicht bloß der 'Gliederung', sondern die Reimstruktur bildet eine eigene ästhetische Dimension der Lyrik.

Lyrik hat eine musikalische Dimension. Der Gleichlaut ist vergleichbar mit einem phonetischen Idiom, das die Rückkehr zu bzw. das Ausgehen von einem Referenzpunkt (s. Kadenz) ermöglicht. Er schmeichelt dem Ohr und wirkt nach dem ästhetischen Prinzip der Einheit in der Vielfalt vor allem dann überzeugend, wenn die Reimwörter in ihrer Bedeutung und ihren Konnotationen weit auseinander liegen. Als Echo des Gedankens haben reimende Wörter oft für die Sinngebung der Dichtung ein besonderes Gewicht. Karl Kraus vertrat die Ansicht, dass ein Reim umso höher zu bewerten sei, je mehr Widerstand er zu überwinden hätte, sei es, dass ein einsilbiges Wort auf ein mehrsilbiges reimt oder die beiden Reimwörter aus verschiedenen sprachlichen Sphären stammen[2].

Gereimtes bleibt zudem besser im Gedächtnis haften, daher haben Sprichwörter, Wetterregeln, Merkverse, Werbesprüche und dergleichen oft die Form des Reims. So hat das Reimen von Botschaften auch einen pragmatischen Nutzen, z. B. bei den Wandersängern des Mittelalters und der Renaissance zur Übermittlung von Nachrichten.

Der Endreim markiert das Ende der Zeile und setzt die einzelnen Zeilen zueinander in Beziehung. Diese Funktion ist besonders wichtig in französischen Gedichten, in denen der Vers nur durch die Silbenzahl (z.B. im Alexandriner zwölf oder dreizehn Silben) bestimmt wird.

Reimformen

Reime können nach ihrer Silbenzahl, der Stellung im Vers, ihrer phonologischen und morphologisch-lexikalischen Struktur und ihrem Reimschema beschrieben werden. Regelmäßige Reimschemata deuten in Zusammenhang mit bestimmten Versformen auf festgelegte lyrische Strophenformen hin. Bertolt Brechts Gedicht Erinnerung an die Marie A. mag als Beispiel dienen:

„Und über uns im schönen Sommerhimmel
War eine Wolke, die ich lange sah
Sie war sehr weiß und ungeheuer oben
Und als ich aufsah, war sie nimmer da.“

Das Reimpaar „sah/da“ beispielsweise ist einsilbig (Silbenzahl), endreimend (Stellung im Vers), rein (phonologisch) und reimt nur jede zweite Zeile (Reimschema). Morphologisch-lexikalisch weist es keine Besonderheiten auf. Formal steht Brechts Gedicht damit der Volksliedstrophe nah.

Reime nach der Silbenzahl

Männlich oder stumpf, einsilbig

Die Zeile endet auf einer betonten Silbe.

„Es stand vor eines Hauses Tor
Ein Esel mit gespitztem Ohr.“

Weiblich oder klingend, zweisilbig

Beide Zeilen enden auf reimenden Silben, die erste ist betont, die zweite unbetont.

„Womit man denn bezwecken wollte,
dass sich der Esel ärgern sollte.“

Wilhelm Busch

Gleitend oder reich, dreisilbig

Beide Zeilen reimen auf drei Silben, deren erste betont ist.

„Wunderschön Prächtige,
Große und Mächtige

Erweitert, vielsilbig

Der erweiterte Reim (auch: Doppel-, Mehrfach- oder Combo-Reim) reimt mehr als drei Silben.

„Den Straßenfeger mit Geselle plagt die Szenerie
jedoch ein Neger mit Gazelle zagt im Regen nie

In Strophenformen, bei denen sich alternierend männliche und weibliche Reime abwechseln, spricht man auch vom Reimgeschlecht des jeweiligen Verses.

Reime nach der Stellung im Vers

Endreim

Beim Endreim oder auch Ausgangsreim stehen die Reimworte am Ende des Verses. Dies ist die im Deutschen und zahlreichen anderen Sprachen häufigste Reimform.

„Ich trällere Triolen
Mich soll der Teufel holen.“

Binnenreim

Beim Binnenreim stehen die Reimworte ganz oder teilweise im Versinneren. Nach der jeweiligen Stellung der Reimworte werden mehrere Formen unterschieden:

  • Innenreim oder Inreim: Reimworte am Versende und im Versinneren desselben Verses
  • Mittelreim: Reimwörter im Inneren aufeinanderfolgender Verse. Eine spezielle Form des Mittelreims ist der Zäsurreim, bei dem die Reimworte vor einer Zäsur stehen.
  • Mittenreim: ein Wort am Versende reimt mit einem Wort im Inneren des folgenden oder vorangehenden Verses
  • Schlagreim: Reimwörter folgen unmittelbar aufeinander. Spezielle Formen des Schlagreims sind:

Anfangsreim

Beim Anfangsreim oder auch Eingangsreim reimen die ersten Wörter zweier Verse.

Zeilen, die sich hinten reimen,
nennt man darum ein Gedicht.
Feilen muss man da nicht lange.
Kennt man eine andre Form?“

Michael Schönen

Pausenreim

Beim Pausenreim steht das Reimwort nach einem reimlosen Vers am Anfang des nächsten Verses. Der reimtragende Vers erscheint deshalb reimlos und erweckt den Eindruck der Pause.

„Sieh jene Kraniche in großem Bogen!
Die Wolken, welche ihnen beigegeben
Zogen mit ihnen schon, als sie entflogen.“

Bertolt Brecht in Terzinen über die Liebe

Reime nach phonologischer Struktur

Die Begriffe rührender, äquivoker (gleichlautender), erweiterter (Mehrfachreim) und Vorreim werden in der Fachliteratur unterschiedlich geführt und überschneiden sich zum Teil erheblich in ihren Bedeutungen. Der Vorreim (3.3.4) wird hier als Reim geführt, bei dem reimende oder assonierende Vorsilben oder Satzpartikel mitklingen, während der rührende Reim (3.3.6) den Anlaut der Reimsilbe mitreimt. Der rührende Reim ist dem Vorreim damit untergeordnet. Beide können ein-, zwei- oder mehrsilbig sein. Äquivoke (gleichlautende) Reime klingen homophon (3.3.7). Der Begriff erweiterter Reim (3.1.4) wird hier nur silbenzählend verwendet (für Verse, in denen mehr als drei Silben reimen).

Erweiterter Reim

Der „erweiterte Reim“ ist ein Überbegriff für alle Formen des Reims, bei denen die Übereinstimmung der Reimwörter über den, für den Endreim maßgeblichen Teil ab der letzten betonten Silbe, hinausgeht. (Vgl. reicher Reim, rührender Reim, identischer Reim, grammatischer Reim, Schüttelreim)

Reicher Reim

Die sich reimenden Wörter stimmen schon ab dem vorletzten betonten Vokal überein. Zum Beispiel: „überleben – drüber heben“.

Reiner Reim

In einem reinen Reim stimmt die hörbare Lautfolge der Reimsilben genau überein.

„Soviel ihr auch fleht
Ich bitte euch: Geht!

Unreiner Reim

Beim unreinen Reim stimmt die hörbare Lautfolge der Reimsilben annähernd überein, Abweichungen treten in Klangfärbung und Betonung auf. Unreine Reime werden oft durch ähnliche klingende Konsonanten (d auf t) oder mit Umlauten gebildet (ä oder ö wird mit dem Selbstlaut e gereimt, auch der Umlaut ü mit dem Vokal i) ebenso wie mit ähnlich klingenden Vokalverbindungen (wie ei mit eu/äu).

„Wie ein Gebild aus Himmelshöh’n,
mit züchtigen, verschämten Wangen
sieht er die Jungfrau vor sich steh’n.

Mitunter sind Reime vielleicht nur nach heutigen (hochdeutschen) Aussprachestandards als unrein anzusehen, nicht jedoch, wenn die mundartlichen Einflüsse berücksichtigt werden, unter denen ein Dichter früherer Jahrhunderte gestanden hat. Dies betrifft im Konkreten etwa die Auslautverhärtung, die Konsonantenschwächung und die in ober- und mitteldeutschen Mundarten weit verbreitete Entrundung. Ein Beispiel ist Goethes Verspaar „Ach neige / du schmerzensreiche“. Der Frankfurter Goethe sprach neiche. Und der Schwabe Schiller reimte Eile auf Keule (er sprach Keile) und süß auf Paradies.[3]

Ebenso können Reime nur aus strenger hoch- bzw. schriftsprachlicher Sicht unrein sein, in anderen Varietäten/Registern (dialektal geprägte Akzente; Umgangssprache; Jugendsprache usw.) aber reine Reime darstellen. Beim Rap z.B. wird Umgangssprache zur Reimbildung genutzt (Hammer wird auf Mama gereimt; allerdings sind auch standardsprachlich unbetontes [ɐ] und unbetontes [a] phonetisch-auditiv sehr ähnlich).[4]

Assonanz

Unreiner Reim: Nur die Vokale, aber nicht die Konsonanten stimmen überein.

„Ihr dürft es gerne wagen,
An den Früchten euch zu laben

Parareim

Nur die Konsonanten, nicht aber die Vokale stimmen überein. Die Vokalquantität bleibt erhalten.

„Ihr dürft es gerne wagen:
Stürzt euch in die Wogen!“

Vorreim

Der Vorreim ergänzt das Reimwort durch ebenfalls reimende oder assonierende Vorsilben oder Satzpartikel.

„Weshalb leiden und ertragen?
Und was mich mitnimmt, mir erklagen?“

Endsilbenreim

Der Endsilbenreim reimt zwischen nebentonigen und unbetonten Endsilben.

„Es zucken die Blitze denn
Und stinken die Harpyien.“

Rührender Reim

Der rührende Reim reimt auch den Anlaut der Reimsilbe mit, d.h. auch die Konsonanten vor der betonten Reimsilbe klingen gleich.

„In meinem Schädel schwirrt es,
Vor Augen dunkel wird es“

Äquivoker Reim

Der äquivoke (gleichlautende) Reim reimt homophone Wörter.

„Euch werd ich’s lehren,
euch so zu entleeren.“

Identischer Reim

Der identische Reim reimt dasselbe Wort.

„Kindlein schlug sich an den Kopf,
blutig war darauf der Kopf.“

Historischer Reim

Der historische Reim war zur Zeit seiner Entstehung rein, ist es aber heute aufgrund anderer Sprechgewohnheiten nicht mehr.

prove/love

slay/shey

Doppelreim

Ein Doppelreim ist ein drei- oder viersilbiger Endreim mit der folgenden Zeile, der zwei Hebungen bzw. zwei sich selbständig reimende Wörter enthält:

Klanggeister – Sangmeister

Enthält der Reim nur eine Hebung, so wird er als vokalischer Halbreim bezeichnet:

licht war – sichtbar (Hesse).

Schüttelreim

Ein Schüttelreim ist ein Doppelreim mit zwei Anfangslauten oder -lautgruppen, die den Platz tauschen.

„Ich seh' dich bleich erglühen,
du wirst sogleich erblühen.“

„Wer ander'n in die Möse beißt,
ist böse meist.“

„Er würgte eine Klapperschlang' bis ihre Klapper schlapper klang

Reime nach morphologisch-lexikalischen Besonderheiten

Gespaltener Reim

Der gespaltene Reim ist ein mehrsilbiger Reim, bei dem sich mindestens eines der Reimglieder auf zwei oder mehrere, meist kurze Worte erstreckt.

„Es gibt nichts Gutes
außer: Man tut es.“

Gebrochener Reim

Der gebrochene Reim ist ein Reim, der durch ein morphologisches Enjambement (einen Zeilenwechsel mitten im Wort) möglich wird.

„Er bleibt im Trench-
coat der gleiche Mensch.“

Augenreim

Der Augenreim ist ein mehrsilbiger Reim, der sich nur orthographisch reimt und verstärkt in Fremdsprachen, insbesondere der englischen Sprache, auftritt.

„Greif im Aldi in der Schlange
Aus dem Wagen die Orange.
Aber ach, welche Blamage:
Jene sah schon bessre Tage.
Auch das falbe Cordon Bleu:
Nicht mehr nigelnagelneu.
Dieser Einkaufsvormittag
Taugt noch als Gedichte-Gag.“

Ohrenreim

Der Ohrenreim ist ein Reim, der auf dem Gleichklang der Reimwörter bei gleichzeitig verschiedener Schreibweise beruht, v. a. bei Fremdwörtern. Zum Beispiel: 'Bei Facebook liken - die Freunde verschweigen'.

Grammatischer Reim

Der grammatikalische Reim (auch: grammatischer oder Stammreim) verbindet Wörter des gleichen Stammes, zum Beispiel 'ableben - verleben'. Oft auch Flexionsformen desselben Wortes ohne Rücksicht auf Gleichklang.

„Es ist eine Schande,
sie so zu schänden.“

Umgekehrter Reim

Ein umgekehrter Reim (nach Alexander Nitzberg) ist eine Mischung aus grammatikalischem und Schüttelreim. Er reimt Wörter, bei denen Buchstaben ausgetauscht wurden.

„wundern/wurden
verkümmere/verkrümme“

Zwillingsreim

Eine Mischform aus gleichlautendem, mehrsilbigem und gespaltenem Reim ist der Zwillingsreim (nach Günter Nehm): Er reimt Wörter mit gleichem Buchstabenmaterial, die an jeweils anderer Stelle durchtrennt werden.

„Böse Diebe klauten Waren,
Böse die Beklauten waren.“

Günter Nehm

Vexierreim

Der Vexierreim (von lat. vexare = plagen, vgl. Vexier und Vexierbild) steuert auf ein naheliegendes Reimwort (oft mit frivolem oder kompromittierendem Hintergrund) zu, bevor er ein anderes vergibt. In Liedform spricht man von einem Vexierlied.

„Wir ziehen los mit ganz großen Schritten,
und Erwin faßt der Heidi von hinten an die Schulter.“

aus dem Refrain des Stimmungsliedes Polonäse Blankenese (Interpret: Gottlieb Wendehals)

Das erwartete Reimwort kann auch durch eine gesamte Phrase ersetzt werden:

„Denn jetzt kommt Tutti Frutti auf RTL,
da ham' die Frauen fast nichts drunter.
Ich sitz' in meinem Sessel, der Puls geht schnell,
und dann hole ich mir einen – Beutel Kartoffelchips aus der Küche.“

Aus dem Lied So. 22:40 RTL [do it yourself] (Interpret: Norbert und die Feiglinge)

Stabreim

Der Stabreim ist ein strenges Versilbungsprinzip der altgermanischen Sprachen, das sich der Alliteration bedient, das also gleiche Anlaute von betonten Stammsilben an bestimmten Positionen im Vers fordert. Vor allem im Alt- und Mittelenglischen, Altnordischen, Altsächsischen und Althochdeutschen sind Dichtungen in Stabreimversen überliefert.

In den Literaturen der Neuzeit wird der Stabreim nur historisierend verwendet (Richard Wagner). Alliteration ist dagegen ein seit jeher und bis heute häufig gebrauchtes sprachliches Schmuckmittel, allerdings kann es nur im weitesten Sinne als Reim gelten, wenn es nicht mit metrischer Regelhaftigkeit eingesetzt wird.

Reimfolgen am Versende/Reimschemata

Paarreim

Form: aabb ccdd (usw.)

(a) Ich geh' im Urwald für mich hin…
(a) Wie schön, dass ich im Urwald bin:
(b) Man kann hier noch so lange wandern,
(b) Ein Urbaum steht neben dem andern.“

Es ist ein Paarreim, wenn sich die jeweils letzten Wörter von zwei aufeinander folgenden Versen reimen. Zwei durch Paarreim verbundene Verse werden dementsprechend Reimpaar genannt.

Kreuzreim, auch Wechselreim

Form: abab cdcd (usw.)

(a) Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe
(b) so müd geworden, daß er nichts mehr hält.
(a) Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
(b) und hinter tausend Stäben keine Welt.“

Umarmender Reim, Blockreim

(auch: Umfassender Reim, umschließender Reim oder eingebetteter Reim genannt) Form: abba cddc (usw.)

(a) Ein reiner Reim ist sehr begehrt,
(b) doch den Gedanken rein zu haben,
(b) die edelste von allen Gaben,
(a) das ist mir alle Reime wert.“

-Goethe

Das heißt, ein Reimpaar fasst ein anderes ein, „umarmt“ es bildlich gesehen also.

Verschränkter Reim

Die Reimfolge ist beim verschränkten Reim: abc abc (usw.). Man kann sich vorstellen, die Reimpaare aa, bb, cc seien wechselweise ineinander verschoben, also 'verschränkt' worden.

(a) Der Tag ist karg an liebesüßen Wonnen,
(b) Es schmerzt mich seines Lichtes eitles Prangen
(c) Und mich verzehren seiner Sonne Gluthen.
(a) Drum birg dich Aug' dem Glanze irrd'scher Sonnen!
(b) Hüll' dich in Nacht, sie stillet dein Verlangen
(c) Und heilt den Schmerz, wie Lethes kühle Fluten“

Haufenreim

Beim Haufenreim wiederholt sich der Reim mehr als zweimal hintereinander.

Eine spezielle Form des Haufenreims ist der Dreireim mit drei aufeinanderfolgenden Reimen, der in der Stollenstrophe das Strophenende markiert (Form: ababccc). Sonst ist der Dreireim selten.

Wird der Reim viermal oder öfter wiederholt und verknüpft alle Verse einer Strophe oder eines Gedichtabschnitts, so spricht man von Einreim, Reihenreim oder Tiradenreim.

(a) Ich bin ein Bote und nichts mehr,
(a) Was man mir gibt, das bring’ ich her,
(a) Gelehrte und polit’sche Mär;
(a) Von Ali Bei und seinem Heer,
(a) Vom Tartar-Khan, der wie ein Bär
(a) Die Menschen frisst am schwarzen Meer
(a) (Der ist kein angenehmer Herr),
(a) Von Persien, wo mit seinem Speer
(a) Der Prinz Heraklius wütet sehr.
(a) Vom roten Gold, vom Sternenheer,
(a) Von Unschuld, Tugend, die noch mehr
(a) Als Gold und Sterne sind – …“

Matthias Claudius aus der Ankündigung des Wandsbecker Boten

Schweifreim, auch Zwischenreim

Form: aa b cc b (usw.)

(a) Ja, ich weiß, woher ich stamme,
(a) Ungesättigt gleich der Flamme
(b) Glühe und verzehr' ich mich.
(c) Licht wird alles, was ich fasse,
(c) Kohle alles, was ich lasse,
(b) Flamme bin ich sicherlich“


Kettenreim (auch: Terzinenreim)

Die einzelnen Reimgruppen sind beim Kettenreim dadurch miteinander verknüpft, dass ein Wort der vorhergehenden Reimgruppe in der darauf folgenden Reimgruppe als Reimwort aufgenommen wird. Form: aba bcb cdc ded (usw.)

(a) Auf halbem Weg des Menschenlebens fand
(b) ich mich in einen finstern Wald verschlagen,
(a) Weil ich vom rechten Weg mich abgewandt.

(b) Wie schwer ist’s doch, von diesem Wald zu sagen,
(c) Wie wild, rauh, dicht er war, voll Angst und Not;
(b) Schon der Gedank’ erneuert noch mein Zagen.

(c) Nur wenig bitterer ist selbst der Tod;
(d) etc.“

Kehrreim

Wiederholung einer Zahl (Kurzvers von nicht mehr als 8 Silben) oder sogar einer Kette an Zahlen (Koppelung zweier Reihen) am Schluss der Strophe, tritt in verschiedenen Formen als Endkehrreim (jeweils am Ende der Strophe), Anfangskehrreim (jeweils am Anfang der Strophe), Binnenkehrreim (innerhalb verschiedener Strophen), periodischer Kehrreim (kehrt nicht in jeder Strophe, sondern nur in jeder 2., 3., 4. wieder) oder binnenstrophiger Kehrreim (ist auf eine einzige Strophe beschränkt) auf.

Körner

Körner (auch: Körnerreime) sind Verszeilen, deren Reim nicht in der eigenen Strophe, sondern erst in der (den) folgenden seine Entsprechung hat und die einzelnen Strophen und deren Aussagen miteinander durch Reimklang umschlingt. Körner spielen im Meistersang eine Rolle.

Nichtreimende Verse

Waise

Als Waise wird ein Vers bezeichnet, der sich mit keiner anderen Zeile reimt. Im Reimschema häufig mit x oder w notiert.

Literatur

geordnet nach dem Erscheinungsjahr

  • Friedrich Ferdinand Hempel (Pseudonym „Peregrinus Syntax“): Allgemeines deutsches Reimlexikon. Brockhaus, Leipzig 1826 (Digitalisat).
  • Ulrich Ernst, Peter-Erich Neuser (Hrsg.): Die Genese der europäischen Endreimdichtung (= Wege der Forschung. 444). Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1977, ISBN 3-534-06717-7.
  • Gerhard Grümmer: Spielformen der Poesie. 2. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1988, ISBN 3-323-00204-0.
  • Willy Steputat: Reimlexikon. Neu bearbeitet von Angelika Fabig. Reclam, Stuttgart 1997, ISBN 3-15-029620-X.
  • Bernhard Asmuth: Reim. In: Gert Ueding (Hrsg.): Historisches Wörterbuch der Rhetorik. Band 7: Pos – Rhet. Niemeyer, Tübingen 2005, ISBN 3-484-68107-1, Sp. 1115–1144.
  • Rüdiger Zymner, Harald Fricke: Einübung in die Literaturwissenschaft. Parodieren geht über Studieren (= UTB 1616 Literaturwissenschaft). 5., überarbeitete und erweiterte Auflage. Ferdinand Schöningh, Paderborn 2007, ISBN 978-3-8252-1616-0.

Einzelnachweise

  1. Martin Opitz: Buch von der deutschen Poeterei - digitalisiert
  2. lyrikmond.de Die Lehre vom Reimwiderstand nach Karl Kraus
  3. Erwin Arndt: Deutsche Verslehre. Berlin 1985, S.110
  4. Beispiele für unreine Reime mit ähnlich klingenden Vokalen, Konsonanten, Doppelvokalen und Dialekten finden sich in der Reimschule.
Commons: Rhymes – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Reim – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen