Grazer Maschinen- und Waggonbau-Aktiengesellschaft

Kombinierter Dienst- und Postwagen aus der Ursprungsausstattung der Ybbstalbahn in Bosnischer Spurweite, 1898 gebaut.
Der Firmengründer Johann Weitzer.

Die Grazer Maschinen- und Waggonbau-Aktiengesellschaft (vormals Johann Weitzer oder oft schlicht als Graz bezeichnet) war ein österreichisches Maschinenbau- und Fahrzeugunternehmen aus Graz.

Geschichte

Der in Graz gefertigte Triebwagen Type A für die erste Wiener „elektrische“ Straßenbahn (1896)

1854 gründete der aus Friedberg stammende Sohn eines Webers Johann Weitzer (1832–1902), der bei einem Huf- und Wagenschmied in die Lehre gegangen war, in Graz zusammen mit drei Gesellen ein auf seinen Namen laufendes Unternehmen. Ab 1857 residierte diese Schmiede-, Schlosser-, Tischler- und Anstreicherwerkstätte zur Herstellung von Wagen in einer ehemaligen Kadettenschule. 1861 errichtet Weitzer unter dem Namen Wagen- und Waggonfabrik, Eisen- und Metallgießerei Joh. Weitzer eine neue Fabrik mit angeschlossener Gießerei. Diese lieferte bald auch Fahrzeuge für den Bau des Sueskanals. 1872 wird das Unternehmen in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Die Bezeichnung ändert sich in Grazer Waggon- & Maschinen-Fabriks-Aktiengesellschaft vorm. Joh. Weitzer. Ab den frühen 1890er Jahren war die Fabrik Hauptlieferant für Schmalspurfahrzeuge aller Art und elektrische Triebwagen für Schmal- und Normalspur.

Sie war zu dem der erste und größte Erzeuger von Dieselmotoren im damaligen Österreich, schon 1899 wurde der Bau von Dieselmotoren nach den Patenten von Rudolf Diesel und Lizenzen der MAN aufgenommen. Sie dienten vorwiegend zum Antrieb in Fabriken und als Stromerzeuger, im Ersten Weltkrieg wurden sogar zwei Dynamomaschinen an eine Funkstation der k.u.k Marine in Pola geliefert.[1] 1926 konnte der 1000. Dieselmotor geliefert werden.[2] Im Frühjahr 1930 übernahm man die Dieselmotorsparte der durch die Weltwirtschaftskrise angeschlagenen Leobersdorfer Maschinenfabrik.[3][4] Laut einer Werbeanzeige lieferte das Unternehmen 1933 Motoren mit Leistungen zwischen 8 und 3000 PS.[5] So stammen die noch heute existierenden Notstromaggregate des ehemaligen Senders Bisamberg (1933) von der Grazer Maschinen- und Waggonbau-Aktiengesellschaft, es sind dies Vier- und Fünfzylinder mit Leistungen von 400 resp. 500 PS.[6] Auch fuhr die MS Oesterreich am Bodensee von 1928 bis in die 1960er Jahre mit Grazer Dieselmotoren. Nachdem bereits ab den 1910er Jahren Elektrolokomotiven gebaut wurden, versuchte man sich Ende der 1920er Jahre auch im Bau von Diesellokomotiven und benzin-mechanischen Triebwagen nach eigenen Konstruktionen und Lizenzen der DWK.

Vor und im Ersten Weltkrieg war das Unternehmen hochprofitabel, 808.660 Kronen Reingewinn erwirtschaftete man allein im Jahre 1912, es wurde daraufhin eine Dividende von 11 % (1911 waren es 10 %) ausgeschüttet.[7] Der Erste Weltkrieg war für die Grazer Waggon- und Maschinenfabrik ein hervorragendes Geschäft: 1916 beispielsweise erwirtschaftete man 1.256.049 Kronen und 1917 bereits 1.561.244 Kronen Reingewinn, es wurde eine Dividende von 12 % (48 Kronen) ausgeschüttet. Man beschloss eine Kapitalaufstockung von einer Million auf ein Aktienkapital von fünf Millionen Kronen.[8]

Durch die Wirtschaftskrise der zu Beginn der 1930er Jahre und den dadurch bedingten Produktionsrückgang kam das Unternehmen in den Einflussbereich der Simmeringer Waggonfabrik, zu der bereits ab Anfang der 1920er Jahre engere Beziehungen bestanden: 1921 ging man eine Interessensgemeinschaft mit Simmering ein, die vor allem der quotenmäßigen Aufteilung der Lieferungen für den Export diente. Bereits vorher bildete man gemeinsam mit anderen Fabriken ein Waggonbau-Kartell.[9] 1931 galt die Fabrik noch als "überraschend gut beschäftigt".[10] Danach schien es bergab zu gehen, die Aufträge wurden immer weniger. 1934 war ein schweres Jahr für die Firma: infolge der Sanierung des maroden Unternehmens übernimmt die Simmeringer Maschinen- und Waggonbau-Aktiengesellschaft die Aktienmehrheit. Die gesamte Produktion und die Dieselmotorfertigung wurden daraufhin nach Simmering verlegt, lediglich die Schmiede noch in Betrieb gehalten. 1935 wurde die Gießerei geschlossen.[11]

Im Zuge des Anschlusses Österreichs an das Deutsche Reich hielt Adolf Hitler am 3. April 1938 eine Rede in den leerstehenden Hallen der Grazer Waggonfabrik.[12]

Zuletzt firmierte die Gesellschaft ab 1939 unter Grazer Maschinen- und Waggonbau-Aktiengesellschaft, bevor sie 1941 mit der Paukerwerk Aktiengesellschaft und der Simmeringer Maschinen- und Waggonbau-Aktiengesellschaft, die beide in Wien ansäßig waren, zur neuen Simmering-Graz-Pauker Aktiengesellschaft für Maschinen-, Kessel- und Waggonbau zusammengeschlossen wurde. Zwischen November 1944 und April 1945 wurde das Werk im Zuge von Bombardements fast vollkommen zerstört. Nach Kriegsende wurde der Betrieb rasch wieder aufgebaut, von nun an war Graz Standort für E-Lok, Waggon und Triebwagenfertigung des SGP-Konzerns, während Diesellokomotiven und -triebwagen sowie Straßenbahnen in Simmering gefertigt wurden. Der Standort existiert unter der Bezeichnung Siemens AG Österreich noch heute und fertigt Drehgestelle für Lokomotiven, Triebwagen und Waggons.

1891 schuf sich Weitzer außerdem mit der Weitzer János Gép,- Waggongyár és Vasöntöde Részvénytársaság im in der ungarischen Landeshälfte gelegenen Arad, das heute zu Rumänien gehört, ein zweites Standbein. Auch dieses Unternehmen besteht unter dem Namen Astra Vagoane Călători noch heute.

Produkte

Die Grazer Waggonfabrik lieferte das ursprüngliche Wagenmaterial für einen Großteil der Straßenbahnen auf dem Gebiet des heutigen Österreich, wie zum Beispiel der Betriebe in Wien, Graz, Linz, Innsbruck, Salzburg, Klagenfurt, St. Pölten und Gmunden. Auch elektrische Lokalbahnen wie die Florianerbahn, die Innsbrucker Mittelgebirgsbahn, die Übelbacher Bahn, die Stubaitalbahn, die Vorchdorferbahn, die Höllentalbahn Payerbach-Hirschwang und die Gleichenberger Bahn erhielten zur Betriebsaufnahme elektrische Triebwagen aus Graz. 1927 lieferte Graz die Triebwagen der Reihe 220 an die Wiener Lokalbahnen.

Während bereits in frühen Jahren kleinere, technisch auf Triebwagen basierende Elektrolokomotiven gebaut wurden, wurde mit der Reihe Ewp der Pressburgerbahn (später ÖBB 1072) 1914 die ersten Vollbahnmaschinen in Graz gebaut.

Bereits 1899 wurde der Bau von Dieselmotoren aufgenommen, die Firma entwickelte sich rasch zum größten Dieselmotor-Produzenten in Österreich-Ungarn. Der erste Dieselmotor Grazer Fertigung leistete 20 PSe und lief noch bis in die 1930er Jahre.[4] Durch ihre soliden Konstruktionen bekamen die Grazer Dieselmotoren einen hervorragenden Ruf. Ab 1926 versuchte die Firma mit den unter der Leitung von Hugo Güldner erzeugten Dieselmotoren Bauart Hesselmann den Bau von Diesellokomotiven mit elektrischer Kraftübertragung aufzunehmen.[4][13] Die Motoren mit konstanten Drehzahlen erwiesen sich jedoch als wenig geeignet und hatten hohe Ausfallraten. Von den damals gebauten Maschinen der Reihen BBÖ 2020, VT 70 und BBÖ 2070/s existiert nur mehr die letztere, das Einzelstück 2093.01.

Die Grazer Maschinen- und Waggonbau-Aktiengesellschaft war der Hauptlieferant für Schmalspurfahrzeuge in der in Österreich-Ungarn und seinen Nachfolgestaaten weit verbreiteten Bosnischen Spurweite. So stammen u. A. die Wagen der Mariazellerbahn, der Zillertalbahn, Salzkammergut Lokalbahn, Pinzgaubahn sowie den namensgebenden Bosnischen Schmalspurbahnen von Graz. Das Programm umfasse sämtliche Typen an Waggons, wie z. B. Personenwagen, Salonwagen, diverse Güterwagen und Rollwagen zum Transport normalspuriger Waggons.

Außerdem lieferte die Grazer Waggonfabrik diverse Normalspurwagen in großen Stückzahlen an die kkStB, die BBÖ und die ÖBB.

Auch heute noch findet man bei Museumsbahnen sehr viele in Graz gebaute Waggons und Triebwagen.

Bildergalerie

Einzelnachweise

  1. ÖNB-ANNO - Elektrotechnik und Maschinenbau. Abgerufen am 29. Dezember 2019.
  2. ÖNB-ANNO - Zeitschrift des österreichischen Ingenieur-Vereines. Abgerufen am 28. Dezember 2019.
  3. Albert Gieseler -- Grazer Waggon- & Maschinen-Fabriks-Aktiengesellschaft vorm. Joh. Weitzer. Abgerufen am 23. Mai 2019.
  4. a b c Hugo Güldner: Neuzeitliche österreichische Dieselmaschinen. In: Elektrotechnischer Verein in Wien (Hrsg.): Elektrotechnik und Maschinenbau. 48. Jahrgang. Verlag des Elektrotechnischen Vereines, Wien 1930, S. 881.
  5. ÖNB-ANNO - Elektrotechnik und Maschinenbau. Abgerufen am 29. Dezember 2019.
  6. ANNO, Radio Wien, 1933-05-26, Seite 36. Abgerufen am 29. Dezember 2019.
  7. ÖNB-ANNO - Zeitschrift des österreichischen Ingenieur-Vereines. Abgerufen am 29. Dezember 2019.
  8. ÖNB-ANNO - Elektrotechnik und Maschinenbau. Abgerufen am 29. Dezember 2019.
  9. N.N.: Eisenbahn und Industrie. Nr. 1, 1921, S. 5.
  10. N.N.: Eisenbahn und Industrie. Nr. 9, 1931, S. 4.
  11. Albert Gieseler -- Grazer Waggon- & Maschinen-Fabriks-Aktiengesellschaft vorm. Joh. Weitzer. Abgerufen am 23. Mai 2019.
  12. DÖW - Erkennen - Ausstellung - 1938 - Graz - "Stadt der Volkserhebung" - Hitler in Graz - Propaganda für die Volksabstimmung. Abgerufen am 23. Mai 2019.
  13. O. Nebesky: Diesellokomotive mit elektrischer Kraftübertragung, Reihe 2020 der Österreichischen Bundesbahnen. In: Elektrotechnischer Verein in Wien (Hrsg.): Elektrotechnik und Maschinenbau. 46. Jahrgang, Nr. 52. Verlag des Elektrotechnischen Vereines in Wien, Wien 1928, S. 1 ff.