Anne Imhof

Anne Imhof (* 1978 in Gießen) ist eine deutsche Künstlerin. Ihr Werk umfasst Zeichnung, Malerei, Musik sowie installative und performative Arbeiten. 2017 erhielt sie für die Gestaltung des deutschen Pavillons auf der Biennale von Venedig den Goldenen Löwen und belegte Platz 1 der Monopol-Top-100-Liste.[1]

Leben und Werk

Anne Imhof wurde als Tochter des Pädagogen Michael Imhof (* 1947) und seiner Frau, der Dentistin Annette Imhof-Kramer geboren. Ihr Cousin ist der Kunstbuchverleger Michael Imhof (* 1964). Sie wuchs in Petersberg bei Fulda auf. Sie besuchte die katholische Marienschule in Fulda und das Marianum in Fulda, ein katholisches Privatgymnasium, das in der Tradition der Marianisten geführt wird.[2] Dort legte sie 1997 auch ihr Abitur ab. Künstlerische Impulse erhielt Imhof während eines ursprünglich einjährigen Austauschaufenthalts im Prior Park College in Bath, wo ein Lehrer sie täglich im Zeichnen unterrichtete.[3]

Von 2000 bis 2003 studierte sie Visuelle Kommunikation bei Heiner Blum an der Hochschule für Gestaltung Offenbach (HfG). Mit Private Butterflies stellte sie 2003 eine erste Videoarbeit beim Festival junger Talente vor, einer Veranstaltung in den Hallen der Offenbacher Messe. Der Film entstand in Zusammenarbeit mit der Mitschülerin und Fotografin Nadine Fraczkowski, mit der Imhof seither zusammenarbeitet.[4]

2008 schrieb sie sich an der Städelschule in Frankfurt am Main ein. Als Meisterschülerin bei Judith Hopf beendete sie 2012 ihr Studium und wurde für ihre Abschlussarbeit mit dem Absolventenpreis ausgezeichnet. Dieser wird jährlich im Museum für Moderne Kunst Frankfurt am Main verliehen. Ihre School of the Seven Bells – 1st of at least four war eine 40-minütige Performance, die von einem Musikstück mit Gesang eingeleitet wurde und die sie mit 14 Freunden verwirklichte. In choreografierten und improvisierten Bewegungen reichten sich die Darsteller im Raum kleine Staffelstäbe weiter. Das Stück „… lässt sich als Allegorie des ständigen Gebens und Nehmens lesen, das dieses spezifische soziale Universum auszeichnet. Denn der Stab muss, auch in einer Kunstakademie, unausgesetzt weitergereicht werden, wenn auch auf ausgesprochen verdeckte und klandestine Art.“[5] Im August 2008 fand die Konzertpremiere ihres Duos mit Oliver Augst in der basis[6] in Frankfurt statt.[7]

Im Jahr 2013 hatte Imhof im Portikus in Frankfurt ihre erste Einzelausstellung. Dort zeigte sie drei Performances: School of the Seven Bells, Ähjeii und Aqua Leo. Bei den Performances wirkten neben neun Darstellerinnen auch zwei lebende Esel mit. Die Inszenierung wurde von Videos auf zwei Leinwänden, einer Wand mit Probenfotos sowie einer von der Decke hängenden, übergroßen Zeichnung gerahmt.[8] 2013/2014 erhielt sie ein Atelierstipendium der Hessischen Kulturstiftung. In dem Pariser Atelier der Stiftung führte sie die bereits früher begonnene Arbeit SOTSB (School of the Seven Bells) fort.

2015 erhielt Imhof den Preis der Nationalgalerie für junge Kunst für ihre Installation Rage, die 2014 in Paris entstand und Teile ihrer Arbeiten Deal (2015) und Rage (2014) zu For Ever Rage verband. Die Arbeit wurde im Hamburger Bahnhof in Berlin zusammen mit den Arbeiten weiterer Preisträger von September 2015 bis Januar 2016 gezeigt. Zwischenmenschliche Spannungen und die Kommunikation zwischen einem Kollektiv und den Individuen grundierten den Aufbau und die Handlung. Große Boxsäcke, die mit Ketten von den Decken hingen, an den Wänden Aluminiumplatten die Imhof minimalistisch bearbeitete, sowie Pissoirs aus Metall und mit Buttermilch gefüllte Betonwannen bildeten die räumliche Situation für Imhofs Choreografie. Die Darsteller bewegten sich in Zeitlupentempo durch die Menagerien, reichten Buttermilch weiter und deklamierten einen mehrstimmigen, auf- und abschwellenden Sound.[9] Die Arbeit Deal wurde zuvor 2015 im MoMA PS1 gezeigt. Als Bassistin hatte sie seit 2012 auch mit ihrer Band Beautiful Balance zahlreiche öffentliche Auftritte.[10]

2016 schuf Imhof den Werkzyklus Angst, der sich zeitlich und räumlich über drei Stationen erstreckt: Angst I wurde im Juni 2016 in der Kunsthalle Basel gezeigt, Angst II im September 2016 im Hamburger Bahnhof in Berlin. Die Performance Angst III wurde am 19. Oktober 2016 im Rahmen der Biennale de Montréal 2016 gezeigt. Bis Januar 2017 war die damit verbundene Installation im Musée d’art contemporain de Montréal zu sehen. Der Zyklus, den sie als Oper in drei Akten bezeichnet, bildet eine malerische Komposition, die sich aus Musik, Texten, skulpturalen Elementen sowie Akteuren, lebenden Falken und ferngesteuerten Quadrokopter-Drohnen zu einem Gesamtbild zusammenfügt.[11] Als Ouverture zum Werkzyklus Angst fand im Frühjahr 2016 eine mehrtägige Performance sowie eine Ausstellung in der Galerie Buchholz in Köln statt.[12][13]

Auf Einladung der Kuratorin Susanne Pfeffer gestaltete Imhof 2017 den deutschen Pavillon auf der 57. Internationalen Kunstausstellung – La Biennale di Venezia[14][15] – und führte unter dem Titel Faust eine fünfstündige Performance auf. Sie erhielt dafür den Goldenen Löwen als bester nationaler Beitrag.[16] In der Monopol-Top-100-Liste der einflussreichsten Persönlichkeiten des Kunstbetriebs erreichte sie 2017 den ersten Platz.[1]

2020 gehörte Anne Imhof zu den Erstunterzeichnern der Zero Covid Kampagne.[17]

Von Oktober 2022 bis Januar 2023 lief unter dem Titel Anne Imhof – YOUTH im Stedelijk Museum Imhofs erste Einzelausstellung in den Niederlanden. Sie wurde ursprünglich von Beatrix Ruf in Zusammenarbeit mit Katya Inozemtseva für das Garage Museum of Contemporary Art in Moskau kuratiert. Infolge des Krieges gegen die Ukraine wurde das dortige Ausstellungsprogramm unterbrochen und die Vorbereitungen für die geplante Ausstellung dienten als Basis für die Ausstellung in Amsterdam, die von Vincent van Velsen in Zusammenarbeit mit Rein Wolfs kuratiert wurde.[18] Vom 8. Juni bis 22. September 2024 zeigt das Kunsthaus Bregenz unter dem Titel Wish You Were Gay eine persönliche Bestandsaufnahme Imhofs mit Videoarbeiten, Flachreliefs, großformatigen Ölgemälden und Skulpturen.[19]

Imhof lebt und arbeitet zusammen mit ihrer langjährigen Partnerin, der Künstlerin Eliza Douglas, in Berlin-Kreuzberg und Los Angeles.[20][19]

Werke in Museen

  • Aus der Pranke des Löwen, 2012, Installation. Museum für Moderne Kunst Frankfurt am Main, Inv. Nr. 2013/71
  • Der innere Kreis wurde der äußere Kreis, 2012. Alu-Dibond, Radierung, Acryl. Museum für Moderne Kunst Frankfurt am Main, Inv. Nr. 2013/73

Ausstellungen

Einzelausstellungen

Ausstellungsbeteiligungen

  • 2023: Jester, Art Basel Unlimited, Basel[25]
  • 2015: Preis der Nationalgalerie, Hamburger Bahnhof, Berlin
  • 2015: New Frankfurt Internationals, Frankfurter Kunstverein, Frankfurt am Main
  • 2014: Boom She Boom, Werke aus der Sammlung des MMK, MMK, Frankfurt am Main
  • 2012: Zauderberg. Absolventen der Städelschule 2012, Museum für Moderne Kunst Frankfurt am Main – Zollamt

Tonaufnahmen

Chart­plat­zie­rungen
Erklärung der Daten
Singles[26]
Love My Life (Ufo361 feat. 070 Shake & Anne Imhof)
 DE3310.03.2023(1 Wo.)
  • Brand New Gods, 2016, Vinyl, 12″, Galerie Buchholz, Köln

Auszeichnungen

Einzelnachweise

  1. a b Elke Buhr, Sebastian Frenzel, Jens Hinrichsen, Silke Hohmann, David Jenal, Saskia Trebing, Daniel Völzke: Top 100. Das sind die 100 wichtigsten Künstler und Kuratoren, Galeristen und Händler, Sammler und Kritiker 2017. In: Monopol. Nr. 12. Res Publica Verlags GmbH, 16. November 2017, S. 44–69.
  2. Veröffentlichung der Schule, marianum-fulda.de
  3. Dorothee Baer-Bogenschütz: Angst vor der Unendlichkeit. In: Gießener Allgemeine vom 6. Januar 2017
  4. Private Butterflies: Nadine Fraczkowski, Anne Imhof Festival junger Talente, Messehalle Offenbach, 2003
  5. Anne Imhof erhält Absolventenpreis der Städelschule Portikus e.V. 2012 (Memento vom 2. November 2016 im Internet Archive)
  6. basis-frankfurt.de
  7. Aufzeichnung auf youtube.com
  8. Victoria Camblin: Openings – Anne Imhof. In: Artforum, Ausgabe Oktober 2013
  9. Nicola Kuhn: Preis für Anne Imhof: Auf dem Sprung. In: Der Tagesspiegel vom 19. September 2015
  10. Free Listening on SoundCloud
  11. Website Hamburger Bahnhof - Museum für Gegenwart, abgerufen am 10. September 2023
  12. Anne Imhof: „Ich will, dass es eine Feier ist“ Internetseite Frankfurter Allgemeine Zeitung
  13. Künstlerische Performance. In: sueddeutsche.de. 29. April 2016, abgerufen am 3. August 2018.
  14. Anne Imhof gestaltet den deutschen Pavillon für die 57. Kunst-Biennale in Venedig. In: Deutsche Welle. 26. Oktober 2016, abgerufen am 29. August 2018.
  15. Alles ist so gegenwartshaltig in FAZ vom 12. Mai 2017, Seite 13
  16. Sandra Trauner: Biennale in Venedig: Goldene Löwen für deutsche Künstler. In: Spiegel Online. 13. Mai 2017, abgerufen am 15. Mai 2017.
  17. #ZeroCovid – Das Ziel heißt Null Infektionen! Für einen solidarischen europäischen Shutdown. 27. Januar 2021, archiviert vom Original am 27. Januar 2021; abgerufen am 8. April 2023.
  18. Stedelijk Museum: Anne Imhof – Youth
  19. a b Kunsthaus Bregenz: Anne Imhof – Wish You Were Gay. Abgerufen am 22. Juni 2024 (deutsch).
  20. Anne Imhof: "Was ist denn bitte am Mainstream schlecht?" In: Die Zeit. Abgerufen am 3. Februar 2023.
  21. Internetseite Stedelijk Museum
  22. Pressemeldung: BMW Tate Live Ausstellung: Anne Imhof. Tate Modern enthüllt neues Werk von Anne Imhof. Auf: www.press.bmwgroup.com vom 21. März 2019
  23. Website Hamburger Bahnhof - Museum für Gegenwart, abgerufen am 10. September 2023
  24. Internetseite Portikus
  25. Jester, 2022, abgerufen am 14. November 2023
  26. Chartquellen: DE
  27. Binding-Kulturpreis für Künstlerin Anne Imhof, wdr.de, veröffentlicht und abgerufen am 25. März 2022.
  28. Internetseite Hessische Kulturstiftung (Memento desOriginals vom 23. September 2017 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.hkst.de
  29. Internetseite Feuilletonfrankfurt.de
  30. Internetseite Feuilletonfrankfurt.de