Aleksandrs Dauge

Der lettische Bildungsminister Alexander Dauge (1868–1937), Cartoon von K. Krauzes, aus: Svari, Nr. 8 vom 10. Februar 1922

Aleksandrs Dauge (lettisch; deutsch: Alexander Dauge, russisch: Александр Георгиевич Дауге) (* 10. August 1868 in Sauka [dt.: Saucken], Kreis Jaunjelgava, [dt.: Friedrichstadt], Provinz Kurland, Russisches Kaiserreich; † 11. März 1937 in Riga, Lettland) war ein lettischer Lehrer, Literaturwissenschaftler, Journalist und vom 19. Juni 1921 bis zum 26. Januar 1923 Staatsminister für Bildung in Lettland.

Familie

Der Familiennamen Dauge leitet sich von der französischen Provinz Pays d’Auge ab.

Alexanders Vater war der Landschul-Lehrer Georg (lettisch: Juris) Dauge in Sauken (1835–1908). Seine Mutter war Elvira Dauge, geb. Bišofa (Elvira Bischof).

Ein älterer Bruder von Alexander Dauge, der Kaufmann Emil Arthur Dauge, wurde Direktor einer chemischen Fabrik in Moskau, die zur Badischen Anillin- und Soda-Fabrik (BASF) gehörte. Er heiratete Julie Adeline Kummerau, offenbar im Dezember 1890 in Moskau.[1]

Alexander Dauges jüngerer Bruder Paul (lettisch: Pauls) Dauge (* 10. August 1869, † 2. September 1946),[2] arbeitete als Zahnarzt in Moskau. Seine Wohnung in der Telegrafni-Gasse 7 wurde nach Lenins Tod 1924 zu einem Gedenkort, da Lenin sie im Herbst 1918 betreten hatte, um einen Aufsatz abzuholen.[3] Später wurde er Vize-Gesundheitsminister der Sowjetunion.

Ein jüngerer Bruder Alexanders namens Bally verstarb schon im Alter von 15 Jahren in Riga.[4]

Alexander Dauge hatte auch eine ältere Schwester.[5]

Leben

Alexander Dauge erhielt seine Gymnasialbildung von 1882 bis 1886 in der St. Annen-Schule in Sankt Petersburg, einem deutschsprachigen Internat. Im Jahr 1886 schloss er die sechste Klasse der Real-Abteilung der St. Annen-Schule ab.[6] In den Jahren 1886 und 1887 war er Lehrer an der öffentlichen (deutschsprachigen) Schule seines Vaters in Sauka [dt.: Saucken].

In den Jahren von 1887 bis 1890 studierte Dauge Theologie und Geschichte an der Universität von St. Petersburg, von 1890 bis 1895 studierte Dauge Geschichte an der Universität Dorpat (Tartu, Estland).[7]

Alexander Dauge heiratete Anfang der 1890er Jahre Antonia Jassinsky,[8] eine ehemalige Krankenschwester aus einer polnischen Familie.[9]

In seiner Studienzeit in Tartu gehörte Alexander Dauge einer wissenschaftlichen und literarischen Studentengruppe namens „Pīpkalonija“ an, zu der unter anderen auch Alexanders Bruder Paul Dauge sowie Kārlis Kasparsons, Fricis Roziņš-Āzis, Pauls Kalniņš, Jānis Kauliņš, Pēteris Pīpkalējs, Jānis Kovaļevskis, Jānis Jansons-Brauns und der früh verstorbene Dichter revolutionärer Lyrik, Eduards Veidenbaums, gehörten.

Die Mitglieder Studentengruppe „Pīpkalonija“ wurden nach ihrer Rückkehr nach Lettland dort Träger einer Bewegung namens „Neue Strömung“ („Jaunā Strāva“). Die von einer Gruppe Dorpater Studenten herausgegebene Schriftenreihe „Puhrs“, die von Eduards Veidenbaums, Alexander Dauge und Kārlis Kasparsons besorgt wurde, gilt als erstes lettisches Presseorgan, das sich in den Dienst der sozialistischen Idee stellte. In dieser Schriftenreihe erschien – als erstes sozialdemokratisches Dokument in lettischer Sprache – eine von Alexander Dauge verfasste Abhandlung über die Gesetzmäßigkeiten geschichtlicher Entwicklung, in der er die Grundprinzipien des Historischen Materialismus darlegt.[10] Später, in seinen Lebenserinnerungen von 1927, distanzierte Dauge sich vom historischen Materialismus.[11]

Nach seinem Studienabschluss unterrichtete Alexander Dauge von 1895 bis 1897 am Gymnasium in Dorpat. 1897 ging er nach Polen, wo er bis 1900 als Deutschlehrer an einem Gymnasium in Siedlce und von 1900 bis 1907 in Warschau unterrichtete. Er hielt auch Vorlesungen in Deutsch und zur Geschichte an der Warschauer Wirtschaftshochschule.

Im Jahr 1894 wurde Alexanders Sohn Nikolai Dauge geboren,[12] der später in Moskau das Konservatorium absolvierte und ein bekannter Pianist wurde. Am 22. Mai 1905 wurde in Riga Alexanders zweiter Sohn geboren und, wie Alexanders Vater, Georg genannt. Er wurde Maler und Architekt.[13] Zwei weitere Kinder, die zwischen Nikolai und Georg geboren worden waren, überlebten das Kindesalter nicht.[14]

Im Jahr 1907 zog Alexander Dauge nach Russland, wo er bis 1920 Vorträge an der Moskauer Handelsakademie hielt.

Im Jahr 1920 zog Alexander Dauge in das inzwischen von Russland unabhängig gewordene Lettland. Er und seine Familie gehörten zu einer Gruppe von in Russland lebenden Letten, die gegen Kommunisten ausgetauscht wurde, die in Lettland inhaftiert worden waren.[15] Dauge wurde zum Dekan der Fakultät für Pädagogik an der jüngst gegründeten Universität Lettlands in Riga berufen.

Vom 19. Juni 1921 bis zum 26. Januar 1923 bekleidete Alexander Dauge das Amt des Bildungsministers der jungen Republik Lettland, im Kabinett des lettischen Ministerpräsidenten Zigfrīds Anna Meierovics.

Dauge schrieb nicht nur für verschiedene Monatszeitschriften, sondern auch in der Tagespresse. 1927 arbeitete er als Redakteur der Zeitschrift „Latvijas Jaunatne“ und der von A. Ausejs herausgegebenen Monatszeitschrift „Burtnieks“ (dt. etwa: „der Schriftkundige“, der „Schriftgelehrte“).[16] Ab März 1929 war Dauge eine Zeit lang Redakteur des von Arved Berg herausgegebenen „Latwis“.[17]

Dauge beherrschte neun Sprachen: Neben seiner Muttersprache Lettisch auch Russisch, Deutsch, Englisch, Französisch, Estnisch und Polnisch sowie Latein und Alt-Griechisch. Er galt als musikalisch und als ein besonders guter Kenner Goethes und Shakespeares.[18]

Alexander Dauge starb am 11. März 1937 in Riga und wurde dort auf dem Großen Friedhof (Lielie kapi) beigesetzt.[19]

Auszeichnungen

  • Dauge war Träger des lettischen Drei-Sterne-Ordens.
  • 1930 wurde Alexander Dauge mit der Ehrendoktorwürde in Pädagogik geehrt.[20]

Ausgewählte Veröffentlichungen von Alexander Dauge

  • „Moderne Lyrik: Erstes Bändchen: Storm, Keller, C.F. Meyer“. Moderne Deutsche Dichtungen, 9. Lieferung, hrsg. von Alexander Dauge, Verlag: Warschau: W. Mietke, 2. Auflage - Erschienen 1910
  • „Gedanken zur Poesie“ (1910)
  • „Kunst und Kreativität in der Erziehung: Eine Sammlung von Artikeln“ (1911)
  • „Heine-Buch für Schule und Haus“, hrsg. v. Alexander Dauge. Warschau: Mietke 1911, IV, 170 S. – Auch: Leipzig: Fritsche u. Schmidt, 1911
  • „Eine Studie der Geographie“ (1914)
  • „Kultur und Kunst“ (1918–1919)
  • „Die Pädagogik von John Ruskin“ (1920)
  • „Kultūras ceļi“ (1921)
  • „Mūsu lasāmā grāmata“ (1923–1926)
  • „Skolas ideja“ (1924)
  • „Der Schulgedanke und die Aufgaben der Volkserziehung“ (1924)
  • „Kunst und Bildung“ (1925)
  • „Māksla un audzināšana“ (1925)
  • „Šekspīra rakstu antoloģija“ (1925) Shakespeare-Anthologie
  • „Audzināšanas ideāls un īstenība“ (1928)
  • „Manas jaunības zeme“ (1928)
  • „Volfgangs Goethe. Dzīve un darbi.“ Monografija, illustreta. A. Ranka izdevnieciba. Goethe-Monographie von A. Dauge (1936)

Literatur und Quellen

in der Reihenfolge des Erscheinens

  • Alexander Dauge sechzigjährig. In: Rigasche Rundschau, 10. August 1928 (Digitalisat).
  • Alexander Dauge: Buch der Erinnerungen. Aus dem Lettischen übersetzt von Zenta Mauriņa. In: Rigasche Rundschau
    • Teil I: Rigasche Rundschau, Nr. 267, 26. November 1927 (Digitalisat).
    • Teil II: Rigasche Rundschau, Nr. 273, 3. Dezember 1927 (Digitalisat).
    • Teil III: Rigasche Rundschau, Nr. 279, 10. Dezember 1927 (Digitalisat).
  • Alexander Dauge †. In: Rigasche Rundschau, Nr. 58, 12. März 1937 (Digitalisat).
  • Alexander Dauge zum Gedächtnis. In: Rigasche Rundschau, Nr. 59, 13. März 1937 (Digitalisat).
  • Georg Dauge: Erinnerungen meines Lebens. Unveröffentlichtes Typoskript, Berlin, um 1986.
  • Art. Dauge, Aleksandrs (1868–1937). In: Aldis Purs, Andrejs Plakans (Hrsg.): Historical Dictionary of Latvia. Rowman & Littlefield, Lanham, 3. Aufl. 2017, ISBN 978-1-5381-0220-6, S. 88.
  • Armins Ronis: Pieminot izcilo pedagogu Aleksandru Daugi. Latvijas Radio, 22. August 2018, abgerufen am 19. Juni 2024.

(Porträt)-Fotos etc.

  • Porträtfoto von A. Dauge in dem Artikel: Alexander Dauge sechszigjährig. In: Rigasche Rundschau, Nr. 178, 10. August 1928, periodika.lv
  • Zeichnung, die A. Dauge darstellt, von K. Krauzes, aus: Svari Nr. 8, 10. Februar 1922, periodika.lv

Einzelnachweise

  1. Rigasche Stadtblätter, Nr. 49, 7. Dezember 1890: Aufgeboten. Petri- und Dom-K.: ... Kaufmann Emil Arthur Dauge mit Julie Adeline Kummerau, in Moskau (Digitalisat), ähnlich das Aufgebot für den Rigenser Dom im Rigaschen Kirchenblatt, Nr. 49, 7. Dezember 1890 (Digitalisat).
  2. Baltische Historische Kommission (BHK), „Dauge, Pauls (1869-1946)“, bbld.de
  3. Georgi Michailowitsch Drosdow (Hrsg.): Lenin-Gedenkstätten in und bei Moskau. Bildreiseführer. Verlag Planeta, Moskau 1983, S. 117.
  4. Alexander Dauge: Buch der Erinnerungen. Aus dem Lettischen übersetzt von Zenta Mauriņa, Teil II. In: Rigasche Rundschau, Nr. 273 vom 3. Dezember 1927, periodika.lv
  5. Alexander Dauge: Buch der Erinnerungen. Aus dem Lettischen übersetzt von Zenta Mauriņa, Teil I. In: Rigasche Rundschau, Nr. 267, 26. November 1927, periodika.lv
  6. „Zur Jubelfeier des 150-jährigen Bestehens der St. Annen-Schule“, am 3. Januar 1889, Verzeichnis der Zöglinge, welche in den letzten 50 Jahren den vollen Kursus der Schule beendigt haben, 1886, Real-Abteilung, VI. Klasse a) Fundamental-Abteilung: Alexander Dauge. S. 79 (Textarchiv – Internet Archive).
  7. Baltische Historische Kommission (BHK): Dauge, Aleksanders (1868–1937), bbld.de
  8. Armins Ronis: Pieminot izcilo pedagogu Aleksandru Daugi. Latvijas Radio, 22. August 2018, abgerufen am 19. Juni 2024.
  9. Georg Dauge: Erinnerungen meines Lebens. Unveröffentlichtes Typoskript, Berlin, um 1986, 1. Teil, S. 4–5.
  10. Rigasche Rundschau, Nr. 9, 13. Januar 1932, periodika.lv
  11. Alexander Dauge: Buch der Erinnerungen, Teil III. Aus dem Lettischen übersetzt von Zenta Mauriņa. In: Rigasche Rundschau, Nr. 279, 10. Dezember 1927, periodika.lv „Selbst in jener späteren Zeit, wo ich vieles bezweifelte und verneinte, wo ich unter dem Einfluß einseitiger materialistischer Lehren alles Transzendentale ablehnte, fühlte ich tief im Herzen, daß diese meine neue Ueberzeugung auch im Grunde falsch sei und daß ich mich selber um das Beste betrüge, wenn ich mich von jenem großen, unerschöpflichen, unerklärlichen Wunder abwende, vor dem wir alle in Demut das Haupt neigen müssen. In den leidenschaftlichen Tagen meiner Sturm -und Drangperiode, vom revolutionären Fieber ergriffen, wo ich bereit war, alle alten Lehren über Bord zu werfen, fühlte ich dennoch tief in meinem Herzen, daß hinter all diesen Dogmen und Lehren eine ewige Wahrheit verborgen ist, verstandesmäßig unerklärlich, aber dennoch unumstößlich, und ich fühlte, daß meiner Kritik etwas Rohes und Sündhaftes zugrunde liegt. Und ich entsinne mich, wie mir doch in der Seele immer alle widerwärtig waren, die denselben kritischen Standpunkt vertraten, wie ich, die es aber ohne Gewissensbisse und leichtfertig taten. Und ihr naiver Materialismus, dem auch ich ein Zeitlang meinen Tribut entrichtete, allerdings nie ohne ein gewisses Schamgefühl, er schien mir schon damals hohl und diese armselige Weltauffassung im Grunde lächerlich. Nicht einen einzigen Augenblick im Leben hat mich diese Weltanschauung restlos befriedigt. Mir bedeutete sie immer nur einen Uebergang, nur etwas Vorläufiges, nur einen Ersatz für eine andere, tiefere Erkenntnis, die ich ersehnte und auf die ich hoffte.“
  12. Getauft wurde Nikolai Dauge offenbar Ende August 1894, Rigasches Kirchenblatt Nr. 34, 26. August 1894 (Digitalisat).
  13. Georg Dauge: Erinnerungen meines Lebens. Unveröffentlichtes Typoskript, Berlin, um 1986, Frontispiz.
  14. Georg Dauge: Erinnerungen meines Lebens. Unveröffentlichtes Typoskript, Berlin, um 1986, I. Teil, S. 18: „Mein Bruder, der älteste, war 11 Jahre älter als ich. Zwischen uns waren noch zwei Geschwister, die, wie allgemein in jenen Zeiten eine viel höhere Kindersterblichkeit herrschte, noch vor meiner Geburt gestorben waren.“
  15. „Homelands. War, Population and Statehood in Eastern Europe and Russia 1918–1924“, hrsg. v. Nick Baron und Peter Gartell, Anthem Press, 2004, S. 48 (google.de).
    Georg Dauge: Erinnerungen meines Lebens. Unveröffentlichtes Typoskript, Berlin, um 1986, II. Teil, S. 1–2: „In ein nun neues, selbständiges Land siedelten wir im Frühjahr 1920 über. Es war noch Krieg zwischen der Sowjetunion und den Randstaaten. Es war eine Art Waffenstillstand entstanden. Es wurden jedoch schon Verhandlungen geführt. Man hatte sich geeinigt, etwa 25 Kommunisten, die in Lettland im Gefängnis saßen, gegen die gleiche Anzahl in Moskau lebender Lettländer auszutauschen. Mein Vater, der Dozent am pädagogischen Institut in Moskau war, wurde von der Universität Riga angefordert. Wir durften nur persönlichen Bedarf mitnehmen und nur so viel, wie wir selber tragen konnten. […] In einem Wagen der 3. Klasse mit Holzbänken trafen wir mit den anderen «Austauschleuten» zusammen. […] Der Wagen wurde von zwei bewaffneten Milizionären bewacht. Bis an die Austauschstelle bei Sebesch fuhren wir ganze drei Tage, standen dort noch ca. 10 Tage, bis es so weit war, dass man uns austauschte.“
  16. Baltische Monatsschrift, 1. Januar 1927, periodika.lv
  17. „Die Schriftleitung des „Latvis“ teilt mit, daß Herr Dozent Alexander Dauge die Chefredaktion dieses Blattes übernommen habe. Man kann das angesehene lettische Blatt zu dieser Wahl nur beglückwünschen, denn wenn man die vornehme Gesinnung Dauges kennt, dann kann man annehmen, daß gewisse chauvinistische Eskapaden, die in den ruhigen Ton des „Latvis“ jeweils eine unerfreuliche Dissonanz brachten, nun nicht mehr in Erscheinung treten werden. Herr Arved Berg als Herausgeber und Herr Alexander Dauge als Chefredakteur lassen erwarten, daß der „Latvis“ sich zu einem Organ von hohem geistigen Rang ausgestalten wird.“ In: Rigasche Rundschau, Nr. 69, 25. März 1929, periodika.lv Siehe auch: Alexander Dauge †. In: Rigasche Rundschau, Nr. 58, 12. März 1937, periodika.lv
  18. Alexander Dauge zum Gedächtnis. In: Rigasche Rundschau, Nr. 59, 13. März 1937, periodika.lv
  19. „Heute Beisetzung Prof. Dr. A. Dauges. Die Beisetzung des am Donnerstag verschiedenen lettischen Pädagogen und Professors der Lettländischen Universität, Prof. Dr. Dr. h. c. Alexander Dauge, findet heute 1 Uhr mittags vom Konventsquartier der „Fraternitas Livonica“, Weru Str. 6, aus auf dem Großen Friedhof statt.“ In: Rigasche Post, Nr. 14, 14. März 1937, periodika.lv
  20. Dr. h. c.-Feier in der Universität. In: Rigasche Rundschau, Nr. 278, 8. Dezember 1930 (Digitalisat).