„Verfassungstreuer Großgrundbesitz“ – Versionsunterschied

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Der '''Verfassungstreue Großgrundbesitz''', auch '''Vereinigung der verfassungstreuen Großgrundbesitzer''' oder '''Verfassungspartei''', war in den letzten Jahrzehnten der Monarchie eine politische Gruppierung und [[Honoratiorenpartei]] in den [[Cisleithanien|cisleithanischen Kronländern Österreich-Ungarns]], d. h. in Altösterreich. Sie gehörte zum [[Liberalismus|liberalen Lager]].
Der '''Verfassungstreue Großgrundbesitz''', auch '''Vereinigung der verfassungstreuen Großgrundbesitzer''' oder '''Verfassungspartei''', war in den letzten Jahrzehnten der Monarchie eine politische Gruppierung und [[Honoratiorenpartei]] in den [[Cisleithanien|cisleithanischen Kronländern Österreich-Ungarns]], d. h. in Altösterreich. Sie gehörte zum [[Liberalismus|liberalen Lager]].


Der adelige Großgrundbesitz hatte sich Anfang der 1860er Jahre politisch in „Verfassungstreue“ und „[[Feudalismus|Feudal]]-Konservative“ gespalten. Die Verfassungstreuen standen im Lager des [[Deutsch-Liberalismus]] und vertraten ein auf „Besitz und Bildung“ beruhendes [[Wahlrecht]], waren [[Habsburg]]-loyal, übernational, staatserhaltend und zentralistisch ausgerichtet. Das [[Deutschtum]] wurde weniger aus nationalen Gründen verfochten als vielmehr als Garant für den Zusammenhalt der Monarchie angesehen.<ref name="Stekl">Hannes Stekl: ''Adel und Bürgertum in der Habsburgermonarchie 18. bis 20. Jahrhundert''. Oldenbourg Verlag, München 2004, ISBN 3-486-56846-9, S.&nbsp;28f.</ref><ref name="Rutkowski16f">Ernst Rutkowski: ''Briefe und Dokumente zur Geschichte der österreichisch-ungarischen Monarchie''. Band 1: ''Der verfassungstreue Großgrundbesitz 1880-1899''. Verlag Oldenbourg, München 1983, ISBN 3-486-51831-3, S.&nbsp;16 f.</ref>
Der adelige Großgrundbesitz hatte sich Anfang der 1860er Jahre politisch in „Verfassungstreue“ und „[[Feudalismus|Feudal]]-Konservative“ gespalten. Die Verfassungstreuen standen im Lager des [[Deutsch-Liberalismus]] und vertraten ein auf „Besitz und Bildung“ beruhendes [[Wahlrecht]], waren [[Habsburg]]-loyal, übernational, staatserhaltend und zentralistisch ausgerichtet. Das [[Deutschtum]] wurde weniger aus nationalen Gründen verfochten als vielmehr als Garant für den Zusammenhalt der Monarchie angesehen.<ref name="Stekl">Hannes Stekl: ''Adel und Bürgertum in der Habsburgermonarchie 18. bis 20. Jahrhundert.'' Verlag Oldenbourg, München 2004, ISBN 3-486-56846-9, S.&nbsp;28f.</ref><ref name="Rutkowski16f">Ernst Rutkowski: ''Briefe und Dokumente zur Geschichte der österreichisch-ungarischen Monarchie''. Band 1: ''Der verfassungstreue Großgrundbesitz 1880-1899''. Verlag Oldenbourg, München 1983, ISBN 3-486-51831-3, S.&nbsp;16 f.</ref>


Nach dem Verlust der liberalen Mehrheit im österreichischen [[Reichsrat (Österreich)|Reichsrat]], 1888, waren die Verfassungstreuen Teil der ''[[Vereinigte Deutsche Linke|Vereinigten Deutschen Linken]]''.<ref name="Meyers VG">[http://www.zeno.org/nid/20007642849 ''Vereinigte deutsche Linke''.] In: ''Meyers Großes Konversations-Lexikon'', Band 20. Leipzig 1909, S. 48 (zeno.org).</ref><ref>Peter Berger: ''Kurze Geschichte Österreichs im 20. Jahrhundert''. 2. Auflage, Verlag facultas.wuv/maudrich, 2008, ISBN 978-3-7089-0354-5, Kapitel ''Eine europäische Anomalie: „Kakanien“ 1898–1918'', Abschnitt ''Mobilisierung der Wählerschaft'', S. 14 ({{Google Buch |BuchID=wys5ioNNXQ4C |Seite=14}}).</ref> Die Partei spielte eine wichtige Rolle im Wiener Reichsrat; Politiker wie [[Joseph Maria Baernreither]], 1885–1907 im [[Abgeordnetenhaus (Österreich)|Abgeordnetenhaus]], dann im [[Herrenhaus (Österreich)|Herrenhaus]], und [[Karl Stürgkh]], 1891–1907 im Abgeordnetenhaus, später k.k. Minister und Ministerpräsident, waren ihre Vertreter.
Nach dem Verlust der liberalen Mehrheit im österreichischen [[Reichsrat (Österreich)|Reichsrat]], 1888, waren die Verfassungstreuen Teil der ''[[Vereinigte Deutsche Linke|Vereinigten Deutschen Linken]]''.<ref name="Meyers VG">[http://www.zeno.org/nid/20007642849 ''Vereinigte deutsche Linke''.] In: ''Meyers Großes Konversations-Lexikon'', Band 20. Leipzig 1909, S. 48 (zeno.org).</ref><ref>Peter Berger: ''Kurze Geschichte Österreichs im 20. Jahrhundert''. 2. Auflage, Verlag facultas.wuv/maudrich, Wien 2008, ISBN 978-3-7089-0354-5, Kapitel ''Eine europäische Anomalie: „Kakanien“ 1898–1918'', Abschnitt ''Mobilisierung der Wählerschaft'', S. 14 ({{Google Buch |BuchID=wys5ioNNXQ4C |Seite=14}}).</ref> Die Partei spielte eine wichtige Rolle im Wiener Reichsrat; Politiker wie [[Joseph Maria Baernreither]], 1885–1907 im [[Abgeordnetenhaus (Österreich)|Abgeordnetenhaus]], dann im [[Herrenhaus (Österreich)|Herrenhaus]], und [[Karl Stürgkh]], 1891–1907 im Abgeordnetenhaus, später k.k. Minister und Ministerpräsident, waren ihre Vertreter.


Nach den Reichsratswahlen von 1896, für die der Kreis der Wahlberechtigten durch die Einführung einer 5.&nbsp;Wählerklasse aller erwachsenen männlichen Staatsbürger wesentlich erweitert wurde, wurde der Verfassungstreue Großgrundbesitz von Politikern wie [[Oswald von Thun und Hohenstein (Industrieller, 1849)|Oswald von Thun und Hohenstein]] und [[Erwein von Nostitz-Rieneck]], beide Herrenhaus- und böhmische Landtagsmitglieder, sowie Alain [[Rohan (Adelsgeschlecht)|Rohan]], böhmisches Landtagsmitglied, als eigenständige, überregionale Parlamentsfraktion weitergeführt.<ref name="Stekl" /><ref name="Rutkowski16f" />
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== Literatur ==
== Literatur ==
* Ernst Rutkowski: ''Briefe und Dokumente zur Geschichte der österreichisch-ungarischen Monarchie''. Verlag Oldenbourg.
* Ernst Rutkowski: ''Briefe und Dokumente zur Geschichte der österreichisch-ungarischen Monarchie''. Verlag Oldenbourg.
** Band 1: ''Der verfassungstreue Großgrundbesitz 1880–1899''. München 1983, ISBN 3-486-51831-3.
** Band 1: ''Der verfassungstreue Großgrundbesitz 1880–1899.'' München 1983, ISBN 3-486-51831-3.
** Band 2: ''Der verfassungstreue Großgrundbesitz 1900–1904''. München 1991, ISBN 3-486-52611-1.
** Band 2: ''Der verfassungstreue Großgrundbesitz 1900–1904.'' München 1991, ISBN 3-486-52611-1.


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==

Aktuelle Version vom 24. Mai 2024, 17:21 Uhr

Der Verfassungstreue Großgrundbesitz, auch Vereinigung der verfassungstreuen Großgrundbesitzer oder Verfassungspartei, war in den letzten Jahrzehnten der Monarchie eine politische Gruppierung und Honoratiorenpartei in den cisleithanischen Kronländern Österreich-Ungarns, d. h. in Altösterreich. Sie gehörte zum liberalen Lager.

Der adelige Großgrundbesitz hatte sich Anfang der 1860er Jahre politisch in „Verfassungstreue“ und „Feudal-Konservative“ gespalten. Die Verfassungstreuen standen im Lager des Deutsch-Liberalismus und vertraten ein auf „Besitz und Bildung“ beruhendes Wahlrecht, waren Habsburg-loyal, übernational, staatserhaltend und zentralistisch ausgerichtet. Das Deutschtum wurde weniger aus nationalen Gründen verfochten als vielmehr als Garant für den Zusammenhalt der Monarchie angesehen.[1][2]

Nach dem Verlust der liberalen Mehrheit im österreichischen Reichsrat, 1888, waren die Verfassungstreuen Teil der Vereinigten Deutschen Linken.[3][4] Die Partei spielte eine wichtige Rolle im Wiener Reichsrat; Politiker wie Joseph Maria Baernreither, 1885–1907 im Abgeordnetenhaus, dann im Herrenhaus, und Karl Stürgkh, 1891–1907 im Abgeordnetenhaus, später k.k. Minister und Ministerpräsident, waren ihre Vertreter.

Nach den Reichsratswahlen von 1896, für die der Kreis der Wahlberechtigten durch die Einführung einer 5. Wählerklasse aller erwachsenen männlichen Staatsbürger wesentlich erweitert wurde, wurde der Verfassungstreue Großgrundbesitz von Politikern wie Oswald von Thun und Hohenstein und Erwein von Nostitz-Rieneck, beide Herrenhaus- und böhmische Landtagsmitglieder, sowie Alain Rohan, böhmisches Landtagsmitglied, als eigenständige, überregionale Parlamentsfraktion weitergeführt.[1][2]

1896 trennten sich die deutschböhmischen Abgeordneten wegen ihrer Ablehnung der tschechenfreundlichen Sprachenverordnungen von k.k. Ministerpräsident Badeni, der auch die Wahlrechtsreform betrieb, von der Vereinigung. Die Partei zerfiel im Laufe des folgenden Jahres. 33 verbliebene Abgeordnete konstituierten sich im Mai 1897 als Deutsche Fortschrittspartei (nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen, bis 1884 aktiven Partei im Deutschen Reich).[3] Sie verschwand nach der 1907 erstmals wirksamen Wahlrechtsreform von 1906 (siehe Reichsratswahl 1907) mit dem Aufkommen der Massenparteien aus dem Parlament.

Im österreichischen Herrenhaus und in den Landtagen der Kronländer, in denen das allgemeine und gleiche Männerwahlrecht bis 1918 nicht eingeführt wurde, vor allem im Böhmischen Landtag (er wurde 1913–1918 nicht mehr einberufen), spielte die Partei aber noch eine bedeutende Rolle. Im Böhmischen Landtag tat sich ab 1903 Ottokar Czernin, später Minister des kaiserlichen und königlichen Hauses und des Äußern, für die Partei hervor. Rudimentäre Formen einer Parteiorganisation entwickelten sich erst spät.[1] Ein eigentliches Parteiprogramm gab es nicht, auf das politische Tagesgeschehen wurde mit fallweisen Veröffentlichungen reagiert.[2]

Vorsitzende

Literatur

  • Ernst Rutkowski: Briefe und Dokumente zur Geschichte der österreichisch-ungarischen Monarchie. Verlag Oldenbourg.
    • Band 1: Der verfassungstreue Großgrundbesitz 1880–1899. München 1983, ISBN 3-486-51831-3.
    • Band 2: Der verfassungstreue Großgrundbesitz 1900–1904. München 1991, ISBN 3-486-52611-1.

Einzelnachweise

  1. a b c Hannes Stekl: Adel und Bürgertum in der Habsburgermonarchie 18. bis 20. Jahrhundert. Verlag Oldenbourg, München 2004, ISBN 3-486-56846-9, S. 28f.
  2. a b c Ernst Rutkowski: Briefe und Dokumente zur Geschichte der österreichisch-ungarischen Monarchie. Band 1: Der verfassungstreue Großgrundbesitz 1880-1899. Verlag Oldenbourg, München 1983, ISBN 3-486-51831-3, S. 16 f.
  3. a b Vereinigte deutsche Linke. In: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 48 (zeno.org).
  4. Peter Berger: Kurze Geschichte Österreichs im 20. Jahrhundert. 2. Auflage, Verlag facultas.wuv/maudrich, Wien 2008, ISBN 978-3-7089-0354-5, Kapitel Eine europäische Anomalie: „Kakanien“ 1898–1918, Abschnitt Mobilisierung der Wählerschaft, S. 14 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).